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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Dienstag, 17. Feb. 2004 16:27 Titel: Kölner Stadt-Anzeiger |
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<b>Kölner Stadt-Anzeiger
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Die Schrift ihrer Verlässlichkeit beraubt
Die Reform der Rechtschreibreform wird noch mehr Verwirrung stiften</b>
Schlecht gelaufen! So lassen die Ergebnisse der Rechtschreibreform sich hurtig zusammenfassen. Seit sie im Sommer 1998 in Kraft getreten ist, hat sie eine nur noch für Fachleute überschaubare Fülle von Änderungen erfahren. Immer mehr Regeln werden aufgeweicht zu Kann-Bestimmungen, so dass wir künftig etwa die Wahl zwischen „schwerwiegend“ und „schwer wiegend“ haben, was keineswegs dasselbe bedeutet. Immer weniger weiß der normale Schreibwillige, wie er schreiben soll. Vor allem viele ältere Menschen scheuen sich zu schreiben, weil sie fürchten, sich durch Fehler zu blamieren. Jetzt schlägt die „Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung“ wiederum Neuerungen vor, über die die Kultusministerkonferenz Anfang März beschließen wird. Solche Nachbesserungen werden gerne als Freiheit zur eigenen Entscheidung verkauft. Aber sie verwirren die Schreibenden. Übrigens auch die Lesenden: „Eis laufen“ ist nicht dasselbe wie früher „eislaufen“ in einem Wort, sondern eine sprachlich falsche Form.
„Aufschluss“ geben über „ein bestimmtes Wort“: Dies wollte der Gymnasialdirektor Konrad Duden, als er 1880 sein „Orthographisches Wörterbuch“ veröffentlichte. Die nächste Neuauflage des Rechtschreib-Dudens wird ein Buch des tausendfachen Entweder-oder und des „So, aber auch so“ sein. Das war vor der Reform anders. Die zwölf Sprachwissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben in langjähriger Arbeit das kostbare Instrument Schrift um seine Verlässlichkeit gebracht, sie haben es mit ihren Operationen verstimmt. Die vehemente Ablehnung der Grass, Lenz, Enzensberger und vieler anderer, auch jüngerer Schriftsteller von Rang kümmert sie nicht. Die Kommission verfügt, die Kultusminister nicken.
Sie werden im März das Übel noch verschlimmern. Dem Herrschaftsanspruch der Kommission, die von nun an allein über Reformen beschließen will, werden die Minister stattgeben, weil die Rechtschreibreform höchst unpopulär ist, weil sie spüren, dass sie sich die Finger verbrannt haben. Kultusminister, die an einem so zentralen kulturellen Thema derart scheitern, verlieren an Gewicht in der Politik - also weg damit. Nur nicht mehr kontrollieren, was ohnehin ins Kraut geschossen ist.
Die Kommission beruft sich darauf, die Reform habe „nachweislich spürbare Erleichterungen bei den Erstlernern gebracht“. Deshalb wird sie vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) unterstützt, dem vor allem Grundschullehrer angehören. Doch bei aller Achtung vor der Arbeit des Schreiben-Lehrens heute kann dies nicht den Eingriff in die Schreibsubstanz begründen, die ein wesentlicher Teil der Sprachsubstanz ist. Auch die „Erstlerner“ erleben die Verunsicherung der Erwachsenen, wenn sie in umfassendere Aufgaben beim Umgang mit Sprache hineinwachsen.
Mit dem Hinweis auf noch so wichtige Gruppeninteressen ist der Grundfehler der Reform nicht wegzudiskutieren: der Trugschluss, man könne Rechtschreibung, die sich allmählich aus nicht immer klaren Motiven entwickelt, also historisch gewachsen ist, über den Leisten irgendeiner Logik schlagen. Ein oft zitiertes Wort des Sprachmeisters Karl Kraus hätte als Warnung dienen können: „Ich bin nur einer von den Epigonen, die in dem alten Haus der Sprache wohnen.“
Rainer Hartmann
Kölner Stadt-Anzeiger vom 9. Februar 2004
www.rechtschreibreform.com/Perlen/KraftBank/KraftBank.pl?MonFeb1622:41:02CET2004
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Dienstag, 17. Feb. 2004 16:33 Titel: LESERBRIEFE |
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<b>LESERBRIEFE
Bei der Reform fehlt die Logik</b>
Zu: „Neue Reform für richtiges Schreiben“ (Ausg. vom 5. 2.).
Sie schreiben: „Orthographie soll leichter werden“. Wenn viele Varianten zugelassen werden, fällt manchem vielleicht das Schreiben leichter, insbesondere dann, wenn derjenige und auch seine Umgebung schlampig sprechen. Dann heißt es eben mal „gucken“ ein andermal „kucken“; und alles, was mit Schreiben oder Beschreiben zu tun hat, hieße willkürlich -graphie oder -grafie. Ich halte davon gar nichts. Zumindest das Lesen ginge langsamer; beim Erfassen der Worte wären das Stolperstellen. Zwar haben die gültigen Orthographien schlimme Verrenkungen, doch eine einheitliche Orthographie ist von so hohem Wert, dass ich mit der Äußerung von Konrad Duden zu seiner ersten „Deutschen Rechtschreibung“ sehr einverstanden bin. Er war mit etlichen Schreibweisen nicht einverstanden, nahm sie aber im Interesse der Einheitlichkeit in sein später Duden genanntes Werk auf. Reformen ja, aber in Richtung Logik und Einheitlichkeit! Sonst könnten wir z. B. bald lesen: „Gib 8 auf D1 Wesen und 8e nur U“ oder ähnlich individuell.
Klaus Krause, Köln-Deutz
Über viele Jahre haben Sprachwissenschaftler, Professoren und andere hochwichtige Persönlichkeiten an einer Rechtschreibreform herumgebastelt. Herausgekommen ist Schwachsinn, eine Schreibweise, die das Lesen von Texten missverständlicher und unübersichtlicher gemacht hat. Jetzt soll in einer weiteren Kommission, besetzt mit 12 Sprachwissenschaftlern, eine neue Reform für ganz richtiges Schreiben erarbeitet werden, damit die Orthographie noch leichter wird, jede Schreibweise noch als richtig gilt und kein Schüler mehr denken muss. Nur weiter so in Deutschland! So erzieht man sich den Nachwuchs für unsere Eliteuniversitäten.
Dr. Barbara Hennig, Leverkusen
Abgesehen davon, dass von Rechtschreibinnovation und nicht -reform zu sprechen wäre, scheint die dazu zwar nicht berufene, aber immerhin einberufene Verschlimmbesserungskommission immer mehr im eigenen Saft zu schmoren, wobei sie den Eindruck erweckt, als ob sie tätig wird, um ihre Daseinsberechtigung nachzuweisen. Es tut schon weh, wenn Experten, die unsere Rechtschreibregeln modernisieren, vereinfachen und entstauben wollen, sich holpriger Ausdrücke wie „Erstlerner“ bedienen. Und dass man Zusammen- oder Getrenntschreiben auch durch Betonen an passender Stelle begründet, ist nun wirklich nicht neu, hilft jedoch nur beim Diktat oder Protokoll über Verständigungshürden; beim gedruckten oder geschriebenen Wort hingegen ist man nach wie vor auf den Sinnzusammenhang und damit auf sprachlogisch abgestimmte Schreibweise angewiesen. Unsere heutigen, teilweise unnötig und - schlimmer noch - willkürlich erzeugten Schwierigkeiten hat der Philosoph Georg Christoph Lichtenberg vor mehr als 200 Jahren offensichtlich vorausgesehen. Er hat zwei sprachdynamische Hauptsätze aufgestellt, deren erster den Skeptikern der Reform weiterhilft und deren zweiter eher den Zynikern: „Es gibt eine wahre und eine förmliche Orthographie“ und „Der eine hat eine falsche Rechtschreibung und der andere eine rechte Falschschreibung“.
Robert und Karin Wiesner, Burscheid
Zu: „Die Schrift ihrer Verlässlichkeit beraubt“ von Rainer Hartmann (Ausgabe vom 9. 2.).
In Ihrem Artikel erklären Sie, dass vor allem viele ältere Menschen sich scheuen zu schreiben, weil sie fürchten, sich durch Fehler zu blamieren. Ich finde, die einzigen, die sich blamieren, sind diejenigen, die uns dieses unsägliche Dilemma, das nebenbei auch noch viel Geld kostet, aufgedrängt haben. Von Anfang an habe ich mich der Willkür der Reform widersetzt und werde auch zukünftig niemals einen einzigen Gedanken daran verschwenden, ob meine Schreibweise den gerade gültigen Regeln entspricht.
Ulrike Fort, Köln-Poll
Kölner Stadt-Anzeiger vom 17. Februar 2004
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