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Die „Rechtschreibreform“ schadet im Ausland
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
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Beitrag: Dienstag, 25. Nov. 2003 18:11    Titel: Die „Rechtschreibreform“ schadet im Ausland Antworten mit Zitat

Ein Grund mehr, nicht Deutsch zu lernen
Einspruch aus Paris: Die Reform der Orthographie schadet im Ausland

Von Jean-Marie Zemb

Etliche Befürworter der Rechtschreibreform meinen, in Deutschland komme die Änderung von der Basis und aus der Wissenschaft und nicht wie in Frankreich von der Oligarchie der Académie française. Dies trifft aber nicht zu. Die Akademie am Quai Conti schreibt ihr Wörterbuch, zwingt es aber niemandem auf und läßt sich nichts vorschreiben. Vor einigen Jahren hat sie mehreren von Lexikologen vorgeschlagenen geringfügigen Änderungen zugestimmt, aber nicht ohne ausführliche Debatten, insbesondere mit den Schriftstellern. Das betrifft auch die Behandlung des „franglais“.

In jedem französischen Ministerium gibt es eine Kommission für Terminologie, die nach langen Gesprächen mit Leuten vom Fach Vorschläge bei der „Commission générale de terminologie et de néologie“ einreicht. Diese Kommission, deren Mitglieder ehrenamtlich arbeiten, diskutiert die Vorschläge wiederum gründlich, und zwar wieder mit Leuten vom Fach. Die Generalkommission modifiziert gegebenenfalls die Schreibweise und prüft die Definitionen. Die Vorschläge gibt sie an die „Académie française“ weiter. Diese segnet nun ab, widerspricht oder macht gelegentlich Gegenvorschläge. Das ganze Paket geht dann zurück an die vom Premierminister eingesetzte „Commission générale“. Diese wiederum hält an ihren ursprünglichen Vorschlägen fest oder gibt die von der Akademie gerügten Ausdrücke zur fachlichen Neuberatung an die Einzelkommissionen zurück. Dieser behutsame, aber liberale Kreislauf wird nur selten mehrfach wiederholt.

Am Schluß der Kette steht dann alle paar Jahre ein Lexikon der neuen Begriffe. Zwischendurch gibt eine eigene Behörde, die „Délégation générale à la langue française“, Hefte im Taschenformat mit Empfehlungen heraus, etwa zur Sprache der Informatik, des Internets, des Treibstoffs, ja des Sports. Daß diese Bemühungen nicht sinnlos sind, beweist der Umstand, daß sich inzwischen sogar die Fußballsprache von einigen Ausdrücken des ungeliebten „franglais“ gereinigt hat, etwa den Bezeichnungen für „Tor“ und „Elfmeter“.

Sprachpolitische Instanzen wie der „Conseil supérieur de la langue française“ und wissenschaftliche Forschungsgremien wie das „Institut national de la langue française“ beteiligen sich an allen Überlegungen zum „Standort“ des Französischen. In großen Tageszeitungen würde keine „Sprachecke“ auf philologisches Niveau verzichten und findet deshalb auch in den aufgezählten Gremien Gehör. Diese Prozeduren werden als Form und Norm einer adäquaten Entwicklung der Sprache verstanden.

Zur strafrechtlichen Bedeutung der „Lex Toubon“, die das „franglais“ betrifft - Bußgelder werden an Sprachpflegevereine überwiesen -, muß man wissen, daß nicht Französischtümelei Anklage und Urteilsspruch inspiriert, sondern der Verbraucherschutz. Die Werbung soll weder in ihrem Wortlaut unverständlich noch wegen unscharfer Definitionen mißverständlich sein. Daß in Deutschland sogar bei gefährlichen Gegenständen Gebrauchsanweisungen ohne deutsche Fassung geduldet oder unverständliche Übersetzungen beigelegt werden, erscheint einem Franzosen kurios, wie die gegenwärtigen diplomatischen Bemühungen um die Sprachregelung im europäischen Patentrecht zeigen. Die französischen Einrichtungen wollen der Bevölkerung nicht lästig fallen, sondern sie vor Irreführung schützen.

Hinzu kommt, daß in Frankreich Dichter und Schriftsteller nicht als Querulanten gelten, deren Meinung man einfach überhören kann, sondern als Seismographen der Sprache. In Frankreich versteht man deshalb die schroffe Abfuhr nicht, die dieser Zeitung von offizieller Seite entgegenschlug, als sie zum 1. August zur herkömmlichen Rechtschreibung zurückkehrte. Verblüfft hat die Franzosen vor allem das Argument der Kultusminister, man solle doch die neuen Regeln nicht so genau nehmen oder befolgen, da sie ohnehin laufend verbessert würden.

In Deutschland hat sich die Gesamtsituation des sprachlichen „Standorts“ verschlechtert. Das Deutsche, auch das mit englischen Elementen durchsetzte Deutsche, ist dabei, die in kommunikativer Hinsicht wichtigste Eigenschaft eines Dialektes anzunehmen: Auf gleiche Weise Gedachtes wird uneinheitlich geschrieben. Die Vermehrung der Schreibweisen des Deutschen führt dazu, daß es bald nicht mehr zu den gelesenen (und im Ausland gelernten) Sprachen gehören wird. Warum, fragen besorgte Eltern in Frankreich, sollten ihre Kinder Deutsch lernen, wenn die Deutschen es in ihren Chefetagen schon aufgegeben haben?

An dieser Stelle darf wiederholt werden, daß die alte Kommasetzung gewiß nicht vollkommen war. Sie war verbesserungsbedürftig, freilich nicht in der Richtung der Beliebigkeit. Das deutsche Komma ist zweideutig: Es grenzt sogenannte Nebensätze ein und grenzt sogenannte Appositionen aus. Nun bleibt aber der Relativsatz immer ein Relativsatz und wird als solcher durch einen Beistrich signalisiert, ohne daß sofort und eindeutig zu erkennen wäre, ob er eine integrierte Einschränkung oder eine zusätzliche, die Gesamtmenge betreffende Information bringt. Die Verleitung zu Übersetzungsfehlern wird in diesem Zusammenhang zwar selten erwähnt, darf aber in der Debatte über Fehleranfälligkeit eines Schreibsystems eigentlich nicht fehlen.

Ein letztes Beispiel soll verdeutlichen, daß es Neuregelungen gibt, die sowohl innerhalb der Sprache wie bei Übersetzungen zu Fehlern führen. Die Fälle sind hinlänglich bekannt, zumal sie zu kostspieligen Privatversionen der Reform geführt haben und seit Jahren eine unerschöpfliche Quelle für Humor und Satire sind. Gemeint ist die neue Getrenntschreibung, etwa von wiedervereinigt und wohlüberlegt. Läßt sich zu „wieder vereinigt“ und zu „wohl überlegt“ überhaupt noch etwas anführen? Durchaus. In beiden Fällen markieren beide Schreibungen nicht nur subtile Nuancen, sondern verschiedene grammatische Funktionen. Die einheitliche getrennte Neuschreibung scheint dies zu verkennen. In den alten Wörtern „wiedervereinigt“ und „wohlüberlegt“ waren „wieder-“ und „wohl-“ Bestandteile eines selben, einheitlich gedachten Ausdrucks und wurden als solche durch eine im Sinn bleibende gesprochene und geschriebene Ligatur ausgezeichnet. Steht „wieder“ allein wie in „Hat er schon wieder den Zug verpaßt?“ oder in „Wann wurde Polen wieder geteilt?“, ist es eine Umstandsangabe, ein sogenanntes Argument. Wenn „wohl“ allein steht, kann es beispielsweise durch „ja!“, „tatsächlich“ oder „keinesfalls“ ersetzt werden, und zwar als „Modalisator“ der Aussage.

Ohne in die Details einzugehen, wird jeder diese Frage verstehen: „Haben sich die Reformer die Folgelasten wohl überlegt?“ Hieße das heute wohl „. . . wohl wohl überlegt“? Gewiß, die Kennzeichnung von grammatischen Differenzierungen aufzugeben wäre zwar eine arge Verarmung der Sprache, aber als solche keine direkte Fehlerquelle, kann doch jeder Sprachkundige sich den Unterschied denken. Aber wo sollen die den fremdsprachigen Lesern des Deutschen unbekannten Bedeutungen nachgeschlagen werden, wenn sie in keinem zweisprachigen Wörterbuch mehr verzeichnet sind - oder soll das zweisprachige Wörterbuch andere und mehr Wörter verzeichnen als das einsprachige?

Der vor Generationen an die „Académie française“ ergangene Auftrag, die Entwicklung der Sprache an ihren Früchten und Folgen zu messen, verband „dictionnaire“ und „grammaire“, Wörterbuch und Grammatik. Der Sprachwissenschaftler hat längst verstanden, daß es sich bei diesem Werk um eine sogenannte offene Liste handelt, die entsprechend zu behandeln wäre, und zwar ohne die sehr eingängigen falschen Muster. Auch dem Computer müßte zum Analysieren der Getrenntschreibung mitgeteilt werden, ob es sich um einen der zu 99 Prozent nach dem alten System gedruckten Texte handelt, wo „wohl überlegt“ nicht auch „wohlüberlegt“ heißen kann, oder um einen Text, der nach den Absichten der Reformer nur noch „wohl überlegt“ kennt.

So gesellen sich den alten Argumenten ein paar neue hinzu, wenn sich die Neuregler, als könnten sie aus ihrer Sackgasse nicht mehr heraus, weiterhin sträuben, die Grammatik, die Informatik, die Fremdenfreundlichkeit und die wirklichen Lernschwierigkeiten etwas mehr zu beachten. Deswegen verdient die Frankfurter Allgemeine Zeitung keine Rüge wegen vorschnellen Rückfalls, sondern ein Lob wegen besonnenen Fortschritts.

Der Autor ist emeritierter Professor des Coll*ge de France, Mitglied der „Commission générale de terminologie et de néologie“ und der „Académie des sciences morales et politiques“.

In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. August 2000, S. 44
__________________________________________________

Anmerkung:
Jean-Marie Zemb ist der Verfasser des Büchleins „Für eine sinnige Rechtschreibung. Eine Aufforderung zur Besinnung ohne Gesichtsverlust“. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, 1997, 154 Seiten.

Für die 16 deutschen Kultusminister und 16 Wissenschaftsminister hätte es ja bereits eine Warnung sein müssen, als die Professoren Horst Haider Munske (Erlangen) im September 1997 und Peter Eisenberg (Potsdam) im Februar 1998 unter Protest aus der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung (Mannheim) austraten. Vielleicht hören die Minister, die nicht einmal ausgewiesene deutsche Sprachwissenschaftler um Rat fragten, wenigstens auf <b><i>die Stimmen aus dem Ausland</i></b>.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Donnerstag, 19. Aug. 2004 21:55, insgesamt 4mal bearbeitet
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Peter Schwenzer



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Beitrag: Donnerstag, 27. Nov. 2003 01:32    Titel: Antworten mit Zitat

Deutsch ist zum Beispiel bei Spaniern als schwere Sprache bekannt, aufgrund der lateinischen Grammatik. Wenn man eventuell am Erlernen der dey¡utschen Sprache Interessierten jetzt erklärt, welches Chaos in Deutschland durch die RSR hervorgerufen worden ist, dann entscheiden sich die Leute lieber für eine einfachere und letztlich nützlichere Sprache, denn Deutsch ist nicht nur schwer, sondern verliert in Westeuropa an Bedeutung. Einen gefallen hat man der Sprache mit der RSR jedenfalls nicht getan.
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Elke Philburn



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Beitrag: Donnerstag, 27. Nov. 2003 11:27    Titel: Antworten mit Zitat

Es ist eigentlich erstaunlich, daß die Sprache eines Landes, das doch nun für die europäische Wirtschaft nicht gerade unbedeutend ist, in der Beliebtheit derartig gesunken ist. Für Wirtschaftsstudenten in Großbritannien ist es manchmal ein Anreiz zu wissen, daß begehrte Arbeitgeber wie BMW gewisse Grundkenntnisse der deutschen Sprache für eine akademische Laufbahn voraussetzen.

Das Deutsche wird auch hierzulande als schwere Sprache empfunden. Da Latein an den Schulen nur noch sehr selten gelehrt und die Grammatik aus dem muttersprachlichen Unterricht vollkommen ausgeklammert wird, haben britische Studenten in der Tat einen schweren Start. Deutsch läßt sich nunmal schwerer lernen, wenn z. B. die Unterscheidung von Wortarten eine fremde Welt für den Lernenden ist.
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Manfred Riebe



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Beitrag: Sonntag, 28. Dez. 2003 16:41    Titel: Desinformation und Verwirrung in Schweden Antworten mit Zitat

Desinformation und Verwirrung in Schweden
Die Sprache gehört dem Volk, nicht einem Ministerium
______________________________________________

Die Reform in Schweden
Wir sind die Sprache!


Anders Marell

<i>«In Schweden wird so manches protestlos mit Haut und Haaren geschluckt»</i>, stellt der Journalist Magnus Falkehed in seinem gerade erschienenen «Le mod*le suédois» (Paris 2003) fest. Und: <i>«Manchmal vermißt man bei uns etwas vom gesunden französischen Skeptizismus.»</i> (Geschrieben vor dem Nein zum Euro!)

Ob typisch schwedisch oder nicht, ahnungs- und kritiklos nahm der schwedische Sprachlehrerverband (LMS, Riksföreningen för Lärarna i Moderna Språk) die deutsche Rechtschreibreform an seine treuherzige Brust. Die Mitglieder, für die «amtliche Reformen» sowieso zum gewohnten Alltag gehören, bekamen früh im Verbandsblatt «Lingua» eine Artikelserie von Reformer Klaus Heller zu lesen, der die Reform als Schöpfung ohne Makel darstellte. Es bedurfte des beherzten Einsatzes des Altmeisters schwedischer Germanistik, Gustav Korléns, um unsere Deutschlehrer auch über die Kehrseiten aufzuklären. Dennoch verlangten tonangebende Deutschlehrer <i>«reformierte»</i> Schulbücher. <i>«Sonst drohte Kaufverweigerung»</i>, erinnert sich Hans L. Beeck, Leiter unseres Schulbuchverlags Bonnier Utbildning. Er selbst steht als alter Germanist der Reform kritisch gegenüber und bezeichnet Teile davon als absurd. Aus geschäftlichen Gründen mußte er den Forderungen der Lehrer nachgeben und die kostspielige Neuerung - in <i>«gemäßigter»</i> Form - einführen lassen. «Gemäßigt» heißt, daß den Autoren und Lektoren ein gewisser (undefinierter) Freiraum erlaubt wird, u.a. unter Bezugnahme auf die deutschen Zeitungen, die nach hauseigenen Rezepten schreiben. Bezeichnend ist, daß auf Beecks Wunschliste eine wissenschaftliche Untersuchung der Orthographie heutiger Schulbücher steht. In ihnen herrscht ein schwer überschaubares Durcheinander.

Vertreter unserer Germanistikinstitute berieten diesen September über die Lage. Damit die Teilnehmer Farbe bekannten, wurde der Entwurf eines Protestschreibens vorgelegt, über den man sich erwartungsgemäß nicht einigen konnte. Die Reaktionen wechselten zwischen voller Zustimmung und voller Ablehnung mit Argumenten wie <i>«Das soll eine Reform sein?»</i>, <i>«Es wäre vermessen, eine uns fremde Sprache regeln zu wollen»</i> und <i>«Wir müssen abwarten, bis wir endgültig Bescheid wissen.»</i> Ein Mindestmaß an Einigkeit konnte jedoch erreicht werden - allerseits wurde die heutige Verwirrung bedauert. Die Bewertung der orthographischen Bemühungen der Studierenden kann man als eklektisch-additiv bezeichnen: alles in heutigen Publikationen Belegbare wird akzeptiert.

Ein fachkundiger Schwede müßte - und viele tun es! - mit Befremden auf ministerielle Eingriffe in die freie Entwicklung der Sprache reagieren. Schon der Versuch, die Sprache von oben zu regeln und eine lange Liste von Wörtern zu verbieten (das heisst ihre tatsächliche Existenz in der Sprache zu verleugnen), müßte ihm als geradezu irr vorkommen. In seinem Land heißt das Losungswort nämlich Deskription, also Beschreiben der Sprache, nicht Präskription oder Vorschreiben. Die Sprache gehört dem Volk, nicht einem Ministerium.

Anders Marell, geboren 1937, ist zur Zeit Dozent an der Universität Växjö, Schweden. Er ist Redaktor und Herausgeber der Zeitschrift «Germanisten», die in unregelmäßigen Abständen erscheint.
(anders.marell@telia.com)

Anders Marell: Die Reform in Schweden - Wir sind die Sprache! In: Schweizer Monatshefte, Zürich, Heft 11: Die deutsche Sprachverwirrung - Fehlkonzept Rechtschreibreform, November 2003, S. 28
info@schweizermonatshefte.ch
www.schweizermonatshefte.ch



Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Mittwoch, 04. Feb. 2004 09:05, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Sonntag, 28. Dez. 2003 20:03    Titel: Schwedische Germanisten gegen die Rechtschreibreform Antworten mit Zitat

Schwedische Germanisten gegen die Rechtschreibreform
________________________________________________

DaF [Deutsch als Fremdsprache]

Gegen die Behauptung des dritten Berichts, die RSR sei im Ausland problemlos angenommen worden, lassen sich viele Stimmen anführen. Brieflich teilt Prof. Gustav Korlén, der Nestor der schwedischen Germanistik, mit, daß „fast alle schwedischen Germanisten den Protest gegen die Rechtschreibreform unterzeichnet“ haben. Er verweist ferner auf eigene kritische Artikel (vor allem über die „bedenklichen Folgen der fatalen Neuregelung von Getrennt- und Zusammenschreibung“) sowie auf Beiträge in der Zeitschrift „Germanisten“, die von Anders Marell in Kalmar herausgegeben wird.
__________________
Theodor Ickler, 02.04.2002 11.49

Forum > Dokumente >Stellungnahmen/ Kommentare zum 3. Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission
http://www.rechtschreibreform.de/php/einzelner_Datensatz.php?BeitragNr=12440
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 30. Dez. 2003 21:18    Titel: Welche Rechtschreibreform ist liberaler? Antworten mit Zitat

Jean-Marie Zemb: Welche Rechtschreibreform ist liberaler, die französische oder die deutsche? In: Sprachwissenschaft, 2001 , vol. 26 , no 4 , pp. 473 - 488

Résumé: En dépit des relations tr*s différentes entre la prononciation et l'orthographe, il paraît légitime de comparer les récentes entreprises de simplification et de régulation de l'allemand et du français. Moins parce que dans les deux cas, les derni*res réformes sont intervenues il y a un si*cle que parce que dans les deux pays se posent avec une acuité et une portée analogues des probl*mes d'emprunt et d'intégration. Le volume des graphies nouvelles, plus ou moins adoptées par l'usage, n'a cessé de se réduire au fur et à mesure qu'apparut aux lexicographes la complexité qu'avait souvent invoquée les lexicologues justement récalcitrants. Ce qui étonne cependant davantage, c'est le contraste entre le libéralisme empirique (de l'Académie française) et le régime de contrainte instauré par la déclaration dite d'intention des autorités germanophones.

http://services.inist.fr/cgi-bin/public/views_doc

Wer ist so nett und übersetzt?
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Manfred Riebe



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Beitrag: Donnerstag, 01. Jan. 2004 23:54    Titel: Die „neue“ deutsche Rechtschreibung in Ungarn Antworten mit Zitat

<b>Die „neue“ deutsche Rechtschreibung in Ungarn</b>

Csaba Földes (Veszprém): Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung im Kontext von Deutsch als Fremdsprache und Auslandsgermanistik. In: Deutsch als Fremdsprache 37 (2000) 4. – S. 199-209.
www.vein.hu/german/reform.html

Ewa Drewnowska-Vargáné/Csaba Földes (Veszprém): Überlegungen zur Umstellung auf die neue deutsche Orthographie aus der Perspektive von Deutsch als Fremdsprache und Auslandsgermanistik: In: LernSprache Deutsch. - Wien 7 (1999) 1-2. - S. 83-103
www.vein.hu/german/defo.html

Daß die sogenannte „neue“ deutsche Rechtschreibung in Wirklichkeit veraltet und nicht mehr einheitlich ist, geht aus einer Pressemitteilung des VRS hervor: www.vrs-ev.de/pm280803.php

Professor Földes ist der Vorzeige-Auslandsgermanist der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, siehe:
http://rechtschreibung.ids-mannheim.de/info.html

Der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung geht es nicht um die Wahrheit; denn die vielen Gegenstimmen von Auslandsgermanisten werden unterdrückt. Vgl. www.vrs-ev.de/resolutionen.php#professoren


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Freitag, 02. Jan. 2004 10:22, insgesamt 6mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Freitag, 02. Jan. 2004 00:53    Titel: Russische Argumente gegen die Rechtschreibreform Antworten mit Zitat

<b>Russische Argumente gegen die Rechtschreibreform

Ein Kultusminister- und Verlegerkomplott</b>

Persönliche Gegen-Argumente gegen die Rechtschreibreform

- Eine absolute Logik in der Sprache - ähnlich wie bei Frauen - ist kaum denkbar und auch nicht wünschenswert.

- Die Drei-Konsonanten-Regel bringt demnächst allen Deutschlernern - vor allem Kleinkindern - Lispeln und Stottern bei. Denn wie die Wörter geschrieben sind, so werden diese normalerweise auch ausgesprochen. Das Französische ist hier kaum nachahmungswert.

- Die Schreibweise „dass“ beim Fortbestehen des „ß“-Buchstaben gehört - aus meiner Sicht - zu den häßlichsten Erfindungen der Kulturbeamten. Man hätte eher die Umlaute und „ß“ völlig aus dem Verkehr ziehen sollen. Damit wären so manche nervenden Probleme hinsichtlich der korrekten Darstellung deutscher Texte am PC und im Internet aus der Welt.

- Bei meinem Vielsurfen im Internet finde ich kaum Anzeichen dafür, daß jemand es eilig hat, sich die neuen „Regeln“ zu beherzigen und etwa „platzieren“ statt „plazieren“ zu schreiben.

- Da im Moment - abgesehen vom Bundeskanzleramt - die alte wie die neue Schreibweise zulässig sind und noch einige Zeit nebeneinander bestehen sollen, entsteht eine „Grauzone“. Somit wird ein nachlässiger Umgang mit der deutschen Sprache auch bei den Schülern und sonstigen Muttersprachlern provoziert.

- Wenn man die neuen Vorschreibungen wirklich ernst nimmt, entsteht für eine längere Übergangsphase ein völliges Durcheinander bei allen, die Sprache als Instrument benutzen. Als professioneller Übersetzer muß ich jetzt halt jeden Auftraggeber fragen: „Nach welcher Rechtschreibnorm hätten Sie es gern: alt oder neu?“

- Millionen und aber Millionen von Büchern und Ratgebern, die Teil des deutschen Kulturschatzes sind, wurden „per Mausklick“ quasi zur Makulatur gemacht. Die Sprache ist doch nicht nur die Form, die man wie Schlangenhaut abstreifen und gegen eine neue austauschen kann, sondern auch ein Medium, wobei der Inhalt und die sprachliche Ausdrucksform oft nicht voneinander zu trennen sind.

- Ein derartiges Eingreifen in die natürliche Entwicklung einer Kultursprache darf man auf keinen Fall als Lappalie abtun. Und es ist äußerst peinlich, daß diesem Kultusminister- und Verlegerkomplott keine umfassende Diskussion in der Öffentlichkeit und in den Medien vorangegangen ist.

Juri N. Novikov, Dipl.-Dolmetscher, Moskau, und Vorstand im Übersetzer- und Dolmetscherverband Rußlands (SPR)
ego@online.ru
http://links-guide.ru/sprachen/germanistik/rechtschreibreform.html
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Manfred Riebe



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Beitrag: Freitag, 02. Jan. 2004 14:53    Titel: Eine prominente Stimme aus Japan Antworten mit Zitat

<b>Eine prominente Stimme aus Japan:
„Verhängnisvolle Auswirkungen auf den Deutschunterricht im Ausland“</b>

Professor Dr. Naoji Kimura <naoji-k@hoffman.cc.sophia.ac.jp> schrieb folgendes:

Es scheint mir, daß bei der ganzen Debatte über die Rechtschreibreform ein folgenschwerer Gesichtspunkt übersehen wird: verhängnisvolle Auswirkungen auf den Deutschunterricht im Ausland. Seit Jahrzehnten haben sich die Deutschlehrer und Deutschstudenten in Ostasien um die richtige Orthographie in der deutschen Sprache bemüht. Sie droht aber nun auf den Haufen geworfen zu werden. Niemand weiß mehr um die richtige „Rechtschreibung“ in der deutschen Sprache. Wenn es so weiter geht, wird sie wahrscheinlich allenfalls in Ostasien archiviert werden.

Professor Dr. Naoji Kimura ist korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung - www.deutscheakademie.de/ - und ehemaliger Präsident der Japanischen Gesellschaft für Germanistik. Er gehört zu den prominenten Unterzeichnern der Resolution zur Wiederherstellung der bisherigen einheitlichen Rechtschreibung: www.deutsche-sprachwelt.de/archiv/unterzeichner.shtml#1.
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Manfred Riebe



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Beitrag: Freitag, 02. Jan. 2004 15:06    Titel: Yutaka Nakayama, Japan: „Mischmaschschreibung“ Antworten mit Zitat

<b>Yutaka Nakayama, Japan: „Mischmaschschreibung“</b>

Yutaka Nakayama (Japan): J’accuse – oder orthographische Fragmente, 27. August 2003,

Siehe: www.vrs-ev.de/forum/viewtopic.php?t=105

Yutaka Nakayama ist Linguist an der Keio-University, Tokyo.
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Manfred Riebe



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Beitrag: Freitag, 02. Jan. 2004 20:47    Titel: „Verdummungsminister“ schaden deutschen Schulen im Ausland Antworten mit Zitat

„Verdummungsminister“ schaden deutschen Schulen im Ausland
Deutsches Wissen, deutsche Ideen und Exporte - mit deutscher Kultur verbunden
Bayerns Ausscheren aus der Phalanx der „hirnlos Vorwärtsirrenden“


Dr. med. E. Schaffner ........................... Buenos Aires, o3-Septiembre 2oo3
[…]
Buenos Aires,C.P.1229
Argentina

An Herrn
Dr. Hans Zehetmair
Minister für Unterricht, Kultus und
Wissenschaft bei der Bayerischen Staatsregierung
Salvatorstraße 2

8o333 München
Alemania/Germany


1. Ihr Artikel in der FAZ vom 01.08.2003 ("Fremde Federn: Fünf Jahre Rechtschreibreform - besonnen korrigieren....")
2. Einladung

Sehr geehrter Herr Dr. Zehetmair,

bereits vor drei Jahren hatte ich Ihnen einmal geschrieben.(1) Durch Ihren Artikel in der FAZ habe ich ein wenig Hoffnung gewonnen, daß Sie vielleicht seither durch den Terror gegen die deutsche Sprache, die vorsätzliche Volksverdummung, die Sie mitzuverantworten haben, aufgeschreckt, und zu Ihrem Artikel veranlaßt wurden(2). Behutsam korrigieren?

Sie sollten mich incognito einmal auf einer meiner vielen Reisen in die OP's und an die Universitäten der Welt begleiten um bei den Gesprächen mit ärztlichen Professoren, Intellektuellen dabei zu sein, die zum Teil noch ihre Kinder auf deutsche Schulen schickten, oder schicken wollten - aus Verbundenheit mit Deutschland, seiner Geschichte, ihrer eigenen familiären Herkunft, Dankbarkeit gegenüber ihrer Muttersprache.

Die Verbitterung dieser Menschen und Wut auf "Verdummungsminister" (P. Alegre), die sich darüber hinaus auch noch hinter Buchverlagen verstecken (Houston), ist ungeheuer groß. Sie richten fortwährend Schaden an deutschen Schulen im Ausland an, denen die Schüler wegbleiben, weil man einen solchen Unsinn nicht mitmachen will (Buenos Aires).

Sie, Herr Zehetmair, sind für viele Menschen Vertreter des Absurden, der pseudofaschistischen Unterdrückung, die auch noch unter dem Deckmäntelchen der Scheindemokratie erfolgt... Rust (1942) läßt grüßen. Und gibt es tatsächlich demokratisch legitimierten Widerspruch, wird er durch "Gesetz", d.h. mit allen Mitteln der Macht unterdrückt, wie in Schleswig-Holstein geschehen. Nicht "Korrektur von Schwachsinn" (Montevideo) wäre angebracht, sondern sofortige Beendigung einer nach medizinischen Begriffen hirnlosen Maßnahme, die zu nichts anderem als Milliardenkosten führte (3,4,5). Mit diesem Geld aber hätte man die echten, katastrophalen Folgen d e r POLITIK(?) wenigstens teilweise beheben können, die die eigentliche Aufgabe von Kultusministern hätte sein sollen: schulische Erziehung (und deren fortwährende Verbesserung) unserer Kinder. PISA jedoch zeigt, wie Sie für fortwährenden, rapiden Verfall der Schulen im Inland sorgen, und gleichzeitig zur Abwendung von der deutschen Sprache und Kultur massiv beitragen. UMGEHEND, und "ohne behutsame Korrekturen" sollte der jahrhundertelang gewachsene Regelzustand der deutschen Sprache
wiederhergestellt, ihre Zerstörung durch "demokratischen Terror" wiedergutgemacht werden.

Noch einmal, ich lade Sie ein, einen international renommierten Professor der Herz- oder Transplantationschirurgie und mich einmal incognito zu begleiten, um unzensiert zu erfahren, welchen Schaden Sie angerichtet haben. Deutsche Exporte, deutsche Ideen, deutsches Wissen sind mit deutscher Kultur eng verbunden. Am zukünftigen Rückgang tragen auch Sie ein gerüttelt Maß an Schuld. Aber Konsequenzen- da Sie eben nicht an ERFOLG gemessen werden, wie alle Menschen in der Industrie oder Dienstleistungsberufen wie der Medizin, sondern Mißerfolg im Zweifelsfalle noch mit einer besser dotierten Position, z.B. Brüssel, honoriert bekommen- müssen Sie ja nicht fürchten. Nur traurig könnten Sie werden, nachdenklicher denn je von einer solchen Reise zurückkehren, denn im Ausland werden Sie - incognito und nicht der Zensur der Ministerialbürokratie unterliegend, die, diplomatisch und im Abschirmen Ihrer Person vor der Realität perfekt, solche Reisen normalerweise plant - möglicherweise erkennen, daß nicht alle das deutsche Volk und/oder seine Sprache vernichten wollen, wie z.B. eine Mitscherlich oder Richter aus unserer Zeit... (6,7). Und vielleicht werden Sie dann eben doch nicht "behutsam" Terror korrigieren sondern ihn ganz einfach(!) beenden. Ganz einfach. Sofort ... Ohne Abstriche. Wie in der Medizin. Klemme anlegen und die Blutung steht. Eben nicht zigfach tupfen... der Patient ist verblutet.. Vielleicht ahnen Sie gar nicht, daß Sie Schlüssel sein könnten, denn IHR, d.h. Bayerns Ausscheren aus der Phalanx der "hirnlos Vorwärtsirrenden" (R. Gernhardt) würde diese Idiotie tatsächlich endgültig zu Fall bringen. Töten Sie nicht die deutsche Sprache, Sie wurden berufen, sie zu beleben oder... wiederzubeleben. Packen Sie es an, Sie werden sich unsterblichen Ruhm verdienen und die Dankbarkeit unzähliger Menschen.

Mit freundlichen Grüßen

E. Schaffner
____________________

Anmerkung:
Wer häufig im Ausland weilt, weiß nicht, daß das Ministerium 1998 aufgeteilt wurde. Zehetmair wurde Wissenschaftsminister und Monika Hohlmeier, die Tochter von Franz Josef Strauß, erhielt das Kultusministerium. Zehetmair wurde kürzlich pensioniert. Adressat ist somit sein Nachfolger, der bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel - www.vrs-ev.de/forum/viewtopic.php?t=195 - bzw. Kulturministerin Monika Hohlmeier - www.vrs-ev.de/forum/viewtopic.php?t=355 -.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Samstag, 10. Jul. 2004 20:33, insgesamt 2mal bearbeitet
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Samstag, 17. Jan. 2004 18:21    Titel: Europa-Untauglichkeit der deutschen Sprache Antworten mit Zitat

<b>Europa-Untauglichkeit der deutschen Sprache
__________________________________________

Verfehlte Kulturpolitik
Rechtschreibreform: Wird die deutsche Sprache den Stempel der Europa-Untauglichkeit erhalten?</b>

„Wenn man aus dem Rathaus kommt, ist man klüger als man reingeht“, sagt ein Sprichwort. Auch der lange Weg zu einer Rechtschreibrefom ist rückblickend leichter zu bewerten als während des langen Marsches. Niemand unter den Beteiligten hatte Erfahrungen mit ihrer Vorbereitung und ihrer Durchführung. An 1901 konnte sich keiner erinnern. Niemand würde deshalb heute nach den politischen Irrtümern fragen, wäre die Rechtschreibreform gelungen und hätte sie die Zustimmung der Sprachgemeinschaft gefunden. Vielmehr würden Preise verliehen für Lebensleistungen.

Doch es ist anders gekommen. Die jüngsten auf einer Anhörung der Mannheimer Rechtschreibkommission vorgestellten Korrekturvorschläge zeigen das ausweglose Dilemma dieser Reform. Deshalb muß nachgeforscht werden, wo die Fehler lagen, auch um zu erklären, warum der Streit noch immer so heftig ist und um zu zeigen, wie der Rechtschreibfriede wiederhergestellt werden kann. Ein passendes Motto zu dem Thema gab Goethe in seinen Maximen und Reflexionen: „Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zurande.“

1. Das falsche Knopfloch: Der Auftrag

Am 19. Februar 1987 erteilte die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) und das Bundesministerium des Inneren dem Institut für deutsche Sprache (IdS) den Auftrag, für alle Bereiche der deutschen Rechtschreibung mit Ausnahme der Groß- und Kleinschreibung Vorschläge für eine Reform des Regelwerks vorzulegen. Dieser Auftrag kam nicht aus heiterem Himmel und war auch nicht die Antwort auf ein drängendes Reformverlangen in der deutschen Sprachgemeinschaft.

Die deutsche Rechtschreibung war im Duden eindeutig geregelt, wenige Bücher genossen so hohes Ansehen wie dieses, auch wenn Sprachwissenschaftler und Sprachdidaktiker seit langem eine Reform anmahnten und in zahlreichen Arbeitskreisen an Verbesserungsvorschlägen arbeiteten. Ihnen gelang es, unter der Führung des IdS-Präsidenten Rupprecht und in Zusammenarbeit mit österreichischen und schweizerischen Reformkreisen, den amtlichen Auftrag einzuholen. Da sie sich erboten, die Arbeit kostenlos zu leisten (nur Reisemittel wurden verlangt und gewährt), setzte die KMK den Zug der Rechtschreibreform guten Gewissens in Gang. Die versprochene Systematisierung und Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung schien ein verlockendes Ziel, den Rechtschreibunterricht in den Schulen zu erleichtern.

Wo lag hier der Fehler? Die zuständigen Minister und Ministerialbeamten verkannten völlig, daß eine Rechtschreibreform mehr ist als eine Schulangelegenheit, daß für ein solches säkulares Unterfangen die Mitwirkung und Zustimmung aller Betroffenen, die die deutsche Schriftkultur täglich praktizieren, benötigt wird. Sie wurden darüber auch von den beteiligten Experten nicht aufgeklärt, die aus der Geschichte früherer gescheiterter Reformen sehr wohl wußten, daß mit Schriftstellern und Journalisten, Verlegern, Druckern und Akademie-Professoren eine ausgreifende Reform nicht zu machen ist.

Demgegenüber ist es bemerkenswert, daß parallele Pläne zur Rechtschreibreform in der DDR, wie Hilliger und Nerius berichtet haben (Augst u.a., Hg., Zur Neuregelung der deutschen Orthographie, 1996, S. 20) eine umfassende Einbeziehung aller Mitbetroffenen in einer vom Akademie-Präsidenten geleiteten Kommission vorsah. „In der Kommission waren vertreten: das Außenministerium, das Volksbildungsministerium, das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, das Ministerium für Kultur, die Abteilung Wissenschaften beim ZK der SED, die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften, das Zentralinstitut für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften, die Gewerkschaft Unterricht und Erziehung, das Zentralinstitut für Berufsbildung, die Vereinigung der Druckereibetriebe Zentrag, die Dudenredaktion, der Verband der Journalisten und der Schriftstellerverband“. Dieses Gremium fungierte als Auftraggeber der Orthographiekommission der DDR, trat aber infolge des Zusammenbruchs der DDR nicht mehr in Aktion. Demgegenüber begnügte sich die KMK mit der Einbeziehung ihres Schulausschusses, der naturgemäß vor allem den Unterricht in den Schulen im Auge hatte.

Als elementaren Fehler erkennt man nachträglich auch, daß die KMK keinerlei Einfluß auf die Zusammensetzung der Mannheimer Rechtschreibkommission genommen hat. Als es dort an die Reformarbeit ging, quittierten einige die Mitgliedschaft, andere wurden kooptiert. Die wissenschaftliche Ausrichtung der Kommission war durch die schulorientierte Tradition früherer Reformbestrebungen bestimmt, an denen ihr erster Vorsitzender noch mitgewirkt hatte. Vertreter der in den achtziger Jahren aufgeblühten Schriftlichkeitsforschung blieben ausgeschlossen. Von ihnen kam von Anfang an ein entschiedener Widerspruch, der bis heute überhört wurde.

An der Wiege der neuen Rechtschreibung standen ausschließlich reformeifrige Sprachwissenschaftler und Sprachdidaktiker, begleitet von Ministerialbeamten, die mit den Problemen und Gefahren einer Rechtschreibreform völlig unvertraut waren. Eine sachgerechte und angemessene Beteiligung aller Betroffenen, die die deutsche Rechtschreibung beherrschen und praktizieren, unterblieb von Anfang an.

2. Scheindemokratie: Die Anhörung zur Rechtschreibreform

Nachdem eine erste Publikation der Reformkommission („Zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“, 1989) heftige Reaktionen in der Öffentlichkeit hervorgerufen hatte, veranlaßte die KMK eine Überarbeitung und führte auf der Grundlage einer Neufassung („Deutsche Rechtschreibung. Vorschläge zur Neuregelung“, 1992) am 4. Mai 1993 eine öffentliche Anhörung in Bonn durch, zu der ca. 30 Verbände um Stellungnahmen gebeten wurden. Die meisten Verbände gaben freundlich-nichtssagende Erklärungen ab, nur Peter Eisenberg und die Akademie-Vertreter übten scharfe Kritik.

Warum blieb eine fundierte Auseinandersetzung aus? Weil der Vorschlag kein Wörterverzeichnis enthielt und sich deshalb niemand ein genaues Bild von den tatsächlichen Auswirkungen dieser Neuregelung machen konnte. Zur Groß- und Kleinschreibung lagen drei alternative Entwürfe vor: Status quo (1), modifizierte Großschreibung (2), Substantivkleinschreibung (3). Die später in Wien beschlossene „vermehrte Großschreibung“ stand noch gar nicht zur Debatte. Sie ist eine völlige Kehrtwendung all derer, die bis dahin für die Kleinschreibung eingetreten waren.

Wie sich die Getrennt- und Zusammenschreibung sowie die Silbentrennung auf den Wortschatz auswirken würden, haben damals selbst die Kommissionsmitglieder nicht geahnt. Deshalb ist die Berufung der Kultusminister auf diese Anhörung als hinreichende Beteiligung der Sprachgemeinschaft völlig unglaubwürdig. Im übrigen ist eine Anhörung zu einem so bedeutsamen Vorhaben ein unzureichendes Instrument, die Betroffenen zu beteiligen. Es war ein dürftiger Ersatz für die erforderliche Mitwirkung an den Beratungen, eine Alibi-Veranstaltung, die einer künftigen Rechtfertigung dienen sollte. Daß diese Anhörung nur ein Zwischenstadium der Beratungen war, wird der Öffentlichkeit bis heute verschwiegen.

3. Abschluß ohne Protokoll: Die Wiener Gespräche vom 22. bis 24. November 1994

Nach der Bonner Anhörung setzte eine Phase hektischer Beratungen ein, um das von der KMK eingeforderte Wörterverzeichnis zu erstellen und die „modifizierte Großschreibung“ weiter auszuarbeiten. Zur Groß- und Kleinschreibung wurde schließlich auf einer Erlanger Tagung der betreffenden Arbeitsgruppe ein mühsamer Kompromiß erzielt, der jedoch zu Beginn der abschließenden Wiener Gespräche von der Schweizer Kommission aufgekündigt wurde.

Wie schon auf der 2. Berliner Rechtschreibkonferenz (1901) war die Groß- und Kleinschreibung der strittigste Punkt. Die Entscheidung für die jetzt vorliegende Fassung wurde von den deutschen Kultusbeamten ausgehandelt. Denn die angereisten Vertreter der deutschen Rechtschreibkommission hatten im Gegensatz zu ihren Kollegen aus Österreich und der Schweiz auf der Wiener Konferenz gar kein Stimmrecht. Die KMK lehnte die Finanzierung ihrer Reisekosten ab. Sie wurden schließlich ein Vierteljahr nach der Konferenz aus einer Spende des Börsenvereins des deutschen Buchhandels beglichen.

Über die entscheidende Wiener Abschlußkonferenz gibt es kein Protokoll, obwohl die dreitägige Sitzung auf Tonband mitgeschnitten wurde. So kann sich niemand ein Bild davon machen, wie die Entscheidung zustande kam und wer sie zu verantworten hat.

Dies ist in unserem demokratischen Zeitalter unerhört. Selbst im Kaiserreich, bei den Berliner Rechtschreibkonferenzen 1876 und 1901, wurde ein ausführliches Protokoll veröffentlicht. Übrigens genoß auch der Leiter der Dudenredaktion, Professor Drosdowski, nur ein unwillig zugestandenes Gastrecht bei der Wiener Konferenz.

4. Die vergessene Überprüfung und verschlafene Vorbereitung

Nach den abschließenden Wiener Gesprächen wurden die Rechtschreibkommissionen nicht mehr einberufen. Die Arbeit der Experten galt als erfüllt. Statt dessen wurde eine Redaktionskommission aus Mitgliedern des Internationalen Arbeitskreises und des KMK-Schulausschusses gebildet, der eine Bearbeitung des Wörterverzeichnisses vornahm. Dabei wurden durch Musterschreibungen einige Entscheidungen getroffen, die die spätere Interpretation des Regelwerks durch die neuen Rechtschreibwörterbücher wesentlich mitbestimmten. Dies gilt z.B. für die im Regelwerk nicht fixierte vermehrte Zusammenschreibung von Fremdwörtern (Newage, Desktoppublishing, Standingovations etc.).

Parallel verliefen die Beratungen in den deutschen Ländern. Von einigen Ministerpräsidenten und Kultusmini-stern hörte man kritische Bedenken. Doch niemand wagte den naheliegenden Schluß, das Regelwerk einer unabhängigen Überprüfung zu unterziehen. Statt dessen wurde um die Zusammensetzung der geplanten neuen Rechtschreibkommission gestritten, die die Einführung der neuen Rechtschreibung fachkundig begleiten sollte. Vorschläge des IdS wurden zurückgewiesen: Gegen einen Kritiker der Reform (Eisenberg) gab es Einwendungen, ein weibliches Mitglied wurde angemahnt.

In dieser Zeit arbeiteten, nachdem das Rechtschreibmonopol des Dudenverlages aufgekündigt war, konkurrierende Verlage an eigenen Rechtschreibwörterbüchern: Der Kampf um die Marktanteile in diesem lukrativen Geschäft hatte begonnen. Eine Koordination fand nicht statt. Das Gremium, welches dies hätte tun sollen, wurde erst acht Monate nach Erscheinen der neuen Wörterbücher konstituiert. Ebensowenig gab es Beratungen mit den Schulbuch- und Ju-gendbuchverlagen. Die KMK ließ die endlich am 1. Juli 1996 feierlich beschlossene Rechtschreibreform völlig unvorbereitet auf die deutsche Sprachgemeinschaft hereinbrechen: ein Mißmanagement, dessen Folgen alsbald sichtbar wurden.

5. Die Überrumpelungsaktion

Auf der Wiener Konferenz im November 1994 (bestätigt am 1. Juli 1996) wurde folgender Zeitplan „in Aussicht genommen“:

1. Die Neuregelung der Rechtschreibung soll am 1. August 1998 wirksam werden.

2. Für ihre Umsetzung ist eine Übergangszeit bis zum 31. Juli 2005 vorgesehen.“ (Artikel II der Wiener „Gemeinsamen Abschlußerklärung“).

Dies war ein vorsichtiger Zeitplan, der Raum ließ für die nötigen begleitenden Maßnahmen.

Doch es kam anders. Noch während der Schlußberatungen der deutschen Kultusminister, bereiteten einige Bundesländer, voran der Freistaat Bayern, die sofortige „freiwillige“ Einführung der neuen Rechtschreibung vor. Noch vor Ferienbeginn erfuhren alle bayerischen Lehrer, daß ab Herbst die neue Rechtschreibung zu unterrichten sei. Diese Verordnung gab den neuen Rechtschreibwörterbüchern die Qualität unverzichtbarer Hilfsmittel für Lehrer, Eltern und Kinder.

Ein Verkaufsboom setzte ein, wie ihn die Branche noch nicht erlebt hatte. Binnen eines Jahres wurden schätzungsweise sieben bis acht Millionen Rechtschreibwörterbücher verkauft, die meisten von ihnen in den ersten Monaten. Die Schulbuchverlage wurden genötigt, ihr Sortiment auf die neue Rechtschreibung umzustellen, Jugend- und Kinderbuchverlage sahen sich in der Zwangslage, ihnen zu folgen.

Sollte bei diesem Überraschungscoup, wie üble Nachrede vermutet, ein Verlagskonzern unterstützend Pate gestanden haben, so kann nur bestätigt werden: die sofortige Einführung der neuen Rechtschreibung war kurzfristig die bestmögliche PR-Maßnahme. Allerdings hätten die Wörterbuchredaktionen wissen müssen, daß langfristig ein Desaster drohen könnte.

Unter der Hand erfuhr man, wie die Redakteure über dieses unausgegorene, vielfach sprachwidrige Regelwerk geschimpft haben und es bis heute tun. Doch keiner von ihnen hat einen öffentlichen Protest gewagt, der den eigenen Arbeitsplatz gefährdet hätte. Honi soit, qui mal y pense. Der Hochschullehrer hat es hier leichter. Die Kritik trifft die deutschen Kultusminister, die mit diesen Maßnahmen eine Auseinandersetzung ausgelöst haben, wie sie die Deutschen seit Bismarcks Kulturkampf nicht erlebt haben.

6. Die neue Rechtschreibkommission mit paradoxem Auftrag

28 Monate nach den Wiener Abschlußgesprächen und neun Monate nach dem Reformbeschluß und der Einführung der Neuregelung in den Schulen vieler Bundesländer, im März 1997, gelang es den politisch Verantwortlichen in Deutschland, Österreich und der Schweiz endlich, die vereinbarte zwischenstaatliche Kommission für die deutsche Rechtschreibung zu konstituieren. Man hatte sie mit Rücksicht auf ihre Aufgabe, „die Einführung der Neuregelung zu begleiten“, überwiegend mit den aktiven Mitgliedern der alten Rechtschreibkommissionen beschickt.

Das entsprach den Vorschlägen aus diesem Kreis und war sachgerecht, wenn man eine solche Aufgabe ernst nahm. Diese hatte sich jedoch inzwischen erledigt, da die Vorbereitungsphase durch die um zwei Jahre vorgezogene praktische Einführung der neuen Rechtschreibung in den Schulen bereits vorüber war. Vielmehr stand die neue Kommission vor dem Scherbenhaufen, den die unterbliebene Vorbereitung und Koordination hinterlassen hatte: wesentlich divergierende neue Rechtschreibwörterbücher und eine öffentliche Protest- und Prozeßwelle einmaligen Ausmaßes. In dieser Situation wäre es richtig gewesen - so habe ich es auf der konstituierenden Sitzung verlangt -, die Einführung der Rechtschreibung zunächst auszusetzen und das Regelwerk in Kooperation mit den Wörterbuchverlagen und den Kritikern der Reform gründlich zu überarbeiten. Was geschah statt dessen?

Der Präsident der KMK und seine gleichrangigen Kollegen aus Österreich und der Schweiz verlangten in ihren Grußworten auf der konstituierenden Sitzung, die Kommission möge kurzfristig eine klärende Wörterliste für den Schulgebrauch erarbeiten, dazu die zahlreichen eingegangenen kritischen Stellungnahmen beachten, aber das neue Regelwerk auf keinen Fall verändern: ein schier unerfüllbares Verlangen, wie sich zwischenzeitlich bestätigt hat.

Noch bevor die Probleme dieses Auftrags erörtert werden konnten, hatten die hohen Kultusbeamten die Sitzung bereits verlassen. Auch an den späteren Kommissionssitzungen nahm keiner von ihnen teil, sie gingen jeder Aussprache mit der Kommission aus dem Wege und verweigerten überdies die dringend erbetenen Mittel für die nötigen Arbeiten. Umso nachdrücklicher forderten sie die Kommission auf, den Protesten aktiv entgegenzutreten, um die Reform zu retten. Argumenten, dies geschehe am glaubwürdigsten durch ein Moratorium und eine gründliche Überarbeitung, wie dies Peter Eisenberg und ich verlangt haben, zeigten sie sich völlig verschlossen. Als diese Haltung auch auf der dritten Sitzung bekräftigt wurde, habe ich meinen Austritt aus der Kommission erklärt.

7. Reformverordnung ohne Legitimation

Während die deutschen Kultusminister wiederholt den gemeinsamen Willen bekräftigen, von ihren Beschlüssen zur neuen Rechtschreibung keinen Zoll abgehen zu wollen, wird in den Bürgerinitiativen für Volksentscheide, von Bundestagsabgeordneten, von klageführenden Eltern, von Journalisten und Leserbriefschreibern die entscheidende Frage gestellt: Woher nehmen die deutschen Kultusminister die Legitimation, auf dem Verordnungswege eine (wie inzwischen jedem klar geworden ist) so einschneidende und so mangelhaft vorbereitete neue Rechtschreibung für eine ganze Sprachgemeinschaft durchzusetzen?

Nun wurde offenbar, was 1987 falsch geknöpft war: Es fehlte von Anfang an die Mitwirkung der schreibenden Berufe, der Verleger und Drucker, der Akademien und Hochschulen, kurz der Träger deutscher Schriftkultur. Vielen Mitbürgern erscheinen die deutschen Kultusminister und ihre Ministerialbeamten als eine hochmütige Politikerkaste, die sich im Vertrauen auf ihre Verordnungsmacht jeder Mitsprache verweigert, denen Zugeständnisse nur auf dem Prozeßwege abgerungen werden können. Vielen erscheint die Rechtfertigung zynisch, die neue Rechtschreibung sei ja nur für Schulen und Behörden verbindlich, im übrigen könne jeder schreiben wie er wolle. Dies wären denn z.B. Zeitungen und Buchverlage, Journalisten, Schriftsteller und Wissenschaftler. Dies ist der Weg in ein Schisma deutscher Rechtschreibung, wenn nicht endlich einer unter den politisch Verantwortlichen den Mut faßt, der Kritik stattzugeben.

8. „Die Reform kostet nichts“

Da es scheinbar nur um die Rechtschreibung für Schulkinder ging, blieb die Frage nach den Kosten der Reform für die ganze Sprachgemeinschaft unbeachtet: Die Kosten jedes einzelnen, der ein Wörterbuch kauft, die Kosten sämtlicher Verlage (nicht nur jener, die an der Reform verdienen), die Kosten der Unternehmen, der Versicherungen, der Behörden, Kanzleien, die Kosten für neue Up-dates an den PCs. Niemand in den verantwortlichen Kultusministerien hat dies erwogen, weil es sie selbst nichts kostet.

9. Korrektur ohne Korrektur

Nach neunmonatiger Arbeit legt die Kommission einen ersten Bericht vor, der den Titel trägt: „Vorschläge zur Präzisierung und Weiterentwicklung aufgrund der kritischen Stellungnahmen zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“. Er wurde Anfang Januar 1998 an 36 von der Kommission ausgewählte Verbände, Wörterbuchverlage und Institute versandt, u.a. das Institut für deutsche Sprache im eigenen Hause, mit der Aufforderung binnen 14 Tagen auf einer Anhörung am 23. Januar 1998 dazu Stellung zu nehmen.

Wiederum wurde die Presse wie zuvor im Mai 1993 (Bonner Anhörung) und auf der Wiener Abschlußkonferenz im November 1994 ausgeschlossen. Sie hatte sich mit einer Pressekonferenz am Freitag abend zu begnügen. Das Urteil über die Anhörung fällt die Kommission - in eigener Sache - in einem Bericht, den sie ihren Auftraggebern zustellen wird.

Die neuen, als Kompromiß angekündigten Vorschläge bedeuten im wesentlichen: Die Kommission hält - von ein paar Retuschen abgesehen - an dem kritisierten Regelwerk fest, läßt aber an wenigen Stellen, wo dies zu offensichtlich ungrammatischen und unakzeptablen Schreibungen führt, die bisherige Schreibung zu. Auf diese Weise entstehen zusätzlich 500 bis 1000 neue „Varianten“.

Wie viele es wirklich sind, läßt die Kommission nicht erkennen, weil sie kein neues Wörterverzeichnis vorgelegt hat. Mehrfach wird in dem 66seitigen Text betont, die neuen Rechtschreibwörterbücher behielten ihre Gültigkeit. Offenbar soll mit ihrer Hilfe die neue Rechtschreibung durchgesetzt werden. Man darf vermuten, daß die Auftraggeber der Kommission - in Sorge vor Regreßforderungen der Wörterbuch-, Schulbuch- und Jugendbuchverlage - bei dieser Lösung Pate gestanden haben.

Was aber tatsächlich gilt in deutscher Rechtschreibung, das erfahren Lehrer und Schüler, Korrektoren und Sekretärinnen, Autoren und Leser nirgendwo. Dies betrifft auch die Regeln der Silbentrennung. Die Kommission besteht auf ihren ca. 10.000 neu eingeführten Trennstellen, wodurch so groteske Wortreste wie alla-bendlich, hi-nauf, Kons-truktion entstehen, will aber „Kollektiven“ gestatten, eine Auswahl zu treffen. Dies ist der Weg, auf den verantwortungsbewußte Redaktionen, Behörden, Schulen verwiesen werden: die Hausorthographie, wie sie im 19. Jahrhundert gang und gäbe war.

Von einer Beachtung der öffentlichen und wissenschaftlichen Kritik ist in diesen Vorschlägen wenig zu spüren. Die Eindeutigkeit und Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung wird einem ideologisch geprägten Reformwillen geopfert.

10. Ausblick

Noch ist es nicht zu spät zu einer politischen Wende, zur Einsicht, daß die neuen Schreibregeln für Autoren und Leser unzumutbar sind und auch für Schüler nur Verwirrung stiften. Diese Reform ist mißlungen, weil sie die Träger deutscher Schriftkultur nicht beteiligt hat. Eine Pause tut not und eine gründliche Überarbeitung. Andernfalls steht uns ein jahrelanger Rechtschreibkrieg bevor. Dabei wird das noch verbliebene Ansehen deutscher Sprache außerhalb der deutschen Grenzen auf den Stand von Drittsprachen sinken.

Das Deutsche wird den Stempel der Europa-Untauglichkeit erhalten. Lieber werden sich Sprachlerner in aller Welt mit der viel schwierigeren Orthographie des Englischen und Französischen herumschlagen, da diese wenigstens eindeutig kodifiziert ist und ihre Tradition über Jahrhunderte bewahrt hat.

· Horst Haider Munske

Dr. Horst Haider Munske ist Professor für germanistische Linguistik am Institut für Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaften an der Universität Erlangen. Er war Mitglied der zwischenstaatlichen Kommission für die deutsche Rechtschreibung. <b>Er ist aus dieser Kommission ausgetreten, weil er eine gründliche Überarbeitung des Regelwerks für nötig hält.</b> Seine Arbeiten zur Orthographie und zur Kritik an der Rechtschreibereform sind in dem Band „Orthographie als Sprachkultur“, 1997 erschienen im Peter Lang Verlag in Frankfurt am Main. Das Buch hat 336 Seiten und kostet broschiert 69 DM.

http://www.igmedien.de/publikationen/kunst+kultur/1998/01/23.html
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Beitrag: Dienstag, 10. Feb. 2004 20:16    Titel: Gustav Korlén in der FAZ Antworten mit Zitat

<b>Gustav Korlén in der FAZ

Rechtschreibreform und kein Ende</b>

In dem vertraulichen, aber inzwischen auch in Schweden bekanntgewordenen Dritten Bericht der zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung wird auf S. 16 behauptet, es lasse sich kein Beleg dafür finden, daß die Rechtschreibreform der deutschen Sprache im Ausland geschadet hätte. Wie ich aber in einem Schreiben an die Kultusministerkonferenz bemerkt habe, trifft dies nicht zu.

Die Kommission unterschlägt nämlich, daß zwei ihr „wohl bekannte“, d. h. wohlbekannte Artikel in der Zeitschrift des schwedischen Neuphilologenverbandes (LMS-LINGUA) auf die schwerwiegenden Folgen hinweisen, die sich aus der fatalen Neuregelung von Getrennt- und Zusammenschreibung für den Deutschunterricht in Schweden ergeben haben. Hunderte von geläufigen und bisher unverfänglichen Zusammensetzungen, die im Schwedischen ihre genaue Entsprechung haben, sind nun als eigenständige Wörter aus den schwedisch-deutschen und deutsch-schwedischen Wörterbüchern verschwunden. Die schwedischen Deutschstudierenden müssen also lernen, daß all diese Zusammensetzungen, wie z. B. kriegführend, tiefschürfend, allgemeinbildend, schwer- und leichtverständlich, nichtssagend, zufriedenstellend, wohlbekannt und weitere nun mit zwei Wörtern wiederzugeben sind, wobei in mehreren Fällen auch Betonung und Bedeutung betroffen sind. Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich übrigens auch für die anderen nordischen Länder.

Daß all dies das Erlernen der ohnehin schwierigen deutschen Sprache zusätzlich erschwert, liegt auf der Hand.

Gustav Korlén
Professor em. für deutsche Sprache an der Universität Stockholm

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31. Mai 2002 ???
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Beitrag: Sonntag, 15. Feb. 2004 17:48    Titel: Schweizer Sonderorthographie und Hausorthographien Antworten mit Zitat

<b>Schweizer Sonderorthographie und Hausorthographien
„Es fehlt an Sachkunde und Verantwortung.“
__________________________________________________________________

SCHWEIZ / Wie die Eidgenossen versuchen, ihre Rechtschreibung zu renovieren
Die „Superuser“ kommen</b>

Autor: STEFAN STIRNEMANN, St. Gallen

Wie der gelbe Postbus, zum Beispiel im Oberengadin, so gehört der gelbe Duden seit langem zur Schweiz, und er behauptet sich auch im Zeitalter der einfachen Rechtschreibung. Werfen wir einen Blick auf Vergangenheit und Gegenwart.

Am 5. September 1881 erklärten die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren, daß ihr Land in der Orthographiefrage zusammen mit Deutschland vorgehen solle. Ausdrücklich stimmten sie den „Reformen“ einer Fachgruppe des Schweizerischen Lehrervereins zu. Ein erster Vorschlag war bereits 1863 veröffentlicht worden, Jahre vor Konrad Duden: Regeln und Wörterverzeichnis. Aus dem Vorwort: „Eingreifende Neuerungen hielt die Kommission nicht für rathsam. Sie schloß sich wesentlich an den allgemein geltenden Sprachgebrauch an, ohne jedoch Verbesserungen im Einzelnen auszuschließen.“ Das ist die Haltung, die sich damals durchsetzte: Verbesserung in Einzelfragen unter Anerkennung des allgemein Geltenden.

Auf der Verliererseite standen die Verfechter eingreifender Neuerungen, zum Beispiel ein Luzerner Gymnasiallehrer, der 1869 in der „Schweizerischen Lehrer-Zeitung“ seine Ideen „Zur fereinfachung unserer ortografi“ vorlegte. Dem allgemein geltenden Sprachgebrauch folgte auch Duden 1880 mit seinem „Orthographischen Wörterbuch“. Die Berliner Konferenz von 1901 bestätigte die Arbeit eines ganzen Jahrhunderts, und die Schweiz konnte sich auch jetzt unbesorgt anschließen; ihr Lehrerverein war schon vierzig Jahre früher fast soweit gewesen.

Überschaut man jene Zeiten, so sieht man harte Kämpfe; Festlegungen wie „tot“ für „todt“, „heute abend“ für „heute Abend“ wurden nicht leichtgenommen. Sie waren aber Ergebnis nachvollziehbarer Überlegungen, und mit der weitgehend einheitlichen Rechtschreibung ließ sich seit 1901 auch in der Schweiz gut leben.

Was blieb da den modernen „fereinfachern der ortografi“ zu tun? Im Städtchen Rorschach am schönen Bodensee trafen sich auf Kosten der Steuerzahler im Herbst 1991 die Reformer, und die Schweizer Abordnung schlug, um das übliche „Bötchen“ zu vereinfachen, die Schreibweise „Böötchen“ vor. Der Antrag wurde abgelehnt und sorgsam als Gegenvotum zu Protokoll gegeben. Angenommen wurde der Antrag, die Nebensatzeinleitung „daß“ nicht mehr vom Artikel „das“ zu unterscheiden. So wollte man die „großen Mühen“ aus dem Weg räumen, welche Schüler und Erwachsene mit diesen Wörtern hätten. Aus dem, was auf solchen Zusammenkünften erarbeitet wurde, wählten die Politiker das, was sie für durchsetzbar hielten; die Wörterbuchverlage machten leider mit.

Wie steht es heute in der Schweiz? Von drei Vertretern in der Reformkommission sind deren zwei Autoren des Dudenverlags; begreiflich also, daß die Schulen auf den neuen Duden verpflichtet wurden. So lernen die Schüler nach Duden, daß es nur noch das Adjektiv „gräulich“ gebe; das Schweizer Wörterverzeichnis von 1863 hatte sauber unterschieden zwischen „gräulich (von grau)“ und „greulich (von Greuel)“. Lesen die Schüler Thomas Hürlimanns neue Novelle „Fräulein Stark“, so finden sie darin den St. Galler Stiftsbibliothekar samt Gehilfen „verschwitzt, gräulich verstaubt, außer Atem“; nach den neuen Regeln wäre unklar, was der Autor meint.

Auch die „Neue Zürcher Zeitung“ unterscheidet die beiden gleichlautenden Wörter; sie hält sich seit Mai 2000 an eine umfangreiche Hausorthographie, die in den Kernbereichen nicht mit der Neuregelung übereinstimmt. Es wäre besser gewesen, man hätte in Zürich abgewartet und dann gemeinsam mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ganz auf das mißglückte Regelwerk verzichtet; man hätte die Arbeit gespart, den dauernden Nachbesserungen nachzuspüren.

Im Strudel der Verbesserung schwimmt auch die Bundeskanzlei. Sie verheißt in ihrem „Leitfaden“ zur Reform in bestem Deutsch, daß „in jeder grösseren Verwaltungseinheit zwei bis vier Personen in so genannten Superuser-Kursen ausgebildet“ würden, und ist dennoch nicht auf der Höhe der Zeit: Auch in der zweiten Auflage fordert sie „Aufsehen erregend“, obwohl „aufsehenerregend“ wieder erlaubt ist. Das ist keine Randfrage; wir sind im Mittelpunkt der Sprache, bei der Wortbildung. Daß die Reformer selber am Herumraten sind, zeigt sich an Klaus Heller, dem Geschäftsführer der Kommission. Er läßt in der neuesten Auflage seiner „Rechtschreibung 2000“ bei 18 von 48 solcher Bildungen die Zusammensetzung wieder zu, zum Beispiel bei „prunk-liebend“, aber nicht bei „Musik liebend“. Es fehlt nicht nur in den Amtsstuben an Sachkunde und Verantwortung.

Unter dem Titel „Die deutsche Sprachverwirrung“ berichteten im letzten November die „Schweizer Monatshefte“ ausführlich über das „Fehlkonzept Rechtschreibreform“: wissenschaftlich, juristisch, politisch. Autoren sind unter anderem Adolf Muschg, Horst Haider Munske, Reiner Kunze, Theodor Ickler und Robert Nef, Herausgeber der „Monatshefte“ und Leiter des Liberalen Instituts in Zürich.

Hans Ulrich Stöckling, Präsident der kantonalen Erziehungsdirektoren, meint wohltuend sachlich, daß es dem Politiker nicht um „richtig“ oder „falsch“ gehe, sondern um die Wahl des Referenzwerkes, das mit der Sprachkonvention übereinstimme. Er sei bereit zu einer neuen Lagebeurteilung. Wer ergreift die ausgestreckte Hand? Es ist Zeit, die Ordnung wiederherzustellen.
Der gelbe Postbus fährt ruckweise, unregelmäßig: Das Getriebe stockt, Qualm steigt auf. Das friedliche glockenläutende Kühlein muß husten, und still schauen die ewigen Berge übers Land.

<b>Auf Wunsch des Autors in der alten Rechtschreibung gedruckt.</b>

Rheinischer Merkur Nr. 5, 29.01.2004
MERKUR SPEZIAL - DIE NEUE ORTHOGRAFIE
http://www.merkur.de/aktuell/do04/orth_040504.html
_______________________________________________________

Anmerkungen:

Der Ausdruck „alte Rechtschreibung“ zeigt die Befangenheit der Redaktion. Richtig wäre der Begriff „traditionelle Rechtschreibung“, weil diese für 90 Prozent der Bevölkerung auch über das Jahr 2005 weiterhin gültig ist.

Der Schweizer Gymnasiallehrer Stefan Stirnemann verwendet hier durchgängig das traditionelle Eszett, das in der Schweizer Sonderorthographie abgeschafft wurde. Aber merkwürdigerweise verliert er darüber kein Wort, obwohl gerade durch diese Schweizer Sonderregelung die Einheitlichkeit der deutschen Orthographie zerstört wird.
Vgl. im Strang „Beliebigkeitsschreibung“ den Beitrag „Zur Schweizer ss-Schreibung“ vom 20.11.2003 - www.vrs-ev.de/forum/viewtopic.php?t=105
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Manfred Riebe



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Beitrag: Donnerstag, 19. Aug. 2004 21:57    Titel: Plädoyer für das Österreichische Antworten mit Zitat

Plädoyer für das Österreichische

WIEN (dpa). - Österreichische Autoren fordern ihre Regierung auf, sich aus der Debatte um die Rechtschreibreform auszuklinken und stattdessen Österreichisch als eigenständige Sprache anzuerkennen.

In einem Manifest verlangen die Autoren von der österreichischen Regierung, „keine weiteren finanziellen Mittel für die „deutsche Rechtschreibreform“ mehr zur Verfügung zu stellen“. Dabei gehe es nicht um Nationalismus oder Provinzialismus, sagte Initiator Christian Ide Hintze von der „schule für dichtung“ in Wien, sondern um die Anerkennung des österreichischen Deutsch als eigene, über Jahrhunderte gewachsene Sprache.

Nürnberger Zeitung Nr. 191 vom 19. August 2004, S. 4
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