Hilfe Zurück zur Hauptseite
Hilfe Beiträge der letzten 14 Tage zeigen
Hilfe Hilfe
Suchen Suchen
Benutzerliste Benutzerliste
Benutzergruppen Benutzergruppen
Profil Profil
Einloggen Einloggen
Registrieren Registrieren

Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen
Gehe zu Seite 1, 2  Weiter
 
Neuen Beitrag schreiben   Auf Beitrag antworten    VRS Foren-Übersicht -> Staat und Sprache
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Montag, 03. Mai. 2004 15:14    Titel: Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen Antworten mit Zitat

Gilt die Rechtschreibreform bald nicht mehr?
BILD-Interview mit Doris Ahnen
Doris Ahnen (39, SPD) ist Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz

Von R. EICHINGER und M. LAHRMANN

BILD: Frau Ministerin, im Juni soll eine Reform der Rechtschreibreform beschlossen werden. Schreiben wir bald wieder wie früher?

Doris Ahnen: Nein! Wir wollen die Änderungen nicht zurücknehmen. Vielmehr sollen weitere Schreibmöglichkeiten erlaubt sein.

BILD: Zum Beispiel?

Ahnen: Sie dürfen dann nicht nur „Leid tun“, sondern auch „leidtun“ schreiben, sowohl „allein stehend“ wie „alleinstehend“, „vor kurzem“ und „vor Kurzem“.

BILD: Viele deutsche Schüler haben leider nicht nur mit der Rechtschreibung ein Problem, wie die PISA-Studie gezeigt hat. Warum sind unsere Schüler so schlecht?

Ahnen: Rund jeder fünfte Schüler erfüllt die einfachsten schulischen Anforderungen nicht. Das hat böse Folgen: Auf dem Arbeitsmarkt fallen schwache Hauptschulabgänger als Erste durch. Wir brauchen daher verbindliche, einheitliche Standards, die klar sagen, was die Schüler lernen sollen. Natürlich werden die Standards auch regelmäßig überprüft.

BILD: Es gibt Schulklassen mit einem extrem hohen Ausländeranteil. Immer mehr Eltern machen sich Sorgen, weil ein Großteil der Erstklässler kaum Deutsch spricht. Brauchen wir in den Klassen eine Ausländerquote?

Ahnen: Eine feste Quote lehne ich ab. Die Kinder müssen so früh wie möglich Deutsch lernen. Nicht erst in der Schule, sondern bereits in Kindertagesstätten.

Bild online vom 3. Mai 2004


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Sonntag, 08. Aug. 2004 23:50, insgesamt 1mal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Dienstag, 01. Jun. 2004 22:34    Titel: Doris Ahnen, SPD- und GEW-Mitglied Antworten mit Zitat

Doris Ahnen, SPD- und GEW-Mitglied

Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend Rheinland-Pfalz
Mittlere Bleiche 61
55116 Mainz
Tel.: 06131-16-0, Fax: 06131-162878
Mail: poststelle@mbfj.rlp.de

Agrippastr. 25 A
55131 Mainz
Tel. (0 61 31) 23 45 76
Loreleiring 10
65197 Wiesbaden
Tel. (06 11) 9 44 60 67

Geburtsdatum: 29. August 1964 in Trier
Familienstand: verheiratet

Lebenslauf / Beruflicher Werdegang :

1984 Abitur am Friedrich Spee-Gymnasium, Trier

1984 - 1990 Studium der Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Pädagogik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

1990 Magister Artium

1990 - 1991 Persönliche Referentin des Präsidenten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

1991 - 1994 Leiterin des Ministerbüros im Ministerium für Wissenschaft und Weiterbildung, Mainz

1994-1996 Leiterin des Ministerbüros im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung, Mainz

21.5.1996 – 2000 Staatssekretärin im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung, Mainz

seit 18.5.2001 Staatsministerin im Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend

seit 2001 stellvertretendes Mitglied des Bundesrates

2003 Vorsitzende der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und –senatoren der Länder (GFMK)

2003 1. Vizepräsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK)

seit 1.1.2004 Präsidentin der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland

Politische Tätigkeiten:

1985 Mitglied der SPD

1988 Mitglied der GEW

1986/87 Asta-Vorsitzende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

1987-1990 Mitglied des Juso-Bundesvorstandes, davon 1988-1990 stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende

seit 18.5.2001 Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend

www.mbfj.rlp.de/wirueberuns/ministerin.html
www.competence-site.de/cc/experten.nsf/experte/A1092
www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/neunzehn/sendung/29798/
_________________________________________________________________

Der Verband der Schulbuchverleger, unter welchem Namen auch immer, ist neben der GEW diejenige Institution, die sich noch nie inhaltlich mit der Rechtschreibreform auseinandergesetzt hat.

21.05.2004, Theodor Ickler

www.vrs-ev.de/forum/viewtopic.php?t=363&postdays=0&postorder=asc&start=0


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Samstag, 16. Okt. 2004 19:33, insgesamt 4mal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Dienstag, 01. Jun. 2004 22:51    Titel: Staatssekretärin Doris Ahnen zur Rechtschreibreform Antworten mit Zitat

Staatssekretärin Doris Ahnen zur Rechtschreibreform

„Mit der Rechtschreibreform kann in der schulischen Rechtschreiberziehung die Sicherheit und Souveränität der Schreibenden gestärkt werden. Ziel der Reform sei es, die Schriftsprache leichter erlernbar zu machen”, betonte Doris Ahnen, Staatssekretärin im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung in Mainz.
Auf der Grundlage des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 1. Dezember 1995 habe Rheinland-Pfalz die Regelung getroffen, daß mit der Umsetzung der Neuregelung der Rechtschreibung in den Schulen im Schuljahr 1996/97 auf freiwilliger Basis begonnen werden konnte. Die überwiegende Mehrheit der Schulen habe von dieser Möglichkeit mit gutem Erfolg Gebrauch gemacht. Eine weitere Stufe der Einführung sei für die Grundschule ab dem Schuljahr 1997/98 vorgesehen. Die verbindliche Einführung für alle Klassenstufen und Schularten habe die Kultusministerkonferenz für den 1. August 1998 festgelegt.

Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern seien durch die neu entfachte Diskussion um die Rechtschreibreform verunsichert, jedoch habe Rheinland-Pfalz bisher keinen Grund, vom vorgesehenen Fahrplan abzuweichen.

(...) Die bisher an der Einführung der Rechtschreibreform Beteiligten in Bund und Ländern hätten die Frage der rechtlichen Umsetzung intensiv geprüft. Sie seien zu der Auffassung gelangt, daß es keiner gesetzlichen Regelung bedürfe.
Zum Schutze der Schulen seien nun alle Beteiligten gefragt, Vorurteile und Fehleinschätzungen gegenüber der Rechtschreibreform auszuräumen. Es gehe darum, den heranwachsenden Kindern das Erlernen des richtigen Schreibens durch Vereinfachung der Rechtschreibregeln vor allem durch den Abbau von Ausnahmen zu erleichtern. Ein Eingriff in das Kulturgut Sprache, erst recht in ihre Substanz, sei damit nicht verbunden.

Konstantin Schultes / Simon Diercks: Rechtschreibreform Alptraum oder Segen, Hamburg, 19.11.97

www.referate.heim.at/referate/html/schrei01.html
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Donnerstag, 03. Jun. 2004 22:08    Titel: Hohe Kompetenz in der Sache oder das Gegenteil Antworten mit Zitat

Hohe Kompetenz in der Sache oder das Gegenteil
__________________________________________

Doris Ahnen


Die derzeitige Präsidentin der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, gleichzeitig Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend des Landes Rheinland-Pfalz, die Politologin und Pädagogin Doris Ahnen (MA), hat sich laut gestriger Zeitungsmeldung in der FAZ mit erstaunlicher Entschiedenheit zur Rechtschreibreform geäußert: Die KMK würde die Rechtschreibreform „auf keinen Fall“ zurücknehmen, dies sei den Schülern, die schon die neuen Regeln gelernt hätten, „auf keinen Fall“ zuzumuten. Außerdem hätten weder Lehrer noch Schüler mit der Rechtschreibreform Schwierigkeiten.
So stellt jedenfalls die Germanistin Dr. h.c. Heike Schmoll die Aussagen der Ministerin dar.

Zu einer solchen Entschiedenheit kann eine hohe Kompetenz in der Sache ebenso beitragen wie ihr Gegenteil. Man will der Präsidentin eher das letztere wünschen. Weitgehende Inkompetenz ist auch wahrscheinlicher, hat sich Frau Ahnen doch in Sachen Rechtschreibung bislang nicht besonders hervorgetan. Vielmehr hat sie als die letztjährige turnusmäßige Vorsitzende der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) ein „Programm zur Umsetzung gender-orientierter Präventionsarbeit gegen Gewalt“ angestoßen und sich generell für „Gender Mainstreaming“ eingesetzt. In ihrem Aufgabenbereich Bildung hat sie der PISA-Studie für Rheinland-Pfalz erfreuliche Ergebnisse zu entlocken vermocht und setzt ansonsten – wie alle anderen auch – auf vermehrte Qualitätskontrolle (anstelle von Freude und Begeisterung).

Nun also Rechtschreibung. Ist es möglich, daß es dieser (auf ihrem ubiquitären „Dienstphoto“ freundlich lächelnden) studierten Frau bis heute wirklich vollständig entgangen ist, daß die KMK mit der Rechtschreibreform einen zu korrigierenden Fehler in Szene gesetzt hat? Der große Teil des Volkes weiß es, aber Doris Ahnen hat keine Ahnung? Es ist schwer zu glauben. Und dennoch, man muß es annehmen, sonst würde Frau Ahnen ja lügen: Weder Lehrer noch Schüler haben mit der Rechtschreibreform Schwierigkeiten?
„Soweit ich das übersehe, schwankt die Stimmung in den Schulen zwischen Resignation und Wut. ... Das Tohuwabohu, also das orthographische Chaos an Schulen, die Resignation von Lehrern und Eltern und so weiter ... – auf die Dauer ... hält das kein Deutscher aus“, konstatiert der Schulbuchverleger Michael Klett (FAZ v. 28. Mai) – aber im goldigen Mainz kommt davon gar nichts an?
Es muß wohl so sein.
______________________
03.06.2004 11.41
Dr. Wolfgang Scheuermann

Forum > Rechtschreibforum > Personalien
www.rechtschreibreform.de/php/einzelner_Datensatz.php?BeitragNr=23288
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Donnerstag, 15. Jul. 2004 13:36    Titel: Doris Ahnen will die Variantenschreibung Antworten mit Zitat

Doris Ahnen will die Variantenschreibung, aber sagt:
„Wir brauchen verbindliche, einheitliche Standards“ ???

Solche Kultusminister können nicht logisch denken und müssen abgelöst werden.
__________________________________________________________________

BILD-Interview mit Doris Ahnen
Gilt die Rechtschreibreform bald nicht mehr?

Von R. EICHINGER und M. LAHRMANN

Doris Ahnen (39, SPD) ist Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz

BILD: Frau Ministerin, im Juni soll eine Reform der Rechtschreibreform beschlossen werden. Schreiben wir bald wieder wie früher?

Doris Ahnen: Nein! Wir wollen die Änderungen nicht zurücknehmen. Vielmehr sollen weitere Schreibmöglichkeiten erlaubt sein.

BILD: Zum Beispiel?

Ahnen: Sie dürfen dann nicht nur „Leid tun“, sondern auch „leidtun“ schreiben, sowohl „allein stehend“ wie „alleinstehend“, „vor kurzem“ und „vor Kurzem“.

BILD: Viele deutsche Schüler haben leider nicht nur mit der Rechtschreibung ein Problem, wie die PISA-Studie gezeigt hat. Warum sind unsere Schüler so schlecht?

Ahnen: Rund jeder fünfte Schüler erfüllt die einfachsten schulischen Anforderungen nicht. Das hat böse Folgen: Auf dem Arbeitsmarkt fallen schwache Hauptschulabgänger als Erste durch. Wir brauchen daher verbindliche, einheitliche Standards, die klar sagen, was die Schüler lernen sollen. Natürlich werden die Standards auch regelmäßig überprüft.

BILD: Es gibt Schulklassen mit einem extrem hohen Ausländeranteil. Immer mehr Eltern machen sich Sorgen, weil ein Großteil der Erstklässler kaum Deutsch spricht. Brauchen wir in den Klassen eine Ausländerquote?

Ahnen: Eine feste Quote lehne ich ab. Die Kinder müssen so früh wie möglich Deutsch lernen. Nicht erst in der Schule, sondern bereits in Kindertagesstätten.

Bild.T-Online.de vom 02.05.2004www.bild.t-online.de/BTO/news/2004/05/03/rechtschreibreform/rechtschreibreform.html
__________________________________________________________________

Anmerkungen:

Die Deutsche Sprachwelt“ urteilt: „Kultusministerkonferenz will zwei Rechtschreibungen einführen“. Es sei daher nichts Gutes für die Einheit der Rechtschreibung erwarten.
3.5.2004 - www.deutsche-sprachwelt.de/nachrichten/neues_detail.php?id=46

Dazu sagt Dr. Wolfgang Näser, Universität Marburg: „Also doch Apartheid. ‚PISA’ war noch nicht genug. Armes Deutschland.“

Dr. Wolfgang Näser, Marburg, Lahn: Wider die sprachliche Apartheid! Materialien und Gedanken zur sog. Rechtschreib-Reform
www.staff.uni-marburg.de/~naeser/GFDS-REC.HTM

Es entsteht folglich eine doppelte Spaltung:

1. die Spaltung in Schulschreibung und Erwachsenenorthographie, so daß die Einheit der Rechtschreibung zerstört wird.

2. die Spaltung der Schulschreibung in Varianten, so daß die Einheit der Rechtschreibung auch dadurch zerstört wird und eine Beliebigkeitsschreibung gefördert wird.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Donnerstag, 15. Jul. 2004 14:27    Titel: Die Kultusminister beharren auf der Rechtschreibreform Antworten mit Zitat

Die Kultusminister beharren auf der Rechtschreibreform

oll. - 04. Juni 2004 Die Rechtschreibreform wird am 1. August 2005 an Schulen und Universitäten verbindlich in Kraft treten. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat in Mainz dem vierten Bericht und den Ergänzungen der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung zugestimmt. Darin werden einige Varianten zu den Neuregelungen zugelassen, an der Rechtschreibreform als solcher wird jedoch nichts geändert.

Keine der neuen Schreibweisen werde falsch, alle Schulbücher in neuer Orthographie könnten weiter genutzt werden. Den Kultusministern gehe es vor allem um eine Versachlichung der Debatte, erläuterte die Präsidentin der KMK, die rheinland-pfälzische Kultusministerin Ahnen (SPD).

<b>„Rat für deutsche Rechtschreibung“</b>

Die Zwischenstaatliche Kommission und ihr Beirat sollen durch einen „Rat für deutsche Rechtschreibung“ ersetzt werden. Er hat die Aufgabe, die Entwicklung des Schriftgebrauchs über einen längeren Zeitraum hinweg zu beobachten und der KMK zu berichten. „Die Zusammensetzung des ,Rates für deutsche Rechtschreibung' soll durch ein hohes Maß an Pluralität gekennzeichnet sein und damit eine große Akzeptanz bei allen Beteiligten erfahren“, hieß es in Mainz. Kritiker sollen also beteiligt werden. Über die konkrete Zusammensetzung wollen die Kultusminister im Oktober beraten und im Dezember dieses Jahres beschließen. Vor der Mainzer Sitzung der KMK hatten Rechtswissenschaftler, Akademien, Schriftstellerverbände und Lehrer eine Rücknahme oder zumindest ein Moratorium für die Rechtschreibreform gefordert. [...]

[oll. = Heike Schmoll]

Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 129 vom 5. Juni 2004, S. 1

www.faz.net/s/Rub28FC768942F34C5B8297CC6E16FFC8B4/Doc~EDBAD07E6AF6349
E8B486DFC45724ABC2~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Klaus Eicheler



Registriert seit: 06.06.2004
Beiträge: 18
Wohnort: München

Beitrag: Freitag, 16. Jul. 2004 00:21    Titel: Doris Ahnen -- keine Ahnung? Antworten mit Zitat

Die Argumente „Kosten“ und „Verwirrung“ sind Unsinn.

Es ist ja nichts Ungewöhnliches, wenn ein GEW-Funktionär für die Neuschreibung ist und Juso- und AStA-Funktionäre das orthographieunterdrückte Proletariat befreien möchten („macht kaputt, was Euch kaputtmacht“). Aus meiner Studentenzeit kenne ich die AStA-Flugblätter, in denen Professoren beschimpft wurden, Hochbegabte fördern zu wollen. Daß dann „wir“ (wer ist das?) die Änderungen nicht zurücknehmen wollen, ist klar.

Eigentlich ist es trivial, den von Frau Ahnen geäußerten Unsinn zu entlarven.

Wenn eine „Verkehrsministerkonferenz“ das Rechtsfahrgebot abschaffte und dann anführte, auf Lehrerparkplätzen verursache diese Regelneuerung keine Probleme, zeigt das nur den Weitblick eines Maulwurfs. Auf Autobahnen sieht das ganz anders aus, dort, wo sich der Großteil des Straßenverkehrs abspielt. Dort ist es ganz und gar keine Lösung, nun auch Rechts-, Links- und Mittelverkehr zuzulassen, damit die Unfälle den Verkehrsteilnehmern nicht Leid tun.

Die Verunsicherung der Kinder -- nur wenige Betroffene im Vergleich zur Bevölkerung -- ist ein schwaches, wenn nicht sogar ein sich ins Gegenteil verkehrendes Argument. Die Ursache der Verunsicherung ist die Reform, sie ist nicht Teil der Lösung, sondern das Problem. Kinder sind verunsichert, wenn sie die durchgängig vorhandene bewährte Orthographie wahrnehmen -- in Büchern, in Zeitungen, auch in persönlichen Schriftstücken ihrer Lehrer und Eltern, -- und dann in der Schule das Gegenteil lernen müssen, von Lehrern, die aus der Ablehnung der Reform keinen Hehl machen. Vom Rest der Publikationen, die Versatzstücke irgendeiner „Orthographie“ verwenden oder konsequent auf das Zufalls- oder Gleichgültigkeitsprinzip der Schreibung setzen, ganz zu schweigen.

Das immer wieder geäußerte Argument der Kosten (die ja auf der anderen Seite Einkünfte sind) ist nicht stichhaltig. Niemand verlangt, alle „Neuschreibungsschulbücher“ binnen 24 Stunden einzustampfen. Wir haben acht Jahre lang in einem Durcheinander gelebt -- sollen es ruhig noch einmal acht Jahre sein, bis der Spuk aus den Büchern verschwunden ist. Und die „alten“ Druckvorlagen befinden sich in den Archiven der Verlage.

Eine solche, großzügige Übergangsfrist verursacht sicher nicht mehr Chaos als die permanente Reformreform.

Die Äußerungen von Frau Ahnen sind nicht ein Beitrag zu der von ihr geforderten Versachlichung der Diskussion, sondern Propaganda.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Freitag, 16. Jul. 2004 17:00    Titel: Kostenlawine ist nichts als Panikmache Antworten mit Zitat

Kostenlawine ist nichts als Panikmache

Manfred Erfkamp, 15.07.2004 , 08:53:42 schrieb im Gästebuch der niedersächsischen Staatskanzlei: Herr Wulff! Verstecken Sie sich ruhig hinter Ihrem Papiertiger „Reform der Rechtschreibreform“ (Wer bezahlt eigentlich anschließend die neu anzuschaffenden Schulbücher??).
www.stk.niedersachsen.de/master/C599130_N14766_L20_D_I484_A_R6.html

Der Stolz-Schulbuchverlag bezeichnet dieses Argument des Verbandes der Schulbuchverlage als Panikmache, Vgl. Kostenlawine ist nichts als Panikmache - www.vrs-ev.de/forum/viewtopic.php?p=1518&highlight=#1518
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Samstag, 17. Jul. 2004 19:12    Titel: Debatte um Rechtschreibreform neu entbrannt Antworten mit Zitat

Debatte um Rechtschreibreform neu entbrannt

Stoiber schließt sich Wulff-Kritik an - Verband der Schulbuchverlage empört

Mehrere Ministerpräsidenten der Union machen sich für die Rückkehr zur alten Rechtschreibung stark. <b>Der bayerische Regierungschef Edmund Stoiber warnte in der „Bild“-Zeitung vor Anarchie in der Schriftsprache:</b> „Es kann nicht sein, dass im Ergebnis jeder schreibt, wie er will und es keine akzeptierte Ordnung mehr gibt.“

Neben Stoiber wollten auch der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und sein saarländischer Kollege Peter Müller (CDU) die Reform auf die Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz im Herbst setzen, berichtete das Blatt.

Wulff sagte der „Bild“-Zeitung: „Die Reform ist auf ganzer Linie gescheitert. Sie wird von den Menschen nicht angenommen.“ In Deutschland herrschten „Sprachchaos“ und völlige Beliebigkeit: „Wir dürfen nicht zulassen, dass ein so hohes Kulturgut wie die deutsche Sprache verhunzt wird.“

„Einfältiger Populismus

Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Doris Ahnen (SPD), warnte dagegen vor einem Zurück zur alten Schreibweise. „Eine Rücknahme der Reform ist nicht sinnvoll, den Schülern nicht zumutbar, <b>mal ganz abgesehen von den Kosten</b>“, sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin in Mainz.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) bezeichnete den Vorstoß der Reformgegner als „einfältigen Populismus“. Die Rechtschreibreform sei ein abgeschlossener Prozess. Es sei nicht verantwortbar, die Entwicklung nochmals zurück zu drehen. Beck verwies auch <b>auf den zu erwartenden volkswirtschaftlichen Schaden</b>, sollte die alte Rechtschreibung wieder in Kraft gesetzt werden.

Verbindlichkeit ab Mitte 2005

Der Verband Bildungsmedien, in dem mehr als 70 deutsche Schulbuchverlage zusammen geschlossen sind, reagierte empört auf den Vorstoß von Stoiber und Wulff. „Wir verstehen die Welt nicht mehr“, sagte Pressesprecher Rino Mikulic: „Irgendwann muss es doch einmal Rechtssicherheit geben.“ Die Kosten für eine erneute Umstellung der Schreibweise bezifferte Mikulic auf 250 bis 260 Millionen Euro. Rund 1000 Buchtitel müssten überarbeitet werden, sollten die Schreibregeln nochmals komplett geändert werden.

Der Verband verwies darauf, dass die Kultusminister aller 16 Bundesländer Anfang Juni einstimmig beschlossen hatten, die reformierte Schreibweise mit minimalen Änderungen dauerhaft beizubehalten. „Wulff tut nun so, als ob er seinen eigenen Kultusminister gar nicht kennt“, sagte Mikulic. Die Übergangsphase, nach der die neue Rechtschreibung für alle Schüler uneingeschränkt verbindlich ist, endet am 31. Juli 2005.

ZDF- 13.07.2004
www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/27/0,1367,MAG-0-2144603,00.html
_____________________________________________________________

Anmerkung:

Das Aufheulen des Verbandes der Schulbuchverlage wiederholt sich regelmäßig. Aber über die volkswirtschaftlichen Milliardenkosten und Schäden wird geschwiegen und spricht bisher kein Politiker - www.vrs-ev.de/forum/viewtopic.php?t=433 -. Es geht immer nur um die Profite der Verlage, die die öffentlichen Haushalte zu ihrem Selbstbedienungsladen umfunktionieren wollen.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Dienstag, 20. Jul. 2004 20:07    Titel: Das Schreibvolk muß sich dieser Vögte entledigen Antworten mit Zitat

Das Schreibvolk muß sich dieser Vögte entledigen
__________________________________________

Ahnen, Thies, Funk


Anläßlich ihres Gesprächs mit der Bild-Zeitung habe ich der KMK-Präsidentin Doris Ahnen in einem Brief vom 7. Mai noch einmal die Probleme dargelegt, die sich aus einer Billigung des vierten Berichts und immer weiteren Varianten ergeben würden, und auf die bessere und billigere Lösung hingewiesen. Frau Ahnen beauftragte daraufhin Herrn Thies, mir zu antworten, und er schreibt bzw. läßt Herr Funk dessen Sekretärin schreiben:

„Da Ihre Einschätzung der Neuregelung bekannt ist, werden Sie es mir verdenken (!), dass ich auf die Inhalte nicht nochmals im Einzelnen eingehe.“ (21. Mai 2004)

Übrigens ist er auf den Vorschlag selbst noch niemals eingegangen.

Nicht, daß ich ich je irgend etwas Konstruktives von den Politikern erwartet hätte. Trotzdem habe ich alle Vorschläge immer auch an sie geschickt, um mir nicht nachsagen lassen zu müssen, ich hätte etwas versäumt. Aber letztendlich ist es natürlich das Schreibvolk, das sich dieser Vögte entledigen muß.

Theodor Ickler
28.05.2004 06:10

Forum > Rechtschreibforum > Amtschefs, vierter Bericht usw.
www.rechtschreibreform.de/php/einzelner_Datensatz.php?BeitragNr=23130
________________________________________

Anmerkung zu den „Vögten“:

In Schillers Volksdrama „Wilhelm Tell“ (1802-1804) kommen einige Elemente vor, die auch in den Volksinitiativen und Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform zum Ausdruck kommen, u.a. die Auflehnung dagegen, den Hut des Landvogts Geßler zu grüßen. Hermann Geßler, Geßler v. Bruneck, ist der Sage nach ein tyrannischer Landvogt in Uri, der angeblich von Wilhelm Tell getötet wurde.

Näheres in Wolfgang Scheuermann: Die Eszett-Seite > Der Schweizer „Geßlerhut“ bzw. „Gesslerhut“:
www.vrs-ev.de/forum/viewtopic.php?t=206&highlight=landvogt

- Erich Thies, der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz
- Dr. Tobias Funk, Ministerialrat, einer der Alt-Rechtschreibreformer der Kultusministerkonferenz
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Sonntag, 08. Aug. 2004 23:50    Titel: Die Blamage der KMK-Präsidentin „Ahnungslos“ Antworten mit Zitat

Die Blamage der KMK-Präsidentin „Ahnungslos“

ARD SABINE CHRISTIANSEN
Aufstand gegen Rechtschreibreform – Chaos total
8. August 2004, 21. 45 Uhr

Die Blamage der KMK-Präsidentin Doris Ahnen als Frau „Ahnungslos“

Gäste: Jürgen Rüttgers, Stellv. CDU-Vorsitzender, Doris Ahnen, Präsidentin der Kultusministerkonferenz (SPD), Claus Strunz, Chefredakteur Bild am Sonntag, Wolf Schneider, Journalist und Buchautor, Fritz von Bernuth, Geschäftsführer Cornelsen Verlagsgruppe, Karl Blüml, Vorsitzender der Rechtschreibkommission.

Sabine Christiansen wirkte etwas voreingenommen. Sie sprach von „rückwärts reformieren“, obwohl es um die Rücknahme der Reform geht. Sie behauptete, daß tonnenweise Bücher eingestampft werden müßten. Auch fiel sie den Reformkritikern häufig ins Wort. Ganz übel war der im Film eingeblendete Hans-Ulrich Jörges, stellvertretender Chefredakteur des stern, der dem Springer-Konzern und Spiegel unterstellte, sie wollten dem Land die Schreibweise diktieren. Und das, obwohl die Presse sich am 1. August 1999 gleichgeschaltet hatte, ohne die Leser zu fragen.

Ich werfe nur einige Schlaglichter auf die Hauptübeltäterin Doris Ahnen.
Doris Ahnen lächelte bei den Beiträgen der Reformkritiker meist süffisant, erwies sich aber als die geballte Inkompetenz und Ignoranz auf dem Gebiet der Rechtschreibreform und gab sich trotzdem oder gerade deswegen rechthaberisch. Es gebe in der KMK keine Mehrheitsentscheidung, die KMK müsse einstimmig entscheiden. Sie sei gegen eine Volksabstimmung.

Ahnen behauptete, es gebe kein Chaos (Das ist die Vogel-Strauß-Politik. Sie macht die Augen vor dem Chaos einfach zu.). Dann kam Ahnen mit Killerphrasen: Die Schüler kämen zu kurz. Ob es denn so schwer sei, daß wir Älteren noch umlernen müßten.

Im Publikum hatte man den Schüler Nicolai Mäurer und die Grundschullehrerin Regina Todt plaziert, die ihr sekundieren sollten. Immerhin stellte Mäurer fest, daß es in den Zeitungen mehr Fehler gebe. Regina Todt fand die neue Rechtschreibung „etwas leichter“. Sie sei ein „bißchen berechenbarer“. Aber eine Rückumstellung sei ein Chaos für die armen Kinder. Chefredakteur Strunz merkte an, daß diese beiden Aussagen aus dem Publikum falsch seien. Die Briefe an die Chefredakteure ergäben ein anderes Bild.

Ahnen behauptete, es seien nur 2 Prozent der Wörter durch die Reform betroffen, davon beträfen 95 Prozent die ss-Schreibung. Ahnen hat keine Ahnung. Sie wird wegen ihrer Unwissenheit auf schulischem Gebiet von Lehrern als „Frau Ahnungslos“ bezeichnet. Theodor Ickler in "Regelungsgewalt" (S. 217):

„Die Reform führt dazu, daß von den 115.000 Einträgen des Rechtschreibdudens etwa 12.000, also rund 10 %, durch Rotdruck als geänderte Schreibungen gekennzeichnet sind. Nur weniges davon betrifft neue Worttrennungen. Von den 12.500 Einträgen der amtlichen Liste (die naturgemäß prozentual weniger Zusammensetzungen enthält) sind 1.038 (= rund 8%) durch Asterisken als geändert markiert; darin sind überhaupt keine Worttrennungen enthalten. Aus trivialen statistischen Gründen ist der Prozentsatz geänderter Wörter (Wortformen, Tokens) in einem laufenden Text wesentlich geringer. Schätzungen besagen, daß etwa 0,5 bis 1,5 Prozent sich ändern. Das weithin übliche Herausrechnen der neuen ss-Schreibung ist nicht zu rechtfertigen, da gerade diese Änderung als besonders segensreich gepriesen wird.“

Ahnen sprach von einer „jahrzehntelangen Debatte“. Wolf Schneider klärte dies Ahnen-Märchen auf, indem er fragte, wo jemals Lehrer, Journalisten oder Schriftsteller gefragt worden seien.

Ahnen sprach von Fachleuten, die das Regelwerk erarbeitet hätten. Es waren leider keine Fachleute, sonst wäre nicht solch ein Murks herausgekommen. Die Fachleute Munske und Eisenberg waren in der Minderzahl und wurden überstimmt. Sie traten 1997/98 aus der Kommission aus. Wissenschaftliche Studien hätten ergeben, daß die Rechtschreibreform leichter sei. Die Auszubildenden, die Bewerbungen schrieben, hätten es nun leichter.

Ahnen lenkte mit deklamatorischem Leerlauf vom Thema ab, um zum eigentlichen Thema nichts sagen zu müssen. Die Sprache verändere sich laufend. Das wirkliche Problem sei doch: Wie vermitteln wir Sprache? Was geschehe in Zukunft mit der Sprache? Die KMK habe die Einrichtung eines Rates für deutsche Rechtschreibung beschlossen. Wenn man zur „alten“ Rechtschreibung zurückkehre, dann müsse man zum Duden von 1991 zurück. Aber es seien ja inzwischen 5.000 neue Wörter hinzugekommen (Daß man die neuen Duden weiterverwenden kann, weil alle neuen Wörter rot gekennzeichnet sind, wußte sie nicht).

Ahnen behauptete, die Reform sei 1998 in den Schulen eingeführt (Auch das stimmt nicht; denn die Reform wurde lange vor dem eigentlich vorgesehenen Termin am 1. August 1998 bereits im Schuljahr 1996/97 eingeführt).

Wolf Schneider gegen Schluß zu Ahnen gewandt: Laut Forsa-Umfrage lehnten 75 Prozent der Deutschen die Reform ab. Die Rechtschreibreform sei kaputt. Auf Grund der publizistischen Macht von FAZ, Springer und Spiegel sei sie erledigt. Sie müsse froh sein, wenn sie nur mit einem und nicht mit zwei blauen Augen davonkäme.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Mittwoch, 29. Sep. 2004 23:04    Titel: „Die Ahnen erledigt sich selbst.“ Antworten mit Zitat

„Die Ahnen erledigt sich selbst.“
____________________________

Ahnen


Frau Ahnen regt sich mächtig auf, ebenso Herr Augst. Dabei ist doch zu unserer Beruhigung jahrelang behauptet worden, die Neuregelung sei nur für die Schule verbindlich. Wenn nun jemand das Recht beansprucht, anders zu schreiben, als die KMK es wünscht, wird er als verantwortungslos gebrandmarkt.
Bei Sabine Christiansen war ich eingeladen, habe aber abgesagt. Wolf Schneider wird es schon machen, man darf solche Sendungen aber auch nicht zu wichtig nehmen. Die Ahnen erledigt sich selbst. Seltsam ist, daß ihr törichte Spontanreaktion vom Freitag als aktuelle Mitteilung der KMK auf deren Homepage (kmk.org) prangt. Dort hat man bisher noch nie etwas Ironisch-Polemisches gelesen. Der Stilbruch deutet auf Panik hin.
__________________
Th. Ickler

Theodor Ickler
08.08.2004 03.47

Forum > Rechtschreibforum > Strategie
www.rechtschreibreform.de/php/einzelner_Datensatz.php?BeitragNr=24819
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Sonntag, 21. Nov. 2004 15:13    Titel: „Wir werben um die Kritiker“ Antworten mit Zitat

SPIEGEL-Gespräch

„Wir werben um die Kritiker“

Doris Ahnen, 40, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, über den Widerstand in der Bevölkerung gegen die reformierte Rechtschreibung, über die Fehler des Regelwerks und die Hoffnung, den orthografischen Frieden wiederherzustellen

SPIEGEL: Frau Ahnen, ein Vierteljahrhundert lang haben Experten an der Rechtschreibreform getüftelt. Von vielen Sprachwissenschaftlern und Schriftstellern wird das Ergebnis nach wie vor heftig kritisiert. Schüler lernen eine andere Rechtschreibung, als sie von vielen Literatur-, Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen angewendet wird.

Ahnen: Ich wehre mich gegen den permanent vermittelten Eindruck, da hätten ein paar Politiker oder Beamte am grünen Tisch gesessen und entschieden, wie geschrieben werden soll. Mit der Reform waren vor allem Sprachwissenschaftler befasst, was auch richtig gewesen ist.

SPIEGEL: Aber die frühere Einheitlichkeit der Schriftsprache ist durch die Reform ohne Grund zerstört worden.

Ahnen: Sie ist nicht ohne Grund zerstört worden.

SPIEGEL: Aber dass sie zerstört worden ist, geben Sie zu?

Ahnen: Nein, das gebe ich nicht zu. Den Ansatzpunkt der Reform hat Konrad Duden doch schon vor über hundert Jahren formuliert: Wir haben zwar die Rechtschreibung vereinheitlicht, aber noch nicht vereinfacht. Die Frage für unsere Reform war also: Wie kann man die Orthografie so gestalten, dass sie besser erlernbar ist? Ich bekomme immer wieder um die Ohren gehauen, dies zum Maßstab zu machen. Aber das ist ein legitimer Maßstab. Denn wenn wir als Kultusminister für die Schule zuständig sind, haben wir uns auch darum zu kümmern. Ich finde, die Reform hat Vereinfachungen gebracht.

SPIEGEL: Der Leipziger Pädagogikprofessor Harald Marx hat 1200 Diktate in alter und neuer Rechtschreibung verglichen und festgestellt, dass heute wesentlich mehr Fehler gemacht werden.

Ahnen: Es gibt meines Wissens in Österreich eine Studie, die genau das Gegenteil belegt.

SPIEGEL: Die Zeitschrift „Praxis Deutsch“ veröffentlichte 1985 eine Untersuchung von 2000 Schulaufsätzen. Die 50 häufigsten Fehler waren solche, die von der Reform gar nicht betroffen sind.

Ahnen: Wir haben die Reform nicht nach dem Motto gemacht: „Wo entstehen die meisten Fehler?“ Es ging um die Frage, wie kann man Dinge leichter erklärbar machen, wie kann man sie logischer gestalten, wie kann man die Anzahl der Regeln reduzieren. Es sind hundert weniger als früher.

SPIEGEL: Der neue Duden braucht aber nicht viel weniger Paragrafen als früher, um diese Regeln zu erklären. Im Übrigen muss man sich mit der neuen Rechtschreibung auch auf ein neues Lesen umstellen - und das ist schwieriger geworden.

Ahnen: Das Lesen ist nicht schwieriger geworden. Denn von der Reform sind nur zwei Prozent der Wörter betroffen. Und bei 95 Prozent dieser Wörter geht es um die neue Doppel-s-Schreibung. Deswegen hat niemand Probleme, einen Text zu verstehen.

SPIEGEL: Die neuen Kommaregeln erschweren das Verständnis. Die Nachrichtenagenturen sind deshalb zu den alten Kommaregeln zurückgekehrt.

Ahnen: Gerade bei den Kommata ist die Regelung freier geworden.

SPIEGEL: Aber auf Kosten der Verständlichkeit des Satzes.

Ahnen: Ich kann nicht erkennen, wo hier die Verständlichkeit beeinträchtigt worden ist.

SPIEGEL: Das machen die Nachrichtenagenturen doch nicht aus Jux.

Ahnen: In Ihrer Fragestellung tun Sie so, als würden die Dinge nicht im Kontext gesehen. Gerade wenn man liest, erschließt sich das Verstehen im Zusammenhang.

SPIEGEL: „Die sogenannten Reformer werden von manchen nur so genannt“ - nach den neuen Regeln der Getrennt- und Zusammenschreibung ist es gleich, wie man „so genannt“ schreibt, obwohl die Bedeutungen unterschiedlich sind. Beide Varianten sind zugelassen. Warum verzichtet die Reform auf die Feinheiten der Sprache?

Ahnen: Sie verzichtet nicht darauf. Noch einmal: Die Wörter stehen doch nicht allein da. Die Unterschiede sind auch hier durch den Kontext erkennbar. Und das erwarten wir von den Schülern. Wir wollen ihre Fähigkeit stärken, Texte zu verstehen.

SPIEGEL: Aber der Kontext klärt nicht alles: Sind Sie eine wohlbekannte Ministerin oder eine wohl bekannte Ministerin?

Ahnen: Ich sehe nicht, dass durch die Veränderungen, die vorgenommen wurden, die Lesbarkeit von Texten beeinträchtigt wird. Auch nicht, dass das Zulassen von Varianten die Verständlichkeit einschränkt.

SPIEGEL: Jedenfalls herrscht eine heillose Schreibverwirrung. Seit die Reform vor acht Jahren beschlossen wurde, hat eine Kommission das Regelwerk viermal nachgebessert, die Zahl der Ausnahmen vergrößert, Einzelteile auf den alten Stand zurückgefahren und dabei Inkonsequenzen in Kauf genommen. „Halbtrocken“ wird zusammengeschrieben, „halb tot“ aber auseinander.

Ahnen: Dann nenne ich Ihnen ein anderes Beispiel. Ein Kind lernt das Wort „Platz“. Mit der neuen Rechtschreibung kann es das Verb logisch ableiten, nämlich „platzieren“. Nach der alten Rechtschreibung hätte es „plazieren“ schreiben müssen. Zur „heillosen Schreibverwirrung“: Man kann wirklich alles umdrehen! Die Reform hat auf Kritik reagiert und sie aufgenommen, und im Nachhinein wird eine Verwirrung beklagt. Wir haben uns immer um einen Prozess der Akzeptanz bemüht. Akzeptanz heißt aber auch, dass man die Dinge nicht lupenrein umsetzen kann. Man muss Kompromisse schließen. Das hat aber nicht zur Verwirrung beigetragen. Was die Betroffenen verwirrt und verunsichert hat, war die öffentliche Debatte, als einige gesagt haben, wir machen da nicht mit.

SPIEGEL: Wenn Ihnen alle gefolgt wären und die Rechtschreibregeln wie ein neues Steuergesetz akzeptiert hätten, wäre alles in Butter gewesen?

Ahnen: Ich würde die Entwicklung der deutschen Rechtschreibung niemals mit einer Steuerreform vergleichen. Ich lege großen Wert darauf, dass es sich bei der Rechtschreibung immer um Entwicklungsprozesse handelt, deren Ausgang immer auch ein Stück offen ist. Deswegen hat es Übergangsfristen gegeben und einen kontinuierlichen Prozess der Umstellung in den Schulen. Wir haben darum geworben und darauf gehofft, dass sich möglichst viele Privatpersonen anschließen, weil wir das insbesondere mit Blick auf Eltern und Kinder gut finden.

SPIEGEL: Diese Hoffnung hat ja getrogen. Nach einer jüngsten Umfrage von Allensbach wollen sich 68 Prozent der Deutschen nicht auf die neue Rechtschreibung umstellen. Nur 19 Prozent haben es getan.

Ahnen: Ich bin etwas skeptisch gegenüber solchen Umfragen. Im April sollen es noch 30 Prozent gewesen sein, die die neue Rechtschreibung angenommen haben. Sie wollen mir doch wohl nicht erzählen, dass die 11 Prozent wieder zurückumgestellt haben!

SPIEGEL: Jedenfalls will eine Mehrheit nicht mitmachen.

Ahnen: Auch das braucht Zeit, und ich nenne Ihnen eine andere Umfrage: 70 Prozent der Unternehmen haben die Rechtschreibreform bereits umgesetzt und wollen dabei bleiben.

SPIEGEL: Die Unternehmen haben dazu das Signal von der Politik bekommen. Außerdem stehen sie in bürokratischen Zwängen, die sie berücksichtigen müssen.

Ahnen: Die Schulen sagen uns eindeutig: Wir wollen nicht zurück. Die Umsetzung der Reform ist in den Schulen weitestgehend unproblematisch gelaufen. Das haben die Rückmeldungen ergeben. Man kann nicht so tun, als wären zwölf Millionen Schüler seit 1998 eine vernachlässigbare Größe.

SPIEGEL: Hat es jemals eine Überprüfung des angeblichen Erfolgs gegeben?

Ahnen: Viele Schulen und Lehrer haben sich gemeldet. Erst kürzlich hatte ich einen intensiven Austausch mit Vertretern der Schüler- und Lehrerschaft, die ein eindeutiges Votum abgegeben haben: nämlich bei der Rechtschreibreform zu bleiben. Die Schule ist ein sehr sensibles System. Wenn ich heute etwas verändere, bekomme ich morgen eine Reaktion, meist eine sehr kritische. Zum Thema Rechtschreibreform hielt sich die Kritik sehr in Grenzen.

SPIEGEL: Dennoch ist die Reform alles andere als allgemein akzeptiert. Die Bevölkerung ist mehrheitlich dagegen, viele Verlage sind es, renommierte Sprachwissenschaftler und zahlreiche Schriftsteller wie die Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass und Elfriede Jelinek. Von einer Randgruppe kann nicht die Rede sein.

Ahnen: Eltern und Schüler sind auch keine Randgruppe.

SPIEGEL: Die Reform ist offensichtlich nur für Kinder gedacht und nicht für Schreibende und Leser.

Ahnen: Auch die Kinder sind Schreiber und Leser. Mit der Reform wollten wir zwei Dinge erreichen: einerseits den Sprachreichtum bewahren und andererseits den Kindern angesichts der vielen Ausnahmeregelungen und Sondertatbestände der alten Rechtschreibung entgegenkommen. Das ist ein legitimer Anspruch. Dass Schriftsteller ein ganz besonderes Verhältnis zu Sprache haben, fasziniert uns doch alle. Diese Perfektion im Umgang mit der Sprache werden aber die allermeisten von uns nicht erreichen. In der alten Rechtschreibung hat es zu viele Einzelregelungen gegeben. Immer weniger Menschen konnten in die Lage versetzt werden, sie sicher zu handhaben. Ihnen zu helfen, ohne der Schriftsprache Substanz zu nehmen, war das Ziel.

SPIEGEL: Aber es geht jetzt an die Substanz.

Ahnen: Aus meiner Sicht nicht.

SPIEGEL: Die Schriftsteller sehen das ganz anders.

Ahnen: Es gibt Schriftsteller, die sich vor der Reform das Recht genommen haben, nach eigenen Regeln zu schreiben, und das tun sie nach der Reform auch. Das kritisiert niemand von uns.

SPIEGEL: Früher haben sich die Schriftsteller sehr wohl der Rechtschreibung, wie sie der Duden formuliert hat, angeschlossen. Weil der Duden nicht in die Sprache eingegriffen, sondern die Entwicklung der Sprache nachgezeichnet hat. Jetzt hat die Politik aber massiv eingegriffen.

Ahnen: Der Duden hat auch Neuerungen festgelegt.

SPIEGEL: Diese Neuerungen stammten aus empirischen Beobachtungen. Die Dudenredaktion hat sie sich nicht ausgedacht. Aus freien Stücken hätte sie niemals „schnäuzen“ mit „äu“ geschrieben.

Ahnen: Die Reform hat viele Veränderungen in der Schreibentwicklung aufgenommen. Das ist auch das einzig vernünftige Verfahren für die Zukunft. Genau das ist die Aufgabe des neuen „Rats für deutsche Rechtschreibung“: beobachten, wie sich die Schriftsprache entwickelt, daraus Konsequenzen ziehen und Veränderungen ins Regelwerk einarbeiten. Was bisher geleistet wurde, war eine einmalige systematische Veränderung, die nach einer jahrzehntelangen Diskussion zu einem Ergebnis geführt hat. Und jetzt ist der Rat am Zuge.

SPIEGEL: 36 Mitglieder soll dieser Rat haben, jeweils 9 aus Österreich und der Schweiz, 18 aus Deutschland. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat sich immer damit gerühmt, wie plural der Rat besetzt sei. Aber unter den deutschen Sitzen sollten nur vier mit Reformgegnern besetzt sein, die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, das PEN-Zentrum (je ein Sitz) und die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (zwei Sitze). Die beiden letzten haben dem Rat jetzt sogar eine Absage erteilt. Von Pluralität kann nicht die Rede sein. Darum sieht es so aus, als sollte der Rat das Bestehende lediglich bestätigen: eine Alibi-Veranstaltung.

Ahnen: Ich kann in diesem Rat keine eindeutigen Mehrheitsverhältnisse erkennen. Das Bild ist sehr differenziert. Es gibt jene, die die Reform befürworten, jene, die eine ambivalente Position haben, und jene, die die Reform kritisieren.

SPIEGEL: Aber die wollen ja nicht mitmachen, weil sie von der Reform grundsätzlich nichts halten oder dem Rat in seiner jetzigen Form nicht trauen.

Ahnen: Erstens ist für Pluralität schon dadurch gesorgt, dass Wissenschaftler, Sprachpraktiker, also Publizisten, Schriftsteller und Lehrer, vertreten sind. Zweitens gehe ich davon aus, dass, wer im Rat sitzt, weder so noch so eine lupenreine Position vertreten kann. Denn der Rat hat den Auftrag, Gemeinsamkeiten zu finden. Deswegen müssen sich die Leute bewegen. Darum bedaure ich die Absage der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung massiv und habe dem Präsidenten der Akademie, Klaus Reichert, sofort ein Gesprächsangebot unterbreitet.

SPIEGEL: Aber Reichert will nur mit Ihnen reden, wenn ein Gespräch auf der Grundlage seiner Kritik am Rat möglich ist.

Ahnen: Ich halte es nach wie vor für sinnvoll, dass wir persönlich ins Gespräch kommen, möchte aber darauf hinweisen, dass es unüblich ist, für solche Gespräche Vorbedingungen zu stellen.

SPIEGEL: In einem Brief ermahnt Kulturstaatsministerin Christina Weiss die KMK, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Resultate des Rats stünden im Voraus fest. Außerdem dürfe der Rat nicht auf so wichtige Institutionen wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, das PEN-Zentrum und die Akademie der Künste, die gar nicht auf der Gästeliste steht, verzichten.

Ahnen: Wir werden um die Kritiker werben. Wir können den Rat aber nicht weiter vergrößern. Jeden Tag bieten uns andere Institutionen ihre Mitarbeit an. Es war eine schwierige Aufgabe, eine Auswahl zu treffen. Wir können aber auch den Rat nicht auf nur sechs Sitze verkleinern, wie es die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung vorschlägt. Es wäre ein großer Fehler, ein Gremium einzusetzen, in dem beispielsweise die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger keinen Platz hätten. Wir müssen ein plurales Spektrum einbinden.

SPIEGEL: Aber wie soll ein so großes Gremium auf die Schnelle zusammenkommen und arbeiten können? Bis zur verbindlichen Einführung der Reform am 1. August 2005 ist nur wenig Zeit.

Ahnen: Der Rat ist doch so frei, sich selbst Strukturen zu schaffen, um effizient zu arbeiten. Man kann zum Beispiel kleine Arbeitsgruppen bilden, die sich mit verschiedenen Aspekten der Reform beschäftigen.

SPIEGEL: Aber über die gesamte Reform darf der Rat gar nicht diskutieren. Die umstrittene Groß- und Kleinschreibung ist tabu.

Ahnen: Der Rat hat ganz allgemein die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung zu bewahren, die Rechtschreibung auf der Grundlage des neuen Regelwerks weiterzuentwickeln. Zusätzlich sind im Hinblick auf den relativ engen Zeitraum bis August 2005 von der Ministerpräsidentenkonferenz und der KMK einige Bereiche benannt worden, die vorrangig diskutiert werden sollen.

SPIEGEL: Und wenn die von Ihnen umworbenen Kritiker am Ende wirklich nicht mitmachen?

Ahnen: Wir brauchen den Rat. Er ist vernünftig konstruiert. Es geht doch darum, dass sich die Rechtschreibung auch in Zukunft weiterentwickeln kann. Es gibt keine Zielvorgabe. Das heißt, es können sich Dinge durchsetzen oder auch nicht. Wir wollen jetzt in einen politikfernen Prozess der kontinuierlichen Sprachentwicklung übergehen.

SPIEGEL: Hätte man diesen Rat nicht schon viel früher einsetzen müssen?

Ahnen: Erstens, es gab einen Beirat, der das Reformgremium beraten hat ...

SPIEGEL: Der Beirat ist von diesem Reformgremium nie ernst genommen worden.

Ahnen: In diesem Zusammenhang muss sich auch der Beirat selbstkritisch fragen, ob er seine Aufgabe mit der nötigen Intensität wahrgenommen hat. Zweitens fühlen sich Institutionen nur ernst genommen, wenn sie nicht nur angehört werden, sondern entscheiden können. Das kann der Rat jetzt. Das ist eine Konsequenz aus der Erfahrung mit dem Beirat.

SPIEGEL: Einer der Reformpolitiker, der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair, hat schon vor Jahren gesagt, die Öffentlichkeit sei über die Rechtschreibreform so gut wie nicht informiert. Der Reformprozess war nicht demokratisch.

Ahnen: Es hat immer wieder öffentliche Anhörungen und Berichterstattungen gegeben. Nichtsdestotrotz will ich einräumen: Als klar wurde, dass die Reform umgesetzt werden würde, hätte man eine offensivere Öffentlichkeitsarbeit betreiben müssen.

SPIEGEL: Frau Ahnen, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Gespräch führten die Redakteure Johannes Saltzwedel und Christoph Schmitz.

DER SPIEGEL Nr. 48 vom 22. November 2004
www.spiegel.de/spiegel/0,1518,328822,00.html
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
soso



Registriert seit: 06.11.2004
Beiträge: 16

Beitrag: Sonntag, 21. Nov. 2004 18:24    Titel: Frau Ahnen merkt nix,,, auch von ihrer Art Kindsraub nix Antworten mit Zitat

Einer solchen Kodderschnauze wie Frau Doris Ahnen
muß endlich einmal bewußt gemacht werden, um wieviel böser
Ihre Art des (virtuellen?) massenhaften Kindsraubes ist,

verglichen mit anderen Kindsraub-Verfahren,
zum Beispiel mit dem Kindsraub des Rattenfängers von Hameln,

oder verglichen mit den Kindsräubereien, wenn Klassenzimmer
als Rekrutierstuben mißbraucht werden,

und verglichen mit den Volksverhetzereien wider 130 StGB,
wenn Klassenzimmer mißbraucht werden, Keile zwischen Jung und Alt zu treiben.

Hätte dieses armselige halbentmenschte Wesen, die Frau Ahnen,
selber Kinder, dann würde sie solche Untaten nicht gutheißen!
soso

.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden
Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Montag, 22. Nov. 2004 20:32    Titel: Kommentar Theodor Icklers zum Interview mit Doris Ahnen Antworten mit Zitat

Kommentar Theodor Icklers zum Interview mit Doris Ahnen
____________________________________________________

Ahnen


Die SPIEGEL-Redakteure haben ihre Sache gut gemacht. Der Text wurde ja, wie üblich, Frau Ahnen bzw. ihren Aufsehern vor der Veröffentlichung vorgelegt, und da konnte man sie schlecht noch krasser vorführen. Herr margel spielt darauf an, daß der SPIEGEL eigentlich mich als Gesprächspartner vorgesehen hatte, nach Ablehnung durch Frau Ahnen dann Herrn Munske, aber auch den wollte sie nach noch längerer Bedenkzeit nicht akzeptieren und überhaupt keinen Sprachwissenschaftler.
Ich habe das Gespräch ein bißchen durchkommentiert; hier ist es also noch einmal:

SPIEGEL-GESPRÄCH: „Wir werben um die Kritiker“
(Spiegel Nr. 48, 22.11.04)

Doris Ahnen, 40, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, über den Widerstand in der Bevölkerung gegen die reformierte Rechtschreibung, über die Fehler des Regelwerks und die Hoffnung, den orthografischen Frieden wiederherzustellen

SPIEGEL: Frau Ahnen, ein Vierteljahrhundert lang haben Experten an der Rechtschreibreform getüftelt. Von vielen Sprachwissenschaftlern und Schriftstellern wird das Ergebnis nach wie vor heftig kritisiert. Schüler lernen eine andere Rechtschreibung, als sie von vielen Literatur-, Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen angewendet wird.

Ahnen: Ich wehre mich gegen den permanent vermittelten Eindruck, da hätten ein paar Politiker oder Beamte am grünen Tisch gesessen und entschieden, wie geschrieben werden soll. Mit der Reform waren vor allem Sprachwissenschaftler befasst, was auch richtig gewesen ist.

Ickler-Kommentar: Die Reform von 1996 hat kaum etwas mit den vorbereitenden Arbeiten der Sprachwissenschaftler zu tun. Die ursprünglichen Pläne sahen vor: 1. Kleinschreibung der Substantive (dies war das alles überragende Hauptziel); 2. Tilgung der Dehnungszeichen (das jar, das bot); 3. weitgehende Fremdworteindeutschung (teater, filosofie); 4. Einheitsschreibung das auch für die Konjunktion. Als 1993 alle diese Pläne gescheitert waren, beschlossen die Reformer Hals über Kopf etwas ganz anderes, um nicht mit leeren Händen dazustehen. Die Reform war auch von Anfang kein sprachwissenschaftlich begründetes Unternehmen, sondern ein Produkt der kulturrevolutionären Pädagogik und Deutschdidaktik der siebziger Jahre; das aufschlußreichste Dokument bleibt weiterhin „vernünftiger schreiben“, die Dokumentation zum Frankfurter GEW-Kongreß von 1973.

SPIEGEL: Aber die frühere Einheitlichkeit der Schriftsprache ist durch die Reform ohne Grund zerstört worden.

Ahnen: Sie ist nicht ohne Grund zerstört worden.

SPIEGEL: Aber dass sie zerstört worden ist, geben Sie zu?

Ahnen: Nein, das gebe ich nicht zu. Den Ansatzpunkt der Reform hat Konrad Duden doch schon vor über hundert Jahren formuliert: Wir haben zwar die Rechtschreibung vereinheitlicht, aber noch nicht vereinfacht. Die Frage für unsere Reform war also: Wie kann man die Orthografie so gestalten, dass sie besser erlernbar ist? Ich bekomme immer wieder um die Ohren gehauen, dies zum Maßstab zu machen. Aber das ist ein legitimer Maßstab. Denn wenn wir als Kultusminister für die Schule zuständig sind, haben wir uns auch darum zu kümmern. Ich finde, die Reform hat Vereinfachungen gebracht.

Ickler-Kommentar: Das kann man nur „finden“, wenn man die Augen vor den Tatsachen verschließt. Aber schon die Subjektivität und Unbestimmtheit einer solchen Äußerung, wo angesichts der ungeheuren Bedeutung der Sache etwas mehr gefordert wäre, macht jede weitere Diskussion unmöglich. Wen interessiert, was Frau Ahnen „findet“? Wo bleiben die notwendigen Untersuchungen, die sonst jede Maßnahme dieses Umfangs begleiten?


SPIEGEL: Der Leipziger Pädagogikprofessor Harald Marx hat 1200 Diktate in alter und neuer Rechtschreibung verglichen und festgestellt, dass heute wesentlich mehr Fehler gemacht werden.

Ahnen: Es gibt meines Wissens in Österreich eine Studie, die genau das Gegenteil belegt.

Ickler-Kommentar: Diese „Studie“ hat Professor Jörg Baumberger in der Neuen Zürcher Zeitung vom 28.9.2004 in ihrer ganzen Lächerlichkeit entlarvt: „'13 Prozent weniger Fehler dank der Reform' - Wenn Bildungsforschung politische Karriere macht“. Hier ein Auszug:
„Während eine stattliche Zahl reiner Meinungsbefragungen besteht, scheint nur eine quantitative empirische Studie zu existieren: Sie wurde 1996/97 am Wiener Gymnasium Sacré Cœur mit 27 Schülerinnen im Alter von 15 bis 16 Jahren durchgeführt. Alle 27 Mädchen gehörten zur gleichen Klasse desselben Jahrgangs derselben Lehrerin. Die Lehrerin ist gleichzeitig die Autorin der Studie. Alle Mädchen genossen in der Zeit, in der sie von der Lehrerin gemeinsam unterrichtet wurden, denselben Unterricht. Die Schule hatte die Umstellung schon ab Schuljahr 1995/96 verfügt. Um ein unverzerrtes Bild der Untersuchung zu vermitteln, gibt man am besten der Autorin selbst das Wort:
«Ich habe zwei Schularbeiten - in schweizerischem Jargon wohl: frei formulierte Aufsätze, d. Verf. - (beide zweistündig) als Textkorpus verwendet und Fehler- und Neuschreibungen jeder Schülerin gelistet. Dann habe ich die Mädchen befragt, welche Norm sie in welchem Ausmass beim Schreiben bewusst verwenden. 10 Schülerinnen erklärten, alt zu schreiben, 5 neu und der Rest (12) gab verschiedene Mischformen an (. . .). Diese Aussagen habe ich mit dem individuellen Schreibverhalten in den beiden Schularbeitentexten verglichen und so festgestellt, welche Neuschreibungen bewusst gesetzt und welche passiert sind. (Wo ich Zweifel hatte, habe ich nachgefragt.) (. . .) Ich habe die Mädchen in Alt- und Neuschreiberinnen eingeteilt. Die beiden Schülerinnen, die nur die Beistriche neu schreiben, habe ich zu den alten Schreiberinnen gerechnet. (. . .)»
Zunächst fällt in dieser Studie auf, dass es keine echte Altorthographiegruppe gibt. Alle 27 Sacré-Cœur-Mädchen hatten in der letzten Zeit vor dem Test dieselbe - neue - Orthographie als die zumindest künftig korrekte Orthographie kennen gelernt. Interessant ist auch die Wahl des Testtextes: Der Schulaufsatz ist ein Format, wo jeder Schüler seine Wörter und Sätze und damit auch den Anspruchsgrad seines Vokabulars selbst wählt. Erstaunlich sind auch Zahl und Auswahl der Probandinnen. Man muss nicht achtzig Millionen Deutschsprechende testen, aber ein Pool mit 12 Alt- und 15 Neuschreiberinnen, welche zudem erst ex post ihren Gruppen zugeteilt werden, wirft sehr wohl methodologische Fragen auf.“


SPIEGEL: Die Zeitschrift „Praxis Deutsch“ veröffentlichte 1985 eine Untersuchung von 2000 Schulaufsätzen. Die 50 häufigsten Fehler waren solche, die von der Reform gar nicht betroffen sind.

Ahnen: Wir haben die Reform nicht nach dem Motto gemacht: „Wo entstehen die meisten Fehler?“ Es ging um die Frage, wie kann man Dinge leichter erklärbar machen, wie kann man sie logischer gestalten, wie kann man die Anzahl der Regeln reduzieren. Es sind hundert weniger als früher.

Ickler-Kommentar: Hier irrt Frau Ahnen: Die Rechtschreibreform ist ursprünglich sehr wohl zur Beseitigung der häufigsten Fehler gedacht gewesen. So kam man auch darauf, neben der Kleinschreibung die Einheitsschreibung das (auch für die Konjunktion) vorzuschlagen, denn diese Fehlschreibung ist in der Schule bei weitem der häufigste Einzelfehler. Die „gemäßigte Kleinschreibung“ ist zweihundert Jahre lang als „Crux der Deutschlehrer“ apostrophiert worden, weil sie die häufigste allgemeine Fehlerquelle ist.

Das Täuschungsmanöver mit der angeblich reduzierten Zahl der Regeln ist schon vor Jahren aufgedeckt worden. Das neue Regelwerk ist in Wirklichkeit umfangreicher als das bisherige. In einem internen Papier der Dudenredaktion von 1996 heißt es:
„Neuregelung: Das amtliche Regelwerk ist in 112 Hauptregeln gegliedert.
Umsetzung: Die Dudenrichtlinien werden auch künftig Hinweise enthalten, die über den rein orthographischen Bereich hinausgehen. Durch Neustrukturierung und vor allem durch Zusammenfassung einzelner Regeln und Regelbereiche wird die Zahl der Richtlinien von 212 auf 136 gesenkt.
Begründung: Die inhaltlich falsche, aber politisch wirksame Formel ,aus 212 mach 112‘ muß auch im Duden ihren angemessenen Ausdruck finden.“
Die Dudenredaktion bekannte sich also zur Mitwirkung an einem Täuschungsmanöver. (Erst mit der zweiten Auflage im Jahre 2000 wird die Camouflage aufgegeben; s. u.) Auch der Vorsitzende der KMK, Rolf Wernstedt, behauptete noch im Herbst 1997, die 212 Dudenregeln seien auf 112 reduziert worden. Diese unwahre Behauptung war seither unzählige Male zu hören.
Zunächst ist schon die Zahl 212 falsch. Von den 212 Richtlinien des Duden beziehen sich 26 gar nicht auf orthographische Fragen, 6 sind Doppelanführungen (wegen der alphabetischen Anordnung), und weitere 9 werden ausdrücklich als bloße Zusammenfassung der Kommaregeln dargestellt. Es gibt also nur 171 numerierte orthographische Richtlinien und nicht 212.
Im übrigen betrifft diese Zahl ebenso wie die Zahl 112 für das neue Regelwerk nur die Numerierung und nicht die wirkliche Anzahl der Regeln, die im Falle der Neuregelung weit über 1000 liegt (nach einer Untersuchung von Werner H. Veith).
Ebenso unsinnig ist die Behauptung, 52 Kommaregeln seien auf 9 reduziert worden. In Wirklichkeit haben die neuen Kommaregeln den gleichen Umfang wie die alten (rund 10 DIN-A4-Seiten), nur die Numerierung hat sich geändert.


SPIEGEL: Der neue Duden braucht aber nicht viel weniger Paragrafen als früher, um diese Regeln zu erklären. Im Übrigen muss man sich mit der neuen Rechtschreibung auch auf ein neues Lesen umstellen – und das ist schwieriger geworden.

Ahnen: Das Lesen ist nicht schwieriger geworden. Denn von der Reform sind nur zwei Prozent der Wörter betroffen. Und bei 95 Prozent dieser Wörter geht es um die neue Doppel-s-Schreibung. Deswegen hat niemand Probleme, einen Text zu verstehen.

Ickler-Kommentar: Man kann auch verstümmelte und orthographisch verwahrloste Texte verstehen. Darum geht es nicht, sondern um eine in Jahrhunderten gereifte, einer Kultursprache angemessene Orthographie, die es dem Leser leicht macht, auch differenzierte Ausdrucksweisen nachzuvollziehen. Es gibt unzählige Belege für Leseerschwernis durch die Neuregelung. Im übrigen: Wie soll es nennenswerte Erleichterungen geben, wenn sich so wenig ändert, wie Frau Ahnen behauptet? (Die Neuregelung ändert rund 8 Prozent des Wortschatzes – ohne Silbentrenung!)


SPIEGEL: Die neuen Kommaregeln erschweren das Verständnis. Die Nachrichtenagenturen sind deshalb zu den alten Kommaregeln zurückgekehrt.

Ahnen: Gerade bei den Kommata ist die Regelung freier geworden.

SPIEGEL: Aber auf Kosten der Verständlichkeit des Satzes.

Ahnen: Ich kann nicht erkennen, wo hier die Verständlichkeit beeinträchtigt worden ist.

Ickler-Kommentar: Besonders in Schul- und Kinderbüchern werden Kommata nun nach dem Zufallsprinzip gesetzt und weggelassen. Das hat der Klett-Schulbuchverlag ausdrücklich bestätigt. Noch in den jüngsten Jahrgangsstufentests werden unter genau gleichen Bedingungen die Kommata mal gesetzt, mal weggelassen:
Die Indianerstämme in Amerika feierten früher ein prächtiges Fest um den Regen anzulocken. (...) Feierlich bliesen Priester aus Tonpfeifen Rauch in alle Himmelsrichtungen, um Regenwolken herbeizulocken.(...) Man muss kein Detektiv oder Spion sein um ihn zu entschlüsseln. (8. Klasse Gymnasium in Bayern)
Das ist äußerst verwirrend und pädagogisch ungeschickt, weil es den Eindruck völliger Beliebigkeit erzeugen muß. Die Reformer selbst lassen die Kommata nie weg, die jetzt weggelassen werden dürfen.
Es gibt unzählige Texte der folgenden Art, die durch das Weglassen der Kommas schwerverständlich werden: Um weitere Bruderkriege unter den Stämmen zu vermeiden griffen Abu Bakr und sein Nachfolger Umar auf den Plan Mohammeds zurück den islamischen Staat nach Norden zu erweitern. (Geschichtsbuch 1, Cornelsen)


SPIEGEL: Das machen die Nachrichtenagenturen doch nicht aus Jux.

Ahnen: In Ihrer Fragestellung tun Sie so, als würden die Dinge nicht im Kontext gesehen. Gerade wenn man liest, erschließt sich das Verstehen im Zusammenhang.

SPIEGEL: „Die sogenannten Reformer werden von manchen nur so genannt“ – nach den neuen Regeln der Getrennt- und Zusammenschreibung ist es gleich, wie man „so genannt“ schreibt, obwohl die Bedeutungen unterschiedlich sind. Beide Varianten sind zugelassen. Warum verzichtet die Reform auf die Feinheiten der Sprache?

Ahnen: Sie verzichtet nicht darauf. Noch einmal: Die Wörter stehen doch nicht allein da. Die Unterschiede sind auch hier durch den Kontext erkennbar. Und das erwarten wir von den Schülern. Wir wollen ihre Fähigkeit stärken, Texte zu verstehen.

SPIEGEL: Aber der Kontext klärt nicht alles: Sind Sie eine wohlbekannte Ministerin oder eine wohl bekannte Ministerin?

Ahnen: Ich sehe nicht, dass durch die Veränderungen, die vorgenommen wurden, die Lesbarkeit von Texten beeinträchtigt wird. Auch nicht, dass das Zulassen von Varianten die Verständlichkeit einschränkt.

Ickler-Kommentar: Der führende Reformer Dieter Nerius hat – ebenso wie seine Mitreformer – immer wieder hervorgehoben, daß das Wesen einer orthographischen Regelung selbstverständlich in der Einschränkung und Beseitigung von Varianten besteht. Auch die ständig wiederholte Berufung auf den Kontext, der angeblich alles klärt, steht im Gegensatz zu allen Bemühungen der Orthographen und stimmt keineswegs mit den Absichten der Reformer überein. Ein sehr routinierter Leser kann auch Texte lesen, in denen zum Beispiel alle Vokale fehlen, während gerade der junge Leser alle Erleichterungen dringend braucht, die sich in der Schriftgeschichte herausgebildet haben.

Der deutsche „Beirat“ schrieb: „Variantenschreibungen setzen den Schreiber unter Entscheidungszwang und tragen in Ermangelung einer konsistenten Variantenführung häufig zur Verunsicherung bei. Deshalb sollen auch im zweiten Teil des Berichts die Vorschläge nicht berücksichtigt werden, die zu wesentlich mehr Varianten führen.“ (Dritter Bericht ... S. 129) Nur aus Verlegenheit werden immer weitere Varianten eingeführt. Vor der Reform hat man dasselbe als „Zonen der Unsicherheit“ angeprangert, was man jetzt als neueste Errungenschaft anpreist.


SPIEGEL: Jedenfalls herrscht eine heillose Schreibverwirrung. Seit die Reform vor acht Jahren beschlossen wurde, hat eine Kommission das Regelwerk viermal nachgebessert, die Zahl der Ausnahmen vergrößert, Einzelteile auf den alten Stand zurückgefahren und dabei Inkonsequenzen in Kauf genommen. „Halbtrocken“ wird zusammengeschrieben, „halb tot“ aber auseinander.

Ahnen: Dann nenne ich Ihnen ein anderes Beispiel. Ein Kind lernt das Wort „Platz“. Mit der neuen Rechtschreibung kann es das Verb logisch ableiten, nämlich „platzieren“. Nach der alten Rechtschreibung hätte es „plazieren“ schreiben müssen. Zur „heillosen Schreibverwirrung“: Man kann wirklich alles umdrehen! Die Reform hat auf Kritik reagiert und sie aufgenommen, und im Nachhinein wird eine Verwirrung beklagt. Wir haben uns immer um einen Prozess der Akzeptanz bemüht. Akzeptanz heißt aber auch, dass man die Dinge nicht lupenrein umsetzen kann. Man muss Kompromisse schließen. Das hat aber nicht zur Verwirrung beigetragen. Was die Betroffenen verwirrt und verunsichert hat, war die öffentliche Debatte, als einige gesagt haben, wir machen da nicht mit.

Ickler-Kommentar: Das Wort plazieren ist nicht von Platz abgeleitet. Manche Kinder mögen auf solche Gedanken kommen (falls sie das Wort überhaupt gebrauchen, was eher ja unwahrscheinlich ist), aber was macht man mit den Erwachsenen und mit jenen Schülern, die es besser wissen und sprachrichtig plazieren (und keineswegs deplatziert!) schreiben wollen? Sie bekommen einen Fehler angerechnet, denn die von Gerhard Augst erfundene Neuschreibung ist die einzig zugelassene! (Übrigens werden bis auf seltene Ausnahmen [grundieren] von deutschen Grundwörtern keine Verben auf -ieren abgeleitet.)
Die Kommission hat bisher nur die allerunhaltbarsten Fehler korrigiert bzw. durch die richtigen Schreibweisen als „Varianten“ ergänzt, aber es bleibt noch genug des Unsinnigen und grammatisch Falschen, das den „Sprachwissenschaftlern“ ein schlechtes Zeugnis ausstellt.


SPIEGEL: Wenn Ihnen alle gefolgt wären und die Rechtschreibregeln wie ein neues Steuergesetz akzeptiert hätten, wäre alles in Butter gewesen?

Ahnen: Ich würde die Entwicklung der deutschen Rechtschreibung niemals mit einer Steuerreform vergleichen. Ich lege großen Wert darauf, dass es sich bei der Rechtschreibung immer um Entwicklungsprozesse handelt, deren Ausgang immer auch ein Stück offen ist. Deswegen hat es Übergangsfristen gegeben und einen kontinuierlichen Prozess der Umstellung in den Schulen. Wir haben darum geworben und darauf gehofft, dass sich möglichst viele Privatpersonen anschließen, weil wir das insbesondere mit Blick auf Eltern und Kinder gut finden.

Ickler-Kommentar: Wenn man wirklich den „Entwicklungsprozessen“ ihren Lauf lassen will, kann man sie nicht durch einen so unerhörten staatlichen Eingriff unterbrechen. Übergangsfristen haben damit nichts zu tun. Auch die Ökosteuern werden schrittweise umgesetzt, aber dadurch werden sie nicht zu einem „Entwicklungsprozeß“, der mit der unbeeinflußten Sprachentwicklung vergleichbar wäre. Das Beispiellose der Rechtschreibreform wird von Frau Ahnen nicht thematisiert.


SPIEGEL: Diese Hoffnung hat ja getrogen. Nach einer jüngsten Umfrage von Allensbach wollen sich 68 Prozent der Deutschen nicht auf die neue Rechtschreibung umstellen. Nur 19 Prozent haben es getan.

Ahnen: Ich bin etwas skeptisch gegenüber solchen Umfragen. Im April sollen es noch 30 Prozent gewesen sein, die die neue Rechtschreibung angenommen haben. Sie wollen mir doch wohl nicht erzählen, dass die 11 Prozent wieder zurückumgestellt haben!

SPIEGEL: Jedenfalls will eine Mehrheit nicht mitmachen.

Ahnen: Auch das braucht Zeit, und ich nenne Ihnen eine andere Umfrage: 70 Prozent der Unternehmen haben die Rechtschreibreform bereits umgesetzt und wollen dabei bleiben.

SPIEGEL: Die Unternehmen haben dazu das Signal von der Politik bekommen. Außerdem stehen sie in bürokratischen Zwängen, die sie berücksichtigen müssen.

Ahnen: Die Schulen sagen uns eindeutig: Wir wollen nicht zurück. Die Umsetzung der Reform ist in den Schulen weitestgehend unproblematisch gelaufen. Das haben die Rückmeldungen ergeben. Man kann nicht so tun, als wären zwölf Millionen Schüler seit 1998 eine vernachlässigbare Größe.

SPIEGEL: Hat es jemals eine Überprüfung des angeblichen Erfolgs gegeben?

Ahnen: Viele Schulen und Lehrer haben sich gemeldet. Erst kürzlich hatte ich einen intensiven Austausch mit Vertretern der Schüler- und Lehrerschaft, die ein eindeutiges Votum abgegeben haben: nämlich bei der Rechtschreibreform zu bleiben. Die Schule ist ein sehr sensibles System. Wenn ich heute etwas verändere, bekomme ich morgen eine Reaktion, meist eine sehr kritische. Zum Thema Rechtschreibreform hielt sich die Kritik sehr in Grenzen.

Ickler-Kommentar: Ich selbst habe in Gesprächen mit zahlreichen Lehrern ganz andere Auskünfte bekommen. Es gibt eben keine seriöse wissenschaftliche Begleituntersuchung zum Erfolg der Reform an den Schulen. Frau Ahnen redet um diese allgemein bekannte Tatsache herum.
Die soeben bekannt werdende zweite Pisa-Studie läßt auch nichts von den versprochenen wohltätigen Folgen der Rechtschreibreform erkennen.
Die „zwölf Millionen Schüler“ haben nur einen kleinen Ausschnitt aus der Neuregelung kennengelernt und praktizieren ihn mit mehr oder weniger Erfolg – hauptsächlich die Heysesche s-Schreibung, mit der es aber auch nicht besser klappt als früher. Auf allen übrigen Gebieten machen sie dieselben Fehler wie zuvor, und das Weglassen von Kommas, das jetzt „richtig“ sein soll, war schon immer beliebt. (Die neuen obligatorischen Kommas werden nachweislich weder von Schülern noch Lehrern noch Schulbuchredakteuren beherrscht.)


SPIEGEL: Dennoch ist die Reform alles andere als allgemein akzeptiert. Die Bevölkerung ist mehrheitlich dagegen, viele Verlage sind es, renommierte Sprachwissenschaftler und zahlreiche Schriftsteller wie die Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass und Elfriede Jelinek. Von einer Randgruppe kann nicht die Rede sein.

Ahnen: Eltern und Schüler sind auch keine Randgruppe.

SPIEGEL: Die Reform ist offensichtlich nur für Kinder gedacht und nicht für Schreibende und Leser.

Ahnen: Auch die Kinder sind Schreiber und Leser. Mit der Reform wollten wir zwei Dinge erreichen: einerseits den Sprachreichtum bewahren und andererseits den Kindern angesichts der vielen Ausnahmeregelungen und Sondertatbestände der alten Rechtschreibung entgegenkommen. Das ist ein legitimer Anspruch. Dass Schriftsteller ein ganz besonderes Verhältnis zu Sprache haben, fasziniert uns doch alle. Diese Perfektion im Umgang mit der Sprache werden aber die allermeisten von uns nicht erreichen. In der alten Rechtschreibung hat es zu viele Einzelregelungen gegeben. Immer weniger Menschen konnten in die Lage versetzt werden, sie sicher zu handhaben. Ihnen zu helfen, ohne der Schriftsprache Substanz zu nehmen, war das Ziel.

SPIEGEL: Aber es geht jetzt an die Substanz.

Ahnen: Aus meiner Sicht nicht.

Ickler-Kommentar: Frau Ahnen hat offensichtlich keine genauere Kenntnis der orthographischen Tatsachen und Diskussionen; deshalb ist es nicht möglich, auf ihre vagen Äußerungen einzugehen. Sie kommt gar nicht auf den Gedanken, daß die bisherige Rechtschreibung nicht mit der gelegentlich etwas spitzfindigen Darstellung im Duden identisch gewesen sein könnte und keiner Reform, sondern nur einer besseren Darstellung bedurft hätte.


SPIEGEL: Die Schriftsteller sehen das ganz anders.

Ahnen: Es gibt Schriftsteller, die sich vor der Reform das Recht genommen haben, nach eigenen Regeln zu schreiben, und das tun sie nach der Reform auch. Das kritisiert niemand von uns.

SPIEGEL: Früher haben sich die Schriftsteller sehr wohl der Rechtschreibung, wie sie der Duden formuliert hat, angeschlossen. Weil der Duden nicht in die Sprache eingegriffen, sondern die Entwicklung der Sprache nachgezeichnet hat. Jetzt hat die Politik aber massiv eingegriffen.

Ahnen: Der Duden hat auch Neuerungen festgelegt.

Ickler-Kommentar: Welche sollten das gewesen sein?


SPIEGEL: Diese Neuerungen stammten aus empirischen Beobachtungen. Die Dudenredaktion hat sie sich nicht ausgedacht. Aus freien Stücken hätte sie niemals „schnäuzen“ mit „äu“ geschrieben.

Ahnen: Die Reform hat viele Veränderungen in der Schreibentwicklung aufgenommen. Das ist auch das einzig vernünftige Verfahren für die Zukunft. Genau das ist die Aufgabe des neuen „Rats für deutsche Rechtschreibung“: beobachten, wie sich die Schriftsprache entwickelt, daraus Konsequenzen ziehen und Veränderungen ins Regelwerk einarbeiten. Was bisher geleistet wurde, war eine einmalige systematische Veränderung, die nach einer jahrzehntelangen Diskussion zu einem Ergebnis geführt hat. Und jetzt ist der Rat am Zuge.

Ickler-Kommentar: Die Reform hat so gut wie keine Veränderungen in der Schreibentwicklung aufgenommen, außer ein paar Fremdworteindeutschungen und allenfalls der Zusammenschreibung bei umso und sodaß/sodass. Im zentralen Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung hat sie sich sogar ausdrücklich zum Ziel gesetzt, der tatsächlichen Sprachentwicklung „entgegenzuwirken“. Auch die immer weiter getriebene Großschreibung in Floskeln wie im Allgemeinen, bei Weitem usw. führt weit ins 19. Jahrhundert zurück.


SPIEGEL: 36 Mitglieder soll dieser Rat haben, jeweils 9 aus Österreich und der Schweiz, 18 aus Deutschland. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat sich immer damit gerühmt, wie plural der Rat besetzt sei. Aber unter den deutschen Sitzen sollten nur vier mit Reformgegnern besetzt sein, die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, das PEN-Zentrum (je ein Sitz) und die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (zwei Sitze). Die beiden letzten haben dem Rat jetzt sogar eine Absage erteilt. Von Pluralität kann nicht die Rede sein. Darum sieht es so aus, als sollte der Rat das Bestehende lediglich bestätigen: eine Alibi-Veranstaltung.

Ahnen: Ich kann in diesem Rat keine eindeutigen Mehrheitsverhältnisse erkennen. Das Bild ist sehr differenziert. Es gibt jene, die die Reform befürworten, jene, die eine ambivalente Position haben, und jene, die die Reform kritisieren.

Ickler-Kommentar: Der „Rat“ ist weitgehend identisch mit dem bisherigen „Beirat“. Dieser wurde erklärtermaßen auf Vorschlag der Zwischenstaatlichen Kommission selbst besetzt, die er eigentlich kontrollieren sollte: „Die Mitglieder des Beirats wurden von der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung der Kultusministerkonferenz der Länder vorgeschlagen (...)“ (Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren e.V., eine der Mitgliedsorganisationen des Beirats). Daß die wenigen Kritiker jederzeit überstimmt werden können, wird schon durch die Doppelmitgliedschaft des Instituts für deutsche Sprache und die beiden Wörterbuchverlage garantiert, ganz zu schweigen von den Schulbuchverlagen, die sich öffentlich ihrer „massiven Einwirkung“ auf die Kultusminister zugunsten der Reform rühmen. Wieso Frau Ahnen hier keine eindeutigen Mehrheitsverhältnisse erkennen kann, bleibt rätselhaft.


SPIEGEL: Aber die wollen ja nicht mitmachen, weil sie von der Reform grundsätzlich nichts halten oder dem Rat in seiner jetzigen Form nicht trauen.

Ahnen: Erstens ist für Pluralität schon dadurch gesorgt, dass Wissenschaftler, Sprachpraktiker, also Publizisten, Schriftsteller und Lehrer, vertreten sind. Zweitens gehe ich davon aus, dass, wer im Rat sitzt, weder so noch so eine lupenreine Position vertreten kann. Denn der Rat hat den Auftrag, Gemeinsamkeiten zu finden. Deswegen müssen sich die Leute bewegen. Darum bedaure ich die Absage der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung massiv und habe dem Präsidenten der Akademie, Klaus Reichert, sofort ein Gesprächsangebot unterbreitet.

SPIEGEL: Aber Reichert will nur mit Ihnen reden, wenn ein Gespräch auf der Grundlage seiner Kritik am Rat möglich ist.

Ahnen: Ich halte es nach wie vor für sinnvoll, dass wir persönlich ins Gespräch kommen, möchte aber darauf hinweisen, dass es unüblich ist, für solche Gespräche Vorbedingungen zu stellen.

Ickler-Kommentar: Frau Ahnen selbst und die KMK haben Vorbedingungen gestellt: die Reform bleibt, der Terminplan bleibt, und Änderungen sind nur in Details zulässig, die außerdem schon vorab im einzelnen benannt worden sind. Darauf kann sich kein Kritiker der Reform einlassen, ohne sich zu kompromittieren.


SPIEGEL: In einem Brief ermahnt Kulturstaatsministerin Christina Weiss die KMK, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Resultate des Rats stünden im Voraus fest. Außerdem dürfe der Rat nicht auf so wichtige Institutionen wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, das PEN-Zentrum und die Akademie der Künste, die gar nicht auf der Gästeliste steht, verzichten.

Ahnen: Wir werden um die Kritiker werben. Wir können den Rat aber nicht weiter vergrößern. Jeden Tag bieten uns andere Institutionen ihre Mitarbeit an. Es war eine schwierige Aufgabe, eine Auswahl zu treffen. Wir können aber auch den Rat nicht auf nur sechs Sitze verkleinern, wie es die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung vorschlägt. Es wäre ein großer Fehler, ein Gremium einzusetzen, in dem beispielsweise die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger keinen Platz hätten. Wir müssen ein plurales Spektrum einbinden.

Ickler-Kommentar: Es kommt nicht auf die Pluralität der beteiligten Branchen an, sondern auf die Pluralität der Meinungen über diese Rechtschreibreform. Frau Ahnen lenkt ab.


SPIEGEL: Aber wie soll ein so großes Gremium auf die Schnelle zusammenkommen und arbeiten können? Bis zur verbindlichen Einführung der Reform am 1. August 2005 ist nur wenig Zeit.

Ahnen: Der Rat ist doch so frei, sich selbst Strukturen zu schaffen, um effizient zu arbeiten. Man kann zum Beispiel kleine Arbeitsgruppen bilden, die sich mit verschiedenen Aspekten der Reform beschäftigen.

SPIEGEL: Aber über die gesamte Reform darf der Rat gar nicht diskutieren. Die umstrittene Groß- und Kleinschreibung ist tabu.

Ahnen: Der Rat hat ganz allgemein die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung zu bewahren, die Rechtschreibung auf der Grundlage des neuen Regelwerks weiterzuentwickeln. Zusätzlich sind im Hinblick auf den relativ engen Zeitraum bis August 2005 von der Ministerpräsidentenkonferenz und der KMK einige Bereiche benannt worden, die vorrangig diskutiert werden sollen.

SPIEGEL: Und wenn die von Ihnen umworbenen Kritiker am Ende wirklich nicht mitmachen?

Ahnen: Wir brauchen den Rat. Er ist vernünftig konstruiert. Es geht doch darum, dass sich die Rechtschreibung auch in Zukunft weiterentwickeln kann. Es gibt keine Zielvorgabe. Das heißt, es können sich Dinge durchsetzen oder auch nicht. Wir wollen jetzt in einen politikfernen Prozess der kontinuierlichen Sprachentwicklung übergehen.

Ickler-Kommentar: Selbstverständlich gibt es eine „Zielvorgabe“, Frau Ahnen selbst hat sie mehrmals genannt. Die „kontinuierliche Sprachentwicklung“ ist durch die Reform in einem bisher nie dagewesenen Maße unterbrochen worden, was sogar kompromißbereite Beobachter wie Peter Eisenberg aufs schärfste formuliert haben.
Was einer kleinen Gruppe von reformwilligen Sprachwissenschaftlern in Jahrzehnten nicht gelungen ist, wird ein überdimensionales Gremium von so verschiedenen Delegierten in einigen Monaten auch nicht gelingen.


SPIEGEL: Hätte man diesen Rat nicht schon viel früher einsetzen müssen?

Ahnen: Erstens, es gab einen Beirat, der das Reformgremium beraten hat ...

SPIEGEL: Der Beirat ist von diesem Reformgremium nie ernst genommen worden.

Ahnen: In diesem Zusammenhang muss sich auch der Beirat selbstkritisch fragen, ob er seine Aufgabe mit der nötigen Intensität wahrgenommen hat. Zweitens fühlen sich Institutionen nur ernst genommen, wenn sie nicht nur angehört werden, sondern entscheiden können. Das kann der Rat jetzt. Das ist eine Konsequenz aus der Erfahrung mit dem Beirat.

Ickler-Kommentar: Der Beirat hat sich mehrheitlich als weiteres Instrument zur Durchsetzung der Rechtschreibreform verstanden und war auch so konzipiert. Nach vertraulichen Berichten von Teilnehmern wurde die Diskussion völlig von den Wörterbuch- und Schulbuchverlagen beherrscht, beide die heftigsten Kämpfer für die Reform. Frau Ahnen sollte wenigstens die Stellungnahmen des Beirats zum dritten und vierten Bericht lesen, dann wäre sie sofort im Bilde.


SPIEGEL: Einer der Reformpolitiker, der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair, hat schon vor Jahren gesagt, die Öffentlichkeit sei über die Rechtschreibreform so gut wie nicht informiert. Der Reformprozess war nicht demokratisch.

Ahnen: Es hat immer wieder öffentliche Anhörungen und Berichterstattungen gegeben. Nichtsdestotrotz will ich einräumen: Als klar wurde, dass die Reform umgesetzt werden würde, hätte man eine offensivere Öffentlichkeitsarbeit betreiben müssen.

Ickler-Kommentar: Von welchen „öffentlichen Anhörungen“ spricht Frau Ahnen? Es ist längst nachgewiesen, daß die Geheimhaltung eine Voraussetzung der Überrumpelungsstrategie war, mit der die Reform auf den Weg gebracht wurde: vorfristige Einführung an den Schulen und dann nur noch das Argument, ein Zurück sei nicht mehr möglich, weil die Schüler schon nach den neuen Regeln lernten – so ließ sich die KMK schon im Herbst 1996 vernehmen, zwei Jahre vor dem Inkrafttreten der Reform und wenige Wochen oder Tage nach dem Beginn des Schuljahres.
Wie die Politiker mit dem Ergebnis des Volksentscheides in Schleswig-Holstein umgegangen sind, ist bekannt.

SPIEGEL: Frau Ahnen, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Gespräch führten die Redakteure Johannes Saltzwedel und Christoph Schmitz.

Theodor Ickler

22.11.2004 08:19 Rechtschreibforum > Unsere Politiker und die RSR
www.rechtschreibreform.de/php/einzelner_Datensatz.php?BeitragNr=27459
_____________________________________________________________

Siehe auch: Die Blamage der KMK-Präsidentin „Ahnungslos“ - www.vrs-ev.de/forum/viewtopic.php?p=1795#1795
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Webseite dieses Benutzers besuchen
Beiträge vom vorherigen Thema anzeigen:   
Neuen Beitrag schreiben   Auf Beitrag antworten    VRS Foren-Übersicht -> Staat und Sprache Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Gehe zu Seite 1, 2  Weiter
Seite 1 von 2

 
Gehe zu:  







Powered by phpBB © 2001, 2002 phpBB Group