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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Montag, 01. März. 2004 23:31 Titel: Günter Kunert |
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<b>Attentat auf die Vernunft
Informationsdefizit der Kultusminister
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Vom Übermut der Ämter - wider die Dogmatik der Rechtschreibreform</b>
Von Günter Kunert
Sendedatum: 13. August 2000, bremen zwei
Ein Sprichwort meint, wem Gott ein Amt gebe, dem nehme er zugleich den Verstand. Das möchte ich nicht als auf die Kultusminister gemünzt verstehen. Doch ich frage mich, was die Besagten, vereinigt in einer großen Koalition, bewogen haben mag, die deutsche Sprache zu verschlimmbessern und zu diesem Zweck Millionen und Abermillionen Mark auszugeben. Ich rede von der sogenannten „Rechtsschreibreform“, diesem Attentat auf die der Sprache inhärente Vernunft. Für dieses Unternehmen „Schwachsinn“ bestand nicht die mindeste Notwendigkeit - also warum wurde es hinter dem Rücken der Bevölkerung angestiftet? Denn daß kein Kompetenter vorher befragt wurde, ist inzwischen bekannt genug. Heimlich, still und leise beschlossen die Kultusminister, Grammatik und Orthographie den Bedürfnissen der zunehmenden Zahl von Analphabeten anzupassen. Die deutsche Schriftsprache solle vereinfacht werden, hieß es, damit die Heranwachsenden es leichter hätten. Das - falls solche Überlegung wirklich stattgefunden hat - halte ich für das schlechtestmögliche Argument, denn diese „Vereinfachung“ kommt den lernunwilligen Schülern entgegen. Wir lesen ständig in der Presse Klagen über den Rückgang der Lesebereitschaft junger Menschen, über ihre Deutschunkenntnisse, über ihren reduzierten Wortschatz, und erfahren, daß diese Zunahme der Sprachlosigkeit (unter anderem) Gewalt fördere. Offenkundig lesen Kultusminister keine Zeitung. Ihr Informationsdefizit ist erstaunlich.
Wieso also die „Reform“? Fühlen sich die Kultusminister frustriert, weil ihre politische Bedeutung minimal ist, und sie nun zeigen wollen, daß sie auch noch da sind? Handelt es sich um Wichtigtuer, die aus dem Schatten anderer Ministerien heraus treten wollen? Man kann nur spekulieren, da überzeugende Gründe für die „Reform“ bisher nicht genannt worden sind. Immerhin hat der Protest weiter Kreise, nicht zuletzt der primär Betroffenen, der Schriftsteller, dazu geführt, daß die Kultusminister mit ihrem unheilvollen Beschluß in die Defensive geraten sind. (In Schleswig-Holstein haben sich per Unterschrift 125 000 Bürger gegen die „Reform“ ausgesprochen, was zu einer Volksbefragung in diesem Bundesland führen wird.)
Die angerichtete teure Verwirrung macht jedoch einiges Unstimmige und Bedrückende in unserer demokratischen Gesellschaft sichtbar. Wie nämlich in einigen Bereichen die Demokratie negiert wird. Der Alleingang der Kultusminister ähnelte fatal einem Staatsstreich; hinter dem Rücken der Allgemeinheit, ohne Umfrage-Aktionen, ohne Konferenzen über den Wert oder Unwert dieses einschneidenden Eingriffs in unsere Sprache, erlaubte sich eine beamtete Minorität uns die Wörter im Munde umzudrehen – metaphorisch gesagt. Für jeden Franzosen oder Russen, für Italiener oder Engländer wäre ein derartiges Herumschustern an ihren Muttersprachen undenkbar. Aber, so scheint es, man hat gedacht, mit dem deutschen Untertan könne man nach Gutsherrenart oder in der Manier seiner kaiserlichen Hoheit umspringen. Das wirft einen Schatten auf das demokratische Selbstverständnis der Deutschen.
Wer der Ansicht ist, die Änderungen seien doch im Grunde belanglos, irrt sich gewiß. Mit einem zeitlichen Einschnitt würde die deutsche Literatur, die klassische wie die moderne, mit dem Brandmal des Altertümlichen versehen.
Der Leser von Morgen (falls es ihn dann noch gibt) würde über viele Wendungen und Formulierungen in den Werken beispielsweise Thomas Manns stolpern, weil er ja etwas anderes in der Schule gelernt hat. Und er wird das Buch in die Ecke werfen, weil es ihm, dank der aktuellem „Bemühungen'' der Kultusminister, beim Lesen Mühe bereitet. Wir wissen nur zu gut, wie das Moderne und Modische die gestrigen Produkte alt aussehen läßt. Wie Kleidung und Autos, Geräte und Apparate unmodern werden, so erginge es auch der Literatur. Die Zäsur einer veränderten Rechtschreibung schüfe ein „Vorher“ und ein „Danach“ zum Schaden unserer schriftlichen Kultur. Die Verantwortlichen für solchen Schaden lassen sich leider nicht zur Verantwortung ziehen. Sie sind natürlich unkündbar, obwohl sie gefeuert werden müßten, wie es in der Privatwirtschaft der Fall wäre, wenn Mitarbeiter einen Millionenverlust verursachten. Im staatlichen Bereich hingegen ist erlaubt, was dem Beamten gefällt. Und erst nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, regt sich Protest. Welche Lehre können wir daraus für die Zukunft ziehen? Daß man uns weiterhin vor vollendete Tatsachen stellen und trotzdem „mündige Bürger“ nennen wird.
http://www.radiobremen.de/online/kunert/uebermut.pdf |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Mittwoch, 17. Aug. 2005 13:13 Titel: Günter Kunert unterzeichnet Rechtschreib-Resolution |
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Günter Kunert unterzeichnet Rechtschreib-Resolution
In www.deutsche-sprachwelt.de findet man u.a. auch folgende Meldung:
@ Schriftsteller Günter Kunert unterzeichnet Rechtschreib-Resolution
10. 07. 2002 (dsw) Nach dem Schauspieler Manfred Krug und dem Dichter Reiner Kunze unterstützt nun mit dem Schriftsteller Günter Kunert mittlerweile der dritte prominente DDR-Dissident die Resolution zur Wiederherstellung der Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung. Kunert, Krug und Kunze haben bereits während der DDR-Diktatur mit der Unterzeichnung einer Resolution auf sich aufmerksam gemacht. 1976 unterschrieben sie den Protestbrief gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. Das war der Auslöser dafür, den unliebsamen Kritiker Kunert aus der SED auszuschließen. Drei Jahre später mußte Kunert mit seiner Familie die DDR verlassen. Auch Krug und Kunze hielten sich nicht mehr lange in der DDR. Der Untergang des Regimes 1989 gab den Dissidenten recht. Auch gegen die diktatorisch eingeführte Rechtschreibreform setzen sie sich ein. Das Beenden von Fehlentwicklungen verlangt einen langen Atem und Zähigkeit, wie sie Vorbilder wie die drei Dissidenten verkörpern. Deswegen ist gerade deren Unterstützung eine große Bereicherung.
http://www.deutsche-sprachwelt.de/nachrichten/#Kunert |
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