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Entmündigung und Enteignung des Sprachvolkes

 
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
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Beitrag: Sonntag, 25. Jan. 2004 13:31    Titel: Entmündigung und Enteignung des Sprachvolkes Antworten mit Zitat

<b>Entmündigung und Enteignung des Sprachvolkes</b>

Orthographie ist die Kunst, einer Sprache die ihr angemessene schriftliche Form zu verleihen. Manche meinen, es handele sich bloß um eine Sekundärtugend – in den Schulen müsse »Wichtigeres« vermittelt werden. Was aber gibt es Wichtigeres als funktionierende Kommunikation, für die eine funktionierende Orthographie Voraussetzung ist? Die Rechtschreibreform ist der Beweis, daß richtiges Schreiben keine Belanglosigkeit ist. Viele trauen heute ihren Augen nicht mehr, wenn sie morgens die Zeitung aufschlagen. Das Lesen ist mühsam geworden.

»Rechtschreibreform« – in der Bezeichnung selbst liegt schon eine Irreführung. Es handelt sich in Wirklichkeit nicht um eine fortschrittliche Maßnahme, sondern um die Bemühungen sprachpolitischer Kleingärtner, den vermeintlichen Wildwuchs der deutschen Sprache den eigenen rigiden Ordnungsvorstellungen gemäß zu beschneiden.

Bei der Getrennt- und Zusammenschreibung wird dies am deutlichsten erkennbar. Hier war seit Jahrzehnten eine Tendenz zur Wortverschmelzung wirksam. Der allmähliche Sprachwandel des Deutschen brachte es zum Beispiel mit sich, daß aus »wieder sehen« »wiedersehen« wurde, entsprechend dem Hauptwort »Wiedersehen«. Es ist so fruchtlos wie unwissenschaftlich, diesem sich naturhaft vollziehenden Prozeß entgegenwirken zu wollen. Eben dies aber ist das erklärte Ziel der Rechtschreibreformer, die gängigste Zusammensetzungen wie »sogenannt « oder »vielversprechend« abzuschaffen trachten und selbst ein so altehrwürdiges Wort wie »Handvoll« auf den Index gesetzt haben.

Das Ergebnis ist die systematische Entmündigung der Sprachgemeinschaft.
Eine Kommission, deren Mitglieder niemand kennt, maßt sich an, darüber zu befinden, ob es Wörter wie zum Beispiel »naheliegend« oder »Zeitlang« weiterhin geben soll. Da ist es kein Wunder, daß auch die politische Durchsetzung der Rechtschreibreform – an den Parlamenten vorbei und sogar unter Mißachtung eines Volksentscheids – ein Musterbeispiel für undemokratisches Handeln war.

Die Reformvertreter haben wiederholt zur Gelassenheit aufgerufen. Sie selbst leben sie vor: Gelassen machen sie als Berater von Wörterbuch- und Schulbuchverlagen ihre Geschäfte. Die Kultuspolitiker rufen dazu auf, sich mit anderen Themen zu befassen. Jede Erinnerung an ihren spektakulär fehlgeschlagenen Versuch, selbst zu gestalten, was sich selbst gestaltet, ist ihnen unangenehm. Wir wissen nicht, was sie denken, wenn sie die Frankfurter Allgemeine aufschlagen, die nach einem Jahr zur bewährten Rechtschreibung zurückgekehrt ist. Wir wissen nur, was die Leser denken. Die renommierteste Tageszeitung Österreichs hatte als einzige den Mut, sie zu befragen. Das Resultat war vorhersehbar – „Die Presse“ blieb bis heute bei der herkömmlichen Orthographie. [Anfang 2003 gab sie leider dem Druck des Medienkartells nach und stellte auf den Neuschrieb um. MR]

Die Schriftsteller haben die abträglichen Folgen der Reform für die deutsche Sprache vorausgesehen. Geschlossen erklärten sie vor fünf Jahren ihren Widerstand. Einige signalisieren ihre Haltung schon in der Titelgebung ihrer Bücher. Siegfried Lenz nannte seinen jüngsten Roman „Arnes Nachlaß“, und die Trägerin des Aspekte-Literaturpreises 2001, Annette Pehnt, wurde prämiert für ihre Erzählung „Ich muß los“.

Auszug aus dem VRS-Faltblatt „Sehstörungen?“ - www.vrs-ev.de/Sehstoe.pdf


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Freitag, 05. März. 2004 11:40, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Sonntag, 25. Jan. 2004 14:59    Titel: Enteignung des Volkes durch Privatisierung der Sprache Antworten mit Zitat

<b>Enteignung des Volkes durch Privatisierung der Sprache</b>

Der Kinderbuchautor Rafik Schami schreibt in seinem kritischen Kapitel über die Rechtschreibreform, er habe durch den Widerstand gegen die Reform erfahren, daß die Sprache nicht mehr Sache des Volkes sei, sondern zum Besitz von privaten Firmen werde. Das Wörterbuch von Bertelsmann habe bereits gedruckt vorgelegen, bevor die Wiener Absichtserklärung unterzeichnet worden sei. Die Enteignung des Volkes durch Vergabe der Sprache an Privatfirmen sei ein ungeheurer Schritt. „Verschiedene Wörterbücher bestimmen jetzt die Ge- und Verbote unterschiedlich.“

Schami, Rafik: Das Elend der Rechtschreibreform. In: Schami, Rafik: Damals dort und heute hier. Über Fremdsein. Hrsg. Erich Jooß, Freiburg: Verlag Herder, 1998, S. 94-100
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 27. Jan. 2004 14:08    Titel: Wider die Enteignung der Sprache Antworten mit Zitat

<b>Wider die Enteignung der Sprache</b>

Robert Nef: Wider die Enteignung der Sprache. In: Schweizer Monatshefte, Zürich, Heft 11, November 2003, EDITORIAL, S. 1.
Robert Nef ist Herausgeber der Schweizer Monatshefte und Leiter des Liberalen Instituts Zürich.
www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=182

Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.
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