Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Sonntag, 06. Jun. 2004 22:00 Titel: BERNS photographie Verlag |
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BERNS photographie Verlag
Zur Rechtschreibung
Der BERNS photographie Verlag wendet die formell seit Juli 1996 von einer staatlich eingesetzten Kommission beschlossene, mehrfach kritisierte und bis heute umstrittene reformierte Rechtschreibung nicht an.
Zur Begründung wird auf die nachfolgend veröffentlichte Stellungnahme mit dem Titel “Zur Recht schraip reform” verwiesen. Zur weiteren Information finden Sie außerdem zwei Kommentare von prominenten Gegnern der ‘Rechtschreibreform’.
Sämtliche schriftenthaltenden Produkte des Verlages werden nach den Regeln der Rechtschreibung veröffentlicht, die vor dem Jahre 1996 galt, weiterhin gilt und auch nach dem Jahre 2005 noch gelten wird.
Essen, im April 2003
Zur „Recht schraip reform“
Eine Stellungnahme
Vor einiger Zeit trat eine Kommission mit dem Ziel an, mittels einer Reform die Rechtschreibung in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz zu vereinfachen, eine neue Getrenntschreibung einzuführen und die Zeichensetzungsregeln zu erneuern. Warum jedermann von dieser Reform besser die Finger lassen sollte, die jetzt ohnehin schon zum „Reförmchen“ gestutzt wurde, wollen die folgenden grundsätzlichen Gedanken und Argumente einleuchtend wie nachvollziehbar (und noch nicht abschließend) streifen:
Hinweis: Dieser Text folgt übrigens den Regeln der Rechtschreibung, die vor Juli 1996 gegolten haben, derzeit noch gültig sind und auch nach dem Jahr 2005 weiterhin gelten werden.
1. Sprache, insbesondere Schriftsprache, kann nicht von Staats wegen verordnet werden, gewissermaßen „von oben herab“. Sprache läßt sich nicht de lege lata reformieren. Sprache ist ein lebendiges Kulturgut. Sprache muß wachsen.
2. Die deutsche Sprache gehört allen deutschsprachigen Menschen. Sie darf nicht von einigen wenigen als Instrument eingesetzt werden (besser: mißbraucht werden), und sie läßt sich vor allem nicht von einer (behördenähnlichen, weil staatlich eingesetzten) Kommission willkürlich zur Disposition stellen.
3. Worte haben kein Verfallsdatum. Es ist nicht einzusehen, warum Worte bis zu einem vorbestimmten Datum noch gültig sein sollen (hier: bis zum Jahr 2005) und danach nicht mehr oder nicht mehr so geschrieben werden dürfen, mag zuvor auch ein längerer Übergangszeitraum gewährt worden sein.
4. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist gegen die ‚neue Rechtschreibung‘. Aufgrund einer Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach Mitte April 2002 wehren sich ca. 56 % der Deutschen gegen die ‚neue Rechtschreibung‘, die Mitte 1996 verabschiedet wurde und nunmehr über sechs Jahre (!) Bewährungszeit genießt. 57 % der 1073 Befragten wollen sich nicht umstellen. 49 % wollen, daß man gänzlich zur ‚alten Rechtschreibung‘ zurückkehrt, nur 29 % wollen die ‚neue‘ beibehalten.
Zum Institut für Demoskopie: www.ifd-allensbach.de.
5. In deutschen Verlagen und unter deutschen Autoren wird derzeit ein stiller Krieg ausgefochten. Während Neuauflagen von Fachbüchern überwiegend bereits in ‚neuer Rechtschreibung‘ erhältlich sind, überlassen die Verlage im Bereich der Belletristik den Autoren die Wahl. Diese bleiben weitestgehend der ‚alten Rechtschreibung‘ treu und führen an, daß gerade in der schöngeistigen Literatur nicht nur der Inhalt sondern auch die Form – hier die Schrift – ein harmonisches Bild abgeben muß. Die ‚alte Rechtschreibung‘ besitzt ein Schriftbild, das die Leser bei der neuen Rechtschreibung vermissen. Es ist interessant zu beobachten, daß nach und nach immer mehr Verlage wieder zur ‚alten Rechtschreibung‘ zurückkehren.
6. Die sogenannte „Rechtschreibreform“ sollte eine Vereinfachung der deutschen Sprache und Schreibweise mit sich bringen. Eine Vereinfachung im Schreiben bringt in der Regel auch eine Vereinfachung im Denken mit sich. In einer immer komplizierteren Gesellschaft müssen Probleme und Problemkomplexe im wesentlichen auch über die Sprache gelöst werden. Zwangsläufig paßt sich die Sprache den komplexen Themen an. Eine nivellierte Sprache, so wie sie die ‚neue Rechtschreibung‘ anwendet („die deutsche Sprache wird einfacher“), senkt das Niveau der Sprache und führt zu neuen Problemen, zu Unverständnis bis hin zur Verständnislosigkeit. Ja, die ‚neue Rechtschreibung‘ ist kontraproduktiv.
7. Die sogenannte „Rechtschreibreform“ sollte eine Vereinfachung der deutschen Sprache und Schreibweise mit sich bringen. Das Gegenteil ist der Fall geworden: es herrscht große Unsicherheit in weiten Teilen der Bevölkerung. Viele sprechen schon vom ‚Rechtschreibchaos‘. Eine überwiegende Mehrheit der Schülerinnen und Schüler weiß nicht mehr, was jetzt noch falsch ist (weil unlogisch) und was richtig bleibt, weil nichts mehr so richtig falsch ist und fast alles richtig wird. Deutschlehrer an weiterführenden Schulen kreiden ihren Schülerinnen und Schülern deshalb viele Dinge gar nicht mehr an, müssen aber dennoch deutlich machen, daß sie es noch wissen, damit die Eltern dieser Schülerinnen und Schüler wenigstens Kenntnis davon erhalten, daß die Lehrer noch wissen, was richtig und was falsch geschrieben worden ist.
8. Verfehlte Grundsätze. Die neue Getrennt- und Zusammenschreibung ist unlogisch und der deutschen Öffentlichkeit nicht zu vermitteln. Es besteht doch ein Unterschied, wenn ein Richter „frei spricht“ oder wenn er „freispricht“ und wenn Europa „zusammenwächst“ oder wenn Europa „zusammen wächst“. Die alte Regel „getrennt schreiben, wenn etwas wörtlich gemeint ist, und zusammenschreiben, wenn etwas im übertragenen Sinne zu verstehen ist“ wird nunmehr völlig ausgehebelt.
9. Das Wort ‚sogenannt‘ ist in Jahrzehnten in zusammenhängender Schreibweise gebraucht worden und zu einem eigenständigen Begriff geworden. Muß jetzt etwas, was zusammengehört, auseinandergerissen werden? Hätten Sie die sogenannte „Rechtschreibreform“ so genannt?
10. Wann nach der sogenannten „Rechtschreibreform“ ein ‚ß‘ (auch als „Buckel-S“ oder „scharfes S“ bekannt) und wann ein (einfaches) ‚s‘ geschrieben wird, ist weiten Teilen der Bevölkerung nicht klar. Denn immer mehr Schreibende setzen selbst an die Stellen, an denen nach der sogenannten „Rechtschreibreform“ eigentlich ein ‚ß‘ stehen müßte, dennoch ein ‚ss‘. Das hätte zur Folge, daß man das ‚ß‘ zur „bedrohten Buchstabenart“ erklären müßte.
Beispiele: viele schreiben jetzt „mit freundlichen Grüssen“ statt ‚mit freundlichen Grüßen‘; viele schreiben jetzt „Grossbritannien“ statt ‚Großbritannien‘.
11. Selbst die Redakteure und Journalisten von Tageszeitungen, Zeitschriften sowie Fernsehen (hier insbesondere auch der Videotext), Rundfunk und Internet, die es längst wissen müßten, beherrschen nach sechs Jahren „Erprobungsphase“ die ‚neue Rechtschreibung‘ noch immer nicht. Wären sie Schüler gewesen, hätte ein Lehrer mit ihnen keine sechs Jahre Geduld gehabt, und sie hätten die Klasse wiederholen oder sogar die Schule verlassen müssen.
12. Es ist ein Zeichen von totalitaristischem Denken, von Charakterlosigkeit und Ignoranz, wenn Artikel von Redakteuren, die ihre Texte in der herkömmlichen Schreibweise gedruckt sehen wollen, nur deshalb nicht veröffentlicht werden, weil das Blatt „eine Einheitlichkeit deutlich machen soll und man sich auf die ‚neue Rechtschreibung‘ verpflichtet habe“. Diese Entscheidungsträger übersehen aber völlig, daß bis zum Jahr 2005 beide Rechtschreibformen nebeneinander gelten.
13. Nicht zuletzt gibt die Rechtschreibkommission in einem unter Verschluß gehaltenen Papier Ende Februar 2002 zu (Warum muß ich etwas unter Verschluß halten, wo doch Kritikfähigkeit gefragt ist? Oder ist Kritikfähigkeit nur in einer (politischen) Richtung erlaubt?), daß weite Teile der sogenannten „Rechtschreibreform“ zum einen inhaltlich voller Widersprüche stecken, daß zum anderen die neue Getrennt- und Zusammenschreibung nicht „das Gelbe vom Ei“ gewesen sei (zu schnell durchgepeitscht und nicht ausreichend durchdacht) und zum dritten eine mit der ‚neuen Rechtschreibung‘ einhergehende veränderte Zeichensetzung in der Bedeutungslosigkeit versunken ist.
14. In genau diesem unter Verschluß gehaltenen Papier hat die Rechtschreibkommission die neue Getrenntschreibung in nahezu fast einmütiger Vollständigkeit zurückgenommen, weil ihr klar wurde, daß sie die Logik auf den Kopf gestellt hat. Sie tut also innerhalb kurzer Zeit genau das Gegenteil von dem, was sie noch kurz zuvor selbst in die Welt gesetzt hat.
15. Bevor eine Reformierung der Rechtschreibung notwendig würde, wäre es angebrachter, die deutsche Sprache von Anglizismen zu befreien. Will ich mit der Eisenbahn, dem Bus oder der Straßenbahn fahren, kaufe ich eine Fahrkarte oder einen Fahrschein aber kein „Ticket“. Wer mit seinem Auto zu einer Fachmesse fährt, benutzt zwischen Parkplatz und Messegelände einen Zubringer aber keinen „Shuttle“. Ich entspanne mich, aber „relaxe“ nicht. Ich gehe zum Einkaufen, aber nicht zum „Shopping“. Derlei Negativbeispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Wer Anglizismen benutzt, muß sich darüber im klaren sein, daß der Fahrschein durch den englischsprachigen Begriff nicht aufgewertet wird. Wer jedoch glaubt, der kleine Papierstreifen gewinne durch die Bezeichnung ‚Ticket‘ an Bedeutung, begeht einen frommen Selbstbetrug: ein Fahrschein bleibt immer ein Fahrschein, eine Fahrkarte bleibt immer eine Fahrkarte und fängt nicht an zu ticken.
16. Das durch die sogenannte „Rechtschreibreform“ hervorgerufene Schreibchaos hat bekanntlich bundesweit Auswirkungen und spiegelt auch in gewisser Weise bundesweit den Zustand dieser Republik wider: PISA-Studie, desolate Haushaltslage des Bundes, der Länder und der Gemeinden, Orientierungslosigkeit in weiten Teilen der Bevölkerung, Zukunftsangst und Pessimismus in deutschen Köpfen (62% der deutschen Bevölkerung sehen aufgrund einer repräsentativen Umfrage von Dezember 2002 der näheren Zukunft entweder skeptisch oder sogar mit Befürchtungen entgegen; Quelle: BAT-Forschungsinstitut), Minderheiten und Randgruppen drücken dem Staat ihr Gepräge auf, zu hohe Steuern sowie der Verlust an Glaubwürdigkeit in die Politik und nicht zuletzt die ‚Teuro‘-Debatte.
Vorläufiges Fazit: die „Rechtschreibreform“ ist eine Schlechtschreibreform, sie paßt nicht in die Landschaft und kommt zur Unzeit. Die Verwirrung in der Bevölkerung ist größer denn je, so wie es die Fachleute vorhergesagt hatten. Nicht alles, was als ‚neu‘ bezeichnet wird und sich ‚Reform‘ nennt, ist auch wirklich eine Verbesserung.
Frank Berns
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