Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen |
Autor |
Nachricht |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Sonntag, 30. Nov. 2003 20:05 Titel: DIE WELT |
|
|
Letztes Aufbäumen vor der Rechtschreibreform
Ein Volksentscheid in Schleswig-Holstein könnte die umstrittene Reform bundesweit stoppen
Von DANKWART GURATZSCH
Bis zum letzten Augenblick vor dem Volksentscheid zur Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein hat das Thema die Öffentlichkeit im nördlichsten Bundesland in Atem gehalten. Noch zwei Tage vor der Entscheidung der Wähler schalteten 48 Professoren der Kieler Universität gestern eine Anzeige. Sie appellierten darin „an alle einsichtigen Bürger Schleswig-Holsteins: Kreuzen Sie die Wahlmöglichkeit ‚1‚ auf dem Stimmzettel an!“ Die Bürger sollten damit die Reform in letzter Minute zu Fall bringen. Der Vorgang lenkt noch einmal den Blick darauf, daß es tatsächlich keinen einzigen prominenten Germanisten und Sprachforscher im deutschsprachigen Raum gibt, der sich mit der „fehler- und stümperhaften Reform“ (so die Kieler Wissenschaftler) identifiziert hätte. 80 Prozent der Bevölkerung, sämtliche bedeutenden Schriftsteller, zahlreiche Verlage sowie Lehrer- und Elternverbände lehnen sie ab.
Das Argument der Kultusminister, die gesamte deutsche Öffentlichkeit habe den Zeitpunkt des Protestes verpaßt, sticht schon deshalb nicht, weil dasselbe ja für die Kultusbürokratie in gleicher Weise zutrifft. Auch sie hat die „Stümperhaftigkeit“ dieser Reform nicht beizeiten durchschaut. Allerdings soll eingeräumt werden: Die Ministerialbürokratie - wie die deutsche Öffentlichkeit - war dazu auf Grund des nackten Regelwerks auch gar nicht in der Lage. Denn bis heute ist die Rechtschreibkommission die Vorlage einer ausführlichen Wörterliste trotz Anmahnungen schuldig geblieben. Deshalb konnte die Verworrenheit der Reform erst zutage treten, als die ersten Wörterbücher auf den Markt kamen. Unmittelbar danach setzten die Proteste ein. Nun nämlich zeigte sich, daß es keinerlei verbindliche Auslegungsmöglichkeiten für die neuen „Regeln“ gibt - die in Wahrheit nichts regeln, sondern nur alles durcheinanderbringen. Daß selbst die Lexikographen, also ausgebildete Sprachwissenschaftler, bei der Anwendung der Bestimmungen Tausende Abweichungen produzierten, stellt der Reform ein verheerendes Zeugnis aus. Inzwischen ist nachgewiesen, daß nicht einmal die „Erfinder“ der Reform selbst die Regeln beherrschen, geschweige denn die Kultusbürokratie. Das höchste deutsche Gericht hat daraus den fatalen Schluß gezogen, die Einheitlichkeit des geschriebenen Deutsch überhaupt zur Disposition zu stellen. Wenn nur die „Kommunikationsfähigkeit“ nicht beeinträchtigt werde, könne jeder künftig schreiben, wie er wolle. Damit ist die deutsche Schriftsprache praktisch für vogelfrei erklärt.
Das Werk Konrad Dudens, der den deutschen Stämmen eine einheitliche, alle Länder und Dialekte umspannende Schriftsprache gegeben hat, ist auf den Müll geworfen. Daß dieser innere Widerspruch der Reform so manchem Kultusbeamten und Lehrer nicht einleuchten will, stellt den Bildungsstand von Teilen des „Establishments“ in ein schmachvolles Licht. Anders ist die Reaktion der Schulbuch- und Wörterbuchverlage zu bewerten. Wenn sie in Schleswig-Holstein mit Anzeigen-, Postwurf- und Rundfunkkampagnen gegen die Reformgegner zu Felde gezogen sind, so haben sie sich dabei von einem nackten Geschäftsinteresse leiten lassen. Freilich waren sie nicht berechtigt, dies mit vorsätzlichen Falschaussagen zu tun. Denn es ist eben nicht wahr, daß bei einer Rücknahme der Reform Kosten in Millionenhöhe entstünden, weil Schulbücher „wieder eingestampft“ werden müßten. Die Bücher in falscher „neuer“ Orthographie können genauso weiterverwendet werden wie dies im letzten halben Jahr in Niedersachsen geschehen ist. Dort ist keinem einzigen Schüler pädagogischer Schaden dadurch entstanden, daß er durch seine Lehrer auf die Unbrauchbarkeit der neuen Schreibweisen hingewiesen worden ist. Daß sich die Befürworter der Reform systematisch gezinkter Karten bedienen, um das untaugliche Produkt über die vermeintlich letzte Hürde, den Kieler Volksentscheid, hinüberzuretten, zeigt der Abstimmungszettel. Hier wird versucht, dem Stimmbürger mit irreführenden Formulierungen Fallen zu stellen, um ihn zur Stimmabgabe im falschen Kästchen zu veranlassen.
Dasselbe gilt für die Drohung der Kieler Regierung, die Schleswig-Holsteiner müßten befürchten, bei Ablehnung der Reform auf eine „Sprachinsel“ zu geraten, weil ja alle anderen Länder an der Reform festhielten. Das kann nur glauben, wer kein Gedächtnis hat. Denn darauf haben sich die Kultusministerkonferenz und die beiden großen Parteien in zahlreichen Erklärungen unzweideutig festgelegt: Wenn die Reform in einem einzigen Bundesland kippt, ist sie gestorben. Wer an der Verläßlichkeit dieser Aussage rüttelt, der macht nicht nur die Sprachkultur, sondern auch die politische Kultur zur Farce. Und das wird nicht einmal der erbittertste Gegner der Schreibreform den verantwortlichen Politikern zutrauen.
DIE WELT vom 26. September 1998
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Donnerstag, 12. Aug. 2004 20:58, insgesamt 6mal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Donnerstag, 29. Jan. 2004 00:09 Titel: Karlsruhe billigt Sonderweg im Norden |
|
|
Karlsruhe billigt Sonderweg im Norden
Doch Parteien für einheitliche Schriftsprache
Von DANKWART GURATZSCH
Frankfurt/Main - Das Abstimmungsergebnis des Volksentscheids über die Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein führt dazu, daß zunächst ein Bundesland aus dem Rechtschreibkonsens der Bundesländer ausschert. Aber welche Folgen ergeben sich daraus für die Reform insgesamt?
Das Bundesverfassungsgericht sieht keine rechtlichen Bedenken gegen den Alleingang eines Bundeslandes: „Das Ausscheren eines Beteiligten aus dem Kreis derer, die sich zuvor auf gemeinsame Regeln und Schreibweisen geeinigt haben“, müsse „verfassungsrechtlich nicht notwendig die Unzulässigkeit der Neuregelung zur Folge (haben), wenn Kommunikation im gemeinsamen Sprachraum trotzdem weiterhin stattfinden kann“.
Aber diese juristische Einschätzung besagt nichts über die politischen Folgerungen. Denn durch das Ausscheren eines Landes wäre die Einheitlichkeit der deutschen Schriftsprache zerstört.
Die Wahrung dieser Einheitlichkeit aber hatten die Kultusminister zur Bedingung der Reform erklärt. In einer gemeinsamen Presseerklärung vom 27. Februar 1997 stellten sie dazu fest: „Die Kultusminister betonen, daß es für die Rechtschreibung nur eine gemeinsame Regelung in allen Ländern geben kann.“
Entsprechend dieser Auffassung hatte der Präsident der Kultusministerkonferenz, der niedersächsische Kultusminister Rolf Wernstedt, bei der Einsetzung der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission am 25. März 1997 versichert, „daß ein Sonderweg einzelner Länder bei der Rechtschreibreform . . . nicht vorstellbar ist. Dies widerspräche dem Interesse einer einheitlichen Pflege der deutschen Sprache und dem Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme der deutschsprachigen Staaten und Gemeinschaften“.
Die beiden großen Parteien des Bundestags haben in getrennten Erklärungen die Auffassung vertreten, daß bei einem Alleingang eines Landes die Reform zurückgenommen werden muß.
So unterstrich der Bundesgeschäftsführer der SPD, Franz Müntefering, in einem Brief an die SPD-Basis vom 14. August 1997: „Sollte ein Land ausscheren, wäre die Reform gescheitert. Ein Rückfall in die ,orthographische Vielstaaterei', wie sie vor der Einführung der für alle verbindlichen Regeln 1901 herrschte, wäre die Folge. Das kann niemand wollen.“
Fast gleichlautend äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Rupert Scholz, am 13. Juli 1998: „Es sind letztendlich die Bürger von Schleswig-Holstein, die in einer Volksabstimmung über die Einführung der Reform entscheiden. Votieren sie dagegen, ist die Reform tot.“
DIE WELT vom 29. September 1998
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Dienstag, 20. Apr. 2004 22:11, insgesamt 2mal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Samstag, 07. Feb. 2004 10:38 Titel: Fataler Irrtum der WELT |
|
|
<b>Fataler Irrtum der WELT</b>
Nach der Rückumstellung der FAZ auf die bewährte herkömmliche Rechtschreibung erhielt Karin Kahlert folgenden Brief von der Chefredaktion der WELT. Da Karin Kahlert über keinen Netzanschluß verfügt, stellte sie ihn dem VRS zur Verfügung.
________________________________________________________________
DIE WELT
Chefredaktion
Dr. Wolfram Weimer
Axel-Springer-Str. 65
10888 Berlin
Tel. (030) 25 91 - 0
Fax: (030) 251 60 71
Frau
Karin Kahlert
Falkenburger Ring 12
22147 Hamburg
Berlin, 1. August 2000
Sehr geehrte Frau Kahlert,
ich möchte Ihnen ganz herzlich für Ihr Schreiben vom 30. Juli danken.
Wir haben seit Beginn der Debatte um die Reformierung der deutschen Rechtschreibung immer wieder die Willkür des geplanten Regelwerks angeprangert und seit Einführung der Reform in unserer Kritik nicht nachgelassen. Unsere Leser haben daran großen Anteil gehabt.
Zuweilen muß man aber auch Einsicht in die Notwendigkeit haben. Die Kulturminister aller deutschen Bundesländer, Österreichs und der Schweiz haben nun einmal eine neue Rechtschreibung beschlossen. Alle großen deutschsprachigen Verlage und alle Agenturen habe sich - mit hohen Kosten - umgestellt.
Die neue Rechtschreibung wird seit nunmehr vier Jahren an den deutschen Schulen unterrichtet. Dem Entschluß der Frankfurter Allgemeinen Zeitung können wir uns nicht anschließen, <b>da uns das Ignorieren bestehender Rechtsnormen beim besten Willen und trotz des verlockenden Ergebnisses nicht als Königsweg erscheinen mag.</b> [Hervorhebung, MR]
Wir haben von Anfang an für eine Reform der Reform gekämpft. Die Anpassung der neuen Regeln an tatsächliche Schreibgewohnheiten, die sich in der neuen Ausgabe des Dudens zeigen wird, verbuchen wir in diesem Sinne als Erfolg unserer stetigen Kritik. Wir werden weiter daran arbeiten, aus einer schlechten Reform das Beste zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfram Weimer |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Samstag, 07. Feb. 2004 10:56 Titel: Leser werden als Unmündige behandelt. |
|
|
<b>Die Leser werden als Unmündige behandelt.</b>
Mein seinerzeitiger Kommentar vom 6. August 2000:
Dr. Wolfram Weimer soll die Nachfolge von Chefredakteur Dr. Mathias Döpfner antreten.
Weimer behauptet, die WELT habe von Anfang an für eine Reform der Reform gekämpft. Warum hat die WELT denn eine so schlechte Reform überhaupt eingeführt? Außerdem wolle die WELT aus einer schlechten Reform das Beste machen. Das ist schon deswegen unglaubwürdig, weil Weimer erfreulicherweise die traditionelle Rechtschreibung anwendet. Aber dadurch, daß Weimer und die ganze Konzernspitze nicht gezwungen werden, den Neuschrieb anzuwenden, fehlt ihnen die heilsame persönliche Erfahrung von Verwirrung und Ärger über die neue Primitiv- und Beliebigkeitsschreibung.
Weimers Kostenargument zieht überhaupt nicht. Bei den Kosten denke ich z.B. an die unnötigen Honorare für Berater, Kulturbeauftragte und Lobbyisten im und außerhalb des Staatsdienstes. Man kann sich nämlich vorstellen, daß es das Ziel der Reformer und Wörterbuchverlags-Konzerne ist, die ganze Wirtschaft und Gesellschaft (imperialistisch) weltweit zu erfassen. Kein Unternehmer würde Geld in etwas investieren, das keinen Nutzen bringt. Permanente Rechtschreibreformen machen die Wörter zur Handelsware, so daß durch diese überflüssige und milliardenteure Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Medienkonzerne die Steuerzahler und die Wirtschaft auf Dauer geschröpft werden können. Derzeit haben erst etwa 10 Prozent der Verlage teilweise umgestellt. Die Verlage und vor allen Dingen die Steuerzahler aller Länder der Erde befinden sich erst am Saum eines riesigen unüberschaubar großen Kostengebirges. Gefragt, ob denn nicht bei einer Rücknahme der Reform Kosten bei den Verlagen entstünden, erinnerte MdB Detlef Kleinert (FDP) an eine alte unternehmerische Weisheit, wonach der erste Schaden immer der kleinste sei.
Betrachtet man demgegenüber z.B. auch den Staat als einen Unternehmer oder einen guten Haushalter, dann dürfte der Staat solche überflüssigen Investitionen für eine mangelhafte und unproduktive Reform nicht finanzieren, zumal gleichzeitig an den Schulen Personal und Sachmittel fehlen und im Ausland wegen Geldmangels Goethe-Institute reihenweise geschlossen werden.
Weimer behauptet ferner, die WELT könne sich der FAZ nicht anschließen, <b>weil „das Ignorieren bestehender Rechtsnormen“ nicht der Königsweg sei.</b > „Ignorieren“ von Rechtsnormen? Es gibt für die WELT keine Rechtsnormen, die ihr verbieten, die traditionelle Rechtschreibung anzuwenden. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtschreibreform vom 14. Juli 1998, Seite 59, heißt es:
<i>„Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben.“</i>
Die Presse könnte sich außerdem auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen. Hier offenbart sich eine totale Ignoranz bzw. rechtliche Inkompetenz oder aber Demagogie der WELT.
Weimers Satz: „Unsere Leser haben daran einen großen Anteil gehabt“, in Zusammenhang mit seiner Bemerkung, die WELT habe Willkür angeprangert, regt zum Nachdenken an. Gesetzt den Fall, die WELT mißbrauchte ihre Macht und übte selber Willkür aus, dann wäre sie nicht berechtigt, über andere zu urteilen und fremde Willkür anzuprangern; dann hätte sie genug zu tun, vor der eigenen Tür zu kehren.
Die Verpackung der WELT ist zwar ansprechend, aber der Inhalt ist faul: Die WELT hat ihre Leser nicht gefragt, ob sie den Neuschrieb wollen. Die Medien als vierte Gewalt sollen ein Wächteramt ausüben und kontrollieren, ob unser freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat durch Machtmißbrauch untergraben wird. Was aber wenn diese Medien nur noch ihre eigenen wirtschaftlichen Gewinnmaximierungsziele verfolgen? Dann betreiben Medien, wie die WELT, anstatt demokratisch vorbildlich zu sein, Entdemokratisierung, bevormunden ihre Leser und entmündigen ihre Journalisten. Torsten Krauel versprach den Leserbriefschreibern: <i>„Wir werden Leserbriefe, bei denen das ausdrücklich gewünscht wird, in alter Rechtschreibung drucken.“</i> Vgl. DIE WELT 10.08.99, S. 11. Das sind leere Worte; denn kein einziger Leserbrief wurde in traditioneller Rechtschreibung abgedruckt, sofern sie überhaupt noch gedruckt wurden.
Weimer ist nur ein Weisungen der Springer-Konzern-Spitze ausführendes Organ:Die Entscheidungen fallen nur der Form halber in der Konferenz der Chefredakteure der Springer-Medien. Die Konzernspitze sagt einfach, daß man sich in einem Medienkartell angeblich mit „allen großen deutschsprachigen Verlagen und allen Agenturen“ befinde. Es geht um marktbeherrschende Absprachen und nicht um Rechtsnormen, wie Weimer uns weismachen will. (Die SED hätte übrigens von einem staatsmonopolistischen Kapitalismus gesprochen. Aber die PDS als Nachfolgepartei traut sich nicht, das auszusprechen, weil sie schon die Politische Korrektheit gelernt hat und weiß, daß man sie sofort der Verbreitung von Verschwörungstheorien bezichtigen würde.) Die Konzernspitze greift jedenfalls massiv und skrupellos in die Freiheit der Berufsausübung der Journalisten ein, so daß es in der WELT in der Frage der Rechtschreibung keine Pressefreiheit mehr gibt. Die Leser werden ebenfalls als Unmündige behandelt.
Angesichts der Machtverhältnisse beugt sich die WELT den wirtschaftlichen Interessen des Springer-Konzerns und prostituiert sich damit, anstatt als Demokratie- und Sprachwächterin die sprachlichen und demokratischen Belange des Volkes und die Interessen der Sprachwissenschaft zu wahren. In der Sprachwissenschaft geht es im Gegensatz zur Politik bei Problemlösungen nicht um Kompromisse („aus einer schlechten Reform das Beste machen“), sondern es geht kompromißlos um die Erkenntnis, ob etwas richtig oder falsch ist. Dies stellt der Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS) fest, zu dessen Mitgliedern Lehrer und Sprachwissenschaftler, aber auch Schriftsteller wie Günter Kunert, Reiner Kunze und Siegfried Lenz gehören.
Weimer hat die nicht zu lösende Aufgabe, die unzufriedenen Leser der WELT zu vertrösten und hinzuhalten. Das wird aber auf Dauer nicht gelingen, denn der VRS klärt die Leser auf, ruft zum Boykott der Rechtschreibreform auf und <b>fordert nach wie vor die Rückkehr zur bewährten bisherigen wissenschaftlich allgemein anerkannten Rechtschreibung,</b> wobei selbstverständlich innere Widersprüche ausgekämmt werden müssen.
Zum Boykott gehört die Kündigung der Abonnements. Mein Abonnement der WELT hatte ich aus den genannten Gründen gekündigt.
Die Lehre, die wir aus allem ziehen: Es nützt wenig, allein an Redakteure und Chefredakteure zu schreiben. Eigentliche Adressaten müssen Verleger, Herausgeber, der Vorstand und Aufsichtsrat sein. Tenor der Schreiben könnte sein: Die FAZ hat im Wettbewerb um Leser die Nase vorn, Ihr verliert nicht nur Leser, sondern infolge Eures undemokratischen Verhaltens auch Euren guten Ruf.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Riebe
„Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu stoppen!“ (VRS) |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Dienstag, 20. Apr. 2004 14:44 Titel: Polis-Umfrage |
|
|
Polis-Umfrage
_____________________________
Rechtschreibung ist unverständlich
Berlin dpa - Fast jeder zweite Deutsche kann sich auch fünf Jahre nach der Rechtschreibreform nicht mit der neuen Orthografie anfreunden. Eine Polis-Umfrage ergab, dass 46 Prozent der Deutschen die Reform für „alles in allem unverständlich“ halten. Nur 15 Prozent gaben an, die neuen Rechtschreibregeln seien „voll und ganz“ verständlich. Die größte Zustimmung findet die Rechtschreibreform bei den 13- bis 14-Jährigen, die niedrigste bei den über 55-Jährigen.
DIE WELT vom 27. Juli 2003 |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Dienstag, 20. Apr. 2004 14:49 Titel: Orthographie-Desaster |
|
|
Fünf Jahre Rechtschreiprevorm
Über das Orthographie-Desaster wird kaum noch geredet - es findet einfach statt
von Hendrik Werner
Berlin - Es tat so weh. Jahrzehntelang litt das kleine st unter Trennungsschmerz. Wann immer Journalisten, Schüler oder Poeten das sensible s und das zarte t auseinander reißen wollten, schrie das Buchstabenpaar, das sich unzertrennlich wähnte, gequält auf. Seit die Rechtschreibreform vor fünf Jahren in Kraft getreten ist, machen sich Pennäler einen neuen Reim auf die mittlerweile geschiedenen Konsonanten: Trennst du mal st, ist das schon okay. Etwa in der militärischen Wachs-Tube.
Außer den Schülern machen ja ohnehin alle, was sie wollen. Und die Reform somit erst recht zu jener Deform, als die sie dem Volksmund von jeher gilt. Die „FAZ“ ist bei der alten Schreibweise geblieben, die meisten Zeitungen haben durchwachsene Hausortographien entwickelt, und von den Buchverlagen schreibt, abgesehen von Random House, eh niemand neu. Dazu kommt, dass viele Deutsche, die schon vor der Reform entregelt, lies: fehlerhaft schrieben, dies jetzt auf freilich andere Weise auch tun, ohne dass das Abendland untergegangen wäre. Insofern birgt das „literal anything goes“ ungeahnt phile Phreiheiten für das Volk der Dichter und Pisa-Denker.
Dennoch sind Ästheten ob Inkonsequenz und Skurrilität des Regelwerks verprellt. Und das nicht nur samstagabends. Zumal über jenes Regelwerk der Duden-Redaktion, die Ungerechtigkeit zur Norm erhebt, wenn sie die Gelbe Rübe größer sein lässt als die gelbe Paprika. Wohl weil sie eine große Rolle in Becketts „Warten auf Godot“ spielt. Was immerhin Feuilletonisten freut. Und dafür entschädigt, dass sie Goethe'sches Werk schreiben müssen, als würde Goethes Werk nicht schon genügen.
Platz sparend ist die weiland sinnigerweise ins Sommerloch platzierte Reform für Journalisten nicht. Das Potenzial einer Zeitungsspalte ist durch Konsonanten- und Vokalzierrat mehr als nur ein Quäntchen überlastet. Über Teeeier, Seeelefanten und Nussschalen zu berichten ist ebenso Raum greifend wie Texte über Missstände in der Donauflussschifffahrt oder Balletttänzer im Kristalllüster. Eine Stresssituation für unser schnelllebiges Gewerbe, in dem man mehr als ein Mal Acht geben muss. Aber beklagen wir uns nicht: Jedem Land die Rechtschreibung, die es verdient. Endlich Schluss mit dem Reformstau.
DIE WELT vom 1. August 2003
http://www.welt.de/print-welt/article250266/Fuenf_Jahre_Rechtschreiprevorm.html
____________________________
Leserbriefe
Deutsche Sprache, schwere Sprache
Zu: „Fünf Jahre Rechtschreibreform“; WELT vom 1. August
Deutschland wird als Volk der Dichter und Denker gesehen und anerkannt. Aber Goethe, Schiller, Hesse und viele andere würden sich im Grabe herumdrehen, wenn sie von diesen Reformen hören würden. Bitte, wo liegen heute eigentlich die Prioritäten unserer Kultusministerien? Diese Ministerien sollten einer (Pisa-)Studie unterzogen werden! Unsere Kinder können doch nur das lernen, was ihnen vermittelt wird. Wenn es wirklich nichts Wichtigeres gibt, als alle paar Jahrzehnte neue Rechtschreibreformen durch Gesetz zu verabschieden, dann kann man Deutschland schwer verstehen. Deutsche Sprache, schwere Sprache!
Reinhard Krause, 58675 Hemer
DIE WELT vom 2. August 2003
___________________________
So merkt man sich die das/dass-Regel
Zu: "Fünf Jahre Rechtschreibreform"; WELT vom 1. August
Es war noch nicht sieben Uhr heute früh, da bekam ich vom Deutschlandfunk schon eine Nachhilfestunde in Orthographie. Der Experte (mit dem ich einer Meinung bin) verdammte die ganze Sache und brachte natürlich das/dass als Beispiel, ohne allerdings die Leute aufzuklären, wie man sich dabei verhalten muss. Ich werde den Verdacht nicht los, er weiß es selber nicht. Also: Wenn man das Wort durch "welches" ersetzen kann, schreibt man DAS! Ich habe das einmal, vermutlich am Realgymnasium in Tetschen, gelernt - und es hat gesessen bis heute, da ich kurz vor meinem 80. Geburtstag stehe.
Erich Löhnert, 63628 Bad Soden-Salmünster
DIE WELT vom 5. August 2003
Dr. Arne W. G. Zoepf betreut als Redakteur die Leserbriefe. Er ist Ansprechpartner für unsere Leser und Mittelsmann zwischen Lesern und Redaktion. Die Anschrift lautet: DIE WELT, Brieffach 2410 10888 Berlin, Fax: (030) 25 91 - 716 08 E-Mail: forum@welt.de
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Samstag, 22. Okt. 2011 08:51, insgesamt 3mal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Dienstag, 20. Apr. 2004 14:55 Titel: „Spaltung der Schriftsprache“ |
|
|
„Spaltung der Schriftsprache“
Forschungsgruppe Deutsche Sprache rechnet mit der Rechtschreibreform ab
von Dankwart Guratzsch
Berlin - Fünf Jahre nach Einführung der Rechtschreibreform an den Schulen hat die vor einem Jahr gegründete Forschungsgruppe Deutsche Sprache (FDS) die deutschen Kultuspolitiker aufgefordert, die Mannheimer Rechtschreibkommission abzuberufen. In einem offenen Brief erklärte der Vorsitzende Reinhard Markner, die deutsche Sprache habe das „Experiment“ Rechtschreibreform nicht unbeschädigt überstanden. Die Fehlerquote sei nicht gesenkt, sondern „nachweislich“ erhöht worden. Gleichzeitig habe die Reform zu einer „Spaltung der Schriftsprache“ geführt. Dem Beirat der Forschungsgruppe gehören so bekannte Persönlichkeiten wie Gertrud Höhler, Reiner Kunze, Walter Kempowski, Adolph Muschg, Herbert Rosendorfer, Friedhelm Kemp und Wieland Schmied an.
In seiner Erklärung verweist Markner darauf, dass selbst namhafte Kultuspolitiker, die die Reform zunächst begrüßt hätten, diese jetzt ablehnten. So habe einer der Hauptverantwortlichen für die politische Durchsetzung der Reform, der frühere Kultusminister von Bayern, Hans Zehetmair (CSU), erst unlängst öffentlich eingestanden: „Aus heutiger Sicht . . . würde ich die Sache heute ganz zum Scheitern bringen. Wir hätten die Rechtschreibreform nicht machen sollen. Ich sage: Politik, Hände weg von einer Rechtschreibreform!“
Derselben Forderung schließt sich auch die Forschungsgruppe an. Die Reform sei „obrigkeitsstaatlich . . . an den Parlamenten vorbei und gegen den in Volksentscheiden und zahlreichen Repräsentativumfragen artikulierten Willen der Mehrheit“ durchgesetzt worden. Aber die Sprache unterstehe nicht der Verfügungsgewalt des Staates. Sie bedürfe keiner Regelung durch Erlasse. Eine ähnlich vernichtende Bilanz zieht in einer getrennten Erklärung der Initiator des Volksbegehrens gegen die Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein, der Verleger Matthias Dräger. Die Rechtschreibung in Deutschland, Österreich und der Schweiz sei heute „so uneinheitlich wie nie zuvor“, obwohl das Gegenteil versprochen worden sei. Außerdem sei das Erlernen der korrekten Schreibweise nicht etwa erleichtert, sondern erheblich erschwert worden. Nach einer Untersuchung an der Universität Mainz müssten 1106 Anwendungsbestimmungen und 105 Wörterlisten (Ausnahmen von den Regeln) beachtet werden. Dräger: „Dadurch wurde die Rechtschreibung derart verkompliziert, dass heute ohne den Gebrauch eines Wörterbuchs niemand mehr ,korrekt“ im Sinne der Rechtschreibreform schreiben kann. Zudem müssten Schüler in ihren Unterrichtsmaterialien sowohl mit herkömmlicher wie mit neuer Rechtschreibung umgehen - ein Missstand, der für Studierende auf unabsehbare Zeit bestehen bleiben werde, da 95 Prozent des gesamten Schriftgutes in traditioneller Rechtschreibung abgefasst seien. Auch Dräger richtet die Hauptkritik gegen die Mannheimer Rechtschreibkommission, die seit Einführung der Reform vor fünf Jahren ergebnislos an einer Reform der Reform arbeitet: „Die Kultusminister selbst wollten eigentlich nie eine Reform, sie sind von der Reformkommission übertölpelt worden.“
Doch inzwischen habe die Kommission selbst bereits den Rückzug eingeleitet. Wenn ihr langjähriger Vorsitzender Gerhard Augst nun verkünde, zahlreiche „alte“ Schreibweisen wie „gewinnbringend“, „besorgniserregend“ und „Schwarzes Brett“ könnten wieder „amtlich zugelassen“ werden, sei dies eine Bankrotterklärung: „Die Reformer bestätigen damit die frühe Kritik ihrer Gegner, dass man langfristig die eingebürgerten Schreibweisen nicht entbehren kann.“ Dieser Prozess, so prophezeit der Verleger, werde Jahre und Jahrzehnte so weitergehen, bis man, „mit der Hypothek einer fehlerträchtigen ß-Regelung und um einige Duden-Ausgaben reicher und zig Euro ärmer, ziemlich da wieder angekommen sein wird, wo man 1996 einmal gewesen ist“.
DIE WELT vom 1. August 2003 |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Dienstag, 20. Apr. 2004 15:03 Titel: Außer Kontrolle |
|
|
Außer Kontrolle
Fünf Jahre Rechtschreibreform in den Schulen: Sie hat weder das Heil noch die Apokalypse gebracht
von Matthias Heine
Das Schlimmste an der Rechtschreibreform, die heute vor fünf Jahren die Schulen und vor vier Jahren die Zeitungen erreichte, ist der Stil der Debatte um sie. Doch zugleich ist diese Diskussion das Kostbarste, das die Reform gebracht hat, denn sie hat die Rechtschreibung wieder zum Gegenstand persönlichen Nachdenkens gemacht. Die Entscheidung für eine der zahlreichen „Hausrechtschreibungen“, wie sie Verlage, Zeitungen und Individuen pflegen, setzt eine Reflektion über das Für und Wider aller orthographischen Problemfälle voraus - der alten wie der neuen. Wie man schreibt, ist zur Frage des Gewissens und des Stils geworden.
Das gilt natürlich nur für die Gebildeten. Die überwältigende Mehrheit aus Irgendwie-Schreibern trägt zur Debatte nichts bei, denn es ist völlig egal, ob sie nun die alte oder die neue Schreibung nicht beherrscht.
Mit dem Erwachen der Sprachbewussten aus dem orthographischen Dämmer unreflektierter Dudenhörigkeit wiederholt sich ein ewiges geschichtliches Muster: Auch die Konservativen sind immer Kinder der Revolution. Der Glaube an die alte Rechtschreibung bekam einen gegenreformatorischen Impuls. Wahrscheinlich beherrschen die meisten Altschreiber ihre Orthographie heute besser als vor 1998, denn sie haben sich des scheinbar Selbstverständlichen noch einmal vergewissern müssen.
Umso schlimmer, dass die ganze Debatte längst das Erscheinungsbild eines absurden Parteienstreits angenommen hat. Das liegt vor allem an ihren sichtbaren Protagonisten: Auf beiden Seiten kämpfen akademische und politische Warlords um ihre Herrschaftsbereiche. Ihre Gefolgsleute rekrutieren sie aus dem Heer der üblichen Verdächtigen: Verfasser kilometerlanger Leserbriefe, Gründer mikroskopischer Bürgerinitiativen, Verschwörungstheoretiker, die mit Internet-Seiten aufklären. Und zum Schutzpatron der alten Rechtschreibung hat sich ausgerechnet das wandelnde Bildungsnotstandsgebiet Guido Westerwelle erklärt.
Das Thema zieht Käuze an, weil die Rechtschreibung mehr Emotionen erregt als andere Aspekte des Sprachlebens. Mit vergleichbarem Furor werden höchstens noch die zyklischen Fremdwortdebatten geführt. Möglicherweise hat beides mit der Rolle dieser Themen bei der Schaffung nationaler Identität und deutscher Einheit zu tun. Das massenhafte Aussterben von Wörtern und das Plattmachen von Grammatiklandschaften regen die Leute dagegen längst nicht so sehr auf wie vergleichbare Phänomene in der Natur. Auch eine Änderung der Verkehrsregeln, bei denen es doch viel eher um Leben und Tod geht, würde kaum so wütend diskutiert werden.
Das Niveau der Diskussion sinkt mit jeder Attacke und Gegenattacke. Je mehr die Reformer allen berechtigten Einwänden zum Trotz auf ihrer Regelungsgewalt beharren, desto kurioser sind die geistigen Wunderwaffen, welche die Rebellen ins Feld führen. Sie haben ja so Recht. Aber ewiges Rechthaben macht bekanntlich schrullig. Ewiges Rechtschreiben auch. So argumentieren sie siegesgewiss, dass sogar bei den Lehrern die überwältigende Mehrheit bis heute nicht kapiert habe, wann man ss und wann ß schreibe. Doch wenn viele die wohl einfachste Regel der neuen Rechtschreibung immer noch nicht kapieren, beweist das doch eher das allgemeine Absterben des prosodischen Gefühls, als dass es ein Argument gegen die Reform wäre. Die Leute können offenbar nicht mehr zwischen einem langen und einem kurzen Vokal unterscheiden. Daran sind aber nicht die neuen Regeln schuld.
Einer der windigsten Versuche, die Reform zu diskreditieren, war der Vorwurf, es habe ähnliche Vorschläge schon zur NS-Zeit gegeben. Als ob die Bundesrepublik sich je gescheut hätte, Einrichtungen und Erfindungen der Nazis zu übernehmen, sofern diese nicht allzu erkennbar mit deren Ideologie verknüpft waren - vom Volkswagen über die Steuerfreiheit von Nacht- und Sonntagsschichten bis zum System der Krankenversicherung. Hitlers Pädagogen haben 1940 auch der Sütterlinschrift und der Frakturschrift den Garaus gemacht. Diese Naziopfer wollte bislang noch keiner rehabilitieren.
Weil sowohl die Pro- als auch die Contra-Haltung oft zur Ideologie erstarrt sind, können sich ihre Rechtgläubigen auch absolut nicht vorstellen, dass man die Mängel und Fehler der Reformschreibung sieht, aber dennoch gelassen bleibt. Die Reform hat kaum Probleme gelöst und viele neue geschaffen, aber sie hat auch nicht den Untergang der deutschen Sprache eingeleitet. Weder die Heilserwartungen der Reformer noch der Apokalyptizismus ihrer Kritiker waren angebracht. Lebendige Sprache hat sich immer der bürokratischen Kontrolle entzogen.
Wenn die meisten Sprachteilnehmer unwillig sind, die neuen Regeln zu erlernen, bedeutet das wenig. Versicherungsbetrug wird auch niemals straffrei, nur weil es jeder tut. Die Tatsache, dass so viele noch an der alten Rechtschreibung festhalten, beweist nur den menschlichen Unwillen, einmal Gelerntes infrage zu stellen. Dass Marcel Reich-Ranicki und Walter Kempowski mit 80 nichts Neues mehr lernen wollen, ist sehr verständlich. Viele sehr alte Leute schreiben bis heute noch Sütterlinschrift.
So wie diese wird vermutlich auch die alte Orthographie verschwinden, spätestens wenn das „FAZ“-Herausgebergremium nur noch aus Leuten besteht, die in der Schule die neuen Regeln gelernt haben. Bis dahin wird auch die Reformschreibung noch manche Modifikationen durchlaufen. Und es werden ungezählte Schreibweisen parallel existieren. So schlimm ist das nicht: Es gab schon einmal Zeiten, in denen sich hier zu Lande jeder für eine eigene Rechtschreibung entscheiden konnte. Im frühen 19. Jahrhundert gab es keine gesetzliche Norm, trotzdem wurde ein schöneres und formenreicheres Deutsch geschrieben als heute.
Die Rolle, die damals die Drucker bei der Herausbildung orthographischer Mindestnormen spielten, hat heute das Internet inne. Ausgerechnet dieses von Sprachwächtern viel geschmähte Medium erweist sich als der große Vereinheitlicher. Wer etwas bei Ebay verkaufen will, muss es richtig schreiben. Wer will, dass seine Schlüsselbegriffe von Suchmaschinen erkannt werden, muss sich für eine geläufige Schreibweise entscheiden.
Noch lange wird der Streit wichtigere Probleme der deutschen Sprache überdecken: Das Schwinden des Flexionsgefühls beispielsweise, dessen auffälligstes Symptom, der Genitiv-Apostroph, bislang allen satirischen und volkspädagogischen Angriffen standhält. Oder die zunehmende Unfähigkeit, hypotaktische Sätze zu bilden und zu verstehen: Schon ein Jahr vor Pisa lag der „Bild“-Zeitung eine Untersuchung vor, wonach immer mehr „Bild“-Leser kaum noch in der Lage seien, einen „Bild“-Artikel zu kapieren. Da dräut der Untergang des Abendlandes - falls er denn dräut -, denn diese Bereiche hängen im Gegensatz zur Rechtschreibung eng mit den kognitiven Fähigkeiten und der sozialen Kompetenz zusammen. Hier lauert hinter der Krise der Sprache tatsächlich die Krise der Zivilisation.
DIE WELT vom 1. August 2003 |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Dienstag, 20. Apr. 2004 15:09 Titel: Textkorrektoren der WELT |
|
|
Textkorrektoren der WELT
_______________________________
Fußnoten
Viel Platz hat der Berliner Tagesspiegel gestern auf einer Seite frei geräumt, um sich in eigener Sache einem Phänomen zu widmen, das alle Zeitungsmacher in Deutschland angeht. Drei Textkorrektoren der Zeitung schildern ihre persönlichen Erfahrungen mit der Rechtschreibreform, deren Einführung sich ja gestern zum fünften Mal jährte. In sympathischer Ehrlichkeit verraten die erfahrenen Sprachpraktiker, wie oft sie selbst noch nachschlagen müssen, aber natürlich auch, wie viel die Redakteure falsch machen. Interessant dabei ist, dass in der internen Rechtschreibrangliste die „Kultur“ ziemlich weit hinten rangiert. Korrektor H.-H. Zywietz schreibt: „Positiv hervorheben möchte ich ausdrücklich die Sportredaktion und die Dritte Seite, die durchgehend die wenigsten Fehler machen.“ Zywietz und seine beiden Kolleginnen betonen dabei, dass viele der Fehler gar nichts mit alter und neuer Rechtschreibung zu tun haben, sondern mit Schwächen bei Flexion, Steigerung oder Abkürzung. Dies verschwindet ja immer wieder hinter dem skandalisierenden Palaver rund um die Rechtschreibreform: Dass wir uns viel mehr über Schwächen bei Grammatik und Ausdrucksfähigkeit unterhalten sollten als über die Feinheiten der Getrennt- und Zusammenschreibung. Dass ein solches Umdenken dringend erforderlich ist, macht ausgerechnet die FAZ deutlich, die ja so stolz darauf ist, zu den alten Regeln zurückgekehrt zu sein. In ihrem (wie zu erwarten höchst kritischen) Text zum Jubiläum der Rechtschreibreform wird deren angebliche Unsinnigkeit wie folgt illustriert: „Widersinnig ist auch, daß es zwar „Besorgnis erregend“ heißt, die Komparative und Superlative „besorgniserregender“ und „am besorgniserregendsten“ jedoch zusammengeschrieben werden.“ Mag ja sein, dass das widersinnig ist. Was aber am meisten Besorgnis erregt, ist, dass man bei der FAZ überhaupt meint, solche monströsen und semantisch hanebüchenen Wörter schreiben zu müssen - und daher dann nach Regeln dafür verlangt. Wer nur ein bisschen Sprachgefühl hat, kommt gar nicht auf die Idee, „Besorgnis erregend“ nach Schema F zu steigern. Aber auf Sprachgefühl kommt es bei der Rechtschreibdebatte ja schon lange nicht mehr an.
A propos Sprachgefühl: Bei der Taz ist mal wieder die alte Krankheit des Überschriften-Kalauerns eingerissen. Auf der gestrigen Titelseite fanden sich gleich zwei dümmliche, aber auch sehr verstaubte Wortspiele: „Die Sportschau geht ran“, heißt es zum Bundesligastart, und zu Ratzingers Kritik an der Homo-Ehe wird geschrieben: „Missionar bezieht Stellung“. Da gähnt auch der schärfste Ratzinger-Gegner. mka
DIE WELT vom 2. August 2003
_________________________
Leserbriefe
Rechtschreibreform rückgängig machen
Zu: „Fußnote“; WELT vom 1. August
Wenn ich mein Auto in eine Werkstatt brächte, um es dort für viel Geld zehn Prozent schneller machen zu lassen, und wenn sich nachher herausstellte, dass der teure Umbau das Auto langsamer gemacht hat, dann könnte ich erstens einen Rückbau einklagen und zweitens die bereits bezahlten Umbaukosten zurückverlangen. Die Rechtschreibreform sollte die Fehlerquote beim Schreiben senken. (Schon dieser Ansatz war falsch; auf ein geschriebenes Wort kommen 1000 gelesene!) Die Reform hat aber das Gegenteil erreicht. Also müsste man einklagen können, dass die Reform rückgängig gemacht wird, und dass die Verantwortlichen den Bürgern die Kosten ersetzen.
Udo Illner, 45470 Mülheim an der Ruhr
DIE WELT vom 6. August 2003
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Dienstag, 20. Apr. 2004 15:27, insgesamt 1mal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Dienstag, 20. Apr. 2004 15:23 Titel: Theodor Ickler kämpft weiter |
|
|
„Ich werde weiter gegen die Rechtschreibreform kämpfen“
Professor Theodor Ickler hält die neue Schreibweise für gescheitert und bezichtigt deren Urheber der Lüge
Berlin - Die neue Rechtschreibung feiert in diesen Tagen den fünften Jahrestag ihrer Einführung - Anlass genug für einen der bekanntesten Kritiker der geänderten Orthografie, einmal Bilanz zu ziehen. Mit Theodor Ickler, Professor für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Erlangen-Nürnberg, sprach Joachim Peter.
DIE WELT: Fünf Jahre Rechtschreibreform. Ihre Bilanz?
Theodor Ickler: Voraussehbare Verwirrung bei denen, die die neue Rechtschreibung anwenden müssen, Glaubwürdigkeitsverlust bei denen, die sie zu verantworten haben und nun gezwungen sind, Unwahrheiten über den Erfolg der Reform zu verbreiten.
DIE WELT: Wer verbreitet denn Unwahrheiten?
Ickler: Alle, die mitgemacht haben: die Politiker, die Rechtschreib-Kommission in Mannheim. Aber auch die Schulbuchverlage haben sofort die Produktion umgestellt, als die Kultusminister 1996 bekannt gaben, Schulbücher würden künftig nur noch in neuer Rechtschreibung zugelassen. Das betrifft natürlich auch die Wörterbuchverlage, und leider haben auch die Zeitungen zu früh nachgegeben. Ich bin davon überzeugt, dass die Reform kippte, sofern noch eine große Zeitung zur alten Schreibweise zurückkehrte.
DIE WELT: Warum ist die nach Ihrer Meinung gescheiterte Rechtschreibreform tatsächlich nicht gescheitert?
Ickler: Die Schüler wurden einfach als „Geiseln“ genommen. Schon 1996, also gut zwei Jahre vor dem In-Kraft-Treten der Reform, hat man in fast allen Schulen mit der Umstellung begonnen. Und sogleich hieß es, ein Zurück sei nicht mehr möglich. Die Vorlaufphase wurde überhaupt nicht zur Erprobung genutzt.
DIE WELT: Hat die Mannheimer Kommission versagt?
Ickler: Die Kommission besteht heute personell noch überwiegend aus den Urhebern der Rechtschreibreform, die mit ihren regelmäßigen Berichten quasi ihr eigenes Werk begutachten. Ende 1997 legte die Kommission ihren ersten Bericht vor, in dem sie einige Änderungen vorschlug. Die Kultusministerien der Länder und das Bundesinnenministerium untersagten damals jedoch - wohl auf Druck der Verlage - jegliche Korrektur an der Rechtschreibreform. 1998 trat diese also völlig unkorrigiert in Kraft. Für den Herbst 2003 ist nun der vierte Bericht der Kommission angekündigt. Über den Inhalt weiß man bisher nichts, aber mehr als kosmetische Veränderungen an der Reform sind sicher nicht zu erwarten.
DIE WELT: Bayerns Kultusminister Hans Zehetmair soll die Rechtschreibreform inzwischen bereuen.
Ickler: Das hat sich Zehetmair bei einem Interview mit der „Bayerischen Staatszeitung“ entlocken lassen. In einem „FAZ“-Eigenbeitrag hat er sich aber sogleich selbst widersprochen und ist zur alten Linie zurückgekehrt.
DIE WELT: Ist eine Umkehr zur alten Schreibweise heute überhaupt noch möglich?
Ickler: Natürlich, sogar relativ glimpflich. Man müsste die bisherige Rechtschreibung zeitlich unbegrenzt weiter gelten lassen. Alle hätten dann Zeit, sich wieder auf die alte Schreibweise umzustellen. Ich betone aber: Das Duden-Privileg muss man nicht zwingend wieder einführen. Der Duden hat in der Vergangenheit die tatsächlich herrschende Rechtschreibung nicht wirklich empirisch ermittelt.
DIE WELT: Was bleibt für Sie nun: Frust darüber, dass die Reform weiter besteht, oder Lust, an ihr weiter kritisieren zu können?
Ickler: Das Beherrschende ist sicher die Wut über meine Kollegen aus der Germanistik, die die Rechtschreibreform aus Desinteresse zugelassen haben. Frust empfinde ich aber auch über die Politiker, vor allem die jungen Wilden aus der CDU, die damals beschlossen hatten, die Reform nicht zu unterstützen, sich in Wirklichkeit aber gefügt haben. Aufgeben werde ich aber nicht. Die Lust bleibt also, weiter gegen die Reform zu kämpfen. Außerdem vertraue ich als Sprachwissenschaftler auf die Natur der Sache, dass die Rechtschreibreform nach und nach zurückgenommen wird, weil sich die alte Schreibweise zum großen Teil wieder durchsetzt.
DIE WELT vom 6. August 2003
_________________________
Leserbriefe
Verarmung unserer Ausdrucksfähigkeit
Zu: „Ich werde weiter gegen die Rechtschreibreform kämpfen“; WELT vom 6. August Ich unterstütze diesen Kampf nachdrücklich! Diese Reform war von Anfang an falsch und überflüssig. Und sie würde bei 100-prozentiger Umsetzung zu einer Verarmung der Ausdrucksfähigkeit unserer Sprache führen. Es ist eben ein Unterschied, ob man zusammen hält oder es zusammenhält. Ich hoffe sehr, dass die Verantwortlichen sich noch besinnen und zur alten Schreibweise zurückkehren.
Ehling, 16259 Altwustrow
DIE WELT vom 8. August 2003
________________________
Vor Kritik im Duden nachlesen
Zu: „Ich werde gegen die Rechtschreibreform kämpfen“; WELT vom 6. August
Leser Ehling dokumentiert mit seinem Brief, dass es Leute gibt, welche die reformierte Rechtschreibung kritisieren, ohne sie zu kennen. Substanzlose Kritik ist nicht hilfreich. Herr Ehling behauptet, die Verschiedenschreibung von „zusammen hält“ und „zusammenhält“ sei aufgehoben. Das Gegenteil ist der Fall. Das amtliche Regelwerk sieht ausdrücklich beide Schreibungen vor (§ 34 E1). Das hätte der Kritiker im Anhang des Dudens leicht finden können.
Dr. Gerhard Schoebe, 22455 Hamburg
DIE WELT vom 12. August 2003
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Dienstag, 06. Jul. 2004 18:27, insgesamt 2mal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Dienstag, 20. Apr. 2004 15:37 Titel: „Reförmchen fällt dem Leser gar nicht weiter auf“ |
|
|
„Reförmchen fällt dem Leser gar nicht weiter auf“
___________________________________________________
Briefwechsel
Leser schreiben - die Zeitung antwortet
Keine Azubis bei der Rechtschreibreform!
Nach Einführung der so genannten Rechtschreibreform fand ich in einem meiner Arztbriefe das Wort „Fase“. Die zur Rede gestellte Azubi belehrte mich daraufhin, dass dies die neue Schreibweise für Phase sei. Seitdem bilde ich nicht mehr aus und werde auch keinen Ausbildungsplatz mehr zur Verfügung stellen, bis diese irrsinnige Reform vollständig zurückgenommen ist.
Dr. H.G. Fritz, 74321 Bietigheim-Bissingen
Die Antwort
Uns Berlinern sagt man nach, wir seien immer mit der Schnauze vorneweg und nie um eine Antwort verlegen, außerdem - da häufig gesamtschulgeschädigt - ungebildet und der Regeln der deutschen Rechtschreibung unkundig.. Aber offensichtlich sind solche Eigenschaften am Neckar, in der schönen, von Großstadtgroßspurigkeit und SPD-Bildungsreformeifer gänzlich verschonten Doppelstadt Bietigheim-Bissingen, auch zu Hause. Denn Ihre Auszubildende hat nach dem Berliner Motto „Frechheit siegt“ etwas behauptet, was nicht der Wahrheit entspricht.
Zwar findet sich im neuen (22. Auflage, Mannheim 2000) wie schon im alten Duden durchaus das Wort „Fase“ - damit wird die „Abschrägung einer Kante“ bezeichnet, und dazu gibt es auch das Verb „fasen“. Jedoch hat Ihre Auszubildende nicht gefast, sondern allenfalls, wenn nicht mit Absicht gelogen, dummes Zeug gefaselt. Zur Schreibung „Phase“, wenn damit gemeint ist „Abschnitt einer stetigen Entwicklung, Zustand, Schwingungszustand beim Wechselstrom“ (Duden), gibt es keine Alternative, wie bei den meisten aus dem Griechischen abgeleiteten Worten mit „Ph“, etwa die Sie sicherlich fachlich interessierenden Zusammensetzungen mit „Pharma“ und alle Phänomene der Phrenologie. Einzig die Phantasie kann (und soll in Zeitungen) Fantasie geschrieben werden, wie schon im Mittelhochdeutschen. Das „Ph“ wurde diesem deutsch gewordenen Wort von einem späteren, bildungshuberischen Zeitalter verpasst.
Kurzum: Bevor Sie zu dem radikalen Schritt eines Ausbildungsboykotts schritten, wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, zum Duden zu greifen und anschließend die freche Auszubildende zurechtzuweisen. Oder (aber ich fürchte, hier spricht der ehemalige Gesamtschullehrer, der es einfach nicht lassen kann) die Auszubildende aufzufordern, ihre Behauptung mit Duden (oder Schreiben ihres Lehrers) zu beweisen.
Denn am Ende ist es bestimmt wichtiger, dass auch in Bietigheim-Bissingen genügend Lehrstellen - und später auch Arzthelferinnen in ausreichender Zahl - zur Verfügung gestellt werden, als dass Sie im Sinne eines Michael Kohlhaas (auch der ein Berliner Volksheld, nach dem der hiesige Ortsteil Kohlhasenbrück genannt ist) gegen jenes Reförmchen zu Felde ziehen, das allenfalls hier und dort Ärger erzeugt, in der Regel aber (wie unsere Zeitung täglich beweist) dem Leser gar nicht weiter auffällt.
Alan Posener
DIE WELT vom 11. August 2003 |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Dienstag, 20. Apr. 2004 16:48 Titel: Iris Hanika in herkömmlicher Rechtschreibung |
|
|
Iris Hanika in herkömmlicher Rechtschreibung
Iris Hanika, freie Autorin, schreibt <b>jeden Samstag</b> in der WELT ihre Kolumne <b>in herkömmlicher Rechtschreibung</b>.
Vgl. Iris Hanika: Die Rechtschreibgeißel. In: DIE WELT vom 22.11.2003, S. 8
„Macht kaputt, was euch kaputtmacht!“
Für die, die Leserbriefe schreiben möchten:
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=149
Es ergeben sich folgende Fragen:
1. Warum folgt die WELT nicht der FAZ?
2. Warum verwenden Journalisten den Ausdruck „alte“ Rechtschreibung, obwohl es sich um die traditionelle Qualitätsorthographie handelt, die für 90 Prozent der Bevölkerung weiterhin gilt?
3. Warum darf Iris Hanika in der traditionellen Rechtschreibung schreiben, wohingegen die Leserbriefe in Neuschrieb umgewandelt werden?
Leserbriefschreiber sind relativ selten. Nur wenige wagen es, sich zu exponieren.
Ich weise hin auf die „Regeln für Leserbriefschreiber“:
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=141
und auf meine häufig erfolgreiche Bitte:
Authentischer Abdruck gemäß Urheberrecht erbeten!
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=131
Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Montag, 05. Sep. 2005 17:55, insgesamt 1mal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Dienstag, 20. Apr. 2004 17:15 Titel: „Made in Germany!“ |
|
|
„Made in Germany!“
Im WELT-Forum hat auch eine Diskussion über die sogenannte Rechtschreibreform begonnen. 100 Prozent sind bisher gegen die Rechtschreibreform. Einer brachte es auf den Punkt: „Die Rechtschreibreform ist eine Idiotenreform.“
www.welt.de/extra/forum/read.htx?f=14&i=43239&t=43239
Das sagen die Franzosen schon lange!
Die Engländer sagen: <b>„Made in Germany! The Germans do everything efficiently, even inefficiency!“</b> - www.vrs-ev.de/pm171102.php
Siehe auch: „Rechtschreibreform schadet im Ausland“ - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=154
<b>Das WELT-Forum ist äußerst benutzerunfreundlich.</b>
Zur Erläuterung: Benutzer des WELT-Forums werden wegen der langen Wartezeiten abgeschreckt. Deswegen sind die vorhandenen Beiträge schon beachtlich. Alle Beiträge des WELT-Forums werden zunächst von den zuständigen Redakteuren auf ihren Inhalt überprüft und erst dann freigeschaltet. Dies geschieht in unregelmäßigen Abständen, manchmal täglich, jedoch nicht am Wochenende. Es vergehen manchmal sieben Tage bis fast zwei Wochen, bis ein Beitrag erscheint.
Ich halte dies vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung her gesehen und im Hinblick auf die Aktualität der Beiträge für bedenklich und leserunfreundlich.
Man bekommt nicht einmal eine Rückmeldung etwa so:
Wir danken Ihnen für Ihren Eintrag. Er wird von einem Moderator geprüft und wird voraussichtlich demnächst erscheinen. Wir bitten um etwas Geduld.
Oder wie bei den Nürnberger Nachrichten:
Vielen Dankfür Ihren Eintrag! Er wurde an unsere Administratoren weitergeleitet und wird in Kürze im Gästebuch erscheinen.
Oder wie im CSU-Forum
Ihr Beitrag wird nun von einem Moderator überprüft
Sie werden nach der Überprüfung des Beitrags per E-Mail informiert.
Wenn aber keine Rückmeldung der Moderatoren kommt, vermutet der Benutzer, daß er einen Eingabefehler gemacht hat oder daß sein Beitrag als unerwünscht zurückgewiesen wird und besucht das WELT-Forum nicht mehr. So ging es mir vor vielen Monaten.
Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Montag, 05. Sep. 2005 17:56, insgesamt 1mal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Dienstag, 20. Apr. 2004 21:19 Titel: Rechtschreibreform auf der Kippe |
|
|
Rechtschreibreform auf der Kippe
______________________________
Das wird uns noch Leid tun/leidtun
Mit neuen Korrekturen führt sich die Rechtschreibreform endgültig ad absurdum
von Dankwart Guratzsch
Fünfeinhalb Jahre nach ihrer Einführung steht die Rechtschreibreform endgültig auf der Kippe. Nach mehreren Korrekturen in den vergangenen Jahren spricht sich die Zwischenstaatliche Rechtschreibkommission in Mannheim unter der nicht nachlassenden Kritik von Fachinstituten, Schriftstellern und Professoren jetzt selbst dafür aus, Teile der Reform zurückzunehmen.
Dem Vorstoß, der bisher nur aus einer Vorlage für die Kultusministerkonferenz (KMK) bekannt ist, kommt politische Bedeutung zu. Denn am Donnerstag kommender Woche will die Amtschefkommission „Rechtschreibung“ der KMK endgültig darüber befinden, ob die Reform im Sommer 2005 „verbindlich“ wird. Verstöße gegen die neuen Regeln sollen von da an als „falsch“ geahndet werden und sich auf die Zensuren an den Schulen auswirken. Doch die Vorschläge der Kommission stellen diese Entscheidung in Frage.
So sollen die unter Beschuss geratenen Regeln für Getrennt- und Zusammenschreibung teilweise zurückgenommen werden. Der Umfang, in dem das geschieht, bleibt aber unklar. „Die Liste von Partikeln, die mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden können, wird um einige wenige bisher fehlende Partikel ergänzt (# 34 (1))“, heißt es.
Dann folgt die lange Aufzählung: „dahinter, darauf/drauf, darauflos/drauflos, darin/drin, darüber/drüber, darum/drum, darunter/drunter, davor, draus, hinter, hinterdrein, nebenher, vornüber“ - womit die „geschlossene Liste“ auf bereits 110 Partikel anschwillt. Wer soll das alles noch auswendig lernen?
Noch dubioser die „präzisere Formulierung von # 34 E 1“: Sie verspricht „Entscheidungshilfe“ in der Form, dass getrennt geschrieben werden muss, wenn „ein anderes Wort zwischen die beiden Bestandteile gerückt werden kann“. Als Beispiel wird auf „zusammen spielen“ (z.B. Halma) und „zusammenspielen“ (wenn verschiedene Faktoren zusammenspielen) verwiesen.
Aber damit wird die Sache nur unklarer, man denke nur an „mitspielen“. Getrennt, wenn es um Halma geht („ich will mit spielen“), aber zusammen, wenn ein Gegner gemeint ist („übel mitspielen“)?
Und so geht es weiter. Für den Fall „Leid tun“ wird eine angeblich „neue zusätzliche Variante“ eingeführt: Es ist das alte „leidtun“. Entschuldigend heißt es: „Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass eine eindeutige Entscheidung für adjektivischen und substantivischen Gebrauch nicht zu treffen ist“. Aber „wohl tun“ weiter getrennt?
Von einem „Regelwerk“ kann kaum noch gesprochen werden. Bei Verbindungen mit Partizipien ist nun generell (auch) wieder die alte Schreibweise zulässig, „wenn die gesamte Verbindung komparierbar ist“. Ebenso sollen „allein stehend“, „Rat suchend“ wieder zusammengeschrieben werden dürfen. Doch diese Erlaubnis wird damit zugleich auf eine nicht genannte Zahl vergleichbarer Fälle ausgeweitet.
Immer wieder heißt es in Bezug auf die neuen Freiheiten: „in Fällen wie“, „oder andere“, „insbesondere in diesem Fall werden frühere Zusammenschreibungen wieder zulässig“, womit die Neuregelungen praktisch aufgegeben werden, ohne dass dies eingestanden wird.
„Bei fremdsprachlichen Übernahmen von Adjektiv und Substantiv, die sich im Deutschen wie Zusammensetzungen verhalten,“ soll diese Freiheit nun generell gelten, worauf sofort die Einschränkung folgt: „Im Übrigen bleibt die Erweiterungs- bzw. Steigerungsprobe bei der Verwendung von Adjektiven und Verben erhalten, ebenso bleibt es bei der generellen Getrenntschreibung von Adjektiven mit den Endungen -ig, -isch, -lich sowie bei der Getrenntschreibung aller Verbindungen mit dem Wort sein und von allen Verbindungen mit Wörtern, die auf -einander enden.“ Die Unbrauchbarkeit der (verbliebenen) Regelreste wird deutlich, wenn man sie anzuwenden versucht. Das Jugendwort „megatrendig“ ist keine „fremdsprachliche Übernahme von Adjektiv und Substantiv“ und endet auf „-ig“ - also künftig nur noch „mega trendig“?
Verworrenheit herrscht beim Bindestrich: Für den „wissenschaftlich-technischen Fortschritt (also bei gleichrangigen nebengeordneten Adjektiven)“ ist er „obligatorisch“, bei 8-fach darf auch 8fach geschrieben werden - doch wie ist es bei (dem neu eingeführten) 8-jährig? „Bei substantivisch gebrauchten Zusammensetzungen (besonders mit Infinitiven)“ wird eine bisherige „Unklarheit“ dadurch beseitigt, dass eine neue geschaffen wird: „Inkrafttreten“ ohne, „Auf-die-lange-Bank-Schieben“ mit - wo ist die Grenze?
In der Groß- und Kleinschreibung kehrt das gute alte „Schwarze Brett“ (jetzt auch wieder groß) zurück, aber nur, wenn es „fachsprachlich“ benutzt wird. Was heißt das? Ist die „Schwarze Tafel“ in der Schule fachsprachlich, der „Schwarze Mann“ (Kinderschreck) aber nicht? Auch die „unbestimmten Zahladjektive (die einen, die anderen, die meisten)“ dürfen fortan großgeschrieben werden, desgleichen „Fälle wie ohne Weiteres“, „seit Kurzem“ - die Möglichkeiten scheinen uferlos. Kann man überhaupt noch von „Recht-“ (also „Richtig-“) Schreibung sprechen? Die Vorlage der KMK ist davon überzeugt: Ab 1. August 2005 soll die abgeänderte Reform „verbindliche Grundlage für den Unterricht an allen Schulen“ sein.
Immer wieder wird in der noch nicht veröffentlichten Vorlage betont: „Durch die Änderungen werden bisherige Schreibweisen nicht falsch.“ Deshalb brauche kein einziges Wörterbuch geändert zu werden. Kritiker wie der Erlanger Linguist Theodor Ickler sehen das anders: „Lehrer, die justiziabel korrigieren wollen, brauchen Nachschlagewerke, in denen alle richtigen Schreibweisen verzeichnet sind. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Neue Milliardenkosten sind unvermeidlich.“
DIE WELT vom 29. Januar 2004 |
|
Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Dienstag, 20. Apr. 2004 21:24 Titel: Rechtsprofessoren verlangen Ende der Rechtschreibreform |
|
|
Rechtsprofessoren verlangen Ende der Rechtschreibreform
Experten schicken Petition an den Bundestag
Dresden - Mit einem Appell an den Bundestag, die deutschen Landtage sowie die Nationalräte von Österreich und der Schweiz haben mehr als 50 deutsche und schweizerische Rechtsprofessoren die „sofortige Beendigung des Projekts Rechtschreibreform“ gefordert. Durch die Art der Einführung sei bei vielen Bürgern „der Eindruck der demokratisch nicht legitimierten Bevormundung durch die Exekutive“ entstanden. Überdies erweise sich das Reformwerk als „schlichtweg unbrauchbar“. Durch die jüngsten Änderungen werde das bereits angerichtete Chaos nur noch vergrößert.
In der Petition, die der WELT im Wortlaut vorliegt, attestieren die Juristen der Reform „schwerwiegende Mängel, die das Ergebnis einseitiger, verkürzter und falscher Betrachtungen der deutschen Sprache sowie unausgewogener Formelkompromisse der verantwortlichen Kommissionsmitglieder“ seien. Durch diese Defizite würden die Einheitlichkeit der deutschen Schriftsprache und „die Stellung des Deutschen im Ausland“ gefährdet. Die Wissenschaftler fordern deshalb „die sofortige Kündigung der Wiener Absichtserklärung, die Aufhebung der zur Umsetzung der Erklärung erlassenen Regelungen sowie die Ablösung der mit der Reform befaßten Kommissionen“.
Das „Ausmaß an Unprofessionalität“ erschließe sich erst nach „eingehendem Studium“ der Regeln mit ihren 1106 Anwendungsbestimmungen. Um das Reformwerk „korrekt“ anzuwenden, müsse man diese auswendig lernen. Schon deshalb ist nach Meinung der Experten zu befürchten, „daß selbst nach Jahren der Erprobung niemand das neue Regelwerk beherrscht“. Während dies bei „einfach gelagerten Texten“ oft keine große Rolle spiele, sei die „genaue Kenntnis bei komplizierteren Inhalten jedoch unabdingbar“. Die Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung sei mithin „die allein sinnvolle Alternative“.
Es sei nun an den Parlamenten, den gescheiterten „Modellversuch“ zu beenden. Eine Rückkehr zu den tradierten Regeln sei ohne weiteres möglich. Ohnehin würden die neuen Regeln „vom überwiegenden Teil der Sprachgemeinschaft nicht akzeptiert und angewandt“. gur
DIE WELT vom 16. Februar 2004 |
|
Nach oben |
|
 |
|
Powered by phpBB © 2001, 2002 phpBB Group
|