Günter Schmickler
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: Dienstag, 31. Jul. 2007 12:47 Titel: Der Kölner "EXPRESS" zur Reform der Reform |
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Die Boulevardzeitung “EXPRESS“, Köln und Bonn, verwöhnt ihre Leser in der heutigen (31.07.07) Ausgabe mit einer journalistischen Leistung, wie sie nicht alle Tage geboten wird.
Auf Seite 5 (Ratgeber) verkündet eine große, rote Überschrift:
Ab morgen dürfen wir so schreiben
Darunter ein Photo, auf dem ein Mädchen vor einer großen Schultafel abgebildet ist. Auf der Tafel sind – in gestochener Schönschrift – die folgenden Wörter zu lesen:
Portmonee, Krem, Schi, Majonäse, Ketschup.
Also durchweg „alte Hüte“, die wir uns nicht erst morgen aufsetzen dürfen. Krem, Majonäse und Schi waren schon in „vorreformatorischer“ Zeit erlaubt, Portmonee und Ketschup kamen anno 1996 hinzu!
Unter dem Foto befindet sich ein fettgedruckter Text, der mit dem Bildinhalt nichts zu tun hat:
“Die s-Laut-Regelung der neuen Rechtschreibreform. Ab jetzt ist endgültig Schluss mit Kuß – und zwar für immer.“
Der Artikel beginnt mit einem lapidaren Satz: “Ab dem 1. August ist es verbindlich: Die neue Rechtschreibreform ist jetzt für alle ein Muss.“
Die Wiederholung der Mär von der Allgemeinverbindlichkeit der Reform grenzt schon an Dreistigkeit! Wie oft muß eigentlich noch auf diese Binsenwahrheit hingewiesen werden: Das neue Regelwerk ist mitnichten ein Gesetz, sondern eine Verwaltungsanweisung, die nur für Schulen und Behörden verbindlich ist!
Es folgt eine Aufzählung der „wichtigsten Regeln“, an die Sylvia Schmitt von der „Duden Sprachberatung“ im Gespräch mit Eva Porten, der Verfasserin des Express-Artikels, erinnert. Leider ist nicht ersichtlich, ob der haarsträubende Unsinn, der sich in dieser Aufzählung findet, der Duden-Beraterin anzulasten ist, oder ob es sich um Mißverständnisse der Artikelschreiberin handelt.
“Das ph kann in Wörtern mit phon, graph, phot durch f ersetzt werden, etwa bei Fotografie, Mikrofon, Delfin.“
Die „eingedeutschten“ Schreibweisen Fotografie und Mikrofon waren, wie allgemein bekannt sein dürfte, schon vor 1996 gebräuchlich. Wirkliche Neuerungen, die im Zuge der „Reform der Reform“ eingeführt wurden, sind beispielsweise „Lithografie“ und „Xylofon“.
“Substantiv + Verb trennen: Rad fahren, Acht geben, Klavier spielen, Eis laufen.“
„Acht geben“ ist nach der „Reform der Reform“ nur eine geduldete Schreibvariante. Der Duden von 2006 empfiehlt durch gelbe Markierung „achtgeben“. „Eis laufen“ gehört zu den Neuerungen der Reform in der Fassung von 1996, die durch die „Reform der Reform“ aus dem Verkehr gezogen wurden. Von morgen an darf nur noch „eislaufen, ich laufe eis“ geschrieben werden.
“Getrennt oder zusammen: beides möglich bei Verbindungen mit lassen und bleiben: sitzen bleiben/sitzenbleiben.“
Der Duden von 2006 erlaubt die Variante „sitzenbleiben“ nur bei übertragener Bedeutung!
"Der Bäck-er Hans fas-tet. ,,,,,, Der Bäcker wird nicht mehr Bäk-ker getrennt, sondern Bäck-er.“
Kommentar erübrigt sich!
Abschließend mit der Zwischenüberschrift (weiß auf rot) “Das ist jetzt Pflicht“ eine kleine Wörterliste, in der „alte“ und „neue“ Schreibungen gegenübergestellt sind. Wer dieser Liste vertraut, schreibt pflichtgemäß künftig statt „schneuzen“ – „schnäutzen“ (!!!).
Der EXPRESS sollte sich bei seinen Lesern entschuldigen und eine Warnung an alle verantwortungsbewußten Eltern herausbringen: Lassen Sie den Ratgeberartikel vom 31.07.07 nicht in die Hände Ihrer schulpflichtigen Kinder gelangen! |
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