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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
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Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Dienstag, 04. Nov. 2003 10:51    Titel: Schweriner Kurier Antworten mit Zitat

Selbst ernannte Sprachhüter
Warum 18 Autoren zu Unrecht protestieren

Von Stefan Krieg

Die amtliche deutsche Rechtschreibung sei „minderwertig“ gegenüber der alten, und schon gar nicht demokratisch legitimiert, formulierten 18 renommierte Autoren anlässlich der Frankfurter Buchmesse ihren Unmut. Sie protestieren gegen die Praxis einiger deutscher Verlage, übersetzte Bücher grundsätzlich in der neuen Orthographie erscheinen zu lassen. Auch ausländische Autoren, welche unserer Sprache mächtig sind, zum Beispiel Stanislaw Lem und der Schwede Horace Engdahl, zählen neben prominenten Schriftstellern wie Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser, Christa Wolf und Siegfried Lenz zu den Unterzeichnern.

Die neue Orthographie „erschwert den präzisen sprachlichen Ausdruck“, wird in dem Protestaufruf behauptet, und „die große Mehrheit der deutschsprachigen Intellektuellen lehnt die staatlich verordnete Rechtschreibung ab“.
Darüber, ob die neue Rechtschreibung auf demokratischem Wege eingeführt wurde, lässt sich sicher streiten. Aber leidet wirklich der „präzise sprachliche Ausdruck“ unter der Reform? Kaum. Vor allen Dingen hat sich erstmal gar nicht so sehr viel geändert – ein renommierter Romancier darf gern ein „renommierter Romancier“ bleiben.

Eine der wichtigsten Änderungen ist, dass nach einem kurzen Vokal statt „ß“ jetzt grundsätzlich „ss“ gesetzt wird. Hier ist die Umstellung gar nicht so groß, da schon früher das „ß“ in den meisten Fällen dem langen Vokal vorbehalten war. Die Vereinfachung kann hier also als logische Konsequenz angesehen werden – egal wie hoch das Ross (für Enzensberger und Kollegen: Roß) gewachsen ist, auf dem der protestierende Schriftsteller gerade sitzt. Genau so logisch ist es, bei Ableitungen den Wortstamm beizubehalten.

Es lassen sich noch weitere Beispiele finden, warum die Rechtschreibreform im Kern eine vernünftige Maßnahme ist. Die Silbentrennung auch beim „st“ oder die sinnvollere Großschreibung wären da zu nennen. So wiegen die Vorteile die unbestreitbar vorhandenen Schwächen im Großen und Ganzen auf (für die 18 Protestierer schreiben wir hier zwecks „präzisem sprachlichen Ausdruck“ die Substantive klein: „im großen und ganzen“).

Trotzdem hat es unser junger Nachwuchs unterm Strich nun in der Schule leichter, weil die neuen Regeln einfacher zu verstehen sind als die alten. Klar kommt den meisten von uns genau im Gegenteil die neue Orthographie schwerer vor, braucht es doch etwas Mühe, um vom einst Gelernten auf die jetzt gültigen Regeln umzuschwenken. Zusätzlich werden Ressentiments geschürt – eben auch durch Gutmenschen wie die 18 Autoren. (Die Protestaktion erinnert verdächtig an die Kampagne einiger ihrer Kultur-Kollegen aus der Musikbranche, die eine Quote für deutschen Rock und Pop fordern.)

Wer will, darf ja in vielen Fällen sogar noch alte Schreibweisen anwenden. Keiner braucht sich über „schmerzende Hämorriden“ zu beklagen, die guten alten „Hämorrhoiden“ tun es ebenfalls. Passenderweise gibt es auch zwei Orthographien – diese und die neue Variante „Orthografie“.

Ganz gleich, ob die 18 Autoren aus Deutschland und dem befreundeten Ausland sowie „die große Mehrheit der deutschsprachigen Intellektuellen“ die alte Orthographie für die bessere halten: Die Sprache gehört nicht irgendwelchen elitären Kulturzirkeln, sie gehört uns allen. Ganz gleich, wie demokratisch oder undemokratisch die neue Rechtschreibung eingeführt wurde: Zum Zurückrudern ist die Strömung zu stark. Da können die „Guten“ noch x-mal zum Boykott aufrufen, noch dutzende Protestschreiben verfassen und noch ewig schmollen, weil sie nicht erhört werden – manchmal sind die von ihnen geschmähten „Bürokraten“ eben fortschrittsfreundlicher, als es den Damen und Herren hochkulturellen Schriftstellern in den Kram passt.
Stefan Krieg

Stefan Krieg: Selbst ernannte Sprachhüter. Warum 18 Autoren zu Unrecht prostestieren. In: Schweriner Kurier 14.10.2003;

auch in: "Warnow Kurier" vom Sonntag, den 19.10.2003, S. 4 (Kultur), aber mit dem veränderten Untertitel: "Glosse: Warum 18 Autoren einfach mal zu Unrecht protestieren"

http://www.rechtschreibreform.com/Perlen/KraftBank/KraftBank.pl?TueOct1418:10:19CEST2003


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Samstag, 08. Nov. 2003 14:04, insgesamt 2mal bearbeitet
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Dienstag, 04. Nov. 2003 10:57    Titel: Leserbrief Antworten mit Zitat

Leserbrief

Manfred Riebe, OStR i.R. .............................. Schwaig bei Nürnberg, den 15.10.2003
Max-Reger-Str. 99
90571 Schwaig bei Nürnberg
Tel. (0911) 50 08 25, Fax: 506 74 23

redaktion@schwerinonline.de
Schweriner Kurier

Leserbrief zu Stefan Krieg: Selbst ernannte Sprachhüter. Warum 18 Autoren zu Unrecht protestieren. In: Schweriner Kurier vom 14.10.2003
- Authentischer Abdruck gemäß Urheberrecht erbeten! - (1)

Stefan Krieg hat recht: "Die Sprache gehört dem Volk!" Das beschloß der Deutsche Bundestag am 26. März 1998. Deshalb ist es ein Skandal, daß der Neuschrieb dem Volk undemokratisch an den Parlamenten vorbei aufgezwungen wurde.

Stefan Krieg fragt: "Aber leidet wirklich der "präzise sprachliche Ausdruck" unter der Reform?" Er antwortet: "Kaum", aber bleibt den Beweis schuldig.
Welchen Murks die Kultusminister angeordnet haben, sieht man an folgenden Beispielen. Die bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier sagte: "Die Sozialdemokraten haben über viele Jahre hinweg in der Bildungspolitik alles, was Leistung, Erziehung und Wertorientierung anging, schlecht gemacht" (2) Gemeint ist "schlechtgemacht", aber das Wort gibt es dank der neuen Primitiv- und Beliebigkeitsschreibung nicht mehr.

Monika Hohlmeiers Amtsvorgänger Hans Zehetmair berichtete, die neue Rechtschreibung sei viel einfacher, die Schüler machten nun 50 Prozent weniger Fehler. Ist der Minister ein "vielversprechender" Hoffnungsträger oder ein "viel versprechender" Schaumschläger? Zehetmair wurde bald darauf beim Münchener Nockherberg als "Märchenerzähler" derbleckt, d.h. verulkt. Dann mußte der "viel versprechende" Minister sein Amt an die Straußtochter abgeben.

Durch solche neuen Getrenntschreibungen wie "viel versprechend" geht die Eindeutigkeit der Sprache verloren; die "Reformer" haben willkürlich in die Grammatik und den Bedeutungsbereich der Sprache (Semantik) eingegriffen. Sie haben das Präzisionsinstrument der grammatisch präzisen, ästhetischen traditionellen Orthographie gewissermaßen in ein grobes Werkzeug zurückverwandelt. Aus der einheitlichen Rechtschreibung wurde so eine Beliebigkeitsschreibung, ähnlich dem Schreibwirrwarr der Goethezeit. Vgl. www.vrs-ev.de

Krieg behauptet: "Eine der wichtigsten Änderungen ist, dass nach einem kurzen Vokal statt "ß" jetzt grundsätzlich "ss" gesetzt wird." Er irrt; denn der Betonungsgrundsatz der Reformer gilt für viele Wörter nicht, z.B. Ast, du bist (aber: du musst), Bus, fast, Gast, Hast, du hast (aber: du hasst), er ist (aber: er isst), Kenntnis, Kultus, Last, Mist, Verhängnis, Zeugnis, usw. Deshalb steigt die Fehlerzahl gerade auf diesem Gebiet. (3)

Man muß auch nicht zum Boykott der Rechtschreibreform aufrufen, wie Stefan Krieg meint. Der Neuschrieb boykottiert sich auf Grund seiner Mängel selber. Man muß nur Journalisten über ihre Irrtümer aufklären. Es handelt sich um eine Beliebigkeitsschreibung, einen Mischmach herkömmlicher, "neuer" und individueller Schreibweisen, wie man ihn in den Zeitungen sehen kann, so daß das große Werk Konrad Dudens, die einheitliche Rechtschreibung zerstört wird.

Krieg behauptet auch, daß die Schüler es nun leichter hätten, weil die neuen Regeln einfacher zu verstehen seien als die alten. Das Gegenteil ist der Fall; denn die Fehlerzahlen sind infolge der "Reform" gestiegen. (4)

Im übrigen stellte das Bundesverfassungsgericht fest, daß die Reform auf die Schulen beschränkt sei. Jedermann könne auch über das Jahr 2005 hinaus weiterschreiben wie bisher. (5)

Manfred Riebe, OStR i.R., Dipl.-Kfm.
Vorstandsmitglied und Pressesprecher des VRS
Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. - www.vrs-ev.de
90571 Schwaig bei Nürnberg

"Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu stoppen!" (VRS)

1) Die Märkische Allgemeine Zeitung schrieb z.B. erläuternd dazu:
"Der Autor ist Vorstandsmitglied des Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. Auf seinen Wunsch wurde im Text die herkömmliche Rechtschreibung beibehalten."
2) Nürnberger Zeitung, 25.06.2002, S. 3
3) Marx, Prof. Dr. Harald: Rechtschreibleistung vor und nach der Rechtschreibreform: Was ändert sich bei Grundschulkindern? In: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, Göttingen: Hogrefe-Verlag, 31/1999, S. 180-189. Marx stellt einen signifikanten Fehleranstieg bei der neuen ß/ss-Schreibung fest.
4) Ein Auszug aus den Fehlerstatistiken der bundesweiten Initiative "Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform" ist enthalten in der Broschüre des VRS: Unser Kampf gegen die Rechtschreibreform, Nürnberg 1998, S. 10 ff.
5) Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 14. Juli 1998, Az.: 1 BvR 1640/97, S. 59. www.bverfg.de/entscheidungen/frames/rs19980512_1bvr164097
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Manfred Riebe



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Beitrag: Samstag, 08. Nov. 2003 13:25    Titel: Querverweis zum Warnow Kurier Antworten mit Zitat

Querverweis zum Warnow Kurier

Mein Leserbrief an den "Schweriner Kurier" erschien im Warnow Kurier. Siehe dort!
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