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Dudens Segen spendende Empfehlungen

 
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Günter Schmickler



Registriert seit: 11.05.2003
Beiträge: 310
Wohnort: 53842 Troisdorf

Beitrag: Donnerstag, 18. Jan. 2007 15:48    Titel: Dudens Segen spendende Empfehlungen Antworten mit Zitat

Dudens Segen spendende Empfehlungen

Vor mehr als zehn Jahren kaufte ich den ersten „reformierten“ Duden. Ich erinnere mich gut daran, daß mir schon beim ersten Durchblättern der „neuen Regeln“ und „neuen Schreibungen“ einige Merkwürdigkeiten ins Auge stachen. Außer der neuen „ss-Schreibung“ und den „Volksetymologien“ fielen mir besonders die „Richtlinie 40“ und die aus ihr abgeleiteten Schreibungen auf:

“Man schreibt zusammen, wenn gegenüber einer entsprechenden gebräuchlichen Wortgruppe z B. eine Präposition (ein Verhältniswort) oder ein Artikel eingespart wird (§ 36 (1)).
Man schreibt hingegen getrennt, wenn der erste Bestandteil erweitert ist oder wenn bei der Zusammensetzung kein Artikel und keine Präposition eingespart werden kann.“


Nun fand ich im Wörterverzeichnis einige altvertraute Zusammensetzungen, die offenkundig zwar die Reform heil überstanden hatten, für die ich mir aber „entsprechende“, zudem noch „gebräuchliche“ Wortgruppen gar nicht oder nur schwer vorstellen konnte: panzerbrechend, fruchtbringend, zeitsparend, wärmedämmend. Sollte jemand im Ernst damit gerechnet haben, ein Schüler könnte anhand dieser Richtlinie nach kurzem Nachdenken zu dem Ergebnis kommen, daß „wärmedämmend“ wie bisher zusammenzuschreiben sei, aus „hitzeabweisend“ aber die Wortgruppe „Hitze abweisend“ werden müsse?

Als mir damals die „Zusammensetzungen“ und die „Wortgruppen“ immer mehr Kopfzerbrechen bereiteten, stand die vielbesungene Weihnacht vor der Tür. Da kamen mir an einem Adventstag ernsthafte Zweifel, ob die Weihnachtszeit auch in Zukunft „gnadenbringend“ oder doch besser „Gnaden bringend“ sein solle. Auf diese brennende Frage gaben weder Duden noch Wahrig eine Antwort. Zwei Jahre später lernte ich den Westerburger Lehrer Stephanus Peil kennen, der sich inzwischen mit der „Peilschen Wörterliste“ (Gegenüberstellung „alter“ und durch die Reform vorgesehener Schreibungen) einen Namen gemacht hatte. Peil hatte wegen der gnaden- oder Gnaden
bringenden Weihnachtszeit eine Anfrage an die Sprachberatungsstelle des Duden gerichtet. Nach 7 Wochen hatte er die Antwort erhalten, daß Duden mit Hinweis auf § 36 (1) der „Amtlichen Regelung“ in diesem Falle die Zusammenschreibung empfehle. Außerdem müsse man unterscheiden, ob es sich um eine Zusammensetzung oder um eine Wortgruppe handele.

Diese Antwort gibt in zweifacher Hinsicht Aufschluß über die wissenschaftliche Kompetenz der Dudenschen Sprachberatung:
Sie will dem Fragesteller weismachen, es gäbe die Wortgruppe „die Gnaden bringend“,
und an deren Stelle sei in dem volkstümlichen Weihnachtslied unter Einsparung des Artikels die Zusammensetzung „gnadenbringend“ getreten.
Der zweite Teil der Antwort ist nichts als ein „Circulus vitiosus“ (Zirkelschluß). Man stelle sich vor, ein Psychologe erklärte etwa folgendes: „Bei der Frage, ob ein Mensch homo- oder heterosexuell ist, kommt es vor allem darauf an, zu unterscheiden, ob er für das eigene oder doch eher für das andere Geschlecht empfindet.“ Diese Art der Definition oder Begründung ist übrigens an mehreren Stellen des Duden ( auch des „vorreformatorischen“) und der „Amtlichen Regeln“ anzutreffen.

In der im Jahre 2000 erschienen 22. Auflage des Duden hatte sich immerhin einiges geändert:
Das Wort „gnadenbringend“ wird als Stichwort aufgeführt („Segen bringend“ und „Segen spendend“ bleiben obligatorische Neuschreibungen).
Neben „zeitsparend“ ist jetzt fakultativ „Zeit sparend“ vorgesehen.
Neben „neuschreiblichen“ Wortgruppen wie „Besorgnis erregend“ und Ekel erregend“ werden fakultativ die „alten“ Zusammensetzungen wie „besorgniserregend“ und „ekelerregend“ zugelassen, auch wenn sie nicht gesteigert oder erweitert sind.
Bei solcher Großzügigkeit konnten nur besonders eigensinnige, rückständige oder gar böswillige Menschen weiterhin an der Reform „herummeckern“. :-)
Die 23. Auflage habe ich mir aus Geiz leider nicht gekauft.
Nun habe ich die 24. Auflage des Duden und den Wahrig von 2006 vor mir liegen. Beide erheben den Anspruch, nach den jahrelangen Auseinandersetzungen um die Reform endlich den „Rechtschreibfrieden“ herbeizuführen. Offenkundig sollen die im Kampf für und wider die Reform erhitzten Gemüter durch weitere „Freiheiten“ besänftigt werden: Noch nie gab es so viele Fakultativschreibungen wie in der „Reform der Reform“. Fast könnte man versucht sein, den Duden, oder auch den Wahrig, umzubenennen in „Pfarrer Noltes neues deutsches Wörterbuch“ (nach Pfarrer Nolte, der´s immer machte wie er´s wollte).

Immerhin hat man anscheinend den Gedanken an eine einheitliche Rechtschreibung für das deutsche Sprachgebiet noch nicht völlig aufgegeben. Wo der Rechtschreibrat freie Wahl zwischen zwei Schreibweisen läßt, geben Duden und Wahrig Empfehlungen, Duden weitaus häufiger als Wahrig und durch gelbe Markierung hervorgehoben. Aber es bleibt wohl das Geheimnis der Mannheimer, warum sie beispielsweise „Segen bringend“, „Erfolg versprechend“, „Glück bringend“ und „Abscheu erregend“, anderseits „gewinnbringend“, „besorgniserregend“ und „ekelerregend“ empfehlen.

Apropos „gewinnbringend“: Duden empfiehlt als Synonym „Profit bringend“. Nun bin ich mir nicht sicher über das Gegenteil (Antonym): Empfiehlt sich fortan „verlustbringend“ oder „Verlust bringend“? Leider sucht man dieses Stichwort im Duden vergebens. Ist es vielleicht nicht gebräuchlich genug, um in Mannheim als „lemmawürdig“ zu gelten? Das kann ich mir schlecht vorstellen, immerhin weist Google für das Suchwort „verlustbringend“ 674 Fundstellen auf. Vielleicht haben die Dudenleute für jede Ausgabe eine „Stichwortobergrenze“ und mußten Platz frei lassen für so überaus wichtige Wörter wie „Krakeelerin“, „Schießbudenbesitzerin“ und „Speichelleckerin“. :-) .

.


Zuletzt bearbeitet von Günter Schmickler am Sonntag, 06. Mai. 2007 08:21, insgesamt 1mal bearbeitet
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Erika Ciesla



Registriert seit: 27.11.2005
Beiträge: 32
Wohnort: 68167 Mannheim

Beitrag: Dienstag, 23. Jan. 2007 12:12    Titel: Re: Dudens Segen spendende Empfehlungen Antworten mit Zitat

Dudens Segen spendende Empfehlungen

Günter Schmickler hat folgendes geschrieben:
Nun habe ich die 24. Auflage des Duden und den Wahrig von 2006 vor mir liegen. (...) Noch nie gab es so viele Fakultativschreibungen wie in der „Reform der Reform“. Fast könnte man versucht sein, den Duden, oder auch den Wahrig, umzubenennen in „Pfarrer Noltes neues deutsches Wörterbuch“ (nach Pfarrer Nolte, der´s immer machte wie er´s wollte).

Ja, denn nach dem Irrtum folgt die Beliebigkeit.

Wenn jemand etwas falsch gemacht hat, dann sollte man erwarten dürfen, daß der Fehler korrigiert wird. Nun machen Beamte, Politiker und Idioten nach ihrem eigenen Verständnis aber keine Fehler, folglich korrigieren sie auch nicht. Daraus folgt: was einmal beschlossen ward, das wird nie wieder infrage gestellt, das muß auch durchgeführt werden, koste es was es wolle.

Und das gilt nicht allein für die Rechtschreibreform, so funktioniert das immer und überall in der Politik.
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Burger Heiko



Registriert seit: 18.03.2005
Beiträge: 11
Wohnort: Furtwangen

Beitrag: Donnerstag, 25. Jan. 2007 20:26    Titel: Re: Dudens Segen spendende Empfehlungen Antworten mit Zitat

Schade, daß ich keinen Kaminofen besitze!
Mit dem neuen Duden könnte man prima einfeuern!!
Man kann den neuen Duden kaufen, muß es aber nicht.









Günter Schmickler hat folgendes geschrieben:
Dudens Segen spendende Empfehlungen

Vor mehr als zehn Jahren kaufte ich den ersten „reformierten“ Duden. Ich erinnere mich gut daran, daß mir schon beim ersten Durchblättern der „neuen Regeln“ und „neuen Schreibungen“ einige Merkwürdigkeiten ins Auge stachen. Außer der neuen „ss-Schreibung“ und den „Volksetymologien“ fielen mir besonders die „Richtlinie 40“ und die aus ihr abgeleiteten Schreibungen auf:

“Man schreibt zusammen, wenn gegenüber einer entsprechenden gebräuchlichen Wortgruppe z B. eine Präposition (ein Verhältniswort) oder ein Artikel eingespart wird (§ 36 (1)).
Man schreibt hingegen getrennt, wenn der erste Bestandteil erweitert ist oder wenn bei der Zusammensetzung kein Artikel und keine Präposition eingespart werden kann.“


Nun fand ich im Wörterverzeichnis einige altvertraute Zusammensetzungen, die offenkundig zwar die Reform heil überstanden hatten, für die ich mir aber „entsprechende“, zudem noch „gebräuchliche“ Wortgruppen gar nicht oder nur schwer vorstellen konnte: panzerbrechend, fruchtbringend, zeitsparend, wärmedämmend. Sollte jemand im Ernst damit gerechnet haben, ein Schüler könnte anhand dieser Richtlinie nach kurzem Nachdenken zu dem Ergebnis kommen, daß „wärmedämmend“ wie bisher zusammenzuschreiben sei, aus „hitzeabweisend“ aber müsse die Wortgruppe „Hitze abweisend“ werden?

Als mir damals die „Zusammensetzungen“ und die „Wortgruppen“ immer mehr Kopfzerbrechen bereiteten, stand die vielbesungene Weihnacht vor der Tür. Da kamen mir an einem Adventstag ernsthafte Zweifel, ob die Weihnachtszeit auch in Zukunft „gnadenbringend“ oder doch besser „Gnaden bringend“ sein solle. Auf diese brennende Frage gaben weder Duden noch Wahrig eine Antwort. Zwei Jahre später lernte ich den Westerburger Lehrer Stephanus Peil kennen, der sich inzwischen mit der „Peilschen Wörterliste“ (Gegenüberstellung „alter“ und durch die Reform vorgesehener Schreibungen) einen Namen gemacht hatte. Peil hatte wegen der gnaden- oder Gnaden
bringenden Weihnachtszeit eine Anfrage an die Sprachberatungsstelle des Duden gerichtet. Nach 7 Wochen hatte er die Antwort erhalten, daß Duden mit Hinweis auf § 36 (1) der „Amtlichen Regelung“ in diesem Falle die Zusammenschreibung empfehle. Außerdem müsse man unterscheiden, ob es sich um eine Zusammensetzung oder um eine Wortgruppe handele.

Diese Antwort gibt in zweifacher Hinsicht Aufschluß über die wissenschaftliche Kompetenz der Dudenschen Sprachberatung:
Sie will dem Fragesteller weismachen, es gäbe die Wortgruppe „die Gnaden bringend“,
und an deren Stelle sei in dem volkstümlichen Weihnachtslied unter Einsparung des Artikels die Zusammensetzung „gnadenbringend“ getreten.
Der zweite Teil der Antwort ist nichts als ein „Circulus vitiosus“ (Zirkelschluß). Man stelle sich vor, ein Psychologe erklärte etwa folgendes: „Bei der Frage, ob ein Mensch homo- oder heterosexuell ist, kommt es vor allem darauf an, zu unterscheiden, ob er für das eigene oder doch eher für das andere Geschlecht empfindet.“ Diese Art der Definition oder Begründung ist übrigens an mehreren Stellen des Duden ( auch des „vorreformatorischen“) und der „Amtlichen Regeln“ anzutreffen.

In der im Jahre 2000 erschienen 22. Auflage des Duden hatte sich immerhin einiges geändert:
Das Wort „gnadenbringend“ wird als Stichwort aufgeführt („Segen bringend“ und „Segen spendend“ bleiben obligatorische Neuschreibungen).
Neben „zeitsparend“ ist jetzt fakultativ „Zeit sparend“ vorgesehen.
Neben „neuschreiblichen“ Wortgruppen wie „Besorgnis erregend“ und Ekel erregend“ werden fakultativ die „alten“ Zusammensetzungen wie „besorgniserregend“ und „ekelerregend“ zugelassen, auch wenn sie nicht gesteigert oder erweitert sind.
Bei solcher Großzügigkeit konnten nur besonders eigensinnige, rückständige oder gar böswillige Menschen weiterhin an der Reform „herummeckern“. :-)
Die 23. Auflage habe ich mir aus Geiz leider nicht gekauft.
Nun habe ich die 24. Auflage des Duden und den Wahrig von 2006 vor mir liegen. Beide erheben den Anspruch, nach den jahrelangen Auseinandersetzungen um die Reform endlich den „Rechtschreibfrieden“ herbeizuführen. Offenkundig sollen die im Kampf für und wider die Reform erhitzten Gemüter durch weitere „Freiheiten“ besänftigt werden: Noch nie gab es so viele Fakultativschreibungen wie in der „Reform der Reform“. Fast könnte man versucht sein, den Duden, oder auch den Wahrig, umzubenennen in „Pfarrer Noltes neues deutsches Wörterbuch“ (nach Pfarrer Nolte, der´s immer machte wie er´s wollte).

Immerhin hat man anscheinend den Gedanken an eine einheitliche Rechtschreibung für das deutsche Sprachgebiet noch nicht völlig aufgegeben. Wo der Rechtschreibrat freie Wahl zwischen zwei Schreibweisen läßt, geben Duden und Wahrig Empfehlungen, Duden weitaus häufiger als Wahrig und durch gelbe Markierung hervorgehoben. Aber es bleibt wohl das Geheimnis der Mannheimer, warum sie beispielsweise „Segen bringend“, „Erfolg versprechend“, „Glück bringend“ und „Abscheu erregend“, anderseits „gewinnbringend“, „besorgniserregend“ und „ekelerregend“ empfehlen.

Apropos „gewinnbringend“: Duden empfiehlt als Synonym „Profit bringend“. Nun bin ich mir nicht sicher über das Gegenteil (Antonym): Empfiehlt sich fortan „verlustbringend“ oder „Verlust bringend“? Leider sucht man dieses Stichwort im Duden vergebens. Ist es vielleicht nicht gebräuchlich genug, um in Mannheim als „lemmawürdig“ zu gelten? Das kann ich mir schlecht vorstellen, immerhin weist Google für das Suchwort „verlustbringend“ 674 Fundstellen auf. Vielleicht haben die Dudenleute für jede Ausgabe eine „Stichwortobergrenze“ und mußten Platz frei lassen für so überaus wichtige Wörter wie „Krakeelerin“, „Schießbudenbesitzerin“ und „Speichelleckerin“. :-) .

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