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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Mittwoch, 18. Feb. 2004 14:30 Titel: Kanak Sprak |
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<b>Kanak Sprak
„Voll krass, Alder“
Von Türkendeutsch über Kanak Sprak zu Kanakisch</b>
Wie lebt es sich als Kanake in Deutschland? Diese Frage bewegt und treibt die Interviews, die Feridun Zaimoglu in Kanak Sprak und dem Nachfolgeband Koppstoff zu provokanten Porträts von Kanakstern und Kanakstas, Männern und Frauen türkischer Abstammung vom 'Rande der Gesellschaft' verdichtet hat.
Feridun Zaimoglu: Kanak Sprak. Hamburg: rotbuch Verlag, 1995.
Die Netzseite des Buches findet sich unter http://rotbuch.de/autoren/zaimoglu.htm#absc.
„Türkendeutsch“ sagte man bis dato - und das hatte einen deutlich negativen Beigeschmack. Diese Zeiten sind vorbei. Heute spricht man von „Kanak Sprak“ oder „Kanakisch“ - wobei feine, aber entscheidende Unterschiede zu beachten sind. In Deutschland aufgewachsene türkischstämmige Jugendliche haben ihre eigene Sprache kreiert, die seit einigen Jahren durch Dragan und Alder, vor allem aber Feridun Zaimoglu den Weg in die breite Öffentlichkeit gefunden hat.
Das Buch „Kanak Sprak“ machte den ehemaligen Mannheimer Theaterdichter Feridun Zaimoglu Mitte der 1990er-Jahre zum Kultautor. Inzwischen folgten fünf weitere Arbeiten des 1964 im anatolischen Bolu geborenen, seit über 30 Jahren in Deutschland lebenden studierten Künstlers und Mediziners. Er ist „Gründer“ oder auch „spiritueller Leader“ der Initiative „Kanak Attack“ und hat die „Kanak Sprak“ unter (deutschen) Intellektuellen und Feuilletonisten populär gemacht.
http://www.isoplan.de/aid/2002-4/sprache.htm
Siehe auch:
* Kanak Sprak http://de.wikipedia.org/wiki/Kanak_Sprak
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Freitag, 28. Apr. 2006 16:40, insgesamt 3mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Mittwoch, 18. Feb. 2004 14:35 Titel: Kanak Sprak wird Alltags Sprak |
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<b>Was Problem
DER KAUDERWELSCH-KULT
Kanak Sprak wird Alltags Sprak</b>
Von Michael Braun
Für Sprachpuristen sind harte Zeiten angebrochen. Denn nach der „political correctness“ geht es nun der „linguistic correctness“ an den Kragen. Was an der Peripherie der großen Industriestaaten, in den ehemaligen Kolonien, längst Realität ist, hat nun auch das Zentrum, die Metropolen des Westens, eingeholt: Wir werden Ohrenzeugen einer Kreolisierung der Sprache, der Auflösung einer homogenen Sprachordnung in einem flukturierenden Sprachengemisch. Man braucht nur ein wenig die jugendlichen Kommunikationspraktiken auf Schulhöfen, an Imbissständen, in Diskotheken oder S-Bahnen zu belauschen, und man erhält einen sinnlichen Eindruck jener zwei dominanten Sprechstile, die zum führenden Jugend-Soziolekt aufgestiegen sind: Es triumphieren der Balkan-Slang und das gebrochene Türken-Deutsch. Jugendliche schlüpfen in die Rolle des „Ethno-Prolls“ (Feridun Zaimoglu) und bedienen sich des harten, proletkultischen Balkan-Slangs, jener Mixtur aus inszeniert monotonem Tonfall, verfremdeten Vokalen, rollendem „R“ und vereinfachtem Satzbau. Sie alle kultivieren in den schillerndsten Varianten einen grammatischen Anarchismus, der alle syntaktischen und semantischen Regeln aus den Angeln hebt.
Einst hatten besorgte Soziolinguisten das Problem der beschränkten Kommunikationsfähigkeit als zu überwindende Misere des Spätkapitalismus beschrieben. Kinder und Jugendliche der sogenannten Unterschicht bedauerte man als Sprecher eines „restringierten Codes“, deren verbale Deprivation als Haupthindernis beim sozialen Aufstieg galt. Heute hat das kommunikative Handeln im geradebrechten Ausländerdeutsch geradezu kultische Qualität. Längst wird der Slang nicht mehr nur von Ausländerjugendlichen oder Migranten der zweiten und dritten Generation gesprochen, sondern auch von deutschen Jugendlichen, die in parodistischer Absicht mit den Sprachcodes spielen und mit dem Imitieren bestimmter Tonfälle die Zugehörigkeit zu ihrer „peer group“ bekräftigen.
Die Schweizer Zweimonatsschrift Sprachspiegel hat kürzlich auf die bizarren Metamorphosen der Schweizer Jugendsprache aufmerksam gemacht. Der Kauderwelsch-Kult, das wird in dieser kleinen sprachethnologischen Studie zu helvetischen Phänomenen deutlich, hat sich schon längst auf den gesamten deutschsprachigen Raum ausgedehnt. Für die Popularisierung und alltagspraktische Weiterverbreitung von Balkan-Slang und türkendeutscher „Kanak Sprak“ sorgen Comedy Stars wie die Trash-Komiker Erkan & Stefan oder das virtuose Radebrech-Duo Mundstuhl mit seinen Akteuren Dragan und Alder, die allein aus der satirischen Aufbereitung des Sprachenmischmaschs ihre Pointen beziehen. Die Verständigungsfloskeln in gebrochenem Ausländerdeutsch zieren auch Autoheckscheiben: („Wo du wolle?“), oder werden zu rituellen Kommunikationszeichen in jugendlichen Szenen („Was bessahlen?“, „Was Problem, Mann?“). Was in der Schweiz als „Voll krass“-Slang herumgereicht wird („'sch voll krass, Mann, weisch!“), kann hierzulande auch noch vulgär-arabische Färbung annehmen, wie neulich in der Plakatwerbung eines Elektrogroßmarkts: „Gutt Preis Hammada!“ Sind das nun Zeichen einer spielerisch-lustvollen Sprachverwirrung oder aber Vorboten eines sprachlichen Autismus?
Glaubt man dem türkisch-deutschen Schriftsteller Feridun Zaimoglu, so erwartet uns mit der „Kanak Sprak“ eine Sprache der Rebellion, die sich über alle ethnisch begründeten Sprachbarrieren hinwegsetzt. Zaimoglu hat den affektgeladenen Diskurs der „Ethno-Prolls“ zu einer Kunstsprache ausgebaut, die sich aus dem ländlichen Türkisch der frühen Immigranten speist, das Allianzen eingeht mit amerikanischen Metropolenidiomen und dem Rotwelsch der kriminellen Diskotheken-Szene. „Wir tanzen alle den Jungle-Boogie“, so Zaimoglu, „ich schwirr durch die Kulturräume, die Bastarde sehen das gern, und so kommt man zusammen in der Liga der unbedingt Ausgestoßenen“. Auch wenn man den stolzen Optimismus und die kokette Rebellen-Geste eines Zaimoglu nicht teilt: Der Sprachendschungel, in den uns Balkan-Slang und „Kanak Sprak“ hineinlocken, wird weiter wuchern.
»Freitag«, die Ost-West-Wochenzeitung vom 26. Mai 2000
Verlag und Redaktion
Zeitungsverlag »Freitag« GmbH,
Potsdamer Straße 89, 10785 Berlin
Tel. (030) 25 00 87-0, Fax (030) 25 00 87-10
redaktion@freitag.de
http://www.freitag.de/2000/22/00221302.htm |
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Manfred Riebe
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