Erleben wir im Jahre 2010 das Ende von "behände"?

[Günter Schmickler]

Wann kommt das Ende von “behände”?

Vor einigen Tagen sah ich im Fernsehen eine Reportage über die Fauna Taiwans. Ein Wort ließ mich aufhorchen: Da wurde eine besondere Art auf der Insel beheimateter Affen als „behende“ Kletterer bezeichnet. Ich weiß nicht, ob ich das Wort „behende“ je zuvor im „normalen Sprachgebrauch“ gehört oder gelesen habe. In meiner Kindheit lernte ich es durch ein Kirchenlied kennen, das am Totensonntag oder bei Begräbnisfeiern gesungen wird:

„Wer weiß, wie nahe mir mein Ende!
Hin geht die Zeit, her kommt der Tod.
Ach, wie geschwinde und behende
kann kommen meine Todesnot!“

Schon damals war mir bewußt, daß Bibel und Gesangbuch manche Wörter enthalten, die man sonst selten oder nie zu hören bekommt. Das mit „behende“ gekoppelte Wort „geschwinde“ empfand ich nicht als ganz so fremd und abgehoben, da es doch immerhin in dem Kinderlied „Hänschen klein“ vorkommt. Außerdem ist es im moselfränkischen Westerwälder Dialekt in der Form „schwinn“ für „schnell“ lebendig.. Schließlich gibt es auch das gebräuchliche Hauptwort „Geschwindigkeit“, das aus dem eher selten gehörten „geschwind“ gebildet ist. Bei „behende“ aber mußte und muß ich unwillkürlich immer an Totensonntag oder einen Friedhof denken.
Zum zweiten Mal, wenn ich mich recht erinnere, machte ich als Sextaner Bekanntschaft mit dem Wort „behende“. Ich mußte Goethes „Zauberlehrling“ auswendig lernen, und da beginnt eine Strophe mit den Zeilen:

„Ach, das Wort worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen!
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!“

Der Zufall will es, daß sowohl in dem Kirchenlied als auch in der Ballade Goethes „behende“ sich auf „Ende“ reimt. Schon aus diesem Grunde wäre mir nie der Gedanke gekommen, „behende“ mit „ä“ zu schreiben. Auch eine spontane Assoziation mit „Händen“, auf die sich „Volksetymologisten“ ja so gern berufen, ist bei mir völlig ausgeblieben – sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter. Wer könnte sich schon einen auf Händen laufenden Besen oder gar eine auf Händen herannahende Todesnot vorstellen?
Nun zerbreche ich mir schon seit 1996 den Kopf darüber, welcher Teufel die „Reformer“ geritten haben mag, als sie ausgerechnet die Schreibweise eines so selten vorkommenden und in der jungen Generation weithin unbekannten Wortes wie „behende“ gewaltsam änderten. „Behände“ – zweifellos eine peinlich und lächerlich wirkende Schreibweise! Man wird zwar lange suchen müssen, bis man ihr in einem auf Reformschreibung umgestellten Buch oder gar in einem Presseartikel begegnet, aber als ärgerlich empfinde ich allein die Tatsache, daß sie mit roter Markierung in einem Rechtschreibwörterbuch erscheint. Noch ärgerlicher wäre es, wenn künftig die Todesnot im Kirchenlied und der verhexte Besen Goethes „auf Händen“ daherkämen.
Aber noch dürfen wir hoffen: Der frühere bayerische Kultusminister und CSU-Politiker Hans Zehetmair sagte, daß „der bis 2010 bestellte Rat künftig Veränderungen der Alltagssprache genau beobachten wird“. Besonderes Augenmerk werde der Rat auf Worte wie „Gämse“ (alt:„Gemse“) und „behände“ (alt: „behende“) richten. So wenigstens zitiert der Bonner General-Anzeiger Herrn Zehetmair in einem Artikel zur „Reform der Reform“ am 1. August 2007.