Ulrich Brosinsky
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: Samstag, 18. März. 2006 01:10 Titel: WELT am SONNTAG |
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Reform der Rechtschreibreform
Editorial
von Christoph Keese Chefredakteur
Am Donnerstag hat die Kultusministerkonferenz ihren Beschluß zur Reform der Rechtschreibreform gefaßt. Einge grobe Mängel der Altreform wurden beseitigt; manche Schreibweisen, die dem Sprachempfinden entgegenstanden, sind jetzt wenigstens nicht mehr unverrückbar, sondern werden künftig wahlweise neben der alten Regel angeboten. Dennoch versäumten die Minister, viele andere Schnitzer ihrer Arbeit zu beseitigen. Herausgekommen ist also ein ziemlich fader Kompromiß.
Auch wir bei der "Welt am Sonntag" haben eine Rolle in der Auseinandersetzung gespielt. Gemeinsam mit anderen Redaktionen hatten wir uns entschlossen, der Altreform nicht zu folgen. Dahinter steckten weder Sturheit noch Modernisierungsfeindlichkeit. Uns war wohl bewußt, daß wir unseren Leserinnen und Lesern einiges zumuteten, wenn wir von dem abwichen, was ihre Kinder an den Schulen beigebracht bekamen. Trotzdem hielten wir es für geboten, dem inhaltlich mißlungenen Eingriff des Staates in die Sprache von hundert Millionen Menschen entgegenzutreten.
Ohne die Hartnäckigkeit der Medien wäre an der Altreform nicht gerüttelt worden. Ihr zum Teil blühender Unsinn wäre auf immer Gesetz geblieben. Und unsere Sprache wäre von einem Regelwerk eingezwängt worden, das nur schwer zu begreifen ist und damit beim Schreiben kaum fehlerfrei anzuwenden war.
Wie geht es weiter? Wir werden die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz genau prüfen und sie mit unserer Hausschreibweise vergleichen. Vom Ergebnis hängt es ab, ob wir uns dem neuen Regelwerk anschließen, denn auch wir halten eine einheitliche Rechtschreibung im Prinzip für vernünftig. Selbstverständlich werden wir Sie so schnell wie möglich über unsere Pläne informieren. Doch selbst wenn es wieder zu einer einheitlichen Rechtschreibung käme, muß klar bleiben, daß künftig nur die Gemeinschaft der Schreibenden die Sprache weiterentwickelt und nicht der Staat sie per Dekret zu ändern versucht. Entwickelt wurde Deutsch immer durch die Phantasie seiner Sprechenden und Autoren. Aufgabe eines Regelwerks kann es nicht sein, Verwandlung zu verhindern, sondern es muß die Sprache beschreiben und Neuerungen aufgreifen. Die anerkannten Wörterbuch-Redaktionen haben das immer mustergültig geschafft. Für einen Eingriff des Staats gibt es keinen Bedarf.
[gekürzt, UB]
WELT am SONNTAG, erschienen am 5. März 2006
www.wams.de/data/2006/03/05/855361.html |
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