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Peter Reger Gast
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: Montag, 20. Okt. 2003 11:18 Titel: Keine Wörterbücher |
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Wie soll man den langfristig bei der alten Rechtschreibung bleiben, wenn es gar keine Wörterbücher gibt, in denen man sie nachschlagen kann.
Kann mir hier jemand helfen? |
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R. Morlock Gast
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: Montag, 20. Okt. 2003 11:33 Titel: Es gibt ein Wörterbuch |
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| Nichts leichter als eine Antwort auf diese Frage: Theodor Ickler: Das Rechtschreibwörterbuch, Leibniz-Verlag St. Goar (zur Zeit wahrscheinlich 3. Auflage). Am besten in jeder beliebigen Buchhandlung bestellen. |
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Christian Melsa
Registriert seit: 25.09.2003 Beiträge: 51 Wohnort: Hamburg
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: Montag, 20. Okt. 2003 14:29 Titel: Heutige Wörterbücher |
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Auch die meisten Wörterbücher, die die Rechtschreibreform berücksichtigen, haben noch die alte Rechtschreibung verzeichnet. Im Duden z. B. sind alle reformbedingten Änderungen rot gedruckt, aber es stehen auch noch die bisherigen Schreibweisen dabei. Darauf bezieht sich die Empfehlung des reuigen Reformers Horst Haider Munske: "Meidet die roten Giftpilze im Duden! Alles, was rot ist, ist falsch!"
Allerdings hilft das nur solange, wie man einzelne Wörter nachschlägt. Der Regelwerkteil von Duden und Co. behandelt nur die reformierte Rechtschreibung. Genau der Regelwerkteil ist nun wiederum die besondere Stärke des Ickler-Rechtschreibwörterbuchs. Es gibt darin eine "Kurze Anleitung zum rechten Schreiben", die man sich gut mal in einer ruhigen Stunde zu Gemüte führen kann und eine ausgezeichnete Lektion darstellt. Zum Nachschlagen dient dann das eigentliche Regelwerk, das sehr viel übersichtlicher gegliedert und leichter verständlich ist als das des Duden und der meisten anderen Wörterbücher. Darüber hinaus ist es auch noch viel kürzer als sowohl Reformregelwerk wie Dudenregelwerk vor und nach der Reform (siehe dazu auch das VRS-Flugblatt <a href="http://www.vrs-ev.de/welches_regelwerk.pdf">"Welches Rechtschreibregelwerk willst du ab 2005 beherrschen sollen?"</a>, PDF-Format, 369 KB)
Das Wörterverzeichnis ist hingegen (zumindest noch in der derzeit lieferbaren Version) vergleichsweise karg - nicht, was die Anzahl der Stichwörter betrifft, sondern deren Erläuterungen, vor allem hinsichtlich der Wortbedeutungen. In den allermeisten Fällen steht das Wort einfach nur ausgeschrieben da, mit Trennstrichen und dergleichen Sonderzeichen, aber das hat andererseits den Vorteil der Kompaktheit. Der aktuelle Rechtschreibduden hat zwar auch sehr viel mehr Stichwörter, listet dafür aber überflüssigerweise klar zusammengesetzte Wörter eigens auf, deren Schreibweise eigentlich schon aufgrund ihrer Bestandteile offensichtlich ist. Bezeichnend für diese künstliche Aufblähung ist z. B. die Aufnahme selbst solcher Modewörter wie <i>Warmduscher</i> und <i>Maschendrahtzaun</i>. |
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Peter Reger Gast
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: Sonntag, 26. Okt. 2003 15:31 Titel: Ungeeignetes Wörterbuch |
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Sehr geehrter Herr Morlock,
auf Ihren Rat hin habe ich mir Professor Icklers Wörterbuch besorgt. Ich muß Ihnen aber mitteilen, daß ich von diesem Buch zutiefst enttäuscht bin. Damit kann kein Mensch vernünftig arbeiten. Besonders wenn man sich über die Getrennt- oder Zusammenschreibung eines Ausdrucks im unklaren ist, stößt man ständig auf diesen Rundbogen, der einem nur sagt, daß es Fälle gibt, in denen dieser Ausdruck zusammengeschrieben wird und Fälle, in denen er getrennt geschrieben wird. Auch bei der Groß- und Kleinschreibung findet man immer wieder nur beide Alternativen, z. B. „im Dunkeln tappen“ und „im dunkeln tappen“. Der Regelteil ist so allgemein gehalten, daß er bei Spezialfällen überhaupt nicht zu gebrauchen ist. Durfte nach unserer bewährten Rechtschreibung etwa jeder schreiben, wie er wollte?
Das schlimmste aber ist: Ich habe in diesem Wörterbuch die Schreibweise „selbstständig“ entdeckt. Das ist nun wirklich die Schreibweise der Dummen, die auch „nähmlich“ schreiben würden.
Meiner Meinung nach ist dieses Buch nur dazu geeignet, die deutsche Einheitsorthographie, die doch nun schon genug Schaden genommen hat, endgültig zu zerstören. |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Montag, 27. Okt. 2003 15:22 Titel: Der Duden mit der traditionellen Qualitätsorthographie |
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Der Duden mit der traditionellen Qualitätsorthographie
Ich habe in eBay u.a. den Duden, 20. Auflage von 1991, für wenige Euro ersteigert.
Dieser ist für rund 90 Prozent der Bevölkerung der Rechtschreib-Maßstab auch über das Jahr 2005 hinaus. Privatpersonen, Unternehmen usw. können sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts berufen:
"Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten (Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 14. Juli 1998, Az.: 1 BvR 1640/97, S. 59, www.bverfg.de/entscheidungen/frames/rs19980512_1bvr164097 ).
Aber auch der Duden mit der neuen Beliebigkeitsschreibung ist nach wie vor geeignet, weil alles rot gekennzeichnet ist, was neu ist. Man muß eben nur diese roten Giftpilze vermeiden ...
Das kakophone Wort "selbstständig"
Im Duden, 22. Auflage, 2000, heißt es auf Seite 128: "selbständig - auch: selbstständig", ebenso auf Seite 883. Das bedeutet, daß die normale Schreibweise auch weiterhin die bisherige traditionelle Schreibweise der Gebildeten ist und daß die Schreibung mit Doppel-st nur eine geduldete Nebenvariante für Ungebildete ist. Der "Bund der Selbständigen" schreibt sich nach wie vor normal. ...
Professor Theodor Ickler, Uni Erlangen, schrieb an Dieter E. Zimmer:
"An der Bereitschaft, nun plötzlich das kakophone 'selbstständig' zu verwenden, kann man den Grad der Beflissenheit ablesen, mit der sich alle möglichen Leute, von denen man es nicht anders erwartet hatte, den Wünschen der deutschen Kultusminister unterwerfen. (Die Verfasser der amtlichen Neuregelung selbst verwenden es übrigens nicht!)" (Brief von Theodor Ickler an Dieter E. Zimmer zur neuen Hausorthographie der ZEIT. In: http://www.rechtschreibreform.com/Seiten2/Wissenschaft/951IcklerZEIT.html)
Im übrigen halte ich es nicht für korrekt, Herrn Ickler ohne Offenlegung der eigenen Identität am Zeug zu flicken ... _________________ "Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu stoppen!" (VRS) |
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Elke Philburn
Registriert seit: 03.12.2002 Beiträge: 246 Wohnort: Manchester UK
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: Mittwoch, 29. Okt. 2003 03:55 Titel: |
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Zu Peter Reger:
Der Rundbogen sagt lediglich, daß Sie ein Wort zusammen oder auch getrennt schreiben können. Da brauchen Sie sich also keine künstlich erschaffenen und hochkomplexen, semantischen oder wie auch immer gearteten Regeln zu merken, (die sowieso kaum ein Mensch in der Lage wäre zu beherrschen), sondern Sie schreiben in diesen Fällen ganz wie Sie es für richtig halten.
Damit entspricht Ihr schriftsprachlicher Gebrauch dem der Sprachgemeinschaft vor der Reform - und das ist doch, was Sie suchen.
Elke Philburn |
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Peter Reger, München Gast
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: Mittwoch, 29. Okt. 2003 16:20 Titel: Rechtschreibung für die Dummen? |
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Sehr geehrte Frau Philburn,
unsere bewährte Rechtschreibung ist tatsächlich durch zum Teil hochkomplexe semantische Regeln gekennzeichnet und zwar gerade in der Getrennt- und Zusammenschreibung.
Leider haben Sie noch nicht verstanden, was man einer Engländerin wohl nicht ankreiden kann, daß diese Regelungen unbedingt notwendig sind, um die feinen Bedeutungsunterschiede in gleichlautenden Ausdrücken unserer Sprache zu erkennen. Es ist eben ein großer Unterschied, ob ich „stehen bleiben“ oder „stehenbleiben“ schreibe. Ohne nachfragen zu müssen, kann ich anhand der Zusammen- oder Getrenntschreibung sofort entscheiden, ob es sich um die Bedeutung „anhalten“ oder „nicht setzen“ handelt. Gebildete Menschen beherrschen diese feinen und durchdachten Regeln, und ungebildete kann ich eben gerade daran erkennen, daß sie sie nicht beherrschen.
Wenn ich Icklers Wörterbuch in meiner Firma einführen würde, könnte es mir doch passieren, daß mir ein Angestellter dieses Wörterbuch unter die Nase hält und behauptet, daß er „stehen bleiben/stehenbleiben“ getrennt oder zusammenschreiben könne, wie er es für richtig halte, sobald ich ihn auf den Bedeutungsunterschied aufmerksam mache.
Solchen ungebildeten Menschen helfe ich nicht damit, daß ich ihre Schreibweisen als Nebenvarianten dulde (siehe „selbstständig“), sondern damit, daß ich etwas für ihre Bildung tue. Müssen die Klugen sich in der Rechtschreibung nach den Dummen richten? Wird „nähmlich“ bald eine geduldete Nebenvariante in einer späteren Auflage von Icklers Wörterbuch?
Ich finde es unmöglich, daß sich in Deutschland ständig irgendwelche Professoren einbilden, sie könnten an unserer Rechtschreibung, wie sie im Duden bisher festgelegt war, herumverbessern. In Frankreich gibt es den Larousse und in Großbritannien Webster’s Dictionary, in denen die jeweilige Orthographie festgelegt ist, und keinem Professor würde es dort einfallen, daran herumzufummeln.
Als vor einiger Zeit in England bekannt wurde, daß Tony Blair in einem Papier „discrete“ statt „discreet“ geschrieben hatte, lachte das ganze Land, und Tony Blair entschuldigte sich. Keinem wäre es eingefallen, die Schreibweise „discrete“ als geduldete Nebenvariante von „discreet“ für Ungebildete in Webster’s Dictionary aufzunehmen. Das ebenfalls existierende Wort „discrete“ hat schließlich eine ganz andere Bedeutung!
Ich werde also an meinem alten Duden solange festhalten, wie es geht, und Icklers Wörterbuch mit seinen ungekennzeichneten Giftpilzen so schnell wie möglich entsorgen! Schade, daß den meisten Leuten der alte Duden nicht mehr zur Verfügung steht. Denn im neuen Duden sind die Giftpilze zwar rot gekennzeichnet, aber der wichtige alte Regelteil existiert nicht mehr. Schade auch, daß gerade Ihr Verein tatkräftig dabei mithilft, die bewährte Rechtschreibung zu zerstören, indem er Wörterbücher wie das Icklers empfiehlt.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Reger |
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Walter Lachenmann Gast
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: Mittwoch, 29. Okt. 2003 22:20 Titel: Wörterbücher |
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<i>... unsere bewährte Rechtschreibung ist tatsächlich durch zum Teil hochkomplexe semantische Regeln gekennzeichnet und zwar gerade in der Getrennt- und Zusammenschreibung.</i>
Wenn es wirklich hochkomplex wird, lassen einen diese semantischen Regeln aber oft im Stich. Ich denke, hier handelt es sich in Wirklichkeit weniger um feststehende »Regeln«, als vielmehr um angewöhnte Möglichkeiten, die nicht von jedermann in derselben Weise angewendet, aber auch beim Lesen nicht von allen gleichermaßen wahrgenommen werden. Zwar würde ich vermutlich, wie Herr Reger, den Unterschied von »stehen bleiben« und »stehenbleiben« durch diese beiden Schreibweisen so kenntlich machen, andererseits steht in meinem alten Duden nur »stehenbleiben«, vermutlich sollte das nach den alten Regeln also immer zusammengeschrieben werden. In manchen Fällen sind die Bedeutungsunterschiede ziemlich eindeutig (still halten, stillhalten; ein scheinbar außen stehender Verleger, ein scheinbar außenstehender Verleger [wie komme ich bloß da drauf?], zusammengehen, zusammen gehen usw.) in vielen anderen Fällen sind sie aber diffus. Insofern bedeutet der berüchtigte Ickler-Bogen vermutlich, daß der Schreiber in solchen Fällen die Schreibweise wählen kann, mit der er seine Aussage am besten denkt verdeutlichen zu können, es wird auf jeden Fall dann nicht falsch sein. Es können so allerdings bessere bzw. schlechtere Schreibweisen entstehen, je nach dem Sprachkönnen des Schreibers. Wer sich aber nur an den Duden hält, das gilt auch für den »alten«, muß auf Schreibweisen verzichten, mit denen er sich differenzierter ausdrücken kann. Herr Reger beweist es, indem er - gegen die Dudenregel - »stehen bleiben« schreibt, wenn er »sich nicht setzen« meint. »Stehenbleiben« wäre aber dennoch nicht falsch. Das gute Sprachgefühl kann ein Wörterbuch nicht ersetzen, weder Duden alt oder neu, noch Ickler. Und die anderen Wörterbücher, auch im Ausland, werden ebenfalls von Professoren redigiert, dagegen kann man halt nichts machen. |
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Peter Reger Gast
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: Mittwoch, 29. Okt. 2003 23:02 Titel: Stehen bleiben |
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Sehr geehrter Herr Lachenmann,
ich schreibe keineswegs gegen die Dudenregel "stehen bleiben". Bitte lesen Sie genau! In meinem Duden von 1991 steht auf Seite 683, 3. Spalte:
stehenbleiben; R 205f. (nicht weitergehen; übrigbleiben) ...; aber: du sollst bei der Begrüßung stehen bleiben;
Ein gutes Sprachgefühl ist zwar sicher wichtig, reicht aber nicht allein, sonst gäbe es nicht so viele Rechtschreibfehler in den Texten, die ich lesen muß. Zusätzlich benötigt man ein gutes Wörterbuch, in dem man sich immer wieder vergewissern kann und damit auch sein Sprachgefühl schärfen kann.
Ein schlechtes Wörterbuch schädigt aber mit der Zeit dieses Sprachgefühl!
Mit freundlichen Grüßen
Peter Reger |
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Walter Lachenmann Gast
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: Donnerstag, 30. Okt. 2003 00:14 Titel: Es ist alles im Fluß |
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Sehr geehrter Herr Reger,
mein Duden ist aus dem Jahre 1980, da kommt »stehen bleiben« nicht vor. Sie sehen, wie wenig konsistent solche Duden-Regeln gewesen sind, und seit der Reform ist es ja noch schlimmer. Man muß übrigens nur noch ein paar Jahre weiter zurückgehen, um in Büchern oder alten Briefen Schreibweisen zu finden, die uns inzwischen »falsch« vorkommen, zu ihrer Zeit aber durchaus eine fein differenzierte Ausdrucksweise wiedergaben, etwa bei Autoren des 19. Jahrhunderts oder auch der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gottfried Keller und Friedrich Nietzsche oder Robert Walser haben sich ja nicht undifferenzierter ausgedrückt als wir heute!
Ich verstehe die Probleme, die jemand, der sich nur über eine »richtige« Schreibweise Auskunft holen will, mit dem Ickler-Wörterbuch in vielen Fällen hat. Für das Sekretariat eines Betriebes oder für Leute, die wenig schreiben und eindeutige Informationen wünschen, ist es nicht sehr geeignet, da war der alte Duden zweckmäßiger. Aber schaden tut dieses Wörterbuch bestimmt nicht, denn es enthält ja nichts Falsches und man muß es halt nur für den Zweck hernehmen, für den es gemacht ist. Es ist paradoxerweise ein Produkt der Rechtschreibreform, es will die bewährte Rechtschreibung, so wie sie nicht im Duden, sondern in der Praxis der professionell Schreibenden vor der Reform ausgesehen hat und bei den qualifizierten Schreibern weiterhin aussieht, dokumentieren, damit dieses Wissen nicht verlorengeht, und es kann als das in sehr kurzer Zeit entstandene Werk eines Einzelnen (noch) nicht die Informationsfülle geben, die eine vielköpfige, seit Jahren routinierte Wörterbuchredaktion erarbeiten kann (was ja auch sie vor Fehlern keineswegs bewahrt).
Ein Wörterbuch, wie Sie es brauchen, mit der nicht reformierten Rechtschreibung, ist tatsächlich nicht mehr am Markt. Da sind Sie mit einem Duden vor der Reform auf jeden Fall gut bedient. Und vom Ickler-Wörterbuch ist eine überarbeitete Auflage geplant, vielleicht kommt dann die Ihren Ansprüchen besser entgegen.
Freundliche Grüße
Walter Lachenmann |
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Elke Philburn
Registriert seit: 03.12.2002 Beiträge: 246 Wohnort: Manchester UK
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: Donnerstag, 30. Okt. 2003 00:42 Titel: |
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Sehr geehrter Herr Reger,
wenn Sie selber mal ein wenig recherchieren wollen, werden Sie bald feststellen, daß die semantische Unterscheidung zwischen 'stehen bleiben' und 'stehenbleiben' in der Tat nicht sonderlich klar ist - wie Walter Lachenmann schon andeutete.
Befassen Sie sich zum Beispiel einmal mit der Cosmas-Datenbank des Instituts Deutsche Sprache: Dort können Sie umfassende Archive nach Wörtern absuchen und diese in ihrem Kontext nachlesen. Bei der Eingabe 'stehen bleiben' werden Sie feststellen, daß dieser Ausdruck keineswegs immer das Gegenteil von 'sich setzen' bedeutet, sondern vielfach im Sinne von 'anhalten' benutzt wird.
Dies ist auch nicht verwunderlich. Die Zusammenschreibung ist die neuere Variante, und wer würde von einer Sprachgemeinschaft erwarten, daß sie von einen Tag auf den anderen eine haarscharfe semantische Unterscheidung vornimmt und die auch einhält? Solche Diffenrenzierungen entwickeln sich, wenn überhaupt, über einen längeren Zeitraum. Diesen allmählichen Wandel kennen wir bereits von der gesprochenen Sprache.
Die Unterscheidung 'stehen bleiben' und 'stehenbleiben' ist ein Beispiel dafür, wie der Duden eine Regel formuliert hatte, die im wahren Leben nur bedingt angewandt wurde. Ickler dagegen hat den gängigen Sprachgebrauch recherchiert und ist auf diese Weise zu dem Ergebnis gelangt, daß das eine so akzeptabel ist wie das andere.
Mit freundlichen Grüßen
Elke Philburn |
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Peter Reger Gast
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: Freitag, 31. Okt. 2003 18:17 Titel: Orthographie nach den Mittelmäßigen? |
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Sehr geehrte Frau Philburn, sehr geehrter Herr Lachenmann,
selbstverständlich mußte schon immer zwischen „stehenbleiben“ und „stehen bleiben“ unterschieden werden. Das geht schon eindeutig aus R 205 im alten Duden hervor, auch wenn die Dudenredaktion erst später im Wörterverzeichnis die Unterscheidung verdeutlicht hat.
Das ist auch ganz klar, denn „stehenbleiben“ ist ein anderes Wort(!) für „anhalten“, während „stehen bleiben“ nur „weiterhin stehen“ bedeutet. Wer an dieser klaren Unterscheidung nicht festhält, sondern aus falsch verstandener Liberalität preisgibt, zerstört ein deutsches Wort, zerstört ein Stück deutsche Sprache! Natürlich sind viele Leute, zu denen auch sogenannte Intellektuelle gehören, nicht in der Lage diesen Unterschied zu erkennen. Aber geradezu grotesk finde ich es, wenn sich Frau Philburn hier ausgerechnet auf Beispiele aus einer Datenbank der Rechtschreibdeformer des IDS beruft. Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich?
In Frankreich werden alljährlich Orthographiewettbewerbe durchgeführt, in denen sich regelmäßig zeigt, daß es auch mit den Rechtschreibkenntnissen mancher Professoren und Schriftsteller nicht weit her ist. Trotzdem würde keiner dort auf die Idee kommen, die französische Orthographie an die Mittelmäßigkeit dieser Leute anzupassen, wie Sie es mit Ihrem Verein offensichtlich mit der deutschen Orthographie beabsichtigen! Sie werden verstehen, daß ich dabei nicht mitmachen werde. Eher übernehme ich die sogenannte neue Rechtschreibung. Über deren Charakter besteht wenigstens kein Zweifel.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Reger
PS: Falsche Freunde sind gefährlicher als erklärte Feinde! |
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Reinhard Markner
Registriert seit: 14.10.2002 Beiträge: 33 Wohnort: Berlin
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: Freitag, 31. Okt. 2003 18:32 Titel: Hoher Blutdruck ist ungesund |
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| Ich glaube, Herr Reger, Sie sollten sich abregen. Danach könnten Sie dann daran gehen, sich bei den von Ihnen Angegriffenen zu entschuldigen. |
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Walter Lachenmann Gast
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: Freitag, 31. Okt. 2003 20:00 Titel: Falsch und richtig verstandene Liberalität |
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Sehr geehrter Herr Reger,
Ihre Gedanken hinsichtlich »stehenbleiben« : »stehen bleiben« kann ich durchaus nachvollziehen. In meinem alten Duden ist »stehen bleiben« möglicherweise deshalb nicht verzeichnet, weil es sich ja um zwei verschiedene Wörter handelt, die jeweils an ihrer Stelle im Alphabet stehen, während »stehenbleiben« ein Wort ist. Auch der vorreformatorische Wahrig gibt Ihnen recht. Der verzeichnet eine Fülle von Beispielen in Verbindung mit »stehen«, und erläutert den Unterschied von »stehen bleiben« und »stehenbleiben« ziemlich genau wie Sie.
Respekt vor jemandem, der diese Differenzierungen weiß und sie anwendet, ganz im Ernst.
Obwohl ich im allgemeinen ziemlich rechtschreibsicher bin, wage ich nicht von mir zu behaupten, in allen solchen Fällen nach diesen Regeln zu schreiben, jedenfalls nicht bewußt, also mit der von Ihnen und Wahrig gegebenen Begründung im Hinterkopf. Vermutlich schreibe ich derlei aber dennoch meistens in Ihrem Sinne »richtig«, aber eben ohne auf Anhieb begründen zu können weshalb. Das heißt, auch wenn man dieses Dinge »richtig« schreibt, folgt man nicht so sehr gelernten Regeln, sondern eher seinem Sprachgefühl, das sich aus Schreib- und Lesegewohnheiten herleitet. Im Wörterbuch findet, oder besser: fand, man dann die Erklärung, weshalb man es richtig gemacht hat. Aber wie sind diese Regeln bzw. Begründungen entstanden? Weil unterschiedliche Sachverhalte sich durch Zusammen- oder Getrenntschreibung differenzieren lassen, haben es schreibende Menschen wohl mehr und mehr auch so gehalten, bevor es zu einer »Regel« wurde, nehme ich einmal an. Wer Literatur aus nicht allzu weit zurückliegender Zeit liest, ich habe neulich Beispiele genannt, wird diese Differenzierungen dort oft nicht feststellen. Dennoch haben die Leute damals doch kein schlechteres Deutsch geschrieben als wir heute! Wenn man über die ersten paar Seiten hinweg ist, merkt man kaum noch, wenn sich eine Schreibweise von den heutigen unterscheidet.
Liberalität muß nicht unbedingt eine falsch verstandene sein. Es gibt Grenzfälle, wo man zweierlei Schreibweisen tolerieren sollte, in anderen Fällen, bei denen die Bedeutungsunterschiede klarer sind als bei unserem Beispiel, ist es tatsächlich eine Beschädigung der Sprache, wenn man die Schreibweisen nicht differenziert oder nur noch eine Form vorschreibt, wie es die Reform jetzt macht, und auch noch meistens die sinnentstellende.
Es geht bei dieser hier vertretenen Auffassung wirklich nicht darum, die Orthographie den schlechten Gewohnheiten oder der Unfähigkeit des Mittelmaßes anzupassen. Dies leistet die Rechtschreibreform im Übermaß. Es geht vielmehr darum, sich darauf zu besinnen, wonach man sein Schreibverhalten im Sinne einer guten Sprache richten will, nachdem der Duden hier seine Autorität preisgegeben hat. Da empfiehlt es sich doch, sich an guten Schreibern zu orientieren, also an guten Schriftstellern, Journalisten, Sprachbegabten und Sprachsensiblen, das müssen ja nicht immer Professionelle sein. Natürlich besteht dabei eine gewisse Gefahr der Willkür: Wer entscheidet, was ist gutes Deutsch ist, nach welchen Vorbildern soll man sich richten? Es gibt Beispiele dafür, wie man da verfahren kann. Ich denke, in Frankreich belegt ein berühmtes Wörterbuch alle Einträge mit Zitatbeispielen aus der großen Literatur, in Deutschland gibt es ein ähnliches Wörterbuch (Hermann Paul). Auch die Duden-Redaktion ist ursprünglich vermutlich überwiegend so verfahren, daß sie die Sprachentwicklung anhand von Beispielen aus der Praxis mitvollzogen hat. Und Icklers Wörterbuch folgt, soviel ich davon begriffen habe, ebenfalls dieser Grundidee.
Der Dissens zwischen uns bzw. Ihnen und Frau Philburn ist viel weniger groß, als Sie denken. Im Prinzip haben Sie recht, im Detail sollte man, damit die Sprachentwicklung weitergehen kann, von Fall zu Fall liberaler sein, als Duden alt oder neu es einem vorschreiben wollen. Aber es gibt sicher auch Fälle, wo Liberalität sehr schädlich werden könnte. Striktes Vorschriftendenken ist so wenig am Platze wie Schludrigkeit oder, wie Sie es nennen, falsch verstandene Liberalität.
Und keine Sorge: Vor falschen Freunden wissen wir uns zu schützen, wie Sie in den letzten Tagen vielleicht mitbekommen haben!
Freundliche Grüße
Walter Lachenmann |
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Elke Philburn
Registriert seit: 03.12.2002 Beiträge: 246 Wohnort: Manchester UK
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: Samstag, 01. Nov. 2003 01:40 Titel: |
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Sehr geehrter Herr Reger,
| Zitat: | | Das ist auch ganz klar, denn „stehenbleiben“ ist ein anderes Wort(!) für „anhalten“, während „stehen bleiben“ nur „weiterhin stehen“ bedeutet. |
Der Knackpunkt ist, daß 'stehen bleiben' vs. 'stehenbleiben' oftmals gar nicht differenzierbar ist, sondern der Ausdruck beide Bedeutungen ('anhalten' und 'verweilen' oder 'weiterhin stehen') annimmt:
'Sie ging nach oben, während er auf der Treppe stehen blieb."
'Sie ging nach oben, während er auf der Treppe stehenblieb."
"Die Entwicklung darf nicht stehen bleiben."
"Die Entwicklung darf nicht stehenbleiben."
Es wäre, wie man an diesen Beispielen sieht, vergebene Liebesmüh, jedesmal eine genaue Unterscheidung vornehmen zu wollen.
| Zitat: | | Aber geradezu grotesk finde ich es, wenn sich Frau Philburn hier ausgerechnet auf Beispiele aus einer Datenbank der Rechtschreibdeformer des IDS beruft. |
Das IDS verfügt über eine umfassende Datenbank (überwiegend Presse), die weit in die Zeit vor der Reform zurückreicht. Im übrigen ist das IDS nicht mit der Reformkommission identisch.
| Zitat: | | In Frankreich werden alljährlich Orthographiewettbewerbe durchgeführt, in denen sich regelmäßig zeigt, daß es auch mit den Rechtschreibkenntnissen mancher Professoren und Schriftsteller nicht weit her ist. Trotzdem würde keiner dort auf die Idee kommen, die französische Orthographie an die Mittelmäßigkeit dieser Leute anzupassen, wie Sie es mit Ihrem Verein offensichtlich mit der deutschen Orthographie beabsichtigen! |
Sie meinen also die Professoren und Schriftsteller - ?
| Zitat: | | Sie werden verstehen, daß ich dabei nicht mitmachen werde. Eher übernehme ich die sogenannte neue Rechtschreibung. |
Dann müßten Sie sich aber noch viel häufiger über die vielen Rechtschreibfehler ärgern, lieber Herr Reger. Würden Sie das wirklich bevorzugen?
Freundliche Grüße
Elke Philburn |
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