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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Freitag, 05. Dez. 2003 23:15 Titel: Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts |
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Die Parteien nehmen Stellung: die CDU
Vorbemerkung:
Es gibt weder ein Gesetz zur Rechtschreibreform noch eine Rechtsverordnung, sondern die 16 Kultusminister hatten schon 1996, zwei Jahre vor der offiziellen Einführung, die Reform überfallartig per Kultusministererlaß eingeführt. Deshalb kam es zur Verfassungsbeschwerde.
Das Bundesverfassungsgericht beschloß aber am 14. Juli 1998:
<b>„Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben.“</b>
Vgl. Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 14. Juli 1998, Az.: 1 BvR 1640/97, S. 59. - http://www.bverfg.de/entscheidungen/frames/1998/7/14
Das bedeutet, daß die bewährte Duden-Orthographie, 20. Auflage, 1991, nach wie vor gilt und von 90 Prozent der Bevölkerung verwendet wird.
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Rupert Scholz (CDU):
<b>Nicht das letzte Wort</b>
Zum heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtschreibreform [am 14. Juli 1998] erklärt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Professor Dr. Rupert Scholz, MdB:
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist das letze Wort zur Rechtschreibreform noch nicht gesprochen. Die Entscheidung führt vielmehr aus, daß Notwendigkeit und Inhalt, Güte und Nutzen der Rechtschreibreform nicht nach verfassungsrechtlichen Maßstäben beurteilt werden können. <b>Es sind letztendlich die Bürger von Schleswig-Holstein, die in einer Volksabstimmung über die Einführung der Reform entscheiden. Votieren sie dagegen, ist die Reform tot.</b> Denn es kann keine unterschiedliche deutsche Schreibweise in Schleswig-Holstein und den übrigen Bundesländern geben. Schließlich haben sich auch die Unterzeichner der „Wiener Absichtserklärung“ zur Wahrung der Einheit des deutschen Sprachraums verpflichtet. Und vor einer Übernahme der Rechtschreibreform in die Amtssprache des Bundes ist der Bundestag noch einmal am Zuge; im Mai hat er sich bereits mit deutlicher Mehrheit gegen die Reform ausgesprochen.
Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann nichts Gegenteiliges herausgelesen werden. Die Entscheidung besagt nämlich nur, daß ein kultusministerieller Erlaß ausreiche, um die Rechtschreibreform an den Schulen einzuführen. <b>Selbstverständlich ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Angelegenheit eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen und zu entscheiden.</b> Genau dazu sind die Bürger von Schleswig-Holstein als Volksgesetzgeber aufgerufen. Schließlich gehört die Sprache dem Volk und nicht den Bürokraten.
Auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bleiben gravierende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Modalitäten der Umsetzung neuer, vom Staat hoheitlich verordneter und nicht sprachgenetisch gewachsener Rechtschreibregeln bestellen. Der kultusministerielle Oktroi greift in die Grundrechtssphäre von Eltern und Schülern ein, die die Reform mehrheitlich ablehnen. Sprache entwickelt sich organisch; sie kann nicht auf dem linguistischen Reißbrett entworfen und dann der Sprachgemeinschaft in obrigkeitsstaatlicher Manier wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten einfach übergestülpt werden. Die Sprache, und zwar die richtige Sprache, wird in unserer Gesellschaft jedenfalls als etwas so Wesentliches empfunden, daß sie ohne allgemeine Akzeptanz nicht geändert werden kann.
Der Bundestag hat die Entwicklung eines Verfahrens empfohlen, in dem die Fortentwicklung der Sprache behutsam nachgezeichnet und festgestellt wird, was als Konsens in der Sprachgemeinschaft gelten kann. An dieser Aufgabe sollten alle, die durch ihre beruflichen und wissenschaftlichen Bezüge der Sprache besonders verpflichtet sind, beteiligt werden. Ein solches unabhängiges Gremium der Unterzeichnerstaaten der Wiener Absichtserklärung ist mit der Beobachtung der tatsächlichen Sprachentwicklung zu beauftragen. Maßstab kann nur der allgemeine Sprachgebrauch sein. Das neue Regelwerk ist vor diesem Hintergrund noch einmal auf den sprachlichen Prüfstand zu stellen.
Das Schicksal der Rechtschreibreform ist auch nach der heutigen Karlsruher Entscheidung noch offen. Jetzt hat wieder der Bürger das Wort -- vor allem bei der Volksabstimmung in Schleswig-Holstein.
WIR gegen die Rechtschreib“reform“ Niedersachsen
Die Parteien nehmen Stellung zum Karlsruher Urteil:
CDU: Nicht das letzte Wort (Prof. Rupert Scholz)
http://www.rechtschreibung.com/Scholz.html
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Anmerkungen:
„Der Berliner Bundesverwaltungsrichter Jörg Berkemann meint sogar, daß mit dem Ausstieg eines Landes aus der Reform dem Beschluß der Kultusminister, ebenso wie der völkerrechtlichen Vereinbarung mit den an der Reform beteiligten Ländern Österreich und Schweiz, auch die juristische Grundlage entzogen wäre. Denn erklärter Wille sei die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum.“
http://rhein-zeitung.de/on/97/07/31/topnews/rechtschreib.html
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Freitag, 19. Aug. 2005 17:36, insgesamt 5mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Freitag, 05. Dez. 2003 23:32 Titel: Die SPD zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts |
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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Die Parteien nehmen Stellung: die SPD
Dr. Liesel Hartenstein
Mitglied des Deutschen Bundestages
Pressemitteilung vom 14.7.98
<b>Rechtschreibreform: kein überzeugendes Urteil</b>
Zum Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Rechtschreibreform erklärt die SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitunterzeichnerin des Bundestagsantrages (Drucksache 13/7028) Frau Dr. Liesel Hartenstein:
Das heute in Karlsruhe ergangene Urteil ist in höchstem Maße zwiespältig und in keiner Weise überzeugend. Wenn die Karlsruher Richter einerseits befinden, die Rechtschreibreform greife nicht in das elterliche Grundrecht auf Erziehung ein, muß dies zwar akzeptiert werden, auch von denen, die es anders sehen.
Wenn die Verfassungsrichter aber deklarieren, die Einführung neuer Rechtschreibregeln sei keine „wesentliche“ Maßnahme, so daß sie durch Erlaß verordnet werden könne und keiner gesetzlichen Grundlage bedürfe, dann gehen sie weit über ihre Kompetenz hinaus. Außerdem setzt sich das Gericht auch in Widerspruch zu sich selbst, hatte doch der Vorsitzende des Ersten Senats, Prof. Papier, bei der Eröffnung des Verfahrens erklärt, es sei nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, sich zum „sprachwissenschaftlichen Obergutachter“ aufzuschwingen, also über Sinn oder Unsinn der Reformen in der Sache zu entscheiden. Genau dies tut Karlsruhe aber, und zwar in einer schlecht begründeten und höchst oberflächlichen Weise. Hier steht das Urteil nicht auf solidem Boden; denn die Hauptargumente, die Karlsruhe verwendet, sind schlicht falsch.
1. Nicht 185 Wörter, wie das Gericht behauptet, müssen geändert werden, sondern über 1000 Wörter.
2. Falsch ist auch die Aussage, die Reform trage nur der Sprachentwicklung Rechnung und greife nicht in die Sprachgestaltung selbst ein
3. Nicht beachtet hat das höchste Gericht die vielen sinnverändernden Neuregelungen bei der Getrennt- und Zusammenschreibung, die willkürliche Eindeutschung von Fremdwörtern und schon gar nicht die Verschlechterung der Verständlichkeit durch rigoroses Zusammenstreichen der Zwischenregeln.
Der Eingriff in die deutsche Sprachsubstanz ist viel tiefer, als es die Karlsruher wahrhaben wollen. Vorzuwerfen ist ihnen, daß sie von vornherein eine Schieflage geschaffen haben, indem nur acht Reformgegner, aber 50 Reformbefürworter zur Anhörung eingeladen wurden.
Wo bleibt da die Verpflichtung zur Objektivität?
Bei einem solchen selbstgeschaffenen Übergewicht einer Seite ist es kaum mehr verwunderlich, daß die gezogenen Schlußfolgerungen nicht nur einseitig, sondern zum größeren Teil schlicht unhaltbar sind. Berücksichtigt wurde nicht einmal die Tatsache, daß die Reformkommission noch im Januar des Jahres selbst ihr Regelwerk in großen Teilen als korrekturbedürftig erkannt hat.
Alles in allem, ein gravierendes Fehlurteil in der Sache!
Jetzt bleibt <b>der mit Spannung erwartete Volksentscheid in Schleswig-Holstein am 27. September</b>. Gerade weil der Satz <b>„Die Sprache gehört dem Volk“</b> nach wie vor Gültigkeit hat, ist es richtig und auch im Sinne der Demokratie notwendig, daß die Bürger in Schleswig-Holstein selbst ihre Meinung kundtun.
Für die Bundesebene gilt unverändert der Mehrheitsbeschluß des Deutschen Bundestages, wonach die Rechtschreibreform nicht in die Amtssprache des Bundes übernommen werden soll.
An diesem Punkt wird weiterzuarbeiten sein.
WIR gegen die Rechtschreib“reform“ Niedersachsen
Die Parteien nehmen Stellung zum Karlsruher Urteil:
SPD: Kein überzeugendes Urteil (MdB Dr. Liesel Hartenstein)
http://www.rechtschreibung.com/Hartenstein.html
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Freitag, 05. Dez. 2003 23:43, insgesamt 1mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
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: Freitag, 05. Dez. 2003 23:42 Titel: Die FDP zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts |
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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Die Parteien nehmen Stellung: die FPD
Detlef Kleinert
Mitglied des Deutschen Bundestages
F.D.P.-Bundestagsfraktion -- Tagesdienst
Rechtspolitik / Bildungspolitik / Rechtschreibreform
14.7.98
<b>Enttäuschung über BVerfG-Urteil zur Rechtschreibreform</b>
Der F.D.P.-Bundestagsabgeordnete Detlef Kleinert, einer der Unterzeichner der Initiative gegen die Einführung der Rechtschreibreform in die Amtssprache des Bundes, erklärt zur heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über die Rechtschreibreform:
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hat mich enttäuscht. Die Betonung des Schule/Eltern-Verhältnisses berücksichtigt nicht die gesamtgesellschaftliche und volkswirtschaftliche Bedeutung der durch die Reform notwendigen Umstellungen. <b>Es hat auch hier -- wie viel zu oft-- an einer Gesetzesfolgekostenabschätzung gefehlt</b>, die dem Gericht die Sache in einem anderen Licht hätte erscheinen lassen können.
Die Annahme, daß der Umfang der beabsichtigten Rechtschreibänderungen so gering sei, daß die Reform keinen wesentlichen Eingriff darstelle, würde bei einer allgemeinen Umsetzung zur <b>Beliebigkeit</b> der Schreib- und damit Sprachentwicklung führen.
Vorherige Stellungnahmen, z.B. der schleswig-holsteinischen Kultusministerin, wie zu einem bereits verkündeten Urteil, lassen im übrigen den <b>bedauerlichen Eindruck einer gewissen Verwaltungsnähe</b> entstehen, der <b>einmal geschaffene Tatsachen begünstigt</b>. Insbesondere die Landtage sind aufgefordert, dem drohenden weiteren Machtzuwachs der Verwaltung durch eigene Initiativen und Gesetze zu begegnen.
Die Annahme der Geringfügigkeit der Reform macht den Volksentscheid in Schleswig-Holstein als Folge einer veränderten Schreibweise möglich. Desgleichen wird der Bundestag über eine Umsetzung in die Amtssprache des Bundes erst noch zu entscheiden haben. Deshalb dürften am Ende weitere Verhandlungen über Nachbesserungen, nicht aber eine einigermaßen endgültige Klärung unserer Rechtschreibung stehen.
WIR gegen die Rechtschreib“reform“ Niedersachsen
Die Parteien nehmen Stellung zum Karlsruher Urteil:
F.D.P.: Enttäuschung über BVerfG-Urteil (MdB Detlef Kleinert)
http://www.rechtschreibung.com/Kleinert.html
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Manfred Riebe
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: Freitag, 16. Jan. 2004 22:30 Titel: Kein Rechtschreibgesetz |
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<b>Kein Rechtschreibgesetz</b>
Der von MdB Detlef Kleinert verwendete Begriff „Gesetzesfolgekostenabschätzung“ paßt hier nicht; denn es gibt kein Rechtschreibgesetz, sondern Rechtschreiberlasse.
Schon wegen des Gesetzes- und Verfassungsranges der Sprache - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=228 - hätte es eines Gesetzes bedurft.
Vor allem aber auch wegen der volkswirtschaftlichen Kosten von vielen Milliarden hätte man sich nicht mit Erlassen begnügen dürfen, die sich – wie man sieht - parlamentarischer Kontrolle entziehen.
Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Samstag, 06. Okt. 2007 07:15, insgesamt 1mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
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: Samstag, 09. Okt. 2004 10:22 Titel: Der Bund darf nicht länger schweigen |
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Der Bund darf nicht länger schweigen
Fremde Federn
Von Rupert Scholz
Die Rechtschreibreform ist gescheitert. Am grünen Tisch produziert oder diktiert, hat sie der Sprache buchstäblich Gewalt angetan und - folgerichtig - nicht die allseitige Akzeptanz gefunden, deren die Sprache als wichtigstes Mittel gesellschaftlicher Kommunikation bedarf. Und dies schon im sogenannten Erprobungsstadium. Deshalb bedarf es dringend der Revision, zumindest einer grundlegenden Reparatur. Aber wer sorgt dafür? Die Ministerpräsidenten der Länder sind gespalten, die eigentlich verantwortlichen Kultusminister zaudern oder suchen Zeit zu gewinnen, die Bundesregierung äußert sich zwiespältig oder gar nicht -- und für die Apologeten der Rechtschreibreform halten die inzwischen auf der Grundlage der neuen Rechtsprechung ausgebildeten Schulkinder als Ausrede für den begangenen Fehler her. Manche Verteidiger der Rechtschreibreform sprechen sogar davon, daß es doch „nur“ um die Orthographie, also nicht um die Sprache als Ganzes gehe. Dies ist grundfalsch. Denn die Rechtschreibung ist ein wesentlicher, ein grundlegender Teil jeder Sprache und Sprachkultur. Dies leugnet jetzt aber sogar der Vorsitzende der Zwischenstaatlichen Kommission für die Rechtschreibung, Blüml. Die Voraussage fällt nicht schwer, daß auch diese Kommission nichts anderes sein wird als ein Alibiunternehmen. Deshalb ist und bleibt die Politik gefordert.
Wenn man sich nicht rasch auf eine Rücknahme oder Reparatur der neuen Rechtschreibung einigt, dann droht ein Verfassungsproblem. In seiner Entscheidung vom 14. Juli 1998 hatte das Bundesverfassungsgericht die Rechtschreibreform allerdings - noch - nicht beanstandet. Damals ging es nur um die Frage, ob die schulische Umsetzung einer neuen Rechtschreibung der Gesetzesform bedarf. Dies hat das Bundesverfassungsgericht verneint. Aber es hat klare Maßstäbe für eine rechtmäßige Änderung der Rechtschreibung benannt. So hat das Bundesverfassungsgericht in aller Deutlichkeit festgestellt, daß „der Staat die Sprache nicht beliebig regeln kann“, daß „regulierende Eingriffe“ ihm, dem Staat, in der Regel oder grundsätzlich nur dann erlaubt sind, wenn es darum geht, „Vereinfachungen“ vorzunehmen oder „Widersprüche im Schreibusus und Zweifel an der richtigen Schreibung zu beseitigen“. Ebendiesen Maßstäben wird die Rechtschreibreform jedoch nicht gerecht. Sie verändert die Sprache, sie läßt diese sogar in ihrer bisherigen Mannigfaltigkeit verkümmern. Dies hat mit „Vereinfachung“ oder „Beseitigung von Widersprüchen oder Zweifeln“ nichts mehr zu tun. Dies ist vielmehr pure Willkür, geht an der Pflege gegebener Sprachkultur vorbei und ist damit - in den Worten des Bundesverfassungsgerichts - „beliebig“ und also verfassungswidrig. Deshalb fordert auch die Verfassung - und hier vor allem die Grundrechte von Schülern wie Eltern - die rasche Revision.
Zuständig hierfür sind zunächst die Länder: Sie sind für die schulische Ausbildung verantwortlich. Aber auch der Bund ist gefordert, stellt die Sprache doch als Grundelement nationaler Identität einen Grundtatbestand von gesamtstaatlicher Bedeutung dar. Einen verfahrensrechtlich tragfähigen Weg zur Lösung weist die Regelung des Artikels 91 b Grundgesetz, auf die auch das Bundesverfassungsgericht in seiner genannten Entscheidung hingewiesen hat.
Danach fällt der Komplex der „Bildungsplanung“, zu der naturgemäß die Pflege von Sprache und Rechtschreibung gehört, in die gemeinschaftliche Verantwortung von Bund und Ländern. Die Pflege der Rechtschreibung stellt sich also als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern dar, weshalb die Bundesregierung nicht länger schweigen darf. Abgesehen davon, daß die Rechtschreibreform auch einen außenpolitischen Regelungsgegenstand im Verhältnis zu den anderen deutschsprachigen Ländern darstellt, muß die Bundesregierung sich ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung für das aufgetretene Problem besinnen. Bundesregierung und Länder sind deshalb aufgefordert, die Rechtschreibreform umgehend im Wege einer Vereinbarung gemäß Artikel 91 b Grundgesetz zurückzunehmen oder von Grund auf neu zu konzipieren. Zunächst sind jedoch die Länder selbst gefordert. Die Kultusminister stehen nicht nur vor einem sprachkulturellen Scherbenhaufen, sondern auch vor dem drohenden Verdikt eines evidenten Verfassungsverstoßes.
Der Verfasser lehrt Verfassungsrecht und war Bundesminister der Verteidigung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 235 vom 8. Oktober 2004, S. 10 |
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Manfred Riebe
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: Samstag, 09. Okt. 2004 10:27 Titel: Scholz stellt Bruch der Verfassung fest |
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Scholz stellt Bruch der Verfassung fest
Und den Ministerpräsidenten ist das Recht völlig wurscht
Wie Ickler schon zu Recht festgestellt hat, verstößt die Beibehaltung der Rechtschreibreform gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Rupert Scholz bestätigt das heute als „Fremde Feder“ der FAZ.
Den Ministerpräsidenten aber ist in dieser Sache jedes Rechtsempfinden abhanden gekommen.
Eigentlich kann das nicht überraschen. Wenn ihnen schon der Protest zweier deutschsprachiger Literatur-Nobelpreisträger gegen die Rechtschreibreform völlig egal ist, sind Grundrechtsfragen wahrscheinlich viel zu diffizil.
8.10.2004 Wolfgang Scheuermann
www.rechtschreibreform.com/Perlen/KraftBank/KraftBank.pl?FriOct813:01:51CEST2004 |
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Manfred Riebe
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: Freitag, 15. Okt. 2004 13:41 Titel: Handverlesene Claque |
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Handverlesene Claque ist der Normalzustand
Noch schlimmer
Ich erinnere mich nur an zwei Kritiker der Reform, die - auch nur mit Mühe und Not! - nach Karlsruhe eingeladen waren: Christian Meier und mich. Uns saßen zweieinhalb Reihen Befürworter gegenüber, mindestens 50 Personen, denn die Minister usw. waren gleich mit mehreren Leuten aufmarschiert. Trotzdem berief sich das Gericht in seinem Urteil auf die Mehrheitsverhältnisse unter den Angehörten. Die Presse schluckte die Farce kommentarlos.
12.10.2004 Theodor Ickler
www.rechtschreibreform.com/Perlen/KraftBank/KraftBank.pl?TueOct1209:53:35CEST2004 |
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Manfred Riebe
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: Sonntag, 02. Jan. 2005 13:41 Titel: Wozu wählt man Volksvertreter? |
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Keine Stellungnahme der Schleswig-Holsteinischen Volksvertretung
Wozu wählt man Volksvertreter?
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Präsident Heinz-Werner Arens:
Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 33 auf:
Stellungnahme in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der verfassungsrechtlichen Prüfung der Einführung der Rechtschreibreform
Bericht und Beschlußempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses
Drucksache 14/1027
Ich erteile dem Berichterstatter des Innen- und Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Maurus, das Wort.
Heinz Maurus [CDU]:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verweise auf die Drucksache 14/1027. Der Ausschuß empfiehlt, in dem genannten Verfahren keine Stellungnahme abzugeben.
Präsident Heinz-Werner Arens:
Danke sehr! Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist auch hierzu nicht vorgesehen. Ich lasse über die Beschlußempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses abstimmen. Wer dieser Beschlußempfehlung folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen!
Plenarprotokoll 14/42, Schleswig-Holsteinischer Landtag (14. Wahlperiode) - 42. Sitzung – Kiel, Mittwoch, 5. November 1997, S. 95
www.sh-landtag.de/infothek/wahl14/plenum/plenprot/1997/14-042_11-97.pdf |
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Manfred Riebe
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: Dienstag, 01. Feb. 2005 10:08 Titel: Scharfe Töne vor dem Bundesverfassungsgericht |
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Scharfe Töne vor dem Bundesverfassungsgericht:
Streitfall Rechtschreibreform
Karlsruhe - Scharfe Töne bei der Verhandlung über die Rechtschreibreform vor dem Bundesverfassungsgericht: Der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Christian Meier, verglich die Reformer mit „Deppen“.
Einig waren sich die Sprachwissenschaftler am Dienstag, daß die Reform der bisher tiefste staatliche Eingriff in die Rechtschreibung sei. Die Kieler Kultusministerin Gisela Böhrk verwahrte sich aber gegen Meiers Aussage, nur die Nazis hätten 1944 eine noch radikalere Reform angeordnet. Der neue Vorsitzende des Ersten Senats, Hans-Jürgen Papier, betonte, daß das Gericht nicht über die Notwenigkeit oder Sinnhaftigkeit der Reform zu urteilen habe. Es werde klären, ob die Einführung der neuen Regeln in den Schulen durch Ministererlaß Grundrechte verletzt habe.
Die Eltern zweier Grundschüler in Lübeck machten in ihrer Verfassungsbeschwerde einen Eingriff in ihr Persönlichkeits- und Erziehungsrecht geltend, für den zumindest ein Gesetz erforderlich gewesen wäre. Ministerin Böhrk und ihre nordrhein-westfälische Amtskollegin Anke Brunn, die auch Vorsitzende der Kultusministerkonferenz ist, betonten dagegen, daß die Reform den Schülern das Schreiben wesentlich erleichtern werde. Beide Seiten hielten sich gegenseitig vor, in ihren Schriftsätzen an das Gericht Rechtschreibfehler gemacht zu haben.
Die Anwälte der klagenden Eltern sagten, für die meisten Schüler und für alle Erwachsenen werde die erlernte, allgemein übliche Rechtschreibung entwertet. Die Einheitlichkeit der Orthographie werde zerstört, weil die meisten Schriftsteller die Reform ablehnten, erklärte der Juraprofessor Rolf Gröschner. Für wesentliche Eingriffe habe das höchste Gericht in früheren Urteilen zudem ein Gesetz gefordert.
Von Wildwuchs befreit?
Böhrk erklärte, als Deutschlehrerin kenne sie die Mühen der Schüler beim Erlernen der Rechtschreibung aus eigener Erfahrung. Die neuen Regeln seien einfacher und ließen alle Menschen an der Schreibkultur teilhaben. In den meisten Schulen seien sie inzwischen eingeführt. Umfangreiche Stichproben zeigten, daß es keine Probleme damit gebe. Der Vorsitzende der Reformkommission, der Siegener Professor Gerhard Augst, sagte, die Hälfte der Deutschen beherrschten die jetzigen Regeln höchstens mangelhaft. Brunn sagte, die Kommission habe die alten Regeln durch „maßvolle Änderung der Schreibkonvention“ von Wildwuchs befreit.
Fragen an den Duden
Duden-Redaktionsleiter Matthias Wermke betonte, daß der Duden den allgemeinen Schreibgebrauch in seinen Wörterbüchern dargestellt habe. Der Duden habe keine eigenen Sprachnormen entwickelt, sagte er auf wiederholte Nachfragen der Verfassungsrichter. „Wir gehen von der Alltagssprache aus“, sagte Wermke und nannte als Beispiele Gebrauchsanweisungen, Zeitungen und Bücher.
Wolfgang Mentrup vom Institut für deutsche Sprache sagte, bei früheren staatlichen Regelungen hätten sich die Minister für eine von vielen unterschiedlichen, aber gebräuchlichen Varianten entschieden. Meier sagte, die Eingriffe der Staatlichen Orthographie-Konferenz von 1901 seien gering gewesen. Die jetzige Reform gehe tief und zudem „gegen die Entwicklung der Sprache“, zum Beispiel mit der Vorschrift zur Getrenntschreibung.
Das Urteil wird vor Anfang August erwartet. Ap
Rhein-Zeitung-Online vom Dienstag, 12. Mai 1998
http://rhein-zeitung.de/on/98/05/12/
http://rhein-zeitung.de/on/98/05/12/topnews/ortho.html
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Anmerkung:
Auch hier sieht man, daß der Vortrag des Vertreters des VRS, Professor Theodor Ickler, totgeschwiegen wird. |
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Manfred Riebe
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: Mittwoch, 13. Jul. 2005 14:26 Titel: Die Rechtschreibreform ist verfassungswidrig |
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Die Rechtschreibreform ist verfassungswidrig
Pressemitteilung von MdB Hans-Joachim Otto, FDP
Sehr geehrte Damen und Herren,
anbei finden Sie eine Pressemitteilung von Hans-Joachim Otto, MdB, die sich auf das in der heutigen Ausgabe der Zeitung "Die Welt" erschienene Interview mit Gottfried Mahrenholz zum Thema Rechtschreibreform bezieht.
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13. April 2005
OTTO: Die Rechtschreibreform ist verfassungswidrig
BERLIN. Zu den Äußerungen des ehemaligen Verfassungsrichters Mahrenholz zur Rechtschreibreform in der heutigen Ausgabe der Zeitung "Die Welt" erklärt der kultur- und medienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Joachim OTTO:
Gottfried Mahrenholz hat vollkommen recht, wenn er sagt, daß die Rechtschreibreform "von vornherein total verkorkst" war und wir nun "vor einem Scherbenhaufen" sitzen. Seine schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Reform, die auf dem vollständigen Fehlen einer gründlichen öffentlichen Debatte beruhen, machen die Problematik der Rechtschreibreform und vor allem des Verfahrens der Umsetzung überdeutlich.
Angesichts dieser Feststellungen wäre es für alle Beteiligten unzumutbar, wenn Teile der Reform tatsächlich zum 1. August 2005 in Kraft träten. Dies gilt umso mehr, als absehbar ist, daß einige Ministerpräsidenten die Reform zumindest für einzelne Länder außer Kraft setzen werden. Daher gibt es zu einem bundesweiten Moratorium für die Rechtschreibreform bis zum 1. August 2006 keine Alternative. Alles andere wäre verantwortungslos gegenüber den Schülern und Lehrern und auch mit dem Grundgesetz nicht mehr vereinbar.
Darüber hinaus muß die bewährte Rechtschreibung als Variante weiterhin zulässig bleiben. Es ist nicht zu verstehen, warum Schreibweisen, die Schüler in ihren Büchern gelesen haben, in der Schule als Fehler angestrichen werden.
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Mit freundlichen Grüßen
Jan Gerd Becker-Schwering
Referent für Kultur- und Medienpolitik
FDP-Bundestagsfraktion
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Tel.: 030. 227 - 5 12 81 / - 5 74 17
Fax: 030. 227 - 5 62 79
Mobil: 0179. 49 169 49
E-Mail: Becker-Schwering@fdp-bundestag.de |
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Manfred Riebe
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: Donnerstag, 25. Aug. 2005 14:22 Titel: Die 13 falschen Thesen des Bundesverfassungsgerichts |
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Wir sind das Rechtschreibvolk!
Berliner Bürgerinitiative gegen die Rechtschreibreform
Kontakt: Gernot Holstein, Schönwalder Str. 75, 13585 Berlin-Spandau Tel./Fax (030) 375 51 21
Die 13 falschen Thesen
des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil zur Rechtschreibreform
vom 14. Juli 1998 (1 BvR 1640/97)
Bearbeiter: cand. iur. Gernot Holstein
1. Das Grundgesetz enthält kein Verbot, die Rechtschreibung zum Gegenstand staatlicher Regelung zu machen. Ein solches Verbot folgt auch nicht daraus, daß der Staat nicht ausdrücklich ermächtigt worden ist. Auch aus der Eigenart der Sprache folgt kein absolutes Regelungsverbot. Das Grundgesetz geht vielmehr von der generellen Befugnis des Staates im Gemeinwohlinteresse aus ... (S. 37)
Kommentar: Handelt der Staat im Gemeinwohlinteresse, wenn mindestens Dreiviertel der Deutschen diese Reform nicht wollen? Wenn die neuen Rechtschreibregeln so mißverständlich oder irreführend sind, daß es zwischen den einzelnen Wörterbüchern zu Tausenden von Unterschieden in der Schreibweise von Wörtern gekommen ist und die Menschen nicht mehr wissen, nach welchem Wörterbuch sie sich richten sollen? Wenn die Schüler „Ketschup“ lernen müssen, obwohl auf jeder Tomatensoßen-Flasche „Ketchup“ steht? Werden durch die Rechtschreibreform Widersprüche und Zweifel beseitigt, wenn die Schüler in Zukunft schreiben müssen: „dass“ statt „daß“; „ich bin es leid“, aber „es tut mir Leid“; „darüber schreiben“, aber „danebenschreiben“; „kostendeckend“, aber „Kosten sparend“?
Das Bundesverfassungsgericht berücksichtigt nicht, daß Sprache bzw. Schriftsprache schon vor dem Staat da waren, mithin außerstaatlich entstanden sind und auf außerrechtlichen Regeln beruhen. Demzufolge dürfte sie nach unserer Auffassung vom Staat auch nicht hoheitlich geregelt werden. Nicht nachvollziehbar ist daher, daß nun sogar lediglich ein Verwaltungserlaß zur Änderung unserer Rechtschreibung genügen soll. Das Handeln der Verwaltung muß jedoch stets auf ein Gesetz rückführbar sein. Als Grundlage sollen die Landesschulgesetze in ihrer bisherigen Form ausreichen. Nur: In keinem Landesschulgesetz steht etwas über Rechtschreibung! Es kann doch nicht sein, daß der Staat sich das Recht herausnehmen darf, über die Schule die Gesellschaft anzuleiten, wie sie zu schreiben hat, nur weil es vom Grundgesetz nicht ausdrücklich verboten ist.
2. Regulierende Eingriffe, die ... bestimmte Schreibweisen erstmals festlegen, sind ihm ebenfalls grundsätzlich erlaubt. Die im Schulunterricht vermittelten Regeln und Schreibweisen waren vielmehr ... auch das Ergebnis normierender staatlicher Entscheidung. (S. 38, f.)
Kommentar: Hier haben die Verfassungsrichter tief in die Mottenkiste des obrigkeitsstaatlichen Kaiserreiches gegriffen. Anders als heute gab es damals keine Grundrechte. Das Schulverhältnis war mit voller Absicht nicht rechtsstaatlich geprägt. Demzufolge konnten auch die Kultusminister ohne gesetzliche Bindung auf dem Erlaßwege Schulpolitik betreiben. Allerdings hat der Staat die Rechtschreibung, abgesehen von Hitlers nicht zur Durchsetzung gekommener Rechtschreibreform aus dem Jahre 1944, noch nie Schreibweisen geregelt. Tatsächlich wurde unsere Rechtschreibung durch die Arbeit von Schriftstellern und Sprachwissenschaftlern geprägt. Im wesentlichen entspricht die heutige Rechtschreibung dem Schreibgebrauch von vor 200 Jahren, der maßgeblich - ohne staatlichen Einfluß (!) - durch den Sprachwissenschaftler Johann Christoph Adelung (1732 - 1806) bewirkt wurde. 1880 erschien das „Vollständige orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache“ des Gymnasiallehrers Konrad Duden. Der Staat hat immer nur gesellschaftliche Entwicklungen gefördert - so durch die Einberufung der ersten Orthographischen Konferenz von 1876, die aber letztlich scheiterte - oder Schreibungen verbindlich gemacht wie 1901, aber nie selbst Regeln entwerfen lassen. Auch 1955 wurde durch die KMK-Entscheidung die Rechtschreibung nur insoweit „geregelt“, daß die Schulen sich nach dem Duden zu richten hätten. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bedeutet demnach einen Rückschritt in eine längst überwunden geglaubte Zeit.
3. Die Schule wirkt notwendig nach außen und beeinflußt Verhaltensweisen des Einzelnen. Zielsetzungen und Werte, die in der Schule vermittelt werden, strahlen stets in den außerschulischen Bereich aus. (S. 41)
Kommentar: Demgegenüber hat das VG Berlin in seinem Urteil vom 14.11.1997 festgestellt, daß die Schule die Schüler mit den in der Gesellschaft akzeptierten und verbreiteten Schreibweisen vertraut machen soll. Mit der Einführung der Rechtschreibreform werden die traditionellen Ziele des Rechtschreibunterrichts ins Gegenteil verkehrt, da die Schule nun zur Initiatorin einer veränderten Rechtschreibung in der Allgemeinheit wird.
4. Das Erfordernis eines hohen Maßes an einheitlicher Schreibung bedeutet nicht notwendig Übereinstimmung in allen Einzelheiten. (S. 43)
Kommentar: War nicht eine Angleichung der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum das erklärte Ziel der Rechtschreibreformer? Weshalb hat man am 1.7.1996 die Wiener Absichtserklärung unterschrieben, wenn es nun nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausreicht, daß eine schriftliche Verständigung im gemeinsamen Sprachraum weiterhin stattfinden kann, wenn es jetzt sogar nicht mehr darauf ankommt, daß alle Bundesländer nach der gleichen Regelung verfahren. Vor der Reform hatten wir die Einheitlichkeit. Wozu dann die Rechtschreibreform? Hier hat das höchste deutsche Gericht ein peinliches Eigentor erzielt!
5. Das Erlernen der Rechtschreibung wird leichter. Das Ziel der Reform ist, das Erlernen richtigen Schreibens durch Vereinfachung der Rechtschreibregeln und Schreibweisen zu erleichtern. (S. 48, 53, f., 56, f.)
Kommentar: Woher wollen das die Verfassungsrichter wissen? Hunderte von Sprachwissenschaftlern sind da völlig anderer Meinung! Tatsächlich machen die Schüler nun noch mehr Fehler, da neue Fehlerquellen entstanden sind, wie die bundesweite Lehrerinitiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ nachgewiesen hat. Auch die Lehrer beherrschen die Reform nicht und streichen viel zuwenig Fehler an. Bezeichnend ist, daß die Verfassungsrichter der Annahme (S. 53) bzw. der Einschätzung (S. 57, oben) der Kultusverwaltung eines Bundeslandes folgen und die Ansicht von Experten wie die der Professoren Ickler oder Munske einfach ignorieren. Tatsächlich wurde das Regelwerk nicht „abgespeckt“, sondern es ist sogar um etwa 35% umfangreicher als das alte. Zwar wurde die Anzahl der Regeln von 212 auf 112 verringert, dafür enthalten diese Regeln nun aber über 1100 Anwendungsbestimmungen und 105 Wortlisten. Tatsächlich ist das neue Regelwerk so widersprüchlich und unlogisch, daß Lehrer, Schüler oder Sekretärinnen viel häufiger als bisher im Wörterbuch nachschlagen müssen. Man fragt sich nur, in welchem, da allein zwischen dem Duden und dem Bertelsmann annähernd 8000 Unterschiede bestehen. Nach welchem Wörterbuch sollen Lehrer korrigieren, da der Duden nicht mehr maßgebend ist? Ist es eine Erleichterung, wenn die Schüler nun „hoch begabt“, aber „hochgebildet“ oder wenn sie „todfeind sein“, aber „Spinnefeind sein“ lernen müssen? Schüler fragen, weshalb sie „groß“, aber „Gras“ schreiben sollen, obwohl man nach der Neuregelung auf einen langen Vokal ein „ß“ schreibt.
6. Die Tatsache, daß eine Frage (hier: die Rechtschreibreform; der Bearbeiter) politisch umstritten ist, führt dagegen für sich genommen nicht dazu, daß diese als wesentlich verstanden werden müßte. (S. 45)
Kommentar: Sicher ist die Rechtschreibreform in der Politik stark umstritten. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ist wie die Schulsenatorin Ingrid Stahmer dafür, sein Parteifreund, der Berliner Bundestagsabgeordnete Prof. Rupert Scholz, ist dagegen. Man hat die Einführung der Reform nicht ohne Grund über einen Verwaltungserlaß vorgenommen. Man wollte die Parlamente umgehen. Sprachwissenschaftlich gesehen steht dagegen seit langem fest, daß die Rechtschreibreform völlig unsinnig und verwirrend ist, und daß die Zahl der Rechtschreibfehler nicht abnehmen wird. Zu Recht hat Prof. Eisenberg festgestellt, diese Reform gehört auf den Müll !
Eigenartig ist, daß das Bundesverfassungsgericht zwar die Einführung des Sexualkundeunterrichts für „wesentlich“ hält, aber nicht die Änderung der Rechtschreibung. Nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten „Wesentlichkeitstheorie“ muß das Parlament grundlegende Wertentscheidungen selbst treffen und darf diese nicht der Verwaltung zur Regelung überlassen. Wenn man der Argumentation der Kultusminister folgt, wonach der Umfang der Neuregelung verhältnismäßig gering sei, dann ist es kein Wunder, daß die Verfassungsrichter die Rechtschreibreform nicht als bildungs- und schulpolitisch von allgemeiner Bedeutung ansehen.
7. Rechtschreibunterweisung ist nicht in erster Linie eine Sache der Eltern. (S. 46)
Kommentar: Zwar steht gemäß Art. 7 Abs. 1 GG das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates, die häusliche Erziehung im Lesen und Schreiben hat jedoch in Deutschland eine lange Tradition. Dies war sogar im preußischen Allgemeinen Landrecht in § 7 Teil II Titel 12 ALR normiert, wo es hieß, es stehe den Eltern frei, „den Unterricht und die Erziehung der Kinder auch in ihren Häusern zu besorgen.“ Der Rechtschreibunterricht ist also ein uraltes elterliches Recht! Erst nach dem 1. Weltkrieg wurde überhaupt eine Schulbesuchspflicht gemäß Art. 145 der Weimarer Reichsverfassung eingeführt. Im Bonner Grundgesetz heißt es in Art. 6 Abs. 2 Satz 1, „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ In mehreren Entscheidungen haben die höchsten deutschen Gerichte festgelegt, daß schulischer Unterricht und elterliche Erziehung gleichgeordnet seien. Eltern haben in der Schule ein Mitbestimmungsrecht. Eltern haben das Recht, die Wahl der Fremdsprache ihrer Kinder zu treffen. Es mag zwar sein, daß die direkte Unterrichtung in der Rechtschreibung heutzutage in der Schule erfolgt, aber angesichts des in diesen Zeiten beklagten geringen Kenntnisstandes von Schulabgängern ist es insbesondere wegen der Lehrstellenknappheit nötiger denn je, daß Eltern ihren Kindern beim Schreiberwerb helfen. Durch die Einführung der Rechtschreibreform wird dieses Recht den Eltern stark erschwert, wenn nicht sogar genommen. Nun werden Eltern in ihrem Erziehungsrecht von sieben Verfassungsrichtern durch Rechtsschöpfung entmündigt. Wollte man nicht aus den im „Dritten Reich“ gemachten Erfahrungen lernen?
8. Die elterliche Autorität leidet nicht unter der Rechtschreibreform, da die Eltern mit der Fortentwicklung des Unterrichts sowieso nicht Schritt halten können. (S. 50)
Kommentar: Woher wissen das die Verfassungsrichter? Tatsache ist doch, daß Dreiviertel der heutigen Abiturienten im Gegensatz zu denen vor dreißig Jahren die deutsche Rechtschreibung schlechter beherrschen, denn sie machen doppelt so viele Fehler. Abiturienten wissen auch nicht, daß Konstanz am Bodensee liegt oder wer Friedrich Schiller war. Solche Wissenslücken bei Abiturienten lassen nicht gerade auf eine Fortentwicklung des Unterrichts schließen. Wenn Kinder in Zukunft eine andere Rechtschreibung lernen, dann werden sie ihre Eltern bald darüber belehren, daß diese „falsch“ schreiben. Bisher konnten einigermaßen gebildete Eltern ihren Kindern zumindest im Grundschulbereich bei fast allen Fragen helfen. Nunmehr müssen sie selbst im Wörterbuch nachschauen, wie manche Wörter geschrieben werden. Wenn Eltern aber keinen Wissensvorsprung mehr haben und wieder zu Lernenden werden, dann leidet darunter auch ihre erzieherische Autorität, das weiß man, nur die Verfassungsrichter wissen es nicht oder wollen es nicht wissen.
9. Zu den gesetzlichen Zielen des Grundschulunterrichts gehört die Unterweisung im richtigen Schreiben. Daran ändert sich durch die Rechtschreibreform nichts. (S. 51)
Kommentar: Was ist denn „richtiges Schreiben“? Wie die Eltern schreiben, wie es die Kultusminister anordnen, oder wie es in den Zeitungen gedruckt ist? Wenn die Schreibung „Rad fahren“ gestern falsch war, kann sie dann heute richtig sein? Kann man Schülern im Deutschunterricht das Schreiben der Konjunktion „daß“ als Fehler anstreichen, wenn diese Schüler auch in Zukunft im Unterricht in Geschichten von Günter Grass oder Walter Kempowski weiterhin „daß“ lesen? Wie sollen Schüler ein sicheres Rechtschreibgefühl ausbilden, wenn sie ihre gesamte Schulzeit hindurch mit zwei verschiedenen Rechtschreibungen konfrontiert werden?
10. Die Änderungen, die die Rechtschreibreform bewirkt, sind im Umfang verhältnismäßig gering. Die Reform betrifft qualitativ, abgesehen von der Änderung der bisherigen „ß“-Schreibung, nur 0,5 vom Hundert des Wortschatzes. (S. 48)
Kommentar: Es ist kaum anzunehmen, daß die Verfassungsrichter die im Duden rot hervorgehobenen Änderungen durchgezählt haben. Aber Bundespräsident Herzog hat dies offenbar getan.
Am 16.7.1998 meldet die Tageszeitung „Die Welt“, daß Herzog vorgetragen hat, es änderten sich etwa 18.000 Wörter, darunter seien 17.000, die bisher mit einem „ß“ geschrieben worden seien. Kann man dies als „verhältnismäßig gering“ bezeichnen? Bundespräsident Herzog hat zudem noch übersehen, daß noch etwa 1500 Wörter der Schriftsprache durch die Reform einfach gestrichen werden - Wörter wie „alleinstehend“, „allgemeinbildend“ oder „wohlbegründet“. Allein beim Buchstaben „A“ fallen künftig 108 Wörter weg. Übrigens: Im Duden sind etwa 115.000 Stichwörter aufgeführt. Bei etwa 20.000 Änderungen ergibt dies 17 vom Hundert des Wortschatzes.
11. Das geltende Schulrecht stellt eine ausreichende Grundlage für die Umsetzung der Rechtschreibreform an den Schulen dar. (S. 43, f.) Jedenfalls für eine Reform dieses Zuschnitts reichen die Paragraphen des Schulgesetzes zur Umsetzung im Bereich der Grundschulen aus. (S. 51)
Kommentar: Wer nun in den Schulgesetzen der einzelnen Bundesländer nach einer solchen „ausreichenden Grundlage“ sucht, wird sich vergeblich mühen. Das Bundesverfassungsgericht erkennt im schleswig-holsteinischen Schulgesetz eine solche Grundlage in der Leerformel „ ... die Grundschule vermittelt ... Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten ...“. (S. 44) Darauf würde nicht jeder kommen! Nicht einmal jeder Jurist! Was hat denn auch die Vermittlung von Grundkenntnissen mit der Änderung der Schreibungen von etwa 20.000 Wörtern zu tun? Auch im Berliner Schulgesetz würde sich danach eine solche Grundlage ohne Schwierigkeiten finden lassen. Vermutlich würde hier die „verwaschene Generalklausel“ (H.-U. Evers) des § 1 BerlSchulG, „Aufgabe der Schule ist es, ... ihnen (Kindern und Jugendlichen, G. H.) gründliches Wissen ... zu vermitteln“, herhalten müssen. Denn im Berliner Schulgesetz ist außer dem Sexualkundeunterricht (§ 22) und der Möglichkeit, ab der 5. Klasse zwischen den vier Fremdsprachen Englisch, Französisch, Latein und Russisch zu wählen (§ 28), nichts betreffend der Grundschulunterrichtsinhalte geregelt.
Mit diesem Urteil wirft das Bundesverfassungsgericht seine eigene Rechtsprechung über den Haufen. In der Vergangenheit hatte das höchste deutsche Gericht mehrfach den Gesetzgeber angemahnt, seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Ausgestaltung des Schulverhältnisses nachzukommen. In einem Beschluß aus dem Jahre 1981 heißt es sogar, daß im Schulwesen rechtsstaatliche Entwicklungen die durch das Grundgesetz schon 1949 geboten waren, nachgeholt werden müßten, (BVerfGE 58, 257). Aber mit Prof. Hans-Jürgen Papier hat sich dies, wie man sieht, geändert. Urplötzlich sind überall ausreichende Grundlagen vorhanden.
Dr. Norbert Niehues, der Vorsitzende Richter des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, welcher über die Revision im Berliner Rechtsstreit über die Rechtschreibreform entscheiden wird, vertritt die Auffassung, daß der Gesetzgeber sich unter Umständen eine nähere Beschreibung des Grundschulunterrichts sparen könne, solange ein allgemeiner Konsens darüber besteht, was in der Grundschule im allgemeinen gelehrt und gelernt wird. (Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, S. 189, f.
Legt man diese Auffassung zu Grunde, dann besteht nach allen Umfragen (zuletzt im FOCUS 30/1998, wonach 84% der Deutschen gegen die Rechtschreibreform sind) kein Konsens über die Neuregelung der Rechtschreibung. Man kann sich vorstellen, wie das Bundesverwaltungsgericht entschieden hätte. Leider ist es nun an den § 31 Abs. 1 BundesVerfGerichtsG gebunden.
12. Sachkompetenz und Nähe zur schulischen Praxis qualifiziert die Kultusverwaltungen für die Entscheidung über Notwendigkeit, Inhalt, Ausmaß und Zeitpunkt einer Rechtschreibreform besonders. Für die Beantwortung von ... sprachwissenschaftlichen ... Fragen erscheinen die zuständigen Fachverwaltungen besser ausgerüstet als die Landesparlamente. (S. 51, f. )
Kommentar: Sind denn Abgeordnete Dummköpfe? Sind sie nicht in der Lage, sich sachkundig zu machen? Müßte die Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes nicht auch für wirtschaftliche oder innenpolitische Fragen gelten, insbesondere bei der Bekämpfung der Kriminalität? Denkbar ist eher, daß manch einer in der Schulbürokratie aus ideologischen Gründen und den kaum noch zu bewältigen Schulproblemen den Blick für die Realität verliert. Wenn man an die Schulpolitik des Landesschulamtes Berlin und der Schulsenatorin Ingrid Stahmer denkt, kommt man jedenfalls zu anderen Ergebnissen als die Verfassungsrichter.
Hier untergräbt das Bundesverfassungsgericht das Prinzip der Gewaltenteilung und des Parlamentsvorbehalts, indem es einer angeblichen Fachkompetenz der Exekutive den Vorrang gibt, wonach die Kultusminister und ihre Behörden fachlich besser geeignet seien als beispielsweise 580 Sprachprofessoren.
13. Personen außerhalb des Schulbereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und danach zu schreiben. Ein gesellschaftlicher Ansehensverlust beim Festhalten an den überkommenden Schreibweisen ist nicht erkennbar. (S. 59, f.)
Kommentar: Gilt dies auch für Beamte und Verwaltungsangestellte? Werden Schüler nicht benachteiligt, wenn sie die neuen Schreibweisen lernen, die Allgemeinheit aber weiter die alten verwendet? Was geschieht, wenn bei der Ausbildung die alten Schreibweisen weiter vorausgesetzt werden? Auf Grund der massiven Proteste in der Bevölkerung ist sogar damit zu rechnen! Junge Menschen würden von Berufszweigen, die gute Orthographie-Kenntnisse voraussetzen, ausgeschlossen bleiben. Wer kann es sich noch leisten, Rechtsanwaltsgehilfinnen auszubilden, wenn die Gerichte nicht auf das Neuschreib umstellen? Es ist seltsam, daß sich das höchste deutsche Gericht nicht mit dieser Frage auseinandergesetzt hat!!! Auch in dem Fall, daß sich die neuen Schreibweisen durchsetzen, stellt sich die Frage, woher die Verfassungsrichter denn wissen wollen, daß man sich nicht blamiert, wenn man an den alten Schreibweisen und Kommaregeln festhält? Eine Begründung sind sie schuldig geblieben.
Fazit: Das Bundesverfassungsgericht übernimmt einseitig die Ansichten der Kultusminister und einer Handvoll Berufsreformer und verkündet sie als eigene Meinungen, ohne diese nachvollziehbar zu begründen und ohne die Argumente der Kritiker, insbesondere der Sprachwissenschaftler, auch nur ansatzweise zu berücksichtigen. Kurzum: Hier hatte wohl Justitia ihre Augenbinde verlegt!?
Wurde hier ein Urteil zugunsten eines händlerischen Unternehmertums und gegen ein traditionsbewußtes Volkswollen gefällt?
Berlin-Spandau, am 19. Juli und am 16. August 1998
Gernot Holstein
http://home.snafu.de/juergen.brinkmann/thesen.htm |
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Ulrich Brosinsky
Registriert seit: 09.08.2004 Beiträge: 155 Wohnort: Weinstadt
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: Donnerstag, 15. Dez. 2005 04:55 Titel: Neue Juristische Wochenschrift (49/2005) - Besprechung FDS |
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Forschungsgruppe Deutsche Sprache e. V.
13. 12. 2005
Juristen zur Rechtschreibreform
In zwei Beiträgen bilanziert das führende Fachorgan Neue Juristische Wochenschrift (49/2005) die Rechtsprechung zur Rechtschreibreform. Beide Autoren kommen trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte zu weitgehend deckungsgleichen Schlußfolgerungen. Sie zeigen auf, warum in der Schule nicht allein die reformierte Rechtschreibung unterrichtet werden sollte.
Dr. Wolfgang Kopke, Arbeitsrichter und Autor der Arbeit Rechtschreibreform und Verfassungsrecht (1995), kommentiert die jüngsten Beschlüsse des OVG Lüneburg. Er ergreift die Gelegenheit, »die dürftige Argumentation«, welche dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1998 zugrunde lag, noch einmal zu resümieren. Mit Blick auf die auffällige Eile, mit der die Karlsruher Richter seinerzeit eine eigene Entscheidung verkündeten, urteilt Kopke, es sei ihnen ersichtlich »nicht um unbefangene Rechtsfindung« gegangen, sondern darum, »der KMK beizuspringen«:
»Während das BVerfG ansonsten nicht müde wird, unter Hinweis auf seine Überlastung die Rechtsuchenden aufzufordern, zuerst die Fachgerichtsbarkeit zu bemühen, hatte man es hier ganz eilig, dem BVerwG zuvorzukommen. Denn hätte dieses in Fortsetzung seiner bisherigen Schulrechtsprechung das wohlbegründete Urteil des VG Berlin bestätigt, wäre die Reform erledigt gewesen, da die Senatsverwaltung hiergegen nicht vor das BVerfG hätte ziehen können und die Verfassungsbeschwerde dann schon vor einer mündlichen Verhandlung des BVerfG zurückgenommen worden wäre.«
Unabhängig von diesen Vorgängen habe das Karlsruher Urteil »nur eine begrenzte Reichweite«. Die Lüneburger Richter hätten richtig erkannt, daß ihm »keine Bindungswirkung hinsichtlich der Auslegung von Landesrecht zukommt«. Außerdem beruhe das Urteil von 1998 auf Annahmen, »die zwischenzeitlich widerlegt sind, nämlich den jeweiligen Prognosen der Kultusminister, die Reform erleichtere den Rechtschreibunterricht und werde sich auch außerhalb der Schule allgemein durchsetzen«. Die Akzeptanz der Reform sei weiterhin zweifelhaft, wie Repräsentativumfragen ebenso wie der fortwährende Widerstand namhafter Schriftsteller und bedeutender Pressehäuser zeigten. Kopke verweist zudem auf die Zwangsmittel, mit denen seit 1998 die Verwendung der amtlichen Schreibung vorangetrieben wurde: »[W]o die neue Schreibung verwendet wird, ist dies häufig auf eine Lektoratsentscheidung zurückzuführen, welcher sich der Autor (so auch hier) beugen muss«.
Von politischer Seite gehe es inzwischen »offensichtlich nur noch darum, aus falsch verstandener Staatsraison das Eingeständnis eines Fehlers zu vermeiden«. Von den Kultusministern werde kaum mehr zur Sache argumentiert, sondern nur darauf abgehoben, daß ein Aufgeben der Reform »untragbare Kosten verursache und den Schülern nicht zuzumuten sei«. Eine fortgesetzte »Verunsicherung« sei aber auch mit den Revisionsbemühungen verbunden, die von der Zwischenstaatlichen Kommission begonnen wurden und gegenwärtig vom Rat für deutsche Rechtschreibung fortgesetzt werden.
Das Lüneburger Gericht habe zwar »einen Anspruch der Schüler bejaht, (auch) in der herkömmlichen Schreibung unterwiesen zu werden«, andererseits aber keinen »vollstreckbare[n] Titel geschaffen«, indem es einen Antrag der Klägerin auf einstweilige Anordnung abwies. Dennoch, so Kopke, sei das Land Niedersachsen »gehalten, den vom höchsten für die Auslegung des Schulgesetzes zuständigen Gericht festgestellten Anspruch der Schülerin zu erfüllen «. Dies auch im eigenen Interesse, da es andernfalls »zu unnötigen weiteren und (zumindest im Hauptsacheverfahren) für das Land kostenträchtigen Klagen« kommen könne. In jedem Fall seien die Länder »dauerhaft verpflichtet, beide Schreibweisen zu lehren«, wenn auch die herkömmliche weiterhin außerhalb der Schulen üblich bleibe. Für den Fall einer Rücknahme der Reform gelte weiterhin der Leitsatz eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 20. 7. 1999: »Es besteht kein Anspruch auf Unterrichtung nach den Regeln der Rechtschreibreform «.
Dr. Klaus Ferdinand Gärditz, Assistent an der Universität Bayreuth, zieht eine Bilanz nach »Zehn Jahren Rechtschreibreform«. Er erinnert an den Beschluß der KMK zur Durchführung der Reform vom 1. 12. 1995, welcher der Wiener Absichtserklärung vom 1. 7. 1996 voranging.
Gärditz gesteht, wie schon die Karlsruher Richter, dem Staat eine gewisse orthographische Regelungskompetenz zu und glaubt, daß die Rechtschreibung im Unterschied zur gesprochenen Sprache »zu einem maßgeblichen Teil Derivat des schulisch vermittelten Bildungsauftrags des Staates« sei. Andererseits stellt er fest, daß die von der Reform und ihrer sanktionsbewehrten Einführung betroffenen Schüler durchaus in ihren Grundrechten berührt seien: »Die Schreibfreiheit ist ein Ausdruck der auch sprachgeprägten Persönlichkeit des Schreibenden und wird daher dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts [. . .] zugeordnet.« Zugleich werde durch die Reform »mittelbar-faktisch« auch in das grundgesetzlich geschützte Erziehungsrecht der Eltern eingegriffen.
Hingegen verneint Gärditz einen aus der sog. Wesentlichkeitstheorie abgeleiteten Gesetzesvorbehalt. Die Reform gehöre in den »Bereich :technischer9 Fragen der Lehrplangestaltung und wertfreier Wissensvermittlung«. Ihre »objektiv geringe Intensität« spreche »gegen eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung von verfassungsrechtlicher Relevanz«. »Die Pflege der Rechtschreibung durch die Exekutive« sei daher »Ausdruck rationaler Entscheidungszuordnung«. Im Unterschied zu Kopke geht Gärditz also mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1998 konform.
Gärditz konzediert jedoch, daß »Sprache etwas Lebendiges« sei, das nicht beliebig dem staatlichen Zugriff unterliege: »Sprachformung bedarf als gesellschaftlich-kulturelles Phänomen auch eines Mindestmaßes an Akzeptanz in der Bevölkerung.« Aus dieser Prämisse ließe sich ableiten, daß die Reform nicht zu beanstanden sei, da sie (nach Auffassung ihrer Urheber) die Sprache selbst unberührt lasse und ihre Vorgaben auch außerhalb der staatlichen Sphäre mittlerweile in beachtlichem Maße befolgt würden. Im Gegenteil dringt aber Gärditz zur gleichen Einschätzung der Lage vor wie Kopke und die Lüneburger Richter.
Daß die herkömmliche Rechtschreibung voraussichtlich »zumindest für längere Zeit als bedeutendes kulturelles Phänomen erhalten bleiben« werde, bedeute für die Schule, daß sie sich der herrschenden »orthografischen Pluralität nicht vollständig entziehen« könne. In diesem Sinne deckt sich sein Résumé mit den Forderungen Kopkes:
»Es besteht ein Anspruch auf eine schulische Ausbildung, deren Inhalte nicht in einer bloßen Selbstbeschreibung verharren oder auf die :Amtlichkeit9 des vermittelten Wissens verweisen, sondern im Interesse eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Freiheit gerade diese gesellschaftlichen und kulturellen Kompetenzen vermitteln. [. . .] Auf das Phänomen Rechtschreibung bezogen bedeutet dies, dass sich das staatliche Schulwesen nicht auf eine reine Unterrichtung der neuen Schreibregeln zurückziehen darf, sondern zugleich flankierend auf die kulturelle Wirklichkeit fortbestehender paralleler Schreibweisen angemessen hinweisen muss.« |
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Ulrich Brosinsky
Registriert seit: 09.08.2004 Beiträge: 155 Wohnort: Weinstadt
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: Mittwoch, 31. Mai. 2006 13:31 Titel: Verfassungsbeschwerde nicht angenommen |
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Unter der Überschrift
Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die von der
Kultusministerkonferenz beschlossenen Rechtschreibregeln
begründet das Bundesverfassungsgericht in einer Pressemitteilung, warum die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wurde.
Daß die Verfassungsbeschwerde als unzulässig eingestuft werden würde, war zu erwarten, denn der Beschluß der Kultusministerkonferenz selbst hat keine unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen, sondern erst dessen Umsetzung in den einzelnen Bundesländern.
Noch einmal wird betont, daß Personen außerhalb von Schulen und staatlichen Behörden "rechtlich nicht gehalten sind, die reformierte Schreibung zu verwenden".
www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg06-042.html |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Sonntag, 03. Sep. 2006 22:40 Titel: DEMOKRATIE IN GEFAHR |
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DEMOKRATIE IN GEFAHR
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Tafel mit rotem Untergrund und weißer Schrift an einem Stahlmast vor dem Eingang der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Karlsruhe (Linkenheimer Landstraße / Ecke Bismarckstraße), 700 m vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entfernt, am 15. August 2006 fotografiert von RA Gerhard Hett.
Dieses Schild unterstreicht die Situation bei der Rechtschreibreform formal durch die provokativen beliebigen Trennungen mitten in den Wörtern. Inhaltlich erinnert es an den Angriff der Kultusminister auf die geschriebene Sprache mit Rückendeckung durch die roten Roben, alle unfehlbar.
Platz der Grundrechte
Mit dem „Platz der Grundrechte“ des Künstlers Jochen Gerz unterstreicht die Stadt Karlsruhe ihre Bedeutung als deutsche „Hauptstadt des Rechts“. Auf dem zentralen „Platz der Grundrechte“ zwischen Schloßplatz und Zirkel und an 24 dezentralen Orten in der Stadt sind an Straßenschildern insgesamt 48 Aussagen von Repräsentanten und Bürgern zu Recht und Unrecht in den öffentlichen Raum gestellt.
Am 2. Oktober 2005 wurde der „Platz der Grundrechte“ eingeweiht, ein Kunstwerk von Jochen Gerz für den öffentlichen Raum, das unter Beteiligung von Rechtsprominenz, Politikern und der Bevölkerung in der Stadt der höchsten deutschen Gerichte entsteht. Der „Platz der Grundrechte“ - ursprünglich ein Geschenk zum 50jährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichts - soll ein sperriges Thema erlebbar machen: Was bedeuten Recht und Gerechtigkeit für den Einzelnen, was für unsere Demokratie? Die direkte Partizipation und Mitautorenschaft der Öffentlichkeit sind ein wesentliches Merkmal der Arbeiten von Jochen Gerz. Er lädt die Nutzer des öffentlichen Raums ein, diesen mit ihren Stimmen und Beiträgen als Kunst neu zu formulieren und so reale Demokratie herzustellen.
Die Banner mit Rechtszitaten wurden aus Anlaß der Veranstaltung DIE ERSTE NACHT. MIT KULTUR. MIT RECHT. KARLSRUHE angebracht und waren über mehrere Monate zu sehen. In: Karlsruhe: Kultur - Dezentrale Orte
http://www.karlsruhe.de/kultur/kulturprojekte/mitrechtkarlsruhe/platzdergrundrechte/dezentraleorte |
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Manfred Riebe
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: Montag, 11. Dez. 2006 09:56 Titel: Kein Vertrauensschutz |
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Kein Vertrauensschutz
Nach der Vertrauensrechtsprechung besteht kein geschütztes Vertrauen in den Bestand der Rechtsprechung. D.h. die Rechtslage kann sich durch neue Urteile täglich ändern. Das betrifft auch Urteile des Bundesverfassungsgerichtes. |
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