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zeta Gast
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: Sonntag, 31. Aug. 2003 10:46 Titel: Rächtschraiprefohrm |
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Mancher Unfug lässt sich nur noch mit viel Ironie ertragen. Die Rechtschreibreform gehört dazu.
Stefan Zotschew
Der Tee-nager
Der Tee-nager ist ein komischer Kauz. Es handelt sich dabei nicht um einen in der Sahara gestrandeten, verzweifelten Chinesen oder Japaner, der sein Lieblingsgetränk mangels Wasser in stark dehydrierter Form zu sich nimmt. Nein, der Tee-nager ist Deutscher. Ein sehr deutscher Deutscher übrigens: Das Wort "Teenager" muss nach der neuen Rechtschreibung auch auf diese Weise getrennt werden. Das verblüfft, ist doch mit dem "Teen-ager" ein Jugendlicher im Alter zwischen "thir-teen" und "nine-teen" gemeint. Manchmal kann Sprache auch logisch sein.
Das geht nun nicht mehr, besagt doch die neue Regel: "Steht in einfachen Wörtern zwischen Vokalbuchstaben ein einzelner Konsonantenbuchstabe, so kommt er bei der Trennung auf die neue Zeile. Stehen mehrere Konsonantenbuchstaben dazwischen, so kommt nur der letzte auf die neue Zeile." Das Ergebnis demonst-riert, wie konk-ret monst-rös diese Regel ist. Was das wohl für die Ausländerinteg-ration bedeutet? Man könnte vor Wut inf-rarot anlaufen.
Irgendwie erinnert der Tee-nager übrigens an den schönen Lapsus, den sich die "Financial Times" vor einigen Jahren geleistet hat, als sie den Namen der niederbayerischen Stadt Landshut am Zeilenende mit "Land-shut" trennte. Das war zwar falsch, aber was weiß man jenseits des Ärmelkanals, wo die Schreibweise so gar nichts mit dem gesprochen Wort zu tun hat – und wo man, Wunder über Wunder, davon auch gar nichts wissen will –, schon von den Rechtschreib- und Trennnöten (toll, drei "n") philologisch geschulter Rechtschreibkommissionsgermanen?
Derweil breitet sich in der neuen deutschen Orthografie (weiterhin mit "th", aber inzwischen ohne "ph") das Chaos aus. Frei nach dem Motto "Wissen ist Macht, Nichtwissen macht auch nichts" schreibt jeder so, wie er meint, dass es richtig sein könnte.
Besonders gelungen ist dabei der vorauseilende Gehorsam (oder ist es der "voraus eilende"?) beim "ß": Das ist bekanntlich teilweise abgeschafft worden. Um ganz sicher zu sein, ja nichts zu falsch zu machen, wird das esszet jetzt auch dort gemeuchelt, wo es eigentlich noch hingehört. Da kann man dann lesen, "dass Rotwein in Massen gesund ist." Das hört die Leber gern. Ausserdem ( auch falsch) ist es sowieso egal.
Genau das ist die Crux. Man ist verunsichert und weiß nicht genau, was richtig ist. Ganz vorsichtige Naturen haben deshalb eine schlauen Weg entdeckt, sich der Reform standhaft zu widersetzen: Wenn früher jemand einen Katarrh hatte und nichts im Portemonnaie, um sich Halspastillen zu kaufen, dann ging es ihm genau so schlecht wie jemandem, der heute mit einer Erkältung (statt Katarr) und einer leeren Geldbörse (statt Portmonee) herumläuft und die Klippen der Rechtschreibung auf diese Weise elegant umschifft.
Schade ist natürlich, dass die Reformguillotine (warum eigentlich nicht "Gijotiene", wenn Portmonee erlaubt ist?) manche Feinheiten geköpft hat. Meinem Wohnungsnachbarn zur Linken beispielsweise war ich früher "wohlbekannt", da wir uns häufiger trafen. Dem Nachbarn zur Rechten dagegen war ich "wohl bekannt", was ich nur vermuten kann, denn wir begegneten uns selten. Heute bin ich beiden wohl bekannt, obwohl sie mich nicht gleich gut kennen. Pech gehabt, Differenzierungsmöglichkeit wegrationalisiert.
Ein echtes Opfer der neuen Rechtschreibung ist die liebenswerte alte Dame von schräg gegenüber. Jeder im Haus weiß, dass sie hochbetagt und hoch verschuldet ist: Da man nicht höher als "hochbetagt" sein kann, sagt die Regel, werden beide Wörter zusammen geschrieben. Allerdings kann man höher als "hoch verschuldet" sein – was aus diesem Grund neuerdings getrennt geschrieben wird. Das sind Feinheiten, die muss sich erst einmal einer ausdenken!
Ein anderes, noch schwereres Schicksal hat die Bundesmarine erlitten. Einstmals hierzulande eine wichtige Teilstreitkraft, ist ihre Bedeutung reformbedingt hier zu Lande eher fragwürdig. Nichtschwimmerverein, nutzloser! Da heißt es kämpfen. Hier zu Lande, zu Wasser und in der Luft.
Als Nächstes wäre jetzt eigentlich die Groß- und Kleinschreibung dran. Quälen wir doch unsere Kinder nicht länger mit diesen elitären Schikanen. Wenn schon Reform, dann richtig. Bis auf Satzanfänge, Personennamen, geografische Bezeichnungen und ein paar weitere Ausnahmen, auf deren Definition sich eine hochkarätige (hoch karätige?) Kommission in spätestens siebzehn Jahren einigen wird, sollte alles klein geschrieben werden. Berichtet dann ein einsamer sozialdemokratischer Bundestagsabgeordneter nach Hause, er habe "in Berlin liebe genossen", ist das schön für ihn – so oder so. Ob und wie er das seiner Frau in Wanne-Eickel erklärt, bleibt sein Problem.
Der Physiker, Satiriker und Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg hat es schon im 18. Jahrhundert gewusst: "Der eine hat eine falsche Rechtschreibung und der andere eine rechte Falschschreibung."
Soviel zu diesem Thema. Hat noch irgend jemand eine Frage? Oder heißt es "so viel" und "irgendjemand"? Schluss jetzt, denn das Thema erschöpft jeden, der sich damit länger beschäftigt. Machen wir eine Pause und nehmen wir einen kleinen Imbiss zu uns. Zum Beispiel im Esssaal.
Stefan Zotschew (Copyright 2003) |
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Elke Philburn
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