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"Sprachliche Gleichberechtigung" Im Deutschen und

 
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GSchmickler
Gast





Beitrag: Sonntag, 01. Jun. 2003 22:39    Titel: "Sprachliche Gleichberechtigung" Im Deutschen und Antworten mit Zitat

Der kämpferische Feminismus benutzt im deutschen Sprachgebiet hauptsächlich ein aus 2 Buchstaben bestehendes Morphem, um der angeblichen Benachteiligung der Frau in der Grammatik entgegenzuwirken: das Anhängsel "-in", das Bezeichnungen für Berufe, Gruppen und Gattungen eindeutig als "weiblich" markiert. Meist begegnen uns die derart "feminisierten" Begriffe im Plural und in
Begleitung der "maskulinen" Grundform: Köchinnen und Köche, Lehrerinnen und Lehrer, Wählerinnen und Wähler. Mitunter steht unter Mißachtung der Höflichkeitsregel "Ladies first" die männliche Form an erster Stelle: Kollegen und Kolleginnen, Bürger und Bürgerinnen, Autofahrer und Autofahrerinnen.
Im Englischen gibt es nur wenige Wörter, bei denen auf so bequeme Weise die "geschlechtliche Eindeutigkeit" hergestellt werden kann, z. B. tailor/tailoress (Schneiderin), actor/actress (Schauspielerin), lion/lioness (Löwin). Einem Wort wie "teacher" (Lehrer) kann man notfalls "lady" oder "female" voranstellen, wenn man verdeutlichen will, daß nicht von einem männlichen Vertreter seines Berufsstandes, sondern von einer Dame die Rede ist. Allerdings habe ich noch nie gehört, daß ein englischer Politiker oder Gewerkschaftsfunktionär dauernd von "tailoresses and tailors" oder gar von "lady teachers and teachers" spräche.
Außerdem kennt das Englische keinen generischen Unterschied bei den Artikeln: "the" steht gleichermaßen für "der", "die" oder "das", "a/an" für "ein" (männl./sächl.) und "eine" (weibl.).
Aus diesen Gründen war ich lange Zeit der irrigen Meinung, daß die "grammatische Diskriminierung der Frau" im Englischen keine so große Rolle spielen könne wie im Deutschen. Ein Artikel in David Crystals "Encyclopedia of Language" belehrte mich eines Besseren: Gerade die englische Sprache geriet wegen ihrer angeblich "männerorientierten Sicht der Dinge" ins Kreuzfeuer der Kritik, vor allem seitens der frühen amerikanischen Frauenbewegung. Stein des Anstoßes sind vor allem die persönlichen und die besitzanzeigenden Fürwörter in der 3. Person singularis, für die es im Englischen 3 Genera (he, she, it bzw. his, her its) gibt, so daß - wie im Deutschen - das grammatische mit dem natürlichen (realen) Geschlecht kollidieren kann. Crystal illustriert dies an einem Beispiel: "If anyone wants a copy, he can have one." Unerhört, wenn nun gerade eine Frau die Kopie haben möchte!
Ein weiteres "Handicap" des Englischen ist das Fehlen eines eigenen Wortes für "Mensch". "Man" bedeutet sowohl "Mann" als auch "Mensch". Crystal erwähnt, daß in den USA die Rechtsgültigkeit eines Urteils wegen der Anwendung des Ausdrucks "a reasonable man" (ein vernünftiger Mensch) auf eine Frau angefochten wurde.
Grundsätzlich sympathisiert Crystal mit der Kritik der Frauenbewegung am "sexistischen Sprachgebrauch". Argumente wie "Das maskuline Pronomen schließt das weibliche mit ein" bezeichnet er als Schutzbehauptungen. Er begrüßt es, daß "Institutionen, Schriftsteller und Redakteure sich bewußt bmühen, Unausgewogenheiten zu beseitigen". Eine 1984 in den USA durchgeführte Untersuchung habe sich mit der Verwendung des Wortes "man" und seiner Zusammensetzungen sowie der Verwendung des Pronomens "he" und seiner flektierten Formen befaßt. In amerikanischen Texten, so das Ergebnis, sei von 1971 bis 1979 die Gebrauchshäufigkeit dieser Formen von 12,3 pro 5000 Wörter auf 4,3 pro 5000 Wörter gesunken. Leider kann Crystal nicht erklären, durch welche sprachliche Konstruktionen die Autoren diese Verringerung bewerkstelligt haben.
Nicht ernst genommen wurden jedenfalls die Vorschläge, ein künstliches geschlechtsneutrales Pronomen einzuführen. U. a. standen "hesh" (Kombination von "he" und "she"), "xe" und "po" zur Debatte. Crystal räumt ein, daß die öffentliche Meinung sich möglicherweise gegen extreme Standpunkte, die manche Kritikerinnen des "sexistischen Sprachgebrauchs" einnehmen, wenden könnte.
Die deutsche Sprache bietet den Feministinnen deutlich mehr Angriffssflächen als die englische. Durch die Artikel "der", "die" und "das" bzw. "ein", "eine", "ein" und ihre flektierten Formen kommt es auf Schritt und Tritt zu Konflikten zwischen grammatischem und realem Geschlecht. Im Unterschied zum Englischen verfügt das Deutsche über das Wort "Mensch", mit dem ein Mann, eine Frau oder ein Kind gemeint sein kann, dem aber der "Makel" des generischen Maskulinums anhängt. In einer früheren Form des Deutschen schloß "Mann" allerdings auch die Bedeutung "Mensch" ein. Diese Bedeutungsüberschneidung ist allen indogermanischen Sprachen gemein und besteht meist bis heute fort: lat. "homo", franz. "homme", ital. "uomo", altgriechisch "anthropos", walisisch "dyn"- all diese
wörter bedeuten "Mann", können aber -zumal im Plural- in der Bedeutung
"Mensch" auch weibliche Personen einschließen. Selbst in der türkischen Sprache, die nicht zur indogermanischen Familie gehört, steht das Wort "adam" für "Mann" und für "Mensch". Im Deutschen lebt die alte Doppelbedeutung in einigen Pronomina fort: man, jedermann, jemand, niemand. "Jedermann" bedeutet nichts anderes als "alle Menschen". Wenn der neue nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück bei seiner Vereidigung gelobte, "Gerechtigkeit gegenüber jedermann und jeder Frau" walten zu lassen, so wollte er damit der von ihm erwarteten "politival correctness" genugtun. Genaugenommen aber versprach er, seine Gerechtigkeit nicht nur auf Menschen, sondern sogar auf Frauen anzuwenden. Aber so war´s wohl nicht gemeint!
Der sprachliche Fauxpas des Herrn Ministerpräsidenten steht allerdings für zahlreiche ähnliche Versuche, die deutsche Sprache gewaltsam im Sinne des kämpferischen Feminismus zurechtzubiegen. Oft gehörte Redewendungen wie "Frau tut das nicht" oder "Man oder frau sagt das nicht so" haben indes kaum eine Chance, von der Sprachgemeinschaft akzeptiert zu werden. Sie sind so albern wie die in Amerika vorgeschlagenen künstlichen Pronomina.
So verbleibt den Feministinnen und ihren männlichen Anhängern als wirksamste Waffe in ihrem Kampf gegen die angebliche Dominanz der Männlichkeit in der deutschen Sprache das Weiblichkeitsmorphem "-in". Allerdings wird auch diese Waffe durch allzu ausgiebigen Gebrauch stumpf. Spätestens beim zehnten "Genossinnen und Genossen" oder "Kolleginnen und Kollegen" beginnen die Zuhörerinnen und Zuhörer bzw. Leserinnen und Leser zu gähnen oder zu feixen. In letzter Zeit hört man oft eine vernuschelte Form des politisch korrekten Ausdrucks: BürgerinnnBürger, WählerinnnWähler, KanditatinnnKandidaten.
In schriftlichen Ausführungen wird häufig ein Komprmiß gesucht zwischen den Anforderungen des Stils und der Lesbarkeit einerseits und der "political correctness" anderseits. Ein Leserbriefschreiber schreibt z. B. im Bonner General-Anzeiger von "Bürgerinnen und Bürgern", aber im nächsten Halbsatz nur von "den Kölnern", sodann von "Verbraucherinnen und Verbrauchern" und in der folgenden Zeile von "Bonnern und Godesbergern". Die Frage ist, ob kämpferische Feministinnen sich mit solchen Halbheiten zufriedengeben.
Gar nicht im Sinne der Frauenbewegung dürfte es sein, auch die Bezeichnungen für solche Berufe und Gruppen zu verweiblichen, denen niemand gern angehören möchte. Dennoch hielt der Duden es für erforderlich, seinen Wortschatz z. B. um die "Querulantin" und die "Diabetikerin" anzureichern. Anderseits sucht man vergebens nach einer "Henkerin" oder einer "Bettnässerin". Ich weiß nun nicht, ob das Auslassen dieser Lemmata durch Taktgefühl oder durch Vergeßlichkeit begründet ist.
Besonders für Katholiken dürfte ein erstmals im Duden von 1996 auftauchendes Stichwort von besonderem Interesse sein. Kaum zu glauben, aber schwarz auf weiß nachzulesen: neben dem Papst eine "Päpstin"! Eine solche soll es wahrhaftig im 9. Jahrhundert einmal gegeben haben, nachdem es einer Frau gelungen war, die der Papstwahl vorangehende Geschlechtskontrolle zu überlisten. Der Duden sagt nun nicht, ob er mit seinem Stichwort diese legendäre Päpstin Johanna meint oder eine Päpstin in übertragenem Sinne, als anerkannte Autorität in einem Fachgebiet. Denkbar wäre beispielsweise eine "Literaturpäpstin". Die Frage ist, ob sich irgendeine Frau durch einen solchen Titel geehrt fühlen könnte. Das Wort "Päpstin" wird doch für alle Zeiten mit der Erinnerung an die ruchlose Johanna verbunden bleiben!
Mit meinen Argumenten und Beispielen hoffe ich verdeutlicht zu haben, wie leicht der Versuch, unsere gewachsene Sprache im Sinne einer Ideologie umzudeuten und zurechtzubiegen, ins Lächerliche abgleiten kann. Ich halte es zwar für legitim, etwas gegen Sprachkrankheiten zu unternehmen, möchte aber grundsätzlich so reden, "wie mir der Schnabel gewachsen ist". Zeitgenossen, die bei jedem Wort auf "politische Korrektheit" bedacht sind, kommen mir beinahe so vor, als redeten sie mit Plastikschnäbeln.
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