Günter Schmickler
Registriert seit: 11.05.2003 Beiträge: 310 Wohnort: 53842 Troisdorf
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: Sonntag, 20. Aug. 2006 18:39 Titel: Zunehmendes Gewicht des "Duden" |
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Das Rechtschreibwörterbuch des „Duden“ wird von Auflage zu Auflage umfangreicher und – in des Wortes ursprünglicher Bedeutung – gewichtiger. Kam der erste „Reformduden“ von 1996 noch mit 115 000 Stichwörtern aus, so waren es im Jahre 2000 schon 120 000. Die jüngste Ausgabe (2006) wirbt gar mit „rund 130 000 Stichwörtern“. Meine Küchenwaage zeigte folgende Gewichte an: 0,840 kg für 1996, 1,140 kg für 2000, 1,155 kg für 2006. Zwischen 1996 und 2006 also eine Zunahme von 15 000 Stichwörtern und 0,315 kg bedruckten Papiers!
Fünfzehntausend Wörter – das ist eine beachtliche Menge, weit mehr, als ein Durchschnittsbürger in seiner Muttersprache beherrscht. Man schätzt, daß selbst sogenannte Bildungsbürger kaum mehr als etwa 10 000 Wörter „gespeichert“ haben. Und davon sollen höchstens 4000 zum „aktiven“ (= mündlich angewandten) Wortschatz gehören. Das „gemeine Volk“ kommt sogar mit wesentlich weniger Wörtern durchs Leben. Von den Verkäuferinnen des Londoner Fischmarkts Billingsgate heißt es, daß sie gerade mal 400 Wörter des Londoner Cockney-Dialekts beherrschen, dieses bescheidene Vokabular allerdings sehr effizient einzusetzen verstehen .....
So fragt man sich doch unwillkürlich: 15 000 neue Wörter, das 37,5fache des Wortvorrats eines Billingsgater Fischweibs, wo sollen die alle herkommen? Während ich dieser Frage auf den Grund zu gehen versuche, komme ich noch mehr ins Staunen: Einige der mir bekannten „Neuschöpfungen“, die mir im Laufe der letzten Jahre in den Medien aufgefallen sind, suche ich in der jüngsten Dudenausgabe vergeblich: Faschismuskeule, Killerphrase, Leistungserschleichung, Migrationshintergrund, Verrichtungsbox – diese und andere Bereicherungen der deutschen Sprache scheinen in Mannheim nicht der Erwähnung wert zu sein. Vielleicht hat Duden damit die Chance vertan, die Stichwortzahl noch um einige weitere Tausend aufzustocken.
Etwas aufgeschlossener erscheinen die Mannheimer für „denglische“ bzw. „engleutsche“ Neuheiten: „downloaden“ findet sich in neueren Dudenausgaben ebenso wie „updaten“, „upgraden“ und „chillen“. Leider weiß ich nicht, wie viele derartiger Importe aus England und den USA es gibt, denn ich habe nicht die Geduld, den Duden von vorne bis hinten „durchzuflöhen“. Dem Vernehmen nach sollen da immerhin einige Tausend zusammenkommen.
Schließlich stieß ich aber auf eine „Quelle“, aus der die Dudenleute, ich will es vorwegsagen, überreichlich getrunken zu haben scheinen. Ich wurde aufmerksam, um nicht zu sagen hellwach, als ich beim Durchblättern auf eine „Schießbudenbesitzerin“ und kurz danach auf eine „Schwergewichtsmeisterin“ stieß. „Mein Gott,“ dachte ich bei mir, „es ist doch eine alte Jacke, daß man der männlichen Form einer Berufs- oder sonstigen Gruppenbezeichnung nur die Kleinigkeit >-in< anfügen muß, um deutlich zu machen, daß explizit von einer Frau die Rede ist. Die haben doch jetzt nicht etwa ......“, doch, genau das haben sie: selbst allen Benennungen für Gruppen, denen eigentlich niemand, am wenigsten eine Dame, angehören möchte, ist jetzt die weibliche Form auf >-in< zur Seite gestellt. Hier einige Kostproben, in alphabetischer Reihenfolge, die mir beim Durchblättern auffielen:
Arschkriecherin, Bettnässerin, Herumtreiberin, Kampftrinkerin, Klugscheißerin, Korinthenkackerin, Krakeelerin, Rausschmeißerin, Scharfrichterin, Schleimscheißerin, Schmierenkomödiantin, Speichelleckerin, Wadenbeißerin, Warmduscherin.
Da kann man sich eigentlich nur noch an den Kopf fassen und fragen, ob den Verantwortlichen der Dudenredaktion nicht der Gedanke gekommen ist, wie lächerlich sie sich mit solchen Auswüchsen feministischer Sprachpedanterie machen. Allerdings entzieht es sich meiner Kenntnis, ob die „Früchte des Weiblichkeitswahns“ insgesamt dazu ausreichen, die Aufblähung des Stichwortvolumens zu erklären. Vielleicht gibt es Sprachfreunde, die Zeit und Geduld genug aufbringen, um dies herauszufinden. |
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