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Das Geschäft mit der Rechtschreibreform

 
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Samstag, 03. Jul. 2004 09:08    Titel: Das Geschäft mit der Rechtschreibreform Antworten mit Zitat

Das Geschäft mit der Reform: satte Umsatzzuwächse
Institut für deutsche Sprache (IDS) und Duden-Verlag
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Die deutsche Sprache


<b>Zwischen Handschrift und Rechtschreibreform</b>

Seit einem Jahr ist Deutschland in Aufruhr. Bürgerinitiativen wollen vor Gericht ziehen, Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen protestieren, Schriftsteller und Künstler bekunden ihre Abscheu und befürchten das Schlimmste. Was ist passiert? Es geht weder um Umweltverbrechen, noch ist die deutsche Demokratie gefährdet. Stein des Anstoßes ist ein Stück Papier: Am 1. Juli 1996 unterzeichneten die politischen Vertreter der deutschsprachigen Staaten eine „Gemeinsame Erklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“ - die Rechtschreibreform. Kritiker ereifern sich über das Regelwerk, das angeblich viele Millionen Mark koste und die deutsche Sprache mit allerlei Veränderungen „verhunze“. Manche Sprachwissenschaftler hingegen sind enttäuscht: Es sei nur ein „Reförmchen“ geworden, ohne die Orthographie wirklich zu erneuern. In jedem Falle hat die Debatte viele Menschen verunsichert, vor allem die Älteren. Auch wer Deutsch als Fremdsprache erlernt hat, könnte durch die Reform vielleicht „ins Stottern“ kommen. Oder etwa nicht?

<b>Von Glossen, Goethe und Grammatikern</b>

„Vor der Folie der jahrhundertelangen Entwicklung der deutschen Sprache handelt es sich hier doch um eine Kleinigkeit“, wundert sich Armin Schlechter über die Aufregung um die Rechtschreibreform. Denn schließlich ist der erste Versuch, die deutsche Rechtschreibung amtlich zu regeln, gerade einmal knapp hundert Jahre alt. Der promovierte Germanist und Historiker sieht sich nicht gerade als Freund der Reform. Er ist es aber gewohnt, in anderen Dimensionen zu denken - als Leiter der Handschriftenabteilung der Heidelberger Universitätsbibliothek (UB).

An den handschriftlichen Quellen läßt sich besonders gut ablesen, wie sich die deutsche Sprache allmählich herausbildete.“ Zunächst fanden sich in lateinischen Texten einzelne germanische Wörter. Um die Zeit Karls des Großen tauchten dann die sogenannten „Glossen“ auf: Wörter, die man als Verständnishilfen in lateinische Texte hineinschrieb. Die „Glossen“ wurden auch als das „Ringen um die Eindeutschung des christlichen Wortschatzes“ bezeichnet. Wenig später entstanden die ersten althochdeutschen Texthandschriften. Im späten Mittelalter wurden die Handschriften abgelöst von frühen Drucken, den Inkunabeln: So nennt man die Erzeugnisse der Druckpresse bis zum Jahr 1500. Die deutsche Sprache emanzipierte sich, die Lesekundigen, darunter mehr und mehr Bürger der wachsenden Städte, wollten „Stoff“ - zumeist Übersetzungen französischer Romane.

Der Buchdruck in der Reformationszeit schließlich sorgte für eine weite Verbreitung und für eine gewisse Normierung: Die Sprache des Bibelübersetzers Martin Luther dominierte zusehends. Ein Zeugnis des Zeitalters der Glaubenskämpfe ist der bekannte „Heidelberger Katechismus“ , an dessen Abfassung die damals evangelische Universität maßgeblich beteiligt war. Im Barock hingegen herrschte die orthographische Vielfalt-politische Wirren und barockes Denken waren dafür verantwortlich. Dem entgegen stemmten sich die deutschen Grammatiker von Opitz bis Gottsched. Sie versuchten nach lateinischem Vorbild Sprachregeln aufzustellen. „Die Klassiker der Literatursprache, also Lessing, Goethe und Schiller, verankerten dann die deutsche Standardsprache in ihren Ausdrucksformen und Ausdrucksmitteln“, resümiert der Sprachwissenschaftler Prof. Klaus Mattheier vom Germanistischen Seminar der Heidelberger Universität. Doch sollte man sich hüten zu behaupten, die Dichterfürsten hätten das beste Deutsch gesprochen: Der Frankfurter Johann Wolfgang von Goethe zum Beispiel konnte sich im thüringischen Weimar nur schwer verständlich machen. Der Nationalismus des späten 19. Jahrhunderts schließlich verlangte nicht nur einen deutschen Staat, sondern auch eine einheitliche Sprache. Um die Jahreswende 1901/02 wurde die Rechtschreibung normiert und als Rechtsverordnung amtlich. Seither gab es immer wieder erfolglose Reformversuche, bis die Rechtschreibreform 1996 durchgeführt wurde.

[...]

<b>Die Reform - Entrümpelung und Geschäft</b>

Tagtäglich ein Thema, wenn auch bei weitem nicht das einzige, ist die Rechtschreibreform ganz in der Nähe der Alma mater, in Mannheim. Das Geschäft mit der Reform wird hier betrieben - sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftlich. Mitbeteiligt an der Reform ist das Institut für deutsche Sprache (IDS), eine staatliche außeruniversitäre Forschungseinrichtung, die früher auch unter der Leitung des Heidelberger Linguisten Rainer Wimmer stand. Seit März dieses Jahres ist das IDS Sitz der Rechtschreibkommission, eines zwölfköpfigen Gremiums von Wissenschaftlern, das die Reform begleitet (siehe Bericht Seite 8). Und nur ein paar Quadrate weiter hat die Duden-Redaktion ihr Domizil, die das wohl bekannteste deutsche Rechtschreiblexikon herausgibt. Wie es der Zufall so will, tragen auch hier Heidelberger Alumni Verantwortung. Die Sprachwissenschaftlerin Annette Trabold zum Beispiel, Pressesprecherin am IDS, promovierte 1992 an der Ruperto Carola. In der Pressestelle des Instituts für deutsche Sprache gehen die meisten Anregungen und Einwände zur Reform ein. „Die Aufregung um das Thema grenzt bei manchen Zeitgenossen ans Groteske“, berichtet Annette Trabold. „Dabei ist die Reform eher der Entrümpelung eines Kellers vergleichbar: nützlich und sinnvoll, aber ohne Gefahr für das Fundament des Hauses.“

Dem stimmt Dr. Matthias Wermke, Leiter der Duden-Redaktion und Heidelberger Alumnus von 1988, zu: „Sie räumt mit einigen berüchtigten Stolpersteinen auf.“ Für die Verlage hat sich die Reform bereits ausgezahlt. Hohe Auflagen (drei Millionen allein beim neuen Duden) sorgten für satte Umsatzzuwächse. Duden-Chef Matthias Wermke findet die Reform zwar nicht in allen Punkten gelungen, hält die Änderungen aber nicht für so gravierend, wie sie die Presse oft darstellt: „Jeder, der Deutsch kann, kann auch die Texte mit neuer Rechtschreibung lesen und verstehen.“ Die meisten Menschen betreffen die Rechtschreibregeln ohnehin nicht direkt, da sie nur für Schulen und Behörden verbindlich sind. Und Rechtschreibregeln allein machen die deutsche Sprache noch nicht aus. So sah es auch der schon erwähnte große deutsche Dichter Goethe: „Mir war die konsequente Rechtschreibung immer ziemlich gleichgültig. Wie dieses oder jenes Wort geschrieben wird, darauf kommt es doch eigentlich nicht an, sondern darauf, daß die Leser verstehen, was man damit sagen wollte. Und das haben die lieben Deutschen bei mir doch manchmal getan.“ Und nicht nur die Deutschen...

Peter Saueressig

ALUMNI REVUE - JULI 1997
Heidelberg Alumni International Universität Heidelberg
www.zuv.uni-heidelberg.de/AAA/alumni/revue_titel_1_1997_1.html
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