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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Sonntag, 08. Feb. 2004 20:59 Titel: Solinger Tageblatt |
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<b>Solinger Tageblatt
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Die endlose Rechtschreibreform
Kommission lässt die Orthographie erneut überarbeiten.
Der Lehrerverband fürchtet, dass Schulbücher dann wieder Makulatur sind</b>
Von Christoph Lumme
Düsseldorf/Berlin. Die deutsche Sprache bleibt eine Dauerbaustelle: Gestern stimmten die Kultusminister der Länder einem Vorschlagspapier der „Zwischenstaatlichen Kommission für Deutsche Rechtschreibung“ zu, das auf eine weitere Beseitigung von Ausnahmen abzielt. Betroffen sind nach diesem „vierten Kommissionsbericht“ in erster Linie die Getrennt- und Zusammenschreibung sowie das Groß- und Kleinschreiben von Worten. Die neue Rechtschreibung mit allen aktuellen Veränderungen soll wie geplant am 1. August 2005 verbindlich werden.
Während die Kommission von „Präzisierungen“ und „begrenzten Modifikationen“ sprach, kritisierten Reform-Gegner die bis zu 4000 Änderungen als planlos. Josef Kraus, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbandes, sagte unserer Zeitung: „Das schafft noch mehr Varianten, was die Verwirrung nur größer werden lässt.“ Durch die Reform der Reform müssten 2005 in den Schulen eigentlich neue Lehrbücher ausgegeben werden, dafür sei aber kein Geld vorhanden. „Die Leidtragenden der zunehmenden sprachlichen Beliebigkeit sind die Schüler“, betonte er.
Kraus forderte, alle aktuellen Vorhaben einzustellen und die bisherigen Auswirkungen der Reform statistisch zu untersuchen. Danach müsse ein „vorsichtiger Rückbau hin zu den alten Regeln“ erfolgen.
Heftige Kritik äußerte auch die FDP-Bildungsexpertin Ulrike Flach. Die Kommission spiele sich als „Wächterrat der Rechtschreibung“ auf. Es sei unzumutbar, „alle paar Jahre an der Schreibweise herumzupfuschen“. Sie widersprach der Auffassung der Kommission, durch die Änderungen seien keine Korrekturen in Wörterbüchern notwendig. „Insbesondere die Schulen brauchen klare Ausführungsbestimmungen“, sagte die FDP-Politikerin. Die Kommission müsse aufgelöst werden, ihre Aufgabe könne die Akademie für Sprache und Dichtung übernehmen.
Unklar blieb gestern, ob die Kommission künftig die alleinige Zuständigkeit für die Reform erhält. Bislang hat sie nur ein Vorschlagsrecht und ist auf das Einverständnis der Kultusminister angewiesen. Die Länder streben jedoch an, die weitere Diskussion um die Schreibregeln den zwölf Sprach-Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ganz zu überlassen.
Solinger Tageblatt vom 06.02.2004, S. 1
www.solingen-online.de/st-nachrichten/index.htm
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Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Montag, 09. Feb. 2004 23:30, insgesamt 1mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Sonntag, 08. Feb. 2004 21:16 Titel: Rechtschreib-Theater |
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<b>KOMMENTARE
Rechtschreib-Theater</b>
Von Christoph Lumme
Das Reform-Theater Deutschland setzt einen Klassiker neu auf den Spielplan: Es ist der vierte Akt der Rechtschreibreform, der jetzt auf die Bühne gebracht wird. Um es vorweg zu sagen: Es ist ein miserables Stück.
Die aktuelle Darbietung der Reform-Kommission handelt von tausenden Neuigkeiten. Viele davon beziehen sich direkt auf Regeln, die in den ersten drei Akten aufgestellt wurden. Sie werden zurückgenommen, relativiert, variiert. Bleibt zu fragen: Wieviel Theater verträgt die deutsche Sprache? Wird auf die Reform der Reform möglicherweise schon bald eine Reform der Reform der ursprünglichen Reform folgen? Das zunehmende Chaos zeigt, dass die Kommission längst gescheitert ist. Sie ist gescheitert an ihrer Dramaturgie, am Glauben, Orthographie lasse sich per Erlass verordnen. Und sie ist gescheitert an der Vorstellung, der sich organisch über lange Zeiträume verändernde Makrokosmos Sprache lasse sich reglementieren, umbauen wie ein marodes Sozialsystem. Statt unser aller Ausdrucksmittel zu präzisieren, haben die Reformer es der Beliebigkeit preisgegeben. Viele Erwachsene, darunter die meisten Schriftsteller, scheren sich kein bisschen um die neuen Regeln; und in den Schulen kollidieren neue Wirklichkeiten mit alten Lehrbüchern. Aus diesem Stoff lassen sich trübe Buchstaben-Süppchen kochen, nicht aber Bildungsstandards setzen.
Das Ansinnen, die Kommission von ihrer Aufsicht durch die Kultusminister zu befreien, dürfte das Reform-Theater endgültig zur Seifenoper degradieren. Als Behörde mit umfassenden Befugnissen könnte sie hemmungslos reparieren und verbessern. Bis in alle Ewigkeit. Denn sie würde es zu verhindern wissen, sich eines Tages überflüssig zu machen. Das Stück liefe immer weiter – auch dann noch, wenn der letzte Zuschauer längst gegangen ist.
Solinger Tageblatt vom 06.02.2004, S. 2
www.solingen-online.de/st-nachrichten/index.htm |
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