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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Donnerstag, 22. Jun. 2006 07:34 Titel: Der Schriftsteller Gerhard Wagner, Kultur contra Kommerz |
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Gerhard Gottfried Wagner (* 1. Mai 1950 in Bietigheim / Württemberg) ist ein deutscher Schriftsteller. Er lebt und arbeitet seit 1984 in Stuttgart im Stadtteil Gaisburg.
Beruflicher Werdegang
Gerhard Wagner wuchs ab dem 7. Lebensjahr in Mittelfranken auf. Bereits während seiner Buchhändlerlehre von 1966 bis 1969 in Fürth schrieb Wagner Prosa. Nach dem anschließenden Zivildienst hielt er sich zwischen 1972 und 1974 zweimal für mehrere Monate in Irland auf. Dort lebte er möglichst abgeschieden und einfach auf einer Insel vor der irischen Westküste. Dort entstand die Erzählung „Blick auf die Landkarte“, die dann in dem 1975 erschienenen Erzählungsband „Schönes Wochenende“ abgedruckt wurde.
Seit seiner Rückkehr aus Irland arbeitete Wagner im Buchhandel als „Brotberuf“ - und zwar zweieinhalb Tage die Woche -, um so den Rest der Woche fürs Schreiben verwenden zu können. Wagners schriftstellerische Tätigkeit als freier Autor umfaßt Prosa, Essays und Gedichte.
1975 gründete Wagner das Jahrbuch „Nürnberger Blätter für Literatur“. 1978 erhielt er als Anerkennung für seine Leistungen den Kulturförderpreis der Stadt Erlangen für Literatur. Da Wagner von 1980 bis 1982 ein Priesterseminar besuchte, übergab er die „Nürnberger Blätter“ dem Schriftsteller und Rundfunkautor Reinhard Knodt, der sie als philosophisch-literarische Zeitschrift unter dem Titel „Nürnberger Blätter - Zeitschrift für Philosophie und Literatur“ bis 1985 weiterführte.
1988 erhielt Wagner ein Literaturstipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg als Anerkennung seiner bisherigen Arbeit einschließlich seines „Fahrtenbuch für den Mann im Mond“.
Im Priesterseminar genoß Wagner von 1980 bis 1982 die Unterstufe der dortigen Ausbildung. Richtungsweisendes Erlebnis war für ihn das Erlernen der altgriechischen Sprache und die nähere Kenntnis der Philosophie des Deutschen Idealismus, insbesondere der Philosophie Schellings (Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, 1775-1854). Diese Anregungen vertiefte er in seiner weiteren (unveröffentlichten) literarischen Arbeit, aus der seit 1989 bisher vier aufeinander bezogene Romane entstanden sind.
Der „Gaisburger Marsch“ gegen die Rechtschreibreform
Am 16. Februar 1997 besuchte Gerhard Wagner im Wangener Theaterhaus in Stuttgart eine Podiumsdiskussion „Die rechtschreibreform: eine katastrofe?“ Podiumsteilnehmer waren als Rechtschreibreformkritiker der Lehrer Friedrich Denk und der Schriftsteller Rafik Schami, als Reformbefürworter Professor Lutz Götze, der Bearbeiter des Bertelsmann-Wörterbuchs und somit Repräsentant des Kommerzes. Als Lutz Götze äußerte, die Reform diene auch dazu, „das Niveau der Deutschen dorthin zu drücken, wo es hingehört“, beschloß Wagner, etwas gegen die Rechtschreibreform zu unternehmen. Er begann nach dem Beispiel Friedrich Denks in Bayern im April 1997 in Stuttgart für Baden-Württemberg eine Unterschriftenaktion gegen die Rechtschreibreform, den „Gaisburger Marsch gegen die Rechdschreiprephorm“. Gaisburg ist ein Stadtteil von Stuttgart, und „Gaisburger Marsch“ ist der Name des dortigen populären Eintopfgerichtes. Da Wagner im Stadtteil Gaisburg wohnt und seine Bürgerinitiative von dort ausging, benannte er seinen Protestmarsch nach dem Ortsteil Gaisburg.
Aus dieser Zeit stammt seine Streitschrift: „O sammetes Fell meiner Liebe, PolitikerInnenschelte zur Rechtschreibreform“ (Volksbegehren). In dieser Flugschrift befaßte er sich u.a. auch mit dem Zusammenhang der Reform mit ihrem nationalsozialistischen Vorläufer und dem Verhalten der GRÜNEN, die im baden-württembergischen Landtag unter Vorsitz von Fritz Kuhn, 1989 bis 1992 Professor für sprachliche Kommunikation an der privaten Stuttgarter Merz-Akademie, für die Reform eintraten.
Der Vorsitzende der Jungen Liberalen des Kreises Böblingen, Christian Hoffmann, kam mit seinen Anhängern hinzu und meldete die Volksbewegung schließlich regelrecht als Volksinitiative beim Innenministerium an. Von den Jungen Liberalen stammt die Formulierung „Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens zum Zwecke der Einbringung des Gesetzentwurfs betr. die sofortige Aussetzung der Rechtschreibreform an den Schulen in Baden-Württemberg“. Beim vierten Gaisburger Marsch am Samstag, 12. Juli 1997, in Leonberg (Kreis Böblingen), waren die Jungen Liberalen dann dabei.
Als Angestellter einer Buchhandlung sah Wagner „dicke Kapital-Interessen“ hinter den neuen Schreibweisen. Die Reform der Rechtschreibregeln nütze allein den Verlagen, vor allem denen, die Wörterbücher herausgeben. Dieser Einbruch der Wirtschaftsinteressen ins Bildungswesen müsse gestoppt werden. Gerhard Wagner konnte den Kunden aus Gewissensgründen den DUDEN nicht empfehlen. Er hatte die Kunden darüber aufgeklärt, daß der neue Duden schon jetzt Makulatur sei, und ihnen empfohlen, statt dessen Geschenkgutscheine zu kaufen. Daraufhin wurde er im Juli 1997 entlassen. Dies war eine Warnung für alle anderen angestellten Buchhändler, den Kunden nicht die Wahrheit über den DUDEN zu sagen. Wagner gehört somit zu den ersten Opfern der Rechtschreibreform. Über diese Vorgänge berichtete Dankwart Guratzsch in DIE WELT - http://www.welt.de/data/1997/07/19/679271.html
Zum fünften Gaisburger Marsch am 20. Juli 1997 kam die Lehrerin Hilde Barth aus Eningen unter Achalm von der „Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Baden-Württemberg“ mit einem eigenen Unterschriftenstand hinzu.
Beim sechsten Gaisburger Marsch am Mittwoch, 20. August 1997, in Marbach erhielt Wagner von der Marbacher Zeitung den Ehrentitel „Rechtschreibreform-Rebell“.
Mit seinen Gaisburger Märschen hatte Gerhard Wagner den Anstoß für weitere Unterschriftensammlungen in Baden-Württemberg im Rahmen der Volksinitiative gegen die Rechtschreibreform gegeben. Hilde Barth sammelte allein 5.000 Unterschriften. Hinzu kam in Schopfheim der Buchdrucker Hans-Friedrich Tschamler mit seinem fliegenden Klassenzimmer. Die baden-württembergische Volksinitiative gegen die Rechtschreibreform war mit weit mehr als den erforderlichen Unterschriften erfolgreich.
Wagners Gaisburger Märsche sind ein Teil jener Graswurzelbewegung gegen die Rechtschreibreform, die zunächst die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung dazu bewegten, ihre Reform zu überprüfen:
* Vorschläge zur Präzisierung und Weiterentwicklung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung [= erster Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung; Mannheim (Institut für deutsche Sprache), Januar 1998].
Ferner wurden durch die Bürger-, Volks- und Lehrerinitiativen gegen die Rechtschreibreform auch etliche Eltern ermutigt, für ihre Kinder Klageverfahren vor den Verwaltungsgerichten zu führen. Von diesen waren ungefähr die Hälfte erfolgreich.
Der Rechtschreibreformer Professor Horst Haider Munske trat im September 1997 sogar unter Protest aus der Zwischenstaatlichen Kommission aus. Des weiteren wurde die Kultusministerkonferenz dazu bewegt, der „Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung“ einen „Beirat für deutsche Rechtschreibung“ beizuordnen und im Dezember 2004 einen „Rat für deutsche Rechtschreibung“ einzusetzen und somit die Zwischenstaatliche Kommission zu entmachten. Dieser Rechtschreibrat machte zumindest einen kleinen Teil der Rechtschreibreform rückgängig.
Im Sommer 2000 schrieb Wagner – beflügelt von der Rückkehr der FAZ zur traditionellen Orthographie – in Anlehnung an Heinrich Heines Gedicht „Deutschland, ein Wintermärchen“ ein Gedicht zur Geschichte der Rechtschreibreform: „Aus Deutschland. Kein Kindermärchen“. Er widmete sein Gedicht Friedrich Denk und dessen Sohn Wolfgang, der als erster im Sommer 1996 auf die Parallele zum „Neusprech“ in George Orwells Zukunftsroman „1984“ hingewiesen hatte.
Auszeichnungen
* 1978 Kulturförderpreis der Stadt Erlangen für Literatur
* 1988 Literaturstipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg
* 1990 Jahresstipendium für Literatur des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst in Baden-Württemberg
Literatur
* Gerhard Gottfried Wagner. In: Kürschners Deutscher Literatur-Kalender (darin seit 30 Jahren)
* Dankwart Guratzsch: Kippt die Rechtschreibreform? FDP-Chef Gerhardt will Änderungen mit Bundestagsbeschluß verhindern. In: DIE WELT vom Samstag, 19. Juli 1997, S. 1
* Manfred Riebe; Norbert Schäbler; Tobias Loew (Hrsg.): Der „stille“ Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit. Briefe, Eingaben und sonstige Schriftstücke, St. Goar: Leibniz-Verlag, Oktober 1997, 298 Seiten, ISBN 3-931155-10-2 (Eine Dokumentation von 21 Initiativen gegen die Rechtschreibreform). Darin:
** Brief an den Präsidenten des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Juni 1997. Aktion für eine Volksabstimmung gegen die Rechtschreibreform, S. 65
** Der Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart, Stilz, vom 19. Juni 1997 an Gerhard Wagner: Ablehnender Bescheid, S. 66
* Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS): Unser Kampf gegen die Rechtschreibreform, Volksentscheid in Schleswig-Holstein, Nürnberg 1998, 34 Seiten (auf Seite 33 f. eine Adressenliste aller Bürger- und Volksinitiativen gegen die Rechtschreibreform in den 16 Bundesländern)
Werke
* Gerhard Gottfried Wagner: Anhäufungen. Eine Liebesgeschichte. Illustrationen von Wolfgang Turba. Starnberg: Raith-Verlag, 1971, 70 S., ISBN 3-921121-14-0
* Schönes Wochenende. 3 Erzählungen. Zürich, Köln: Benziger-Verlag, 1975, 125 S.; ISBN 3-545-36240-X
* Die Tage werden länger. Erzählung. Zürich, Köln: Benziger-Verlag, 1978, 179 S., ISBN 3-545-36278-7
* Fahrtenbuch für den Mann im Mond. Prosabilder. Zürich; Frauenfeld: Verlag Nagel & Kimche, [1988], 85 S., ISBN 3-312-00139-0
* Logbook For The Man In The Moon. The Albion-College Review Vol. XV, 1991, University of Albion, Michigan, USA, 1991
* Integralblitz, [Theaterspiel], Inszenierung des 2. Chorlieds der Antigone des Sophokles, gestaltet auf dem Stuttgarter Gaskessel, 1991
* Aus Deutschland. Kein Kindermärchen (unveröffentlichtes Gedicht zur Geschichte der Rechtschreibreform), 2000
Sonstige Veröffentlichungen (Auswahl)
* 1990 Schubart fiebert farbig, Poesie zu Thomas Deyles Gebilden. In: Katalog zu Thomas Deyle, Staatliche Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart 1990, ISBN 3-923 717-63-6
* 1991 Integralblitz, Bildbericht Gaskesselinszenierung, Kundenmagazin Technische Werke Stuttgart, 3/1991, S. 9 (heute: EnBW = Energie Baden-Württemberg AG)
* 1993 Wortstrom, Erzählung zum Neckarprojekt von Edgar Harwardt, Ausstellungsleporello Städtische Galerie, Villingen-Schwenningen 1993
* 1993 Aus dem alten Westen in die neue Mitte, Belehrung. In: „Burg“, Fanzine der „Kreuzritter für Deutschland“, Stuttgart, 1993
* 1993 „Das Tor“, Erzählung zum 100-jährigen Jubiläum des VfB Stuttgart, Ausstellungskatalog der Galerie Atlantis, Stuttgart 1993
* 1993 „Inter-Info“, Poesie zur Fernsehturm-Installation von Branko Smon, Faltblatt der Fernsehturmbetriebsgesellschaft Stuttgart, 1993
* 1994 „Sauerwasserkalk“, Prosa zur Neckar-Installation von Niko Tenten, Akademie Schloß Solitude, Kundenmagazin Technische Werke Stuttgart 7/8 1991, S. 5 (heute: EnBW = Energie Baden-Württemberg AG)
* 1995 Levitation Staatsgalerie [Staatsgalerie Stuttgart, genauer die unterirdische
Stadtbahnhaltestelle „Staatsgalerie“], Zur Aktion von Edgar Harwardt, Städtische Straßenbahnen SSB, Stuttgart 1995, Sonderveröffentlichung der Stuttgarter Straßenbahnen AG >http://www.diedrei.org/Heft_4_06/heft0406.htm<
* 1997 „0 sammetes Fell meiner Liebe“, PolitikerInnenmaulschelle zur Rechtschreibreform (Volksbegehren), Selbstverlag, Stuttgart
* 2003 Gaslicht-Kunstlicht, zur Gaskessel-Installation von Jost Schrader, Kundenmagazin der Neckarwerke 5/2003, S.10 (heute EnBW) - http://www.stadtgedichte.de/
* 2006 Über die Steigbilder von Edgar Harwardt. In: die Drei 4/2006, S. 38 f.
Netzverweise (Links)
* Gerhard G[ottfried] Wagner http://gerhard-g-wagner.de/
* Gerhard Wagner. In: Literarische Gesellschaft Karlsruhe: Autorinnen und Autoren in Baden-Württemberg http://www2.karlsruhe.de/Autoren/inc/su_aut.php
* Bietigheim-Bissingen - http://de.wikipedia.org/wiki/Bietigheim-Bissingen
* Stuttgart-Gaisburg - http://de.wikipedia.org/wiki/Stuttgart-Gaisburg
* Gaisburger Marsch - http://de.wikipedia.org/wiki/Gaisburger_Marsch
* Stadt Erlangen: Kulturpreise und Kulturförderpreise - http://www.kubiss.de/kultur/info/erlangen/projekte/kultprei.htm
* Kunststiftung Baden-Württemberg GmbH, Stuttgart, unabhängige parlamentarische Einrichtung der Kunstförderung - http://www.kunststiftung.net/
http://www.kunststiftung.de/institution/portrait/index.php
* Dankwart Guratzsch: Kippt die Rechtschreibreform? FDP-Chef Gerhardt will Änderungen mit Bundestagsbeschluß verhindern. In: DIE WELT vom Samstag, 19. Juli 1997 - http://www.welt.de/data/1997/07/19/679271.html
(Darin Gerhard Wagners 5. „Gaisburger Marsch“ vom 20. Juli 1997 zum baden-württembergischen Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform vor das Alte Schloß auf dem Stuttgarter Schillerplatz)
* Volksinitiative - http://de.wikipedia.org/wiki/Volksinitiative
* Graswurzelbewegung - http://de.wikipedia.org/wiki/Graswurzelbewegung
* Graswurzelrevolution - http://de.wikipedia.org/wiki/Graswurzelrevolution
* Hilde Barth, Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Baden-Württemberg -
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2474#2474
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1606#1606
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1629#1629
* „Rechtschreib-Rebell“ Friedrich Denk - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3212#3212 und
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Denk
* George Orwell - http://de.wikipedia.org/wiki/George_Orwell
* 1984 (englisch: Nineteen Eighty-Four) - http://de.wikipedia.org/wiki/1984_%28Roman%29
* Großer Bruder (englisch: Big Brother) - http://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fer_Bruder
* Neusprech (englisch: Newspeak) - http://de.wikipedia.org/wiki/Neusprech
* Prof. Dr. Lutz Götze - http://www.uni-saarland.de/fak4/fr41/goetze/mitarbeiter/ma.goetze.html
* Heinrich Heine - http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Heine
* Reinhard Knodt - http://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Knodt
* Fritz Kuhn - http://www.bundestag.de/mdb/bio/K/kuhn_fr0.html und http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Kuhn
* Rafik Schami - http://de.wikipedia.org/wiki/Rafik_Schami (Sein Kampf gegen die Rechtschreibreform an der Seite von Friedrich Denk und entsprechende Literatur werden nicht erwähnt.)
* Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling - http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_Joseph_von_Schelling
* Deutscher Idealismus - http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Idealismus
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Donnerstag, 10. Jan. 2008 12:13, insgesamt 10mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
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: Montag, 26. Jun. 2006 16:30 Titel: Gaisburger Marsch (Volksinitiative) |
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Gaisburger Marsch (Volksinitiative)
Der „Gaisburger Marsch“ war eine Volksinitiative gegen die Rechtschreibreform, die von dem Schriftsteller Gerhard Wager aus Stuttgart-Gaisburg 1997 initiiert wurde. Gaisburg ist durch einen anderen „Gaisburger Marsch“, ein Eintopfgericht, bekannt. Der Unterschriftenaktion Wagners schlossen sich Junge Liberale aus Böblingen an. Sie machten aus der Bürgerinitiative einen „Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens“ gegen die Rechtschreibreform. Im Rahmen dieser Volksinitiative waren 10.000 Unterschriften erforderlich, um die Zulassung eines Volksbegehrens zu erreichen.
Zur Geschichte des Gaisburger Marsches
Nach Bayern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen war Baden-Württemberg mit Wagners Initiative das fünfte Bundesland, in dem ein Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform angestrebt wurde. Doch in Baden-Württemberg staken Versuche, unmittelbare Demokratie zu praktizieren, 1997 noch in den Kinderschuhen. Auch deshalb ist es interessant, die Entstehung und den Verlauf dieser Volksinitiative zu verfolgen.
Die Podiumsdiskussion „die rechtschreibreform: eine katastrofe?“
Am Sonntag, den 16. Februar 1997, besuchte Gerhard Wagner im Wangener Theaterhaus in Stuttgart eine Podiumsdiskussion „Filosofen und füsiker, tunfisch und schikoree: die rechtschreibreform: eine katastrofe?“ Auf dem Podium saßen als Rechtschreibreformkritiker und somit als Vertreter der Sprachkultur der Lehrer Friedrich Denk und der Schriftsteller Rafik Schami, dagegen als Reformbefürworter Professor Lutz Götze, Ordinarius für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Saarbrücken, der Bearbeiter des Bertelsmann-Wörterbuchs und somit Repräsentant des Kommerzes. Moderator war der Journalist Klaus B. Harms, der langjährige Leiter des Feuilletons der Stuttgarter Nachrichten. Rafik Schami sprach sich gegen die Reform aus, gegen den Verlust des „allerschönsten Buchstabens ß“, vor allem aber gegen die Vorgehensweise, die er als zutiefst undemokratisch empfand. Das sei Orwell.
Lutz Götze äußerte, die Reform diene auch dazu, „das Niveau der Deutschen dorthin zu drücken, wo es hingehört“. Das wirkte auf den Künstler Gerhard Wagner wie ein provokativer Impuls. Er trat zum Podium vor und sagte Götze, daß die heutige Rechtschreibreform weitgehend mit der des Reichserziehungsministers Rust übereinstimme. Wenn Götze an dieser Reform festhalte, sei er ein Neo-Nazi. Götze hatte die NS-Rechtschreibreform von 1944 im Vorwort der ersten Auflage seines Bertelsmann-Wörterbuchs von 1996 selber erwähnt:
„Nach der Machtergreifung der Nazis war 1933 erst einmal Schluss mit Überlegungen zur Reform der deutschen Rechtschreibung; das amtliche Regelwerk von 1901/02 wurde bis in die vierziger Jahre unverändert aufgelegt, doch ist heute bekannt, dass Nazi-Reichsminister Bernhard Rust noch 1944 eine Neuordnung der Rechtschreibung auf den Markt bringen wollte, die eine Schreibung vorsah, »die klar, schlicht und stark ist«. Das Kriegsende verhinderte diesen Plan zum Glück.“ (S. 20)
Von der Rechtschreibreform des Dritten Reiches waren 1944 eine Million Exemplare gedruckt. Als Götze erfuhr, daß die Rustsche Reform mit der heutigen weitgehend übereinstimmte, löschte er im nächsten Nachdruck des Bertelsmann-Wörterbuches geschichtsverfälschend diese alarmierenden Sätze.
In einer erst im Jahr 2000 erschienenen wissenschaftlichen Untersuchung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung von Hanno Birken-Bertsch und Reinhard Markner: „Rechtschreibreform und Nationalsozialismus“ wurde die schon früher bekannte sachliche und personelle Kontinuität zwischen der damaligen und der heutigen Reform erneut bestätigt.
Gerhard Wagner beschloß schließlich, etwas gegen die Rechtschreibreform zu unternehmen.
Gerhard Wagners Beweggründe und Argumente
1. Sprachlich-kulturelle Beweggründe
Sprache ist für den Schriftsteller Gerhard Wager ein Wesensmerkmal der Kultur und der Identität der Deutschen. Er empfindet die neue Rechtschreibung als einen „Anschlag auf die deutsche Sprache“, denn sie zerstöre „Zusammenschreibung und Zusammendenkung“ (Leonberger Kreiszeitung 10. Juli 1997). Philologisch gesehen sei „diese Reform einfach Stuß“. (Stuttgarter Zeitung 8. April 1997)
Der Aufwand rentiere sich nicht, wenn das Ergebnis sei, daß ein frischgebackener Ehemann künftig frisch gebacken sein müsse. Wenn die Kultusminister uns künftig „Blumenstängel“ schreiben lassen wollen, warum dann nicht auch „Ängel“? Zuerst sei durch kultusministerielle Rahmenrichtlinien für Deutsch eine Sprachverschlampung gefördert worden. Dann sei das Rechtschreib-Regelwerk der Kultusminister dieser Sprachverschlampung angepaßt worden und sei daher keine Reform. Es handele sich um eine Reform „für Doofe“. Dem entspreche das bayerische Mogeldiktat, das zu einer „phantastischen Verringerung der Fehlerquote“ führte (Schorndorfer Nachrichten 13. Juni 1997).
2. Wirtschaftliche Argumente
Als Buchhändler sieht Wagner „dicke Kapital-Interessen hinter den neuen Schreibweisen“. Die Reform der Rechtschreibregeln nütze allein den Verlagen, vor allem denen, die Wörterbücher herausgeben. Wagner beobachtete, daß 14 verschiedene Verlage auf diesem Markt konkurrieren und mitverantwortlich für die geplante Reform sind (Stuttgarter Zeitung 8. April 1997)
Die Behauptung, die Reform sei kostenneutral, sei reine Propaganda (Schorndorfer Nachrichten 13. Juni 1997). Die Kosten des Abbruchs der Reform seien nur Peanuts gegenüber denen, die entstünden, wenn die Reform durchgeboxt werde (LIFT 06/1997). Dieser Einbruch der Wirtschafts- und dicker Kapitalinteressen ins Bildungswesen müsse gestoppt werden. (Schorndorfer Nachrichten 13. Juni 1997) „Im Dritten Reich habe der Staat in die Bildung eingegriffen, jetzt mache es die Wirtschaft im Verein mit dem Staat.
3. Demokratische Motive
Wagner kritisiert daher, daß auch heute der Staat die Reform auf undemokratische Weise durchsetze (Schorndorfer Nachrichten 13. Juni 1997).
4. Totalitärer antidemokratischer Eingriff in die Sprache
In seiner zwar auf sachlichen Grundlagen beruhenden, aber sehr emotionalen poetischen Flugschrift „O sammetes Fell meiner Liebe, PolitikerInnenschelte zur Rechtschreibreform“ (Volksbegehren) befaßte Wagner sich u.a. auch mit dem Zusammenhang der Reform mit ihrem nationalsozialistischen Vorläufer und dem Verhalten der GRÜNEN, die im baden-württembergischen Landtag für die Reform stritten. Die heutige Rechtschreibreform stimme weitgehend mit der des Reichserziehungsministers Rust überein.
5. Politische Argumente
Die Reform sei ausländerfeindlich; denn das Erlernen der deutschen Sprache werde für die ausländischen Mitbürger noch viel schwieriger. Die Reform schade der deutschen Sprache im Ausland; denn die „Rechtschreibreform“ habe die Zahl der Erstsemester für „Deutsch“ im Ausland enorm gedrückt.
Gerhard Wagners Fazit:
Bei der Rechtschreibreform habe der Kommerz Vorrang vor der Kultur. Es handele sich um eine Reform „von Gaunern für Doofe“.
Musikantengruppe „Pulcinelli kochen Gaisburger Marsch“
Anfangs sammelte Wagner mit jungen Leuten im Stadtteil Gaisburg Unterschriften. Nach dem Kinderlied „Fuchs du hast die Gans gestohlen“ schrieb er eine Fassung, die auf Kultusministerin Annette Schavan gemünzt war.
Mit Kindern und Jugendlichen und Kinder-, Küchen- und richtigen Instrumenten übte er dies Lied ein. Nach dem berühmten Eintopfgericht „Gaisburger Marsch“ und einer Federzeichnung von Tiepolo nannte Wagner seine Musikantengruppe „Pulcinelli kochen Gaisburger Marsch“. Da Wagner im Stadtteil Gaisburg wohnt und die Volksinitiative von dort ausging, nannte er seinen Protestmarsch nun nach dem Ortsteil Gaisburg „Gaisburger Marsch“.
Der erste Gaisburger Marsch
An Christi Himmelfahrt, dem 8. Mai 1997, dem Vorabend von Schillers Todestag, unternahm Gerhard Wagner mit der Matineegesellschaft des Kunstvereins Ludwigsburg, deren Mitglieder schon gegen die Rechtschreibreform unterschrieben hatten, einen Ausflug zum Stuttgarter Schillerdenkmal beim Alten Schloß. In Bezug auf die Äußerung von Professor Lutz Götze im Theaterhaus, das Niveau der deutschen Sprache zu drücken, sprach Wagner dort zu ästhetisch-pädagogischen Gedanken Schillers, das Niveau der Allgemeinheit zu heben. Unterschriftenzettel hatte er auch dabei (Vorbericht: Stuttgarter Nachrichten, 3.5.1997). In der Ausgabe 6/1997 des monatlich erscheinenden Stuttgarter Stadtmagazins LIFT wurde darüber berichtet.
Der zweite Gaisburger Marsch
Zum zweiten Gaisburger Marsch am 8. Juni 1997 trafen sich Wagners Mitstreiter im Theatersaal der Gaststätte „Friedenau“, um mit den „Pulcinelli“ das Lied für Kultusministerin Annette Schavan aufzuführen. Dann zogen sie in die Innenstadt vor das Kultusministerium, um dort das Lied erneut zu spielen. Weil die Rechtschreibreformgegner aber eine schwarz-rot-goldene Fahne und ein Landeswappen mit sich führten, und das Neue Schloß als Sitz zweier Ministerien eine Bannmeile ist, und in solchen das Führen von Hoheitszeichen durch „nichtautorisierte Bürger“ verboten ist, wurden sie von der Polizei des Platzes verwiesen. So zogen sie zum benachbarten Bohnenviertel und sammelten bei dem dort stattfindenden Stadtteilfest Unterschriften.
Der dritte Gaisburger Marsch
Der dritte Gaisburger Marsch fand am Samstag, den 14. Juni 1997, in Schorndorf statt. (Vorbericht: Schorndorfer Nachrichten, 13. Juni 1997). Hier wußte Wagner schon die Berliner Bürgerinitiative „Wir sind das Rechtschreibvolk“ und die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung an seiner Seite. Vom Vorsitzenden des baden-württembergischen Schriftstellerverbandes hatte Wagner keine Unterstützung erhalten. Am Unterschriftenstand wirkten die „Pulcinelli“ mit. Außer Unterschriftenblättern gab es mehrere Flugblätter mit Collagen.
Der vierte Gaisburger Marsch
Friedrich Denk hatte inzwischen den Vorsitzenden der Jungen Liberalen des Kreises Böblingen, Christian Hoffmann, auf Gerhard Wagners Gaisburger Märsche aufmerksam gemacht. Durch Hoffmann wurde aus einer künstlerisch-spontanen Bürgerbewegung ein beim Innenministerium angemeldeter, regelrechter Antrag auf ein Volksbegehren. In der Kleinstadt Leonberg (Kreis Böblingen) kam es am Samstag, 12. Juli 1997, mit den neuen Unterschriftenzetteln zum gemeinsamen vierten Gaisburger Marsch. (Vorberichte: Leonberger Kreiszeitung, 10.7.1997, Stuttgarter Nachrichten, 12.7.1997). Die Jungen Liberalen hatten im FDP-Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt einen Bundesgenossen. Wolfgang Gerhardt wollte, daß sich der Bundestag mit der Reform beschäftige, weil der Bundestag der Gesetzgeber für die Amtssprache sei, so daß das Parlament die zuständige Institution sei.
Die Jungen Liberalen hatten auf dem Böblinger Marktplatz einen Stand, und Wagner gestaltete mit seinen Musikanten, der Leonberger Buchhandlung Bücherwurm, der Leonberger Schelling-Gesellschaft und dem Galerieverein ein Stadtspiel unter dem Motto „Hase, Fuchs und Igel“ in bezug auf das Kultusministerium, auf den Philosophen Schelling und den Aktionskünstler Joseph Beuys, als dessen Anhänger Wagner sich versteht. Joseph Beuys hatte einmal gesagt, daß jeder Mensch fähig sei, am rechten Ort zur rechten Zeit das Rechte zu tun. Darin sei „jeder Mensch ein Künstler“. Die Füchsin steht stellvertretend für die Kultusministerin Annette Schavan, die die Sprache gestohlen habe.
Der fünfte Gaisburger Marsch
Wegen seiner offenen Kritik am reformierten DUDEN hatte Wagner inzwischen seine Anstellung in einer Stuttgarter Buchhandlung verloren. Als Angestellter einer Buchhandlung konnte Gerhard Wagner den Kunden aus Gewissensgründen den neuen Duden nicht empfehlen. Gerhard Wagner hatte die Kunden darüber aufgeklärt, daß der neue Duden schon jetzt Makulatur sei, und sie aufgefordert, statt dessen Geschenkgutscheine zu kaufen. Deshalb wurde er im Juli von seiner Buchhandlung entlassen. Über diese Vorgänge berichtete DIE WELT vom 19. Juli 1997.
Als sich dann die Lehrerin Hilde Barth von der „Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Baden-Württemberg“ aus Eningen unter Achalm meldete, vereinbarten beide als fünften Gaisburger Marsch einen gemeinsamen Auftritt am Sonntag, 20. Juli 1997, beim Alten Schloß in Stuttgart (Vorbericht am 19.7.1997 in DIE WELT). Die Lehrerinitiative kam mit einem eigenen Unterschriftenstand. Wagner dekorierte als Aktionskünstler für den Unterschriftenstand einen Kinderwagen mit Handpuppen und einer Zwille, an deren Gummi ein Kinderschnuller und ein Eisernes Kreuz befestigt waren. Musikalische Begleitung gab es diesmal nicht.
Der sechste Gaisburger Marsch
Am Mittwoch, 20. August 1997, gab es in Marbach einen Unterschriftenstand auf dem Wochenmarkt in der Innenstadt. Danach ging es zum Deutschen Literaturarchiv. Fast alle Mitarbeiter des Literaturarchivs hatten sich auf den vorab in Umlauf gebrachten Unterschriftenlisten eingetragen. Wagner veranstaltete am Schillerdenkmal vor dem Archiv eine „Flugdudenlese“: Er hatte ein Exemplar des neuen DUDEN so aufgeschnitten, daß er einen Block ca. 900 losen Blättern bekam. Er schleuderte ihn in die Höhe, so daß eine Wolke von Blätter heruntertanzte und der (überlebensgroße) Schiller weiß eingehüllt war. Alle Blätter wurden wieder aufgelesen. (Vorbericht: Marbacher Zeitung, 20.08.1997, Nachbericht am 21.08.1997).
Das Ergebnis der Gaisburger Märsche
Die Gaisburger Märsche des Schriftstellers Gerhard Wagners mit seinen Aktionen, wie z.B. dem öffentlichen Zerpflücken des neuen DUDEN, zeigen, was ein einzelner Demokrat und Aktionskünstler mit seinem Einfallsreichtum und seiner Zivilcourage bewirken kann, wie es schon Friedrich Denk im Oktober 1996 mit seiner „Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform“ tat. Wie schon Friedrich Denk, der den Ehrentitel „Rechtschreib-Rebell“ erhielt, so erhielt Wagner in der Marbacher Zeitung den Titel „Rechtschreibreform-Rebell“. Die Kritik beider Rebellen wurde durch die folgenden Ereignisse eindrucksvoll bestätigt.
Wagners Gaisburger Märsche sind ein Teil jener Graswurzelbewegung gegen die Rechtschreibreform, die zunächst die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung dazu bewegten, ihre Reform zu überprüfen:
* Vorschläge zur Präzisierung und Weiterentwicklung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung [= erster Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung); Mannheim (Institut für deutsche Sprache), Januar 1998].
Ferner wurden durch die Bürger-, Volks- und Lehrerinitiativen gegen die Rechtschreibreform auch etliche Eltern ermutigt, für ihre Kinder Klageverfahren vor den Verwaltungsgerichten zu führen. Von diesen waren ungefähr die Hälfte erfolgreich.
Der Rechtschreibreformer Professor Horst Haider Munske trat im September 1997 sogar unter Protest aus der Zwischenstaatlichen Kommission aus. Im Februar 1998 verließ Professor Peter Eisenberg als zweiter prominenter Germanist die Rechtschreibkommission. Des weiteren wurde die Kultusministerkonferenz dazu bewegt, der „Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung“ einen „Beirat für deutsche Rechtschreibung“ beizuordnen und im Dezember 2004 einen „Rat für deutsche Rechtschreibung“ einzusetzen und somit die Zwischenstaatliche Kommission zu entmachten. Dieser Rechtschreibrat machte zumindest einen kleinen Teil der Rechtschreibreform rückgängig.
Es werden u.a. auch Erinnerungen an die Aktionen des 1986 früh verstorbenen Joseph Beuys wach. Gerhard Wagner kann als Vorbild auch für viele andere Künstler gelten. Mit seinen Gaisburger Märschen hatte Gerhard Wagner den Anstoß für weitere Unterschriftensammlungen in Baden-Württemberg im Rahmen der Volksinitiative gegen die Rechtschreibreform gegeben. Hilde Barth sammelte allein 5.000 Unterschriften. Hinzu kam in Schopfheim der Buchdrucker Hans-Friedrich Tschamler mit seinem fliegenden Klassenzimmer.
Die Volksinitiative war mit weit mehr als den erforderlichen Unterschriften erfolgreich. Aber im dadurch erreichten Volksbegehren wären dann innerhalb von 14 Tagen etwa 1,2 Millionen Unterschriften notwendig gewesen, um einen Volksentscheid herbeizuführen. Da diese Hürde für jedes Volksbegehren unüberwindbar hoch ist, verzichtete man auf die Durchführung. Es zeigte sich, daß in fast allen Bundesländern die Hürden der Volksbegehren zu hoch waren und deswegen scheiterten. Nur in Schleswig-Holstein gab es niedrige Hürden. Der Volksentscheid dort war aber auch nur deswegen erfolgreich, weil der Abstimmungstermin mit der Bundestagswahl am 27. September 1998 zusammengelegt werden durfte. Aber dieser Volksentscheid wurde ein Jahr später durch die am Spendentropf interessierter Konzerne hängenden Parteien im Kieler Landtag aufgehoben: Kommerz vor Kultur.
Der Verein „Mehr Demokratie“ organisierte gegen diese gesetzgeberische Knebelung der Bürger Volksinitiativen und Volksbegehren in mehreren Bundesländern. Auch Professor Hans Herbert von Arnim, der diese Vorgänge analysierte, kam im Zusammenhang mit den Volksinitiativen in Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, den Volksbegehren in Berlin, Bremen und Niedersachsen und dem erfolgreichen Volksentscheid in Schleswig-Holstein gegen die Rechtschreibreform am 27. September 1998 in seinem Buch „Vom schönen Schein der Demokratie“ im Jahre 2000 zum Ergebnis, daß die Hürden zu hoch seien. Die Regeln seien so restriktiv und bürgerfeindlich abgefaßt, „daß sie direktdemokratische Sachentscheidungen des Volkes in der Praxis nicht wirklich ermöglichen, sondern umgekehrt eher verhindern. Das gilt nicht für alle Länder, aber doch für viele.“ (S. 210)
Literatur
* Hans Herbert von Arnim: Vom schönen Schein der Demokratie, Politik ohne Verantwortung - am Volk vorbei. München: Droemer Verlag, 2000, 391 Seiten, ISBN 3-426-27204-0
* Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung [Hrsg.]: Regeln für die deutsche Rechtschreibung und Wörterverzeichnis. Berlin: Deutscher Schulverlag, 1944 [Das war die Rechtschreibreform des Dritten Reiches, MR]
* Hanno Birken-Bertsch und Reinhard Markner: Rechtschreibreform und Nationalsozialismus. Ein Kapitel aus der politischen Geschichte der deutschen Sprache. Hg. von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung zu Darmstadt, Göttingen: Wallstein-Verlag, 2000, 136 Seiten, ISBN 3-89244-450-1
* Lutz Götze: Zur Geschichte der Rechtschreibung. In: Bertelsmann: Die deutsche Rechtschreibung. Verfaßt von Ursula Hermann, völlig neu bearbeitet und erweitert von Prof. Dr. Lutz Götze. Mit einem Geleitwort von Dr. Klaus Heller. Gütersloh: Bertelsmann-Lexikon-Verlag, 1996, Seite 20
* Manfred Riebe; Norbert Schäbler; Tobias Loew (Hrsg.): Der „stille“ Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit. Briefe, Eingaben und sonstige Schriftstücke, St. Goar: Leibniz-Verlag, Oktober 1997, 298 Seiten, ISBN 3-931155-10-2 (Eine Dokumentation von 21 Initiativen gegen die Rechtschreibreform)
* Gerhard Wagner: „0 sammetes Fell meiner Liebe“, PolitikerInnenmaulschelle zur Rechtschreibreform (Volksbegehren), Selbstverlag, Stuttgart, 1997
* Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS): Unser Kampf gegen die Rechtschreibreform, Volksentscheid in Schleswig-Holstein, Nürnberg 1998, 34 Seiten (auf Seite 9 eine Übersicht über die unterschiedlichen Bedingungen der Volksinitiativen, Volksbegehren, Volksentscheide in den 16 Bundesländern)
Quellen
* Barbara Schaefer: Eine Katastrofe? Diskussion über die Rechtschreibreform. In: Stuttgarter Zeitung vom 18. Februar 1997 (Bericht über die Podiumsdiskussion „Rechtschreibreform: Eine Katastrofe?“ vom Sonntag, 16. Februar 1997, im Theaterhaus Wangen)
* cgo: Ein Künstler gegen die Rechtschreibreform. „Kapitalinteressen und philologischer Stuß“. Der Schriftsteller Gerhard Wagner sammelt Unterschriften für ein Volksbegehren. In: Stuttgarter Zeitung Nr. 80 vom Dienstag, den 8. April 1997 (Foto von Michael Steinert: Gerhard Wagner. Wagner wird im Artikel als „Sprachbewahrer“ bezeichnet, der neben dem Schreiben auch das Malen und Musizieren pflege. Hier taucht erstmals in der Presse der Begriff „Gaisburger Marsch“ auf, der für den 8. Mai 1997 angekündigt wird.)
* Erster Gaisburger Marsch an Christi Himmelfahrt, den 8. Mai 1997, zum Stuttgarter Schillerdenkmal beim Alten Schloß. Vorbericht:
** stn: Rechtschreib-Protest. Gaisburger Marsch zu Schiller. Stuttgarter Nachrichten Nr. 101 vom 3. Mai 1997, Seite 19, Nachbericht:
** ABRA. Der größte Stuß seit [19]33. In: LIFT, Ausgabe 06 / 1997, Seite 10 (Stuttgarter Stadtmagazin mit Bericht über den 1. Gaisburger Marsch und Ankündigung des 2. Gaisburger Marsches)
* Zweiter Gaisburger Marsch am 8. Juni 1997 zur Kultusministerin Schavan vor das Kultusministerium im Neuen Schloß, dann zum Stadtteilfest im Bohnenviertel
* Dritter Gaisburger Marsch am Samstag, 14. Juni 1997, in Schorndorf, Vorbericht:
** hbp: Aktion gegen „philologischen Stuß“. Stuttgarter Schriftsteller Gerhard Wagner auf dem Markt kontra Rechtschreiprebhorm. In: Schorndorfer Nachrichten Nr. 133 vom Freitag, den 13. Juni 1997
* Vierter Gaisburger Marsch am Samstag, 12. Juli 1997, in Leonberg (Kreis Böblingen), Vorberichte:
** Stephanie Link: Mit Schelling gegen Rechtschreibreform. Schriftsteller Gerhard Wagner will Leonberger Stimmen für ein Volksbegehren gewinnen. In: Leonberger Kreiszeitung vom Donnerstag, 10. Juli 1997 (Foto Stephanie Link: Gerhard Wagner)
** stn: Volksbegehren im Land gegen Schreibreform? In: Stuttgarter Nachrichten vom 12.Juli 1997, Nachbericht:
** Junge Liberale gegen Rechtschreibreform. In: Stuttgarter Zeitung vom 14. Juli 1997
** Südwesten macht gegen Rechtschreibreform mobil. In: DIE WELT vom 14. Juli 1997, S. 2
* Fünfter Gaisburger Marsch am Sonntag, 20. Juli 1997, beim Alten Schloß in Stuttgart, Vorberichte
** Dankwart Guratzsch: Kippt die Rechtschreibreform? FDP-Chef Gerhardt will Änderungen mit Bundestagsbeschluß verhindern. In: DIE WELT Nr. 166 vom Samstag, 19. Juli 1997, S. 1
* Sechster Gaisburger Marsch am Mittwoch, 20. August 1997, in Marbach, Vorbericht:
** Mit „Gaisburger Marsch“ gegen Rechtschreibreform. In: Marbacher Zeitung, Bottwartal-Bote Nr. 191, vom Mittwoch, 20. August 1997, Nachbericht:
** Rechtschreibreform-Rebell war in der Schillerstadt auf Stimmenfang. Gaisburger Marsch gegen Rechdschreiprebhorm. Das Volksbegehren in Baden-Württemberg. In: Marbacher Zeitung Nr. 192 vom Donnerstag, 21.August 1997, Seite 11
Netzverweise (Links)
* Unmittelbare Demokratie - http://de.wikipedia.org/wiki/Direkte_Demokratie
* Volksinitiative - http://de.wikipedia.org/wiki/Volksinitiative
* Graswurzelbewegung - http://de.wikipedia.org/wiki/Graswurzelbewegung
* „Rechtschreib-Rebell“ Friedrich Denk - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3212#3212 und http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Denk
* Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform - http://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Erkl%C3%A4rung_zur_Rechtschreibreform
http://www.vrs-ev.de/resolutionen.php#denk
* Der Rechtschreibreformer Peter Eisenberg - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=241
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=602#602
* Prof. Dr. Lutz Götze - http://www.uni-saarland.de/fak4/fr41/goetze/mitarbeiter/ma.goetze.html
* Nachruf auf Klaus B. Harms - http://www.geistesleben.com/diedrei/drei012000/nachruf.html
* Horst Haider Munske - http://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Haider_Munske
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=264
* Bernhard Rust - http://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Rust
* Rechtschreibreform und Nationalsozialismus - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=296
* Reform der deutschen Rechtschreibung von 1944 - http://de.wikipedia.org/wiki/Reform_der_deutschen_Rechtschreibung_von_1944
* Rafik Schami - http://de.wikipedia.org/wiki/Rafik_Schami (Sein Kampf gegen die Rechtschreibreform an der Seite von Friedrich Denk und entsprechende Literatur werden nicht erwähnt.)
* Annette Schavan - http://de.wikipedia.org/wiki/Annette_Schavan (Von ihrer Rolle bei der Durchsetzung der Rechtschreibreform ist nichts erwähnt)
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=457
* George Orwell - http://de.wikipedia.org/wiki/George_Orwell
* Berliner Bürgerinitiative „Wir sind das Rechtschreibvolk“ - http://www.rechtschreibvolk.de.
* Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (DASD) http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Akademie_f%C3%BCr_Sprache_und_Dichtung
* Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung - http://de.wikipedia.org/wiki/Zwischenstaatliche_Kommission_f%C3%BCr_deutsche_Rechtschreibung* DIE WELT über Gerhard Wagners 5. „Gaisburger Marsch“ am 20. Juli 1997 - http://www.welt.de/data/1997/07/19/679271.html
* Schelling-Gesellschaft- http://www.schellingges.mwn.de/gesellschaft.html
* Galerieverein Leonberg - http://www.galerieverein-leonberg.de/
* Zwille - http://de.wikipedia.org/wiki/Zwille
* Joseph Beuys - http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Beuys
* Aktionskunst - http://de.wikipedia.org/wiki/Aktionskunst
http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Aktionskunst
* Kategorie „Aktionskünstler“ -
http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Aktionsk%C3%BCnstler
* Performance (Kunst) - http://de.wikipedia.org/wiki/Performance_%28Kunst%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Performance
______________________________________________________________
Anmerkungen:
Dokumentation einer Graswurzelbewegung
Bei meiner Arbeit an den Gaisburger Märschen des Stuttgarter Schriftstellers Gerhard Wagner fragte ich mich, ob diese, außer in Zeitungsartikeln auch in der Literatur festgehalten worden seien. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. In vorliegendem Fall kann man sagen: Man übersieht vor lauter Gras einer miteinander verflochtenen Graswurzelbewegung ein bestimmtes Rasenstück-Detail.
Kurz: Zwei Dokumente der Gaisburger Märsche Gerhard Wagners wurden schon im Oktober 1997 abgedruckt in der Dokumentation der rechtschreibreformkritischen Bürgerinitiativen bzw. der bundesweiten rechtschreibreformkritischen Graswurzelbewegung:
* Manfred Riebe; Norbert Schäbler; Tobias Loew (Hrsg.): Der „stille“ Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit. Briefe, Eingaben und sonstige Schriftstücke, St. Goar: Leibniz-Verlag, Oktober 1997, 298 Seiten, ISBN 3-931155-10-2 (Eine Dokumentation von 21 Initiativen gegen die Rechtschreibreform) |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Montag, 03. Jul. 2006 23:02 Titel: Aus Deutschland. Kein Kindermärchen |
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Aus Deutschland. Kein Kindermärchen
Von Gerhard Gottfried Wagner
Vorwort
Das nachstehende Gedicht schrieb ich im diesjährigen Sommer zu Stuttgart, weil mich die freiere Luft der Frankfurter Allgemeinen Zeitung durchatmen ließ – und ganz bestimmt nicht mich alleine. Sie hatte nämlich Konsequenzen gezogen. Und vorher das Kind beim Namen genannt. Oder war es ein Kalb? Nein, es war eine Kuh! Erzeugt von ehrsüchtigen Weltverbesserern und mit dem Altpapier einer ranzig gewordenen Gleichmacherei gemästet, war ihr von langfingrigen Managern ein Strick um den Hals geknotet worden, um unter dem Jubel journalistischer Wegelagerer von bedenkenlosen Kultusministern auf das Eis des nationalen Dorfteichs gezogen zu werden: „Diese Rechtschreibreform ist das dümmste und überflüssigste Unternehmen der deutschen Kulturpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg“ (Thomas Steinfeld, Frankfurter Allgemeine Zeitung). Stimmt. Aber nicht ganz. Verwirklicht doch diese Reform in gerade ihren destruktivsten Elementen nur jene Absichten, welche der damalige Reichserziehungsminister Rust mit dem Motto „Großdeutschland braucht die modernste Schreibung der Welt“ verfolgt hatte.
Täterkultur hin, Erinnerungsarbeit her, die Gegner dieser damals ausgebrüteten, vom „Führer“ wegen des Kriegsverlaufs zurückgepfiffenen, nach dem Krieg in beiden Teilen Deutschlands von denselben „Fachleuten“ und danach von deren Schülern vorangetriebenen, nach dem Fall der Mauer endlich „durchsetzbar“ gewordenen, „modernsten Schreibung der Welt“ sind von dem damaligen Chef der „Grünen“ des Stuttgarter Landtags – immerhin ein Sprachprofessor - in der Lokalpresse angebräunt worden. Das war 1997. Und dabei hatte es der „Führer“ ja gerade andersherum gemeint! Aber wenigstens sorgte mittlerweile die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in einer Publikation für die nötige Aufklärung. . .
Jedenfalls hat sich die Frankfurter Allgemeine im Jahr 2000 dazu entschlossen, die altbewährte Schreibung beizubehalten, zumal ja die mit Schambeschweigung verhüllte, milliardenschwere „Prüfungsphase“ erst im Jahre 2005 abgeschlossen sein wird. Diese leserfreundliche Entscheidung begeisterte die Gebildeten aller Kontinente – und mich hat sie durchatmen lassen.
Doch die Kuh steht auf dem Eis. Zwar haben des Hornviechs schamdurchglühte Hufe das Eis noch nicht vollends durchschmolzen, aber schon bis zu den Hachsen steht das arme Tier vor aller Welt und muht, daß die Rechtschreibung nicht für lernschwache Schulkinder, sondern für die Lesbarkeit da sei.
Und wer sich im Ausland nicht wundert, spottet über dieses Volk von „Dichtern und Denkern“, das inzwischen seine Kopfrechner aus aller Welt heranbetteln – und daheim mitanschauen muß, wie seine einst von aller Welt geliebte und wegen ihrer Genauigkeit so bewunderte Sprache von den selbstgewählten Politikern beschädigt wird.
Die Kuh steht auf dem Eis. Zwar haben des Hornviechs schamdurchglühten Hufe das Eis noch nicht vollends durchschmolzen, aber schon bis zu den Hachsen steht das arme Tier vor aller Welt im Wasser. Die millionenschwere Kuh wird
3
versinken, falls sich die Verantwortlichen nicht doch noch dazu ermannen sollten, sie aus ihren Löchern zu hieven und in ihren Stall zurückzuführen. Sie machten sich dadurch zu wahren Helden der Demokratie, deren Ansehen sie schwer beschädigten, indem sie dies Machwerk gegen den wiederholt erklärten Protest der Bevölkerung durchgeboxt hatten – gegen alle ausführlich begründeten Einwände aus dem In- und Ausland. Dies konnte ihnen nur gelingen, weil sie die Chuzpe besaßen, mit Hilfe von eingeschüchterten Beamten den schwächsten Teil des Volkes kollektiv als Geisel zu nehmen: Die Schulkinder.
Alles, was sich zu diesem Vorgang sagen läßt, ist bereits gesagt. Ich wollte also nur in Versen erzählen, was ich dabei so erlebte, und mich dabei auch nicht mit jenem deutschen Dichter messen, dessen Bücher von den Großvätern dieser „Rechtschreibreform“ ins Feuer geworfen worden waren. Gewidmet sei dies Gedicht dem Friedrich Denk und seinem Jungen, der als Schüler 1996 angesichts der „reformierten“ Wörterliste ganz zu recht zu sagen wußte: „Orwell“.
September 2000
I
Im lustigen Monat Oktober wars,
zur Frankfurter Messe der Bücher,
da riß ein Blatt das Land aus dem Schlaf,
und schon war’s mit Ruhe hinüber.
Dies Blatt war nicht übel beschriftet,
- Protest gegen die „Rechtschreibreform“ -
so daß, wes Stimme gewichtig,
sich anschloß dem Blatte voll Zorn.
4
Im Zorn, der nur quillt aus der Liebe,
ein Schulmann dies Blatt hatt’ verfaßt,
nachdem ihn gewißlich wie Hiebe
geschmerzt, was nunmehr fast jeder nur haßt.
Es war zum „Schienen verbiegen“,
was an der Sprache die Herren vollbracht:
Die Einheit von Denken und Schreiben
Sie brachen wie Diebe zur Nacht.
Denn um es „durchzusetzen“,
hatten ihr Werk sie gezeigt
alleine den Staatsbürokraten,
und nicht der Öffentlichkeit.
Denn diese war schon in früheren Jahren
Stets wach und auch immer bereit,
sich anderer Torts zu verwahren –
ganz jener „Lümmel“, der schreit.
Drum diesmal die Herren Experten
schlauer wurden als zuvor,
so daß sie ihr Machwerk versteckten,
ganz mit dem Staate d’accord.
II
Nach Ländern von Norden bis Süd
Der Weststaat geordnet war,
und seit hinzukam der Osten,
belebt’ sich ‘ne uralte Schar.
5
Trübe Gespenster erstunden:
Wie alter Wein in neuem Schlauch,
kam Gleichheit nun wieder vor Freiheit –
da gleich ist allein doch der Bauch.
Es ging nicht um Zuckererbsen,
die jeder ganzjährlich nun hat.
Die Sprache war’s, die schwierig-schöne deutsche,
die außer „Flammenbächen“ auch Genauigkeit hat.
Ein Dorn im Aug’ die deutsche Sprache war
Den Gleichheitsfanatisten
Vom Neckar und der Neiße,
denn freie Feinheit schmeckte nicht vereinten Sozialisten.
Sei doch der große Reichtum
der deutschen Sprache bloß Zweck,
Proleten und Migranten zu halten
von aller Bildung weg.
Weil nicht sein konnt’, was nicht sein durft’,
- nämlich Unterschiede –
verwalzten fleißig nun die Herrn
die Vielfalt der Sprache rigide.
So tat Expertenstursinn,
sich zu einen gar nicht schwer
mit Gleichheitsfanatisten.
Die kamen von der Straße her.
Dort hatten sie einst geschrieen,
um zügig zu schaffen ihr Reich
der Gleichgemachten. Und hocken inzwischen
und winden, in federnde Sessel so weich.
6
Was nur Zerstörung gewesen,
hießen sie „Chancengleichheit“,
verbargen die Pläne, solang’ es nur ging,
und nannten ihr Sinnen gar „Freiheit“.
Dies sollte nach jener der Währung
die „innere Einheit“ nun sein,
- die wahrhaft ideelle –
darüber so mancher erschrak bis in’s Bein.
III
Es gibt im Lande der Schwaben
so große Geister zuhauf,
daß ein beliebtes Lied tut sagen:
„Die fallen uns gar nicht mehr auf“.
So wähnen sich – wie überall –
die Menschen hier ein wenig heller,
auch wenn es oft vom Schwaben heißt,
er ging’ zum Lachen in den Keller.
Weil meine Asche noch nicht füllt
die Wandung einer Urne,
leb’ gern ich noch als kleiner Poet
zu Stukkert am Nekkerstrome.
Hier lebt’ ich seit vielen Jahren,
verdiente redlich mein Brot
in einem Bücherladen,
und litt auch keine Not.
Litt keine Not, auch wenn ich
drei Tage die Woche nur fuhr
in meinen Bücherkoben –
die anderen Wochentage, sie galten der Literatur.
Es war nicht lang nach der Messe,
als hielt vor dem Koben ein Wagen:
Drei Paletten neuer DUDEN,
da gab es ‘was zu tragen.
Alarmrot bedruckt die knallgelben Schinken
mit „amtlicher“ Beglaubigung.
so tief das Herz mir wollte sinken,
vor Wollust schier die Kass’ zersprung.
Erlogen war die Amtlichkeit
nach Art von Schlapphutagenten,
denn den „Experten“ war bekannt
daß alter Regeln Gültigkeit zwei Jahre später erst sollt’ enden.
Noch dreister indes ein anderer Zug
der Buben vom DUDEN gewesen,
zu drücken hoch den Kontostand
bei minimalen Spesen.
Es sollte nämlich jedermann,
der brächte den alten (den guten),
in jedem Koben erhalten
Prozente für den neuen DUDEN.
Auch wenn der knallgelbe Neue
noch lange nicht gültig und voll
von Widersprüchen war,
tauschten die Schwaben gar treue,
als wären sie alle toll.
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Und flink wie Achtelnoten
flogen im Koben so dicht
die guten Bücher zu Boden,
und die Paletten reichten nicht.
Die Noten sie drehten sich schneller,
es war ein düsterer Sog
gigantischer Büchervernichtung,
vor Geld floß über der Trog.
So hatte man gezogen
die Mütze dem Volke bis unter das Aug’,
dann auf die Ohren geschlagen,
daß beide klingelten taub.
Und es europaweit schallte.
Und in den Mund, der offen vor Schreck,
dem Volk man schob den Preisnachlaß
als Lolli-Lebenszweck.
Doch war es mit dem DUDEN
noch lange nicht genug,
denn zu verfassen flugs sein eig’nes Wörterbuch
war jeder der „Experten“ schon lange klug genug.
Bald war das erste Dutzend
von solchen Büchern erreicht,
nur daß kaum jemand bemerkte,
wie keines dem anderen gleicht.
Auch wenn’s in der Allgemeinen
aus Frankfurt zu lesen war,
scherte das Chaos kaum einen,
im Koben hieß es nur „bar“.
Nach diesem Bargeld ja dränget
bekanntlich die ganze Welt,
und wenn daran noch Lüge klebt,
gleich zweifach die Münze zählt.
Muß doch am Ende der Konsument,
sind erst die Fehler aufgehoben,
erneut an die Kasse heran:
Reibach wie bei harten Drogen.
Daher nach vielen Protesten
kundiger Menschen von Welt
die Herren des DUDEN bedachten,
wie aus Geld noch zu machen mehr Geld.
Sie kündigten gewunden
die Neuauflage an,
um somit zu bekunden,
daß ihre Fehler sie nicht wollten lassen stahn.
Doch war nicht ein jeder beschränket,
der diesen Koben besuchte,
es ließ hier nicht alleine sein Geld
der in Skepsis Unterbetuchte.
Drum fiel es mir täglich schwerer,
die so geliebte Arbeit zu tun.
Zu viele Betuchte mich fragten,
ob sie denn kaufen sollten nun.
Ich riet nach bestem Wissen
Zu warten mit ‘nem Entschluß,
es kämen bald schon neue Bücher,
worinnen verbessert der Stuß.
Dies mochte nicht dulden der „Vater“
des Kobens und der angestellten Kinder.
Denn diese hatten zu springen:
Auch für den neuen Zwölfzylinder.
So kam es, wie es kommen mußte,
der Prinzipal verbot
mir solche Kundengespräche.
Darob mein schlichtes Herze geriet in große Not.
IV
Zu Stukkert am Nekkerstrome
steht ein Theaterhaus.
Dort gehen die alternativen Barone
und Baronessen ein und aus.
Theater gibt’s und Diskussionen
sonntags-nachmittäglich,
dem Sonntag wenig angemessen,
verläuft der Streit nicht immer redlich.
Das kommet, wenn erwacheter „Lümmel“
vor Licht die Stirn sich reibet,
geschlossen sein von deutschem Dünnsinn
gebleichetes Auge noch bleibet.
Und wenn er es dann öffnet
im warmen Theaterlicht,
gereiht er hinter’m Bühnentisch
die Diskutanten erblickt.
Er sieht eine Reihe von Büchern
am Mikro jenes Diskutanten,
der als Schulmann den Kultusministern
als erster fuhr an die Planken.
Mit vollen Backen lächeln
den „Lümmel“ im Theatersessel an,
die Rücken von zwei Dutzend Wörterbüchern.
Der Schulmann hat sie auf den Tisch getan.
Am anderen Ende der Reihe
der „Lümmel“ sitzen sieht
des Schulmanns Kontrahenten:
Der war mit seinem neuen Jeep
zur Diskussion gekommen,
gesetzt und sehr liquid,
mag ihm das Honorar bekommen,
von diesem Herrn ein neues Wörterbuch es gibt.
Der Herr war als Professor
- „Deutsch für AusländerInnen“ –
ein tüchtiger Prozessor,
zu schaden der Sprache im Ausland von innen.
Denn heute, so an die zwei Jahre nur später,
dies Machwerk von „Rechtschreibreform“
gedrückt hat die Zahl der Erstsemester
für „Deutsch“ im Ausland enorm.
So stritten die Kontrahenten
zu Stukkert im Theaterhaus,
das Blatt indes der patten Diskussion zu wenden –
der „Lümmel“ war drauf aus.
Und mischte sich aus seiner Reihe
an die Bühne vor,
vorzuhalten dem Professor,
er sei ein Neo-Nazi stur.
12
Ein Neo-Nazi nur, solang’ er hange
dem weiland „Reichs-Erziehungs-Minister“ an,
der damals schon alles so plante,
wie es nun heute stehe an.
Denn gerade die mißlichsten Griffe
der heutigen Rechtschreibreform,
sie gingen mit jenen Versuchen
des „Reichs-Ministers“ konform.
Was außer all dem unsagbaren Leide,
indem sie die Juden vertrieben,
die Deutschen selbst sich angetan,
sei auf demselben Blatt geschrieben:
Denn so wie makrokosmisch
der „Lümmel“ ohne die Juden verarme,
die Sprache mikrokosmisch
durch diese „Reform“ nur darbe.
Da schwoll der Herr Professor
gar wie zu einem Hüpfball an,
der aus einer Hundehütte
nur platzend sich befreien kann.
Und es befreite sich
in hemmungsloser Dröhnung
das alte Totschlag-Argument:
Der „Lümmel“ da betreibe nur „Opferverhöhnung“!
Soviel vom Theaterhaus
zum Thema „Diskussionen“.
Da setzte eine Zeitung noch ein’s drauf,
indem sie Prominente lud, doch deren „Positionen“
13
dem Leser darzubringen.
Und als der Landtagsober“Grüne“
- der Herr ist Sprachprofessor –
in seiner Schreibe sich erkühnte,
die Gegner der „Reform“ recht anzubräunen,
„tümelnder“ Liebe zur Sprache zu zeih’n,
dachte ich, es gelte einzuschenken
mit einem Volksbegehren reinen Wein.
V
Damit im Ländle begehre
der „Lümmel“ nicht allzuoft auf,
reichen die Volksbegehrenshürden
schier bis zum Himmel hinauf.
Nach zwanzigtausend Unterschriften
gelte das Begehren erst,
wenn zwei Millionen auf den Listen,
war es der Mühe wert.
Denn erst nach den beiden Millionen
im Stukkerter Landtag berät
des großen „Lümmels“ Begehren
der Bezieher von Diät.
Um die ersten Zwanzigtausend
alsbaldig zu gewinnen,
hofft’ ich, die Unterschriftenlisten auch
in einer Zeitschrift unterzubringen.
14
Ich rief des Poetenbetriebes
einflußreiche Hauptfrau an,
ob sie in ihrem Magazine
nicht solche Listen drucken kann.
Im Ländle man sich brüstet gerne
der allerbesten Waffen
- besonders in new commerce –
solange man mit moral courage nur habe nichts zu schaffen.
Also sprach Betriebes Mutter
mit Frau Minister ganz konform,
es gebe doch größ’re Probleme
als diese „Rechtschreibreform“.
Zum Beispiel Arbeitslosigkeit.
Daß sie vergleiche hier Äpfel mit Birnen,
das focht die Dame nicht an.
Belemmert ging ich nach innen.
Dort habe ich bald gefunden,
weshalb war die Dame nicht nett:
Ihr Magazin vom Ministerium
bedacht war mit ‘nem Scheck.
In mir blieb ich nicht sehr lang’
und bat gar höflich die Spitze
des Schriftsteller-Landesverbandes
um freundlichen Abdruck der Liste.
„Dies Thema interessiert mich,
wie wenn im Neckarhafen
ein Sack Getreide falle um“,
entwich es diesem Braven.
15
Und als er wenig später
zum Bundeschef erkürt,
und die „Reform“ von dem Verband verworfen,
sein Name führt’ den Aufruf an,
ganz stolz und ungeniert.
So fing ich mit zwei Helfern
ganz klein zu sammeln an,
als bald sich bei mir rührte
ein forscher junger Mann.
Er wolle verhindern helfen,
daß dieser Alptraum werde wahr,
und hatte von fleißigen Helfern,
gleich eine ganze Schar.
Er war von Leonberg bei Stukkert,
wo Schelling kam zur Welt,
und heut’ beim Schloß ein Gefängnis
das Ländle unterhält.
Ich wollte, daß – mit gutem Recht –,
Gefangene bekämen
die Unterschriftenlisten.
Die Antwort des Direktors sollt’ diesen Staat beschämen:
„Es könne eine Stelle
des Staats nicht unterstützen,
was nur dem Kampfe gegen die Entscheidung
‘ner anderen Stelle tät nützen“.
Des ungeachtet prasselten,
wie wenn ganz leicht die flache Hand
‘nes Pflaumenbaumes Stamm nur tätschelt,
Unterschriften aus dem ganzen Land.
16
Und weil sich schien Frau Kultusminister
um die Verfassung nicht zu scheren
- Umgehung des Parlaments –
wollt’ einmal aktionistisch die Sache ich ‘mal klären.
In Stukkerts Mitten steht ein Schloß,
worin die Dame dirigieret,
es ist der weite Innenhof
mit Pflastersteinchen hübsch verzieret.
Darunter liegt der Mutterboden,
darüber ein Brunnen plätschert,
nicht weit, vor gar nicht vielen Jahren
den Schiller hier ein Herzog hat geträtzet.
Und an dem Brunnenrande
war’n Pflastersteine losgetreten,
als hätt’ ich sie für diese Sache
mir förmlich auserbeten.
Ich klaubte sonntags der Steine so viele,
wie es verschiedene Wörterbücher gab
in meinen Öko-Beutel auf,
ganz langsam, am hellichten Tag.
Ich warf sie in das Fenster
der Frau Minister nicht hinein,
trug sie vielmehr nach Hause,
und schrubbte sie dort rein.
So rein wie die Weste der Demokratie
ich schrubbte zuhause die Steine,
sollten sie zieren doch bald schon darauf
die hehre Verfassungssäule.
17
Die stehet vor dem Landgericht
zu Stukkert am Neckarstrome,
in dessen Hof einst Köpfe rollen
ließen die Nazi-Barone.
Die hohe Säule zieret
dort oben ‘ne Flügelgestalt,
Vernichtungsblitze schleudernd
auf angemaßte Staatsgewalt.
Von einer Hebebühne aus
vor der Geflügelten Füße,
die blankgeschrubbten Steine
wollt’ legen ich zur Frühe.
Dort oben bleiben sollten sie,
bis, hin auf einen Antrag,
mit der „Reform“ befasse
sich der Schwaben Landtag.
So fragte ich beim Präsidenten
des Landgerichtes schriftlich an,
erntete „Unverständnis“,
was man sich, mit Heine ja denken kann:
„Noch immer das hölzern pedantische Volk,
Noch immer ein rechter Winkel
In jeder Bewegung, und im Gesicht
Der eingefrorene Dünkel“.
VI
Im Koben die Regale stunden
nicht nur von Wörterbüchern voll,
- Disketten als Nachhilferunden –
der Sprachabteilung Umsatz schwoll.
Ich hatte nun nicht mehr alleine
zu geben besten Rat
dem Kunden, der doch König,
wie ich’s empfinden tat.
Es mußte das Volksbegehren
die erste Stufe erreichen,
so daß ich in Gesprächen
davon nicht wollte weichen.
So sprach der Wille zu mir.
Und die Vernunft mich mahnte,
den Willen zu bekriegen,
weil ‘ne Kollegin nahte.
So leicht es mir fiel, auf die schnelle
ein solches Gespräch zu beenden,
ward mir’s bald immer schwerer,
es gänzlich zu vermeiden.
Dazu die Schrecksekunden!
Sie wurden lang wie Barbarossas Bart,
weil überall Kollegen stunden,
mit Ohren füchsisch zart.
Sie hörten gut, sie petzten gut,
sie waren ausgeschlafen.
Der Prinzipal in seiner Wut
den Schädling wollt’ bestrafen.
Er drohte, mich hinauszuwerfen,
wenn ich nicht ab sofort
zu gewissen Kundenfragen schwiege:
Ich sollte an meinem Gewissen –
verüben den blanken Mord.
Das suchte ich vergeblich
Ein paar Mal zu probieren,
mir war dabei, als sollte ich
mit meiner Oma koitieren.
Die Hexe auf einer Palette
von neuen Wörterbüchern breit,
die nach dem „Abfluß“ der DUDEN
bald stünden schon bereit.
Einst haben sie – lies Erich Kästner –
„behaart auf den Bäumen gehockt“,
heut’ fläzen an ihren Rechnern
in Edel-Outfit lustverzockt.
Und lassen als Kultusminister
den Alten Adam raus,
erpressen die Schulbuchverlage:
„Wenn ihr nicht umstellt, fliegt ihr raus“!
Fliegt raus aus den Programmen,
sobald die Sache amtlich gilt
und ihr schon jetzt nicht uns’re Schreibung
hebt fleißig auf den Schild.
So eilten die Schulbuchverlage
gehorsamst-geschäftig voraus,
druckten hoch bis an die Decke
von manchem Lagerhaus.
Verteilten die Elaborate
gekonnt auf’s ganze Land,
so daß bald jede Sprachabteilung
gestopft von diesen Büchern stand.
Jetzt waren Millionen geflossen,
für jeden war’s das Große Los,
indes man die Gegner unverdrossen
schimpfte „verantwortungslos“.
Das heißt man Tatsachen schaffen,
die unumkehrbar sind,
auf daß entnommen sei dem Segel
des Volkes aller Wind.
Gleichwohl – dank guter Helfer –
wurden die Mappen prall
von Unterschriftenlisten,
sie kamen von überall.
Daher wir die erste Stufe
des Volksbegehrens schon bald
erreichten und glühten voll Freud’
wie im Juni die Würmchen im Wald.
VII
Zu Stukkert wie ‘ne feste Burg
Beim Stadion tut ragen
der Große Gasbehälter.
In seinem Schatten glühen fragen.
Den Stadtteil nennt man Raitelsberg
- er liegt im Stukkerter Osten –,
hier lebt zusamm’ die ganze Welt,
ohn’ daß es Zähn’ tut kosten.
Hier halten zusammen wie Essig und Öl
im Grünsalat die Jungen,
daher schon oft für „Raitelsberg im Osten“
als Kürzel war „RIO“ erklungen.
Erklungen und aufgeleuchtet,
gesprüht auf Mauer und Wand,
ist RIO für Gemeinsamkeit
im Stukkerter Land bekannt.
Dort ging ich hin und fragte
Die Jungens auf ‘ner Lehne ‘ner Bank:
„Wer ist von euch der Hellste“?
Da gab es keinen Zank.
Es streckten nämlich alle
zugleich die Arme in die Höh’,
am Zaun ein Fußball krachte,
hier lachte das RIO-Milieu.
„Dann sagt“, frug ich die hellen Köpfe,
„schaut diese Zeitung an,
was sollt’ da wohl gemeint sein“?
Und trat noch näher ran.
„Zwei Drogenabhängige“ seien,
so stund es, „wieder belebt“,
man könne nur erraten,
was da geschrieben steht.
Ob sie als Tote wiederbelebt,
oder einfach krank gewesen,
so daß sie, endlich wieder belebt,
ihr Dasein nun genäßen –
22
dies könne ich beim besten Willen
der Zeitung nicht entnehmen,
so daß ich sie nun bitten tät,
mir einen Rat zu geben.
Da lachten sie, was „so ein alter Dackel
nur für Probleme“ hätt’,
doch einer fand die Frage „cool“,
ja mich gar auch noch „ziemlich nett“.
Daher ich seine Lehrerin
vielleicht mal sollte fragen,
die täte sich bestimmt ganz gern
mit solchen Fragen plagen.
„Woll’n sie sie wiederbeleben,
mit Mund-zu-Mund-Beatmung“?
„Käm’ ganz d’rauf an“, gab ich zurück,
„hast du von sonst noch was ‘ne Ahnung“?
„Und wie“, rief er,
„geschrieben
sollte trotz Beatmung steh’n:
Sie wollen sie wieder beleben“!
Daß ich daas nicht behauptet hätte,
ansonsten habe er recht,
daher ich ihn gleich fragte,
ob er mir helfen möcht’.
„Und in der Zeitung“, fuhr er fort,
„ganz klar ein Fehler“ stehe,
es müsse von junkies heißen,
sie seien „wiederbelebt“.
Daß er wohl kaum, mutmaßte ich,
die RIO-Schule würd’ besuchen,
fragte deshalb gleich mal an,
ob er nicht wolle mit versuchen,
ob er verhindern helfen wolle,
daß bald im ganzen Land
der feine Unterschied im Schreiben
zermahlen wird mit Sand.
Es sei der Sand aus den Uhren
ausgewitzter Demokratie,
und hinter Fensterscheibenherzen
kaue die Bürokratie.
Die wolle nun beschränken
- getarnt als Freizügigkeit –
den Kindern in der Schule
die Unterscheidungsfähigkeit.
Da brauchten sie die Lehrer,
die, auf Beamteneid,
den Stumpfsinn antrainieren
in toleranter Heiterkeit.
Er wisse nicht, wie helfen,
der Lehnenbehocker sprach,
„ein Volksbegehren“, sagte ich,
verhind’re solche Schmach.
Er könne Unterschriftenlisten
verteilen in jedem Verein
von allen Klasseneltern lassen,
das brächte gute Ernte ein.
Und wie auf’s neue an den Zaun
ein RIO-Fußball krachte,
erlebten wir schon bald darauf,
was die erwachte Tatkraft schaffte.
VIII
Nicht weit vom RIO schwebet
wie von Papier ein Dom,
das Zeltdach der Fußballarena
weiß über’m Nekkerstrom.
Es zieren des Vereines Wappen
wohl starke Lettern in Fraktur,
doch folgte ich in meiner Hoffnung
hier nicht der rechten Spur.
Und das, obwohl vor vielen Jahren
von dem Verein der Präsident,
als Kultusminister gewesen
im Kabinett präsent.
Es hätte, hoffte ich vergebens,
zumindest können sein,
daß der sich wegen einst’gen Amtes
in das Diktat nicht wolle schicken drein.
Es wäre wohl zu schön gewesen,
wenn auf der Fußballtafel Licht
zu Pause hätte man gelesen:
„Gehorcht Reformern nicht“!
Zu schön, wenn jede Stadionzeitung
Des Wappens mit der Fraktur,
enthielt ‘ne Unterschriftenliste
als Zeichen von Fankultur.
Zu schön – nicht mal ‘ne Antwort –
zu schön, um wahr zu sein,
wär’ nach der Fußballpleite
Erfolg beim „Württemberger Wein“.
So sprach ich mit der Werbedame
Der Kellerei des Fürstenhauses,
ob deren Wein nicht Avantgarde
könnt’ sein des Bürger-Brausens.
Schrieb dazu auch noch an die Herrin,
zu unterbreiten ihrem Herrn,
wie Winzers Unterschriftenlisten
vermehren könnten sich intern.
Vermehren vor allem im Ländle
Der „Viertelesschlotzer“ alsbald
sich diese Listen könnten,
„wenn nur des Herzogs Stimm’ erhallt’“.
Es habe ja das Fürstenhaus
in Sachen Sprache ja noch etwas gut
zu machen wegen dem Schiller,
was tät’ dem Ruhm des Herzogs gut.
Zu schön, um wahr zu sein,
so daß ich nach der Ignorierung
des Fürsten wollt’ gewinnen,
die „Staatsbürgerinnen-Verein’gung“.
Doch diese hätte „andere Ziele“,
als „handelnd politisch zu werden“,
vergebe daher bald ‘nen Preis“
an eine Oma, die „damals nicht Nazi wollt’ werden“.
26
Der nächste Widerständler
War ein gar hochberühmter Mann,
der seine Millionen durch Schrauben
wohl kaum mehr zählen kann.
Und deshalb gilt im Ländle
als d e r Kulturmäzen,
so daß ich ihn bat, in der Zeitung
des Volksbegehrens Listen zu säen.
Was der mir schrieb,
war zu vermehren
den Ruhm des Mannes wahrlich schlecht.
Nun bangte ich um’s Volksbegehren.
In dieser Not, die zweite Stufe zu erreichen,
scheut’ ich kein Mittel nicht
und bat daher beim Club der Guten Menschen
um Hilf’, das Plebiszit zu machen dicht.
Es hat das Wohl von Migranten
(und –Innen!) in’s Programm geschrieben
der Stukkerter Gutmenschenclub,
mein Hoffen schien mir deshalb auch nicht übertrieben.
Es sei ja schließlich die „Reform“
nicht alleine nazimäßig,
sie schade nämlich auch
gewissen Bürgern ganz gehörig.
Denn wer als Türkenjunge
nun nicht mehr wisse aus und ein,
sei gegenüber einem Deutschen
in beschämender Pein.
27
Es könne ja der deutsche Junge
notfalls seine Mutter fragen,
wie seine Sprach’ geschrieben werden soll.
Indes so manche Türkenmutter oft kaum könnt’
„Bauchweh“ sagen.
Zu schweigen, es zu schreiben,
wenn sie beim Arzte hockt,
während bei seiner Lehrlingsbewerbung
ihr Sohn die Sache schon sprachlich verbockt.
Es sei also auch „ausländerfeindlich“,
was diese „Reformer“ bezweckten,
daher man schleunigst müsse
ein „Zeichen dagegen setzen“.
Doch trieb der Club der Guten Menschen
Nicht bloß ‘was and’res schon mit Schwung,
es herrscht’ dort auch, weil „Grüne“ dort herrschen,
die Mär von der „Reform“ als d e r „Erleichterung“.
Das hatten sie von ihrem Sprachprofessor,
der sich zur Macht geschlagen hatte,
so daß der Basis Ohren für die Sprache
war’n wie verstopft mit Ka...e.
Und trieben das and’re mit Schwung:
Es sollten der In-te-gra-tion zum Zwecke
die Omis der Nachbarschaft
und Opis entfernen ‘ne Decke.
„Intengrativ“ entfernen
die dicke Decke von Müll
vor den benachbarten Heimen
des „Lenkbereichs Asyl“.
28
So hatt’ ich, außer RIO,
gar keine neuen Helfer mehr,
daher der Gang zum Koben
mir fiel schon ziemlich schwer.
IX
Die Götter, so heißt es, bestrafen sehr hart
des Menschen Missetaten,
das Höllenfeuer ist ziemlich heiß,
dort muß man schmoren und braten.
Doch gibt es auch hienieden schon
so manch’ besondere Hölle,
wie jener Kessel unter’m Thron
für sieche Pflegefälle.
Die hocken rund um einen Tisch
- Ministerkonferenzen -
zeigt sich ein Konsens schließlich nicht,
der Chef tut ‘was kredenzen.
Er holt den Kessel von dem Thron,
tut auf den Tisch ihn stellen,
„wer will noch nicht, wer hat schon mal,
wer will den Deckel heben“?
Es riecht, als hätte man den Dung
aus sechzehn Kultus-Bundesgruben
vermischt und gären lassen,
sobald ein Held den Deckel hat gehoben.
29
So riecht der Sprache Mutterduft
in aller Zukunft, wenn nicht löffelt,
die Runde ihren Kessel aus.
Zuvor die Mutter nimmer lächelt.
Geplagt von Heines Dichterträumen
wacht’ ich nun öfters auf,
besonders wenn der Koben
bestimmte den Tageslauf.
Dort standen eines Tages
die RIO-Freunde vor der Tür
und fragten die Passanten,
ob sie nicht auch dafür.
Dafür, dies Machwerk zu bremsen
mit einer Unterschrift,
und mit Adresse, bitteschön,
sonst gilt das Ganze nicht.
Das kam dem Prinzipale
in Windeseil zu Ohr,
so daß ich ahnt’, zu ihm gerufen,
jetzt stehe mein Rausschmiß bevor.
Ich sollte mich nicht täuschen,
erschöpft war die Geduld
des Prinzipals im Chefbüro:
Ich sei bestimmt nur selber schuld.
X
Zu Stukkert auf dem Schillerplatz,
erhaben in Erz gegossen
der Schiller steht und schweiget,
viel Wasser ist geflossen.
Vom Nekkerwasser holten wir
uns gute zwanzig Liter,
und auf dem Schillerplatz sich fand
der halbe RIO um den Dichter.
Sie wuschen mit dem Wasser
den Denkmalsockel blank,
behingen ihn mit Unterschriftenlisten
wie Styropor zum Erntedank.
Dann rappten sie zwischen den Ständen
des Marktes um Schiller herum:
„Wir Volk wir, wir sind wer, wir lieben
die Sprache statt Rächdschreiprebhurm“!
Wie Styropor zum Erntedank,
so hingen die weißen Listen,
indes zu ganz besonderer Lese
ein DUDEN lag auf ‘nem Kissen.
Es waren schier fünfhundert Blätter,
gelöst aus ihrer Bindung,
genug für die fröhlichen Rapper
zu flatternder Verwendung.
Sie stellten sich um Schiller Fritz
herum zu weitem Kreise,
schleuderten die Blätter in die Höh’:
Zum Erntedank die FlugDUDENlese.
Daß uns’re Werbung für das Volksbegehren
medial geschnitten ward,
lag nicht, daß wir am Ende saubermachten,
es saß im Block der Journalisten halt bloß ein guter Wart.
Solch’ Warte wir Deutschen schon immer
haben gewußt, uns zu küren,
die wir uns, so scheint es, nur mögen,
wenn wir uns selber kuinieren.
Pluralis majestatis?
Es kommt auf den Einzelnen an!
Daher man nicht alle Deutschen
als Schafe bezeichnen kann.
So gingen wir bald langsam
Heim in den Gaskessel-RIO,
versprachen uns noch manche Tat,
ein Junge sagte „amigo“.
Da wollte ich zur Abschiedsstelle
spät nachts noch wiederkehren,
der schöne Ort war menschenleer –
das sollt’ mich inspirieren.
Ich kaufte mir ‚ne Dose
mit der man sprühen kann –
sofern nicht voll die Hose,
weil erwischt man werden kann.
So ging es mir zu finst’rer Nacht,
als ich an jener Mauer glühte,
die teilweis’ den RIO begrenzt.
Und ich mein Handgelenk bemühte.
Ich hatte schon den halben Spruch,
daß weg sollt’ die „nazigemäße,
ausländerfeindliche Rechtschreibreform“,
als der Fahrer eines Taxis mich erspähte.
Ich wußt’ als er vorbeigebraust,
daß er verpfeifen würde
mich bei der Polizei,
doch Abzuhau’n war unter meiner Würde.
Was ich begonnen hatt’,
wollt’ ich auch fertigbringen,
vor allem aber wär’s ‘ne Schand,
ganz wie ein Dieb davonzuspringen.
So sprühte ich in aller Ruh’
an uns’rer RIO-Inschrift weiter,
als plötzlich Reifen quietschten.
Die Polizisten waren nicht heiter.
Ein Kleinbus die Fahrbahn blockierte,
den Bürgersteig ein PKW,
die Männer packten mich, als wollt’ ich
hier sprengen ein AKW.
Gebeugt bis zu den Knien,
den Kopf verklemmt in einem Ellenbogen,
die Beine festgehalten,
nach hinten die Arme gebogen.
Dann schrappten an den Handgelenken
die wohlbekannten Schellen zu,
doch statt mich dies Schrappen schmerzte,
sprach es zu mir: „Das bist du“.
So spürte ich bei der Verhaftung
die größte Freiheit ganz enorm.
Und die verdankte ich mir selber,
und nicht der „Rechtschreibreform“.
Copyright Gerhard Wagner
________________________________________________________________
Anmerkungen:
Was stimmt mit Heines Gedicht überein? Wenn Gerhard Wagner Heinrich Heines Wintermärchen verwendet, so nimmt er offenbar auf ihn Bezug, weil Heine in Deutschland politisch verfolgt wurde.
Alle Gegner der Rechtschreibreform stimmen weder mit der politischen Linie der Landesregierungen noch mit den Gewinnmaximierungsbestrebungen der einschlägig interessierten Verlage überein. Das betraf Gerhard Wagner als Angestellten einer Buchhandlung ganz besonders. Er befand sich in einem Interessenkonflikt. Er sollte den Kunden den neuen Duden vom August 1996 aufschwatzen, obwohl dieser bereits als Schund erkannt worden war. Kommerz geht vor Kultur. Wagner wurde zum Stillschweigen und damit zum Betrügen gezwungen. Weil er das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, wurde er entlassen.
Es sind auch Fälle einiger Lehrer bekannt, die Repressalien ausgesetzt waren.
Orte des Geschehens
* Stukkert am Nekkerstrome (Stuttgart am Neckar)
* Koben, Bücherkoben (die Buchhandlung, in der Gerhard Wagner angestellt war)
* Theaterhaus in Stuttgart-Wangen
Sacherklärungen
* zur Frankfurter Messe der Bücher, da riß ein Blatt das Land aus dem Schlaf,... Protest gegen die „Rechtschreibreform“ (Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform vom Oktober 1996)
* Damit im Ländle begehre der „Lümmel“ nicht allzuoft auf, reichen die Volksbegehrenshürden schier bis zum Himmel hinauf.
Bedingungen der Volksabstimmungen in Baden-Württemberg 1997:
1. Stufe (Volksinitiative) 10.000 Unterschriften
2. Stufe (Volksbegehren) 1.190.000 Unterschriften in 14 Tagen
3. Stufen (Volksentscheid) 2.357.000 Stimmen am Abstimmungstag
Quelle: Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS): Unser Kampf gegen die Rechtschreibreform, Volksentscheid in Schleswig-Holstein, Bearbeitung und Kommentar: Manfred Riebe, Nürnberg 1998, S. 9
Darin ist Gerhard Wagner auf Seite 34 als „Volksbegehren“ namentlich aufgelistet
und separat als „Volksbegehren“ auch Christian Hoffmann, Junge Liberale Böblingen, Leonberg.
Personen und ihre „Darsteller“
* als kleiner Poet zu Stukkert am Nekkerstrome (Gerhard Wagner)
* Der „Lümmel“ (Das ist Heinrich Heines Bezeichnung für das Volk in seinem Gedicht „Deutschland, ein Wintermärchen“, auf welches sich Wagners Gedicht bezieht.)
* Einer mischte sich aus seiner Reihe an die Bühne vor (Gerhard Wagner als einer der „Lümmel“)
* Ein Schulmann (Friedrich Denk, Weilheim / Oberbayern)
* „Rechtschreib-Rebell“ Friedrich Denk - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3212#3212 und http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Denk
* Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform - http://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Erkl%C3%A4rung_zur_Rechtschreibreform
http://www.vrs-ev.de/resolutionen.php#denk
* Ein Professor „Deutsch für AusländerInnen“ (Professor Lutz Götze, damals Ordinarius für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Saarbrücken und einer derjenigen, die an der Reform verdienten: Er war Herausgeber des Bertelsmann-Wörterbuches „Neue Deutsche Rechtschreibung“, das am 2. Juli 1996, bereits einen Tag nach der Unterzeichnung der Wiener Absichtserklärung[!] auf dem Markt war)
* Prof. Dr. Lutz Götze - http://www.uni-saarland.de/fak4/fr41/goetze/mitarbeiter/ma.goetze.html
* als bald sich bei mir rührte ein forscher junger Mann (...) von Leonberg bei Stukkert (Christian Hoffmann, Vorsitzender der Jungen Liberalen, Kreis Böblingen)
* Alternative Barone und Baronessen (Die GRÜNEN im BW-Landtag.
* der Landtagsober“Grüne“, der Herr ist Sprachprofessor (Damaliger Vorsitzender der GRÜNEN, Fritz Kuhn, war zuvor auch Professor für Deutsch (!) an der privaten Stuttgarter Merz-Akademie, hatte damals in einem Artikel in den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 1. März 1997 u.a. folgendes geschrieben: „So manchem Dichter und Denker möchte man zurufen: Eure Sorgen möcht' ich haben . . .Wenn das Engagement einiger Schriftsteller nur noch darin besteht, zu Lasten der Schüler eine veraltete Rechtschreibung zu verteidigen, dann ist das nach meiner Überzeugung ein Armutszeugnis. Der Singsang aus der Gartenlaube bleibt gesellschaftlich indifferent. Behäbig räkeln sich Helmut Kohls Lieblingslyriker und schreiben wie gehabt“. (Damit meinte Kuhn Ulla Hahn und Reiner Kunze).
* der damalige Reichserziehungsminister Rust
* Bernhard Rust - http://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Rust
* Rechtschreibreform und Nationalsozialismus - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=296
* Reform der deutschen Rechtschreibung von 1944 - http://de.wikipedia.org/wiki/Reform_der_deutschen_Rechtschreibung_von_1944
* Der nächste Widerständler war ein gar hochberühmter Mann, der seine Millionen durch Schrauben wohl kaum mehr zählen kann (Der im „Ländle“ hochverehrte Unternehmer Würth, Schraubenfabrikant und kulturell engagiert, lehnte eine Unterstützung des Gaisburger Marsches in einem Brief ab.)
* des Poetenbetriebes einflußreiche Hauptfrau? |
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