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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Freitag, 28. Nov. 2003 18:45 Titel: Die normative Kraft des Faktischen |
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Die normative Kraft des Faktischen
Der niedersächsische CDU-Landesvorsitzende Christian Wulff schrieb mir am 24. September 2001:
„Ihre Kritik in bezug auf die Verwendung der neuen Rechtschreibung in Verlautbarungen und Publikationen auch der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag kann ich nachvollziehen, aber auch hier gilt <b>die normative Kraft des Faktischen</B>. So werden z.B. alle Dokumente und Schreiben des Niedersächsischen Landtags entsprechend der sogenannten ‚Rechtschreibreform‘ veröffentlicht, auch wenn sie in alter Rechtschreibung verfasst sind.“
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Donnerstag, 04. Dez. 2003 23:07 Titel: |
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Allgemeine Akzeptanz nicht erreicht
Die normative Kraft des Faktischen reicht nicht aus,
der Bevölkerung die Rechtschreibreform aufzudrängen
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Die ungeliebte Reform
NUR 8 PROZENT HALTEN SICH AN DIE NEUEN RECHTSCHREIBREGELN
56 Prozent der Österreicher schreiben wie früher gewohnt, weitere 29 Prozent erklären: „Ganz verschieden, manchmal alt, manchmal neu“ – Nur 9 Prozent der Bevölkerung sind für die Beibehaltung der neuen Schreibweise, die massive Mehrheit empfiehlt: „Jeder wie er möchte“ oder Rückkehr zu den alten Regeln – Die Rechtschreibreform entpuppt sich in Repräsentativumfrage als Fehlschlag großen Stils.
Das Vorhaben ging gründlich daneben: Drei Jahre nach Einführung der neuen Schreibregeln in den deutschsprachigen Ländern halten 57 Prozent der Österreicher die Rechtschreibreform laut einer aktuellen IMAS-Umfrage für nicht gut. Nur 9 Prozent äußerten sich lobend über die Reform; der Rest ist unentschieden. Die vielzitierte <b>normative Kraft des Faktischen</b> hat also nicht ausgereicht, der Bevölkerung ein Verhalten aufzudrängen, das ihr offenkundig zuwiderlief.
Das Ausmaß des sprachpädagogischen Fehlschlags wird vollends deutlich durch einen weiteren Umfragebefund, wonach sich bisher lediglich 8 Prozent der Erwachsenen an die neuen Schreibregeln angepaßt haben. 56 Prozent erklärten dem IMAS, sie schreiben weiterhin, wie sie es früher gewohnt waren; 29 Prozent teilen sich in ganz verschiedener Weise mit: Manchmal auf alt, manchmal auf neu.
Die Vermutung liegt zunächst nahe, daß sich die Einstellung zur Rechtschreibreform innerhalb der Altersgruppen stark unterscheidet und daß die junge Generation eine freundlichere Haltung gegenüber den neuen Schreibregeln bezieht als die ältere Bevölkerung. Aufgrund der Umfragebefunde ist dies jedoch nur ansatzweise der Fall. Kennzeichnend für Personen unter 30 ist am ehesten eine Art von Pragmatismus im Sinne einer überdurchschnittlich ausgeprägten Neigung, sich sowohl der neuen, als auch der alten Regeln zu bedienen. Dieses Verhalten trifft auch auf die Gebildeten (Personen mit Matura oder Universität) zu.
Was sollte eigentlich geschehen, wenn es nach den Wünschen der Bevölkerung ginge?
Auf die entsprechende Frage meinten 50 Prozent der Österreicher, man solle es in Zukunft jedem überlassen, wie er schreiben möchte; 30 Prozent wünschen sich eine Rückkehr zur früheren Schreibweise; lediglich 9 Prozent treten dafür ein, die neue Schreibweise beizubehalten.
Im Rahmen der Untersuchung wurde vom IMAS anhand von konkreten Beispielen überprüft, welche Schreibweise die Bevölkerung in der Praxis anwendet. Den Befragten wurden dazu auf einer Liste zehn sprachliche Gegensatzpaare in alter und neuer Schreibversion vorgelegt. Die Probanden wurden um Auskunft darüber gebeten, welche Schreibweise sie jeweils bevorzugen.
In acht Fällen wählten die Zielpersonen (in zumeist erdrückenden Mehrheiten) die alte Schreibweise, nur bei zwei Beispielen wurde die neue Regel vorgezogen. Besonders groß ist augenscheinlich die Abneigung, Begriffe wie „allein stehend“ getrennt zu schreiben und sie damit der sprachlichen Eindeutigkeit des Alleinstehens zu entziehen.
Auch der Abschied vom scharfen „ß“ mit seinen grammatikalischen Folgewirkungen fällt den Österreichern ungemein schwer. Nur 27 Prozent von ihnen sind beispielsweise bereit, das Wort „Flussschifffahrt“ mit einem dreifachen s und dreifachen f zu schreiben, 60 Prozent bevorzugen hingegen die alte Version „Flußschiffahrt“.
Nur in zwei Ausnahmefällen entschieden sich die 1100 repräsentativ ausgewählten Befragten für die neue Schreibregel: „Erstplatziert“ ist dem sprachlichen Verständnis näher als „erstplaziert“ und „belämmert“ ist im Verhältnis von 57:30 Prozent offenkundig plausibler als „belemmert“.
Alles in allem besteht kein Zweifel an einer sehr abweisenden Haltung der Bevölkerung gegenüber den neuen Regeln. Insofern ist es konsequent, daß beispielsweise der Wiener Univ. Prof. Dr. Franz Wachtler als Herausgeber des medizinischen Standardwerks „Histologie“ im Vorwort feststellte: „Die am 1. August 1998 eingeführte Rechtschreibreform für den deutschen Sprachraum haben wir nicht berücksichtigt, <b>da eine allgemeine Akzeptanz nicht erreicht worden ist</b>“.
Zeitraum der Umfrage: 28. August – 18. September 2001
Umfrageberichte von IMAS - International - Nr. 20, Sept. 2001
Die IMAS-Reports sind abrufbar über www.imas-international.com
IMAS-International, Gruberstraße 2-6, A-4020 Linz, Tel.: 0732 / 77 22 55-0
E-Mail: office@imas-international.com
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Donnerstag, 04. Dez. 2003 23:49 Titel: Die normative Kraft der allgemein üblichen Rechtschreibung |
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Die normative Kraft der allgemein üblichen Rechtschreibung
In mehreren bundesländern wurden volksbegehren gegen die neuregelung gestartet. In Schleswig-Holstein verlangt es, den folgenden satz in das schulgesetz aufzunehmen:
<i>„In den Schulen wird die allgemein übliche Rechtschreibung unterrichtet. Als allgemein üblich gilt die Rechtschreibung, wie sie in der Bevölkerung seit langem anerkannt ist und in der Mehrzahl der lieferbaren Bücher verwendet wird.“</i>
Damit würde — als unikum in der rechtsgeschichte — <b>die normative kraft des faktischen</b> gesetzlich festgeschrieben. Das begehren fusst auf der weitverbreiteten ansicht, dass die schule nicht berechtigt ist, eine rechtschreibnorm zu setzen — und illustriert auf schöne weise die leider weniger verbreitete erkenntnis, dass sie das auf jeden fall tut, mit oder ohne absicht.
Jahresbericht des vorsitzers des Bund für vereinfachte rechtschreibung, Zürich, Rolf Landolt, für 1997 (Das sind die Schweizer Kleinschreiber.)
http://www.sprache.org/bvr/bjb97.htm
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