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Boxer-Shorts

 
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Günter Schmickler



Registriert seit: 11.05.2003
Beiträge: 310
Wohnort: 53842 Troisdorf

Beitrag: Mittwoch, 26. Jan. 2005 14:57    Titel: Boxer-Shorts Antworten mit Zitat

Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 23. Januar 2005 fand ich eine Kolumne, in der Anglizismen-Verfolger und Sprachpfleger aufs Korn genommen werden. Sie mag ein wenig frivol sein, bei manchem Sprachfreund sicherlich auch auf Widerspruch stoßen – ein Lesespaß ist sie allemal:

S wie Säure
Von Peter Richter

Zum Moshammer-Mord und der DNA-Analyse ist eigentlich alles gesagt. Nur eines noch nicht: daß es eigentlich DNS-Analyse heißen müßte. S wie Säure statt A wie Acid. Ich warte praktisch stündlich darauf, daß sich bald jemand wie Walter Jens in diesem Sinne zu Wort meldet. Denn immer wenn man denkt, die Dinge an sich seien schon schlimm genug, kommt unter Garantie einer, der strafverschärfend fordert, sie auch noch korrekt auszusprechen. Joschka Fischer zum Beispiel würde bestimmt DNS-Analyse sagen, wenn er Innenminister wäre. Da er Außenminister ist, muß er sich damit begnügen, als einziger Mensch auf der Welt VN zu den UN zu sagen. Das klingt immer so, wie seine dreiteiligen Anzüge aussehen: ein bißchen prätentiös und ein bißchen altväterlich. Außenminister dürfen so sein. Aber dann war diese Woche bei „Spiegel Online“ sogar von einer Studenten-WG zu lesen, in der sie Anglizismen unter Strafe gestellt haben und Boxer-Shorts „Herrenunterhosen mit kurzem Beinteil“ nennen. Ich finde, junge Menschen sollten ihre Shorts nicht umbenennen, sondern ausziehen und anschließend x haben. Aber das käme für diese WG wahrscheinlich schon deswegen nicht in Frage, weil „x haben“ ja auch irgendwie ein Anglizismus ist, und zwar einer von der Sorte, die man als solche kaum erkennt. In Sprachpflegerkreisen werden sie deshalb gefürchtet und behandelt wie gefährliche Partisanen. Dabei bringt „x haben“ eigentlich sehr treffend die ganze Schicksalhaftigkeit so eines Liebeslebens auf den Punkt, denn x hat man, oder man hat – weil man zu Beispiel Herrenunterhosen mit kurzem
Beinteil trägt – leider keinen.
Bedauerlicherweise ist diese hübsche kleine Formulierung einer gnadenlosen Verfolgung ausgesetzt. Ihren Geschwistern „Sinn machen“, „geschockt sein“ und „nicht wirklich“ geht es nicht besser. Wer ihnen über den Weg läuft und ein Herz hat, sollte sie liebevoll in seinen Sprachschatz aufnehmen, wo sie für Frische und gute Laune sorgen, die Dinge auf dem kürzesten Weg anschaulich zur Sprache bringen und diese in den Dienst eines ereignisreichen Lebens, also vom Kopf auf die Füße stellen werden – wodurch man, wenn man Glück hat, vielleicht der Gefahr entgehen kann, im Alter zu denjenigen zu gehören, die unaufgefordert denunziatorische Vorschläge für das Unwort des Jahres einsenden, erboste Leserbriefe an die Presse schreiben und dort am liebsten Sprachkolumnen lesen – die älteste und unnötigste Form der Klugscheißerei, seit es auf dieser Erde DNAs beziehungsweise DNSn gibt.

Anmerkungen:
Der Witz Peter Richters hat mich ein wenig nachdenklich gemacht. Als Sprachfreund läuft man ja stets Gefahr, die „Sprachsünden“ der lieben Mitmenschen zu ernst zu nehmen. So kommt man schnell in den Geruch eines „Oberlehrers“, derb ausgedrückt eines „Klugscheißers“. Ich bemühe mich deshalb, vor allem bei der Ablehnung fremdländischer Einflüsse auf unsere Sprache das Augenmaß nicht zu verlieren. Bei uns im Rheinland hat die „Franzosenzeit“ in der Sprache zahlreiche Spuren hinterlassen. Das „Kölsch“ und die verwandten Dialekte haben dabei eine erstaunliche Integrationskraft bewiesen. Wenn beispielsweise ein Kölner von „unser Omma ihr ahl Schäselöngsche“ („eingekölschte“ Chaiselongue) spricht, so klingt das in meinen Ohren heimeliger als etwa „das alte Liegesofa unserer Großmutter“. Das „happy end“ gefällt mir schon deshalb, weil Kurt Tucholsky es in einem seiner schönsten Gedichte verwendet hat: „Es wird nach einem happy end im Film jewöhnlich abjeblendt“. Auch mit Handys und Boxer-Shorts kann ich mich zur Not abfinden.
Andere Anglizismen hingegen – unmittelbare wie mittelbare – schmecken mir wie kalte Erbsen: coole kids, die „centers“ aller Art, downgeloadet, upgedatet und outgesourcet, einmal mehr, realisieren im Sinne von „wahrnehmen“ – wenn mir so etwas über den Weg läuft, werde ich es nie und nimmer „liebevoll in meinen Sprachschatz aufnehmen“. Auch werde ich es mir nicht nehmen lassen, alljährlich Vorschläge für das Unwort des Jahres einzusenden,
gebe mich aber nicht der Illusion hin, man könne durch die Anprangerung solcher sprachlicher Mißbildungen die zynische Menschenverachtung, die hinter ihnen steckt, aus der Welt schaffen. Weiterhin werde ich, mag man mich auch einen Klugscheißer nennen, für den starken („würde-losen“) Konjunktiv eintreten und mich nicht klaglos damit abfinden, daß die Buchstabenfolge „oi“ in rheinischen Ortsnamen zunehmend wie „eu“ oder „o-i“ ausgesprochen wird. „Treusdorf“ und „Grevenbreuch“ sind so falsch wie das Adenauersche „Pankoff“!
Kurzum: Ganz ohne „Klugscheißerei“ ginge, so befürchte ich, unsere Sprache vor die Hunde. Doch nichts für ungut – in der witzigen Kolumne Peter Richters geht mir das eine oder andere gegen den Strich, aber ich habe mich bei der Lektüre köstlich amüsiert.

G. Sch.
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