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Beliebigkeitsschreibung
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
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Beitrag: Sonntag, 09. Nov. 2003 10:23    Titel: Beliebigkeitsschreibung Antworten mit Zitat

Beliebigkeitsschreibung - das Gegenteil einer Rechtschreibung

Die bayerische Staatsregierung behauptet wahrheitswidrig:
„Die Presseorgane verwenden zum allergrößten Teil die neue Rechtschreibung; nennenswerte Ausnahmen sind im Grunde nur „Die Presse“ (Wien) und die FAZ.“
(Brief von Dr. Hans-Eckhard Sommer, dem persönlichen Referenten des Vorsitzenden der CSU, Dr. Edmund Stoiber, vom 15. September 2002 an Dr. Diether Steppuhn, Musikjournalist)

Richtig ist dagegen:
Die „neue Rechtschreibung“ in den Zeitungen gibt es nicht. Alle Zeitungen, die auf die sogenannte neue Rechtschreibung umgestellt haben, haben keine einheitliche Orthographie mehr, sondern eine Beliebigkeitsschreibung, d.h. einen Mischmasch herkömmlicher, „neuer“ und individueller Schreibweisen, so daß das große Werk Konrad Dudens, die einheitliche Rechtschreibung zerstört wird. Diese Beliebigkeitsschreibung verteilt sich auf Dutzende von Hausorthographien.
Im übrigen gibt es in der Liste der reformfreien unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften, www.gutes-deutsch.de/, angeführt von der FAZ, schon über 300 Titel, darunter über 40 juristische Zeitschriften, die nicht auf den Neuschrieb umgestellt haben.

Professor Dr. Jean-Marie Zemb, Coll*ge de France, Paris, stellt fest, daß bei den 3. Wiener Gesprächen keine einheitliche Schreibung des Deutschen beschlossen wurde, sondern eine österreichische, eine Schweizer und eine deutsche Rechtschreibung (Jean-Marie Zemb: Für eine sinnige Rechtschreibung. Eine Aufforderung zur Besinnung ohne Gesichtsverlust. Tübingen: Niemeyer Verlag, 1997, S. 53). Eines der Beispiele, die Zemb u.a. anführt, ist die durchgängige Schweizer ss-Schreibung, die ja 90 Prozent der Reform umfaßt (S. 72, 148 f.). Außerdem schreibt Zemb richtig, daß die Wiener Gespräche alle anders verlaufen wären, wenn man die ökonomischen Erfordernisse der Computerkommunikation beachtet hätte. Noch viel wichtiger sei die Orthographie, wenn Gesprochenes automatisch umgeschrieben und Geschriebenes maschinell laut gelesen werden solle (S. 67 f.).

Das Ergebnis seiner Untersuchungen stellt Zemb gewitzt noch vor dem Titelblatt seines Buches in einer kommentierten Zeichnung „Der Kropf“ dar. Sie erinnert an den Ausspruch des vormaligen Bundespräsidenten Roman Herzog vom November 1996, die Rechtschreibreform sei überflüssig wie ein Kropf. Zemb kommentiert, mehr als 10 Prozent der Bevölkerung seien Kropfträger. Die Struma sei wegen des häufig gleichzeitigen Kretinismus (Kleinwuchs, Schwachsinnigkeit) ein soziales Problem. Später warnt er: „Ob ein Kropf gutmütig oder bösartig ist, stellt sich erst ein, wenn er da ist. Schon deswegen sollte man sich keinen anlegen.“ (S. 104)

Noch deutlicher stand in der Süddeutschen Zeitung dieses Urteil: Die deutsche Rechtschreibreform gelte in Frankreich „ganz allgemein als eine [...] ‚réforme idiote’“ (Wolfgang Zeller, Fontaine: Für Franzosen eine idiotische Reform. In: Süddeutsche Zeitung vom 22.10.1998). Die französische öffentliche Meinung zeigt, daß Deutschland sich in Frankreich mit der Zwangsverdummung durch die Rechtschreibreform lächerlich macht. Das ist für den Rang des Faches „Deutsch als Fremdsprache“ auch für das übrige Ausland von Bedeutung.

Professor Jean-Marie Zemb schreibt fast prophetisch: „Bei ‚unsinnigen’ Neuregelungen bzw. Verschlimmbesserungen dürfte aber die Sturmflut in eine Sintflut übergehen. Wird die Legitimität von Maßnahmen bezweifelt, bricht über kurz oder lang der Damm der Legalität ein. [...] Wie werden dann die Advokaten der Volksetymologie auf des Volkes Stimme, auf eine Volksabstimmung reagieren? Im Namen des Volkes gegen das Volk?“ (S. 20).
So geschah es dann tatsächlich 1998/99 in Schleswig-Holstein!

Die Schleswig-Holsteiner siegten zwar am 27. September 1998 in ihrem Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform. Aber statt aus der Koalition mit der SPD auszusteigen, führte die CDU zusammen mit der SPD im September 1999 in Schleswig-Holstein die Rechtschreibreform gegen den Volkswillen wieder ein!

Vgl. die VRS-Pressemitteilung zum 27. September 2003:
„Gedenktag: Volksentscheid in Schleswig-Holstein - Das Volk als Souverän und Untertan: Im Namen des Volkes gegen das Volk!“
www.vrs-ev.de/pm270903.php

Siehe auch die Warnung des Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Christian Meier, vor der Beliebigkeit der Rechtschreibung:
www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=353#353

Vgl. auch Hans-Joachim Neubauer: „Die kulturstiftende und einigende Macht der Norm“
Acht Präsidenten und die Orthografie
Das erste Opfer der Rechtschreibreform war die Norm.
Und mit ihr starb die Verbindlichkeit, die sie gestiftet hat.
Von Hans-Joachim Neubauer
<b>Rheinischer Merkur</b> Nr. 48 vom 27. November 2003, S. 19
www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=166

Siehe auch: Zur antiautoritären Pädagogik der Rechtschreibreformer - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=375


Anmerkung:

In den Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.


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Manfred Riebe



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Beitrag: Donnerstag, 20. Nov. 2003 17:10    Titel: Mischmaschschreibung Antworten mit Zitat

Mischmaschschreibung

J’accuse – oder orthographische Fragmente

Von Yutaka Nakayama (Japan)

Ludwig Wittgenstein, der Lieblingsphilosoph unseres Tübinger Philosophielehrers, sagte einmal: „Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden stark, wenn die Rechtschreibung eines Wortes geändert wird. Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch. Wenn die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, ähnlich wie das, welches dem «Bedeutungsblinden» mangeln würde.“

Wir suchen überall das Bewährte und finden immer nur Mischschreibungen. Viele Lexika der Alten sind Makulatur geworden, viele Lexika der Neuen sind es schon bei der Entstehung.
Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der am hellen Vormittag eine Laterne anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich schrie: „Ich suche die bewährte Rechtschreibung! Wohin ist sie? Wir haben sie getötet – ihr und hoffentlich nicht ich.“

Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten! Man weiß ja nicht mehr, ob man sich am Schloß oder „Schloss“ Hohentübingen befindet. Wenn man gemäß der bewährten Rechtschreibung schreibt, wird man durch PC rot bestraft.
Das arglose Wort ist nach Bert Brecht töricht. Die sogenannte Rechtschreibereform, die es eigentlich nicht verdient, so genannt zu werden, ist noch viel törichter. Eine glatte Stirn deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende hat nur noch nicht begriffen, was für furchtbare Konsequenzen die „neue“ Orthographie nach sich zieht.

Aufklärung heute ist der Ausgang [das soll wohl „Ausweg“ bedeuten, MR] der Deutschsprachigen aus ihrer selbstverschuldeten Mischmaschschreibung. Mischmaschschreibung ist das Unvermögen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen.
Laßt uns nur den Mut aufbringen, uns unseres Verstandes zu bedienen.

27. August 2003, Seminar für Japanologie Tübingen
http://www.uni-tuebingen.de/uni/qzl/isp/iprojekt2003/schreibprojekt/31.htm

Yutaka Nakayama ist Linguist an der Keio-University, Hiyoshi-Campus, Tokyo.
Japan 194-0033 Machida
Kiso-Machi 2448-4

Vgl. auch in der Rubrik „Staat und Sprache“ den Strang: „Rechtschreibreform schadet im Ausland“: www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=154



Anmerkung:
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Manfred Riebe



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Beitrag: Donnerstag, 20. Nov. 2003 23:21    Titel: Zur Schweizer ss-Schreibung Antworten mit Zitat

Zur Schweizer ss-Schreibung

In der viersprachigen Schweiz führten die Eidgenossen in den 30er Jahren französische Schreibmaschinen ein, auf denen es keine Taste für das „ß“ gab. Die Schweiz wirkt gerade auf Grund ihrer Viersprachigkeit als Einfallstor für die internationalisierende, die nationalen Wurzeln verleugnende ss-Schreibung, mit der die Einheitlichkeit der deutschen Orthographie zerstört wird.

Nähere Ausführungen findet man in

- Die Schweizer Sonderorthographie - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1359#1359

- im Strang „Rechtschreibreform schadet im Ausland“ den Beitrag über „Schweizer Sonderorthographie und Hausorthographien“ des Schweizer Gymnasiallehrers Stefan Stirnemann vom 15.02.2004 - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=725#725


Anmerkung:
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Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Montag, 23. Mai. 2005 15:14, insgesamt 42mal bearbeitet
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Peter Schwenzer



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Beitrag: Dienstag, 25. Nov. 2003 01:50    Titel: Zur Abschaffung der Buchstaben Ñ und ß Antworten mit Zitat

Zur Abschaffung der Buchstaben Ñ und
ß

Zum Buchstaben Ñ ließe sich noch sagen, daß eine Abschaffung den Nationalisten Kataloniens in die Hánde arbeiten würde, die kein Ñ haben, sondern ny. Es geht also noch um viel mehr als nur einen typisch spanischen Buchstaben.
Im Grunde ist die Abschaffung des ß eine politische Aktion zur Aufweichung alles Deutschen. Sprache ist Politik, Sprache ist Nation, ein Nationalbewußtsein steht und fällt mit der Sprache.
Die spanischen Nationalisten z.B. wie Katalanen, Basken, Valencianer, Mallorkiner, Galicier bauen auf ihre Regionalsprachen, um ein Nationalbewußtsein zu schaffen, das als solches nie existiert hat. Die Regionalsprachen führen zur Abspaltung vom spanischen Kernland. Der Versuch der Katalanen, ihre Sprache "imperialistisch" auf Valencia und die Balearen auszuweiten, sie diesen Regionen aufzudrücken, wo sie doch eben eigene Sprachen haben, die zwar vom Katalanischen abstammen, aber eben doch als eigenständige Sprachen laufen und Amtssprachen sind, ist letztlich auch rein politisch.
Die Bestrebungen, den Buchstaben Ñ abzuschaffen, sind letztlich Bestrebungen, Spanien als Einheit zu zerstören. Die RSR in Deutschland ist meiner Ansicht nach ein Instrument bestimmter politischer Absichten mit ähnlichen Zielen.


Zuletzt bearbeitet von Peter Schwenzer am Dienstag, 25. Nov. 2003 12:32, insgesamt 7mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 25. Nov. 2003 08:32    Titel: „Staat und Sprache“ Antworten mit Zitat

„Staat und Sprache“

Querverweis zum Thema „Staatlich unterdrückte Buchstaben“ in der Rubrik „Staat und Sprache“
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=142


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Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Montag, 23. Mai. 2005 15:28, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 25. Nov. 2003 17:40    Titel: „Beliebigkeit“ in einer großen, fast leeren Tonne Antworten mit Zitat

„Beliebigkeit“ in einer großen, fast leeren Tonne

[...]
Die Reform ist jetzt eine große, leere Tonne, und die Kommission schüttelt sie nach Kräften, so daß ein gewaltiger Krach entsteht. Doch alles, was darin noch lärmt und rumpelt, sind ein paar Silbentrennungen und ein kleines „ß“. [...] Was wird jetzt geschehen? Die Kommission wird alles dafür tun, ihr Scheitern zu verkleiden. Sie wird um „Akzeptanz“ werben und glauben machen wollen, daß eine hohle Tonne ein volles Faß ist. Es ist unwahrscheinlich, daß sie damit durchkommt. [...]
Am schlimmsten aber wird es in der Schule sein. Eine Reform der Reform kann man keinem Lehrer zumuten und einem Schüler noch viel weniger. Seit Jahren müssen die Deutschlehrer im Gymnasium damit leben, daß es zu den großen Werken der Literaturgeschichte <b><i>Interpretationen in unendlicher Zahl und Beliebigkeit</i></b> gibt. <b><i>Dieser Zustand wird sich auf die Rechtschreibung ausweiten</i></b>, und zwar bis hinunter in die erste Klasse. Früher waren sich alle Diktate, die mit einer Eins benotet wurden, orthographisch gleich. In Zukunft werden sie sich allenfalls ähneln. Man wird an der Rechtschreibung verzweifeln. Man wird die Reform hassen. Aber nie wird man zum alten Zustand zurückkehren können.

Thomas Steinfeld: Der Rückzug - Die Reform der Rechtschreibung wird reformiert. In: FAZ Nr. 5 Mittwoch, 7. Januar 1998, Feuilleton, Seite 29
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 25. Nov. 2003 17:40    Titel: Sprache wird zu einem Objekt der Beliebigkeit Antworten mit Zitat

Sprache wird zu einem Objekt der Beliebigkeit
________________________________________

Sprachverwirrung

Von Heike Schmoll

Fünf Jahre nach dem Wiener Rechtschreibabkommen der deutschsprachigen Länder und drei Jahre nach dessen offizieller Einführung kann nicht mehr geleugnet werden, daß die Rechtschreibreform ihr wichtigstes Ziel, die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung, verfehlt hat. Selbst Kultusminister, die zu den Betreibern der Reform gehörten, wie der bayerische Wissenschaftsminister Zehetmair, geben heute zu, daß die Verwirrung größer ist als je zuvor. Erwachsene wissen nicht mehr, was richtig und falsch ist, selbst die Gralshüter der Reform, die Kultusministerien, sind nicht in der Lage, die Neuschreibung in ihren eigenen Texten fehlerfrei anzuwenden.
[...]
Während ausgerechnet die Befürworter der Reform lautstark Anglizismen und Sprachverfall beklagen, begünstigt die Rechtschreibreform einen Prozeß, den die elektronische Textverarbeitung im Alltagsgebrauch ohnehin vorantreibt: <b><i>Sprache wird zu einem Objekt der Beliebigkeit</i></b>, das Schreiben schlampiger, das Lesen oberflächlicher. Fluten nachlässig geschriebener Gebrauchstexte, voller nichtssagender Versatzstücke, begünstigen die Flucht vor dem eigenständigen Denken in ein zusammenhangloses Faktenwissen, das allenfalls für gewinnträchtige Quizsendungen im Fernsehen taugt. Präzises Denken ist aber mit einer vielseitigen, treffenden und differenzierten Sprache ebenso unauflöslich verbunden, wie Lesen und Schreiben symmetrisch aufeinander bezogen sind. Schreibungen waren nie um ihrer selbst willen wichtig, sondern um den Zugang zu Texten möglichst rasch und unmittelbar zu eröffnen.
[...]
Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 175 vom 31. Juli 2001, Seite 1

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Beitrag: Samstag, 03. Jan. 2004 22:19    Titel: Die allgemeine Beliebigkeit ist eine Plage Antworten mit Zitat

<b>Die allgemeine, ratlose Beliebigkeit ist eine Plage</b>

Rechtschreibreform
Eine Plage, die ohne Not über uns gekommen ist
Von Andreas Montag
Mitteldeutsche Zeitung vom 03.01.2004
www.vrs-ev.de/forum/posting.php
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Beitrag: Samstag, 03. Jan. 2004 23:23    Titel: Münchner Merkur: Jeder schreibt, wie er will. Antworten mit Zitat

<B>Münchner Merkur: Jeder schreibt, wie er will.

Konrad Duden würde sich im Grab umdrehen: Jeder schreibt, wie er will.
„Die Einheitlichkeit ist verloren gegangen.“</b>
___________________________________________________________

Siehe: Es lebe die Sprache
ZUM 175. GEBURTSTAG VON KONRAD DUDEN
Von Andreas Liegsalz
Münchner Merkur vom 3.1.2004
www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=545#545

Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Freitag, 19. Aug. 2005 09:45, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Mittwoch, 14. Jan. 2004 17:53    Titel: „Primitiv- und Beliebigkeitsschreibung“ Antworten mit Zitat

„Primitiv- und Beliebigkeitsschreibung“

Die neue Schulrechtschreibung und Presse-Orthographie
Ungrammatisch, unlogisch, verwirrend, mißverständlich, fehlerträchtig


Ein Jahr nach der zwangsweisen Einführung der neuen Rechtschreibung in den Schulen paßten sich am 1. August 1999 die meisten Zeitungen freiwillig an, allerdings mit einer eigenen Presse-Orthographie. Aber beherrschen die Journalisten als Profis heute den Neuschrieb besser als die Schüler?

· Eindeutige Schreibweisen oder Primitivschreibung?

Manche Rechtschreibreformkritiker bezeichnen die neue Schreibung als „Primitiv- und Beliebigkeitsschreibung“. Handelt es sich bei diesen beiden Begriffen um emotional aufgeladene Kampfbezeichnungen, oder kennzeichnen diese thesenartigen Begriffe die Wirklichkeit?

· Anstatt fein gesponnen nun grob gestrickt - willkürliche Eingriffe in den Bedeutungsbereich der Schriftsprache

Die Rechtschreibung ist das Handwerkszeug der Schreibberufler. Die Schreib-Elite der Schriftsteller, Journalisten, Übersetzer, Lektoren, Lehrer und Hochschullehrer bedient sich grammatisch präziser, semantisch eindeutiger und ästhetischer Schreibweisen. Aber nun liest man plötzlich Sätze wie: „Der Kultusminister berichtete, die neue Rechtschreibung sei viel einfacher, die Schüler machten nun 40 Prozent weniger Fehler. Dann wandte sich der viel versprechende Minister einem anderen Thema zu.“ Ist der Minister ein vielversprechender Hoffnungsträger oder ein viel versprechender Schaumschläger? Durch solche neuen Getrenntschreibungen wie „viel versprechend“ geht die Eindeutigkeit der Sprache verloren; die „Reformer“ haben willkürlich in die Grammatik und den Bedeutungsbereich der Sprache (Semantik) eingegriffen.

Auch bei der Großschreibung kann man dies erkennen. Man liest nun in den Zeitungen: „Ein 50-Jähriger“. Was ist aber ein „Jähriger“? Das Hauptwort „der Jährige“ gibt es nicht. Man könnte glauben, die „Reformer“ hätten bei ihren Zusammenkünften in Wien den Heurigen über Gebühr genossen, so daß sie „hier zu Lande“ (bisher richtig: hierzulande) wenig „beim Alten“ (bisher richtig: beim alten) lassen wollten.

· Leseerschwernis durch verwirrende Wortbilder und fehlende Satzzeichen

Neunzig Prozent der reformierten Schreibungen betreffen die Ersetzung von „ß“ durch „ss. Die neue ß/ss-Regelung dient lediglich als Füllmaterial, um überhaupt eine Reform nötig erscheinen zu lassen. In Wirklichkeit steigen gerade durch diese neue ß/ss-Regelung die Fehlerzahlen stark an. Trotzdem wird an der Regel festgehalten, weil ihre Rücknahme zusammen mit bereits erfolgten bzw. sich abzeichnenden Wiederzulassungen bisheriger Schreibungen das Kartenhaus „Rechtschreibreform“ für jedermann sichtbar zusammenbrechen lassen würde. Dem stehen politische Interessen (Gesichtsverlust) und die wirtschaftlichen Interessen von großen Verlagen entgegen, denen so ein weltweites Geschäft mit immer neuen Wörterbüchern und Schulbüchern entginge.

Für die Leser verschwinden infolge der neuen ss-Schreibung die Wortbinnengrenzen, die zuvor durch das „ß“ gekennzeichnet wurden. Bei Wörtern wie Schlossstraße, Missstimmung oder anderen neuen Dreikonsonantenschreibungen wie Krepppapier leidet nicht nur die Leserlichkeit, sondern sie wirken auch plump, unbeholfen und damit unästhetisch und zeugen von fehlendem Schönheitssinn. Ebenso leserunfreundlich und obendrein unlogisch sind viele Silbentrennungen am Zeilenende: Was ist eine Buche-cker, eine Frust-ration, ein Tee-nager oder eine Walda-meise?

Genauso große Hürden für das Leseverständnis haben die „Reformer“ bei der Kommasetzung aufgebaut; z.B. braucht vor „und“ und erweitertem Infinitiv kein Komma mehr zu stehen: Der Vater schlachtete eine fette Gans und Peter lud er ein am Festmahl teilzunehmen. Manche Sätze muß man zweimal lesen, um sie zu verstehen. Die Nachrichtenagenturen behielten deswegen die bewährte Kommasetzung bei.

· Unlogische, plumpe Eindeutschungen und etymologisch falsche, häßliche neue Schreibweisen

Die Germanisierung von Fremdwörtern Portmonee, Nessessär, Spagetti oder Varietee erinnert an die Rechtschreibreform Hitlers aus dem Jahre 1944. Die Reformer behalten zwar „Orthographie“ als Hauptform bei, lassen aber „Orthografie“ als Nebenvariante zu. Aber die Nachrichtenagenturen und Zeitungen und manche „Pädagogen“ wählen trotzdem die Nebenvariante, um fortschrittlich zu erscheinen: Je „reformierter“, desto progressiver! Eingedeutscht wurde auch das Wort „Tip“ in das plumpe „Tipp“. Das ist unlogisch; denn das englische Wort „Tip“ hat mit „tippen“ überhaupt nichts zu tun. Konsequenterweise hätte man dann z.B. auch fitt, Hitt, Slipp, Stripp, Flopp, Popp, Topp schreiben müssen. Hinzu kommen falsche etymologische Ableitungen: „behände“, bisher: behende, „belämmert“, bisher: belemmert; „gräulich“, bisher: greulich.

Zusammenfassend kann man sagen, daß die grammatisch präzise und ästhetische, traditionelle Schreibweise der Schreibberufler durch die Neuregelung in eine Schreibung von geringerem geistig-kulturellen Niveau umgewandelt wurde. Die „Reformer“ haben das Präzisionsinstrument der Schriftsprache in ein noch brauchbares, aber recht grobes Werkzeug zurückverwandelt.

· Einheitsorthographie oder Beliebigkeitsschreibung?

Das große Verdienst Konrad Dudens war die Vereinheitlichung der Schreibweisen. Aber die „Reformer“ lassen Varianten- und Ausnahmeschreibungen zu. So weichen manche neuen eingedeutschten Schreibweisen von der englischen Schreibweise ab, z.B. Newage, Standingovations.. Wenn im Deutschen das gleiche englische Wort anders geschrieben wird als im Englischunterricht, kommt es unweigerlich zu Interferenzen. Dieses Phänomen ist auf dem Gebiet der Rechtschreibdidaktik als „Ranschburgsche Hemmung“ bekannt, die 1905 von dem Psychologen Ranschburg nachgewiesene Hemmung des Gedächtnisses bei der Reproduktion ähnlicher Lerninhalte durch Mangel an gestaltlicher Differenzierung. Die viersprachige Schweiz beharrt deshalb auf der Schreibweise der Wörter in der jeweiligen Ursprungssprache.

Im nicht-schulischen Bereich sind die Schreibweisen nun zersplittert in die traditionelle Einheitsorthographie der Literatur und in unzählige abweichende Schreibweisen in den verschiedenen Wörterbüchern und Hausorthographien der Verlage und Nachrichtenagenturen. Beim Lesen umgestellter Zeitungen entdeckt man seit einiger Zeit eine fehlerhafte Mischung aus traditioneller normaler Rechtschreibung, neuer Schreibung und falschen Schreibweisen, die sowohl nach überkommenen als auch nach den neuen Regeln falsch sind, kurz gesagt, eine Beliebigkeitsschreibung. Vgl. Stephanus Peil: Presse-Orthographie nach der Umstellung auf die Neuregelung ab 1.8.1999. 2. Auflage, St. Goar: Leibniz-Verlag, 2000.

Die jungen Menschen werden ihr Leben lang weiter der traditionellen Rechtschreibung begegnen, weil es gar nicht denkbar ist, geschweige denn bezahlbar wäre, alle Bücher in öffentlichen und privaten Bibliotheken zu ersetzen. Es werden über Jahrzehnte hinweg störende Interferenzen auftreten; denn die Menschen haben größte Schwierigkeiten, das bisher Richtige zu vergessen und etwas Ähnliches an seine Stelle zu setzen.

· Zielverfehlung der Reformer

Das Ziel der Reformer war eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der Rechtschreibung mit weniger Rechtschreibfehlern. Dieses Ziel wurde in sein Gegenteil verkehrt. Jetzt wird ein vereinfachtes, aber fehlerhaftes und mißverständliches Deutsch geschrieben, das die feinen Unterschiede im Ausdruck, die sich herausgebildet haben, wieder einebnet. Deswegen sprechen wir von einer „Primitiv- und Beliebigkeitsschreibung“. Auch in den umgestellten Zeitungen wimmelt es von Fehlern, wie z.B. kürzlich am Beispiel einer SPIEGEL-Ausgabe untersucht wurde. Soll man in Zukunft an der traditionellen Schreibweise den sprachlich Gebildeten und an der neuen „Primitiv- und Beliebigkeitsschreibung“ den sprachlich Ungebildeten, Gleichgültigen erkennen, der sich, fortschrittlich gebend, auf das Rechtschreibprogramm seines Computers verlassen muß?


__________________________________________

Anmerkung: Abgedruckt in der JUNGEN FREIHEIT unter:

Manfred Riebe: Unlogisch und verwirrend. Vor einem Jahr wurde in den meisten Medien die neue Rechtschreibung eingeführt. In: Junge Freiheit Nr. 31/32 vom 28. Juli 2000.
Wiederabdruck in: Rettet die deutsche Sprache. Beiträge, Interviews und Materialien zum Kampf gegen Rechtschreibreform und Anglizismen. Dokumentation, EDITION JF. Berlin: Junge Freiheit Verlag, Oktober 2004, S. 132-137


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Dienstag, 09. Nov. 2004 09:59, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Donnerstag, 15. Jan. 2004 10:03    Titel: Beliebigkeitsschreibung „mit Gottes Hilfe“ Antworten mit Zitat

<b>Beliebigkeitsschreibung „mit Gottes Hilfe“</b>

Anläßlich der gerade laufenden Abstimmung der „Rheinpfalz“ über die Rechtschreibreform bringt Sigmar Salzburg im Rheinpfalz-Forum ein lustiges Beispiel eines Pastors, der – dem Zeitgeist folgend – „mit Gottes Hilfe“ Beliebigkeitsschreibung produziert. Dazu fällt mir der Spruch von VRS-Schatzmeister Günter Schmickler - www.vrs-ev.de/vorstand.php#schmickler - ein: <b>„Mach's wie Pfarrer Nolte, der macht' es, wie er's wollte!“</b>

Forum zum Thema: Rechtschreibreform rückgängig machen?
Beitrag: Re: Nicht rückgängig machen!
Erstellt von: Sigmar Salzburg - 14.01.2004

[Dr. habil. Michael Schade:] Apropos Fehler: Ist Ihnen aufgefallen, wie oft Reformgegner beispielsweise „muss“ statt „muß“ schreiben ...? Sie hat wohl doch eine gewisse Logik, die neue Schreibweise!

Also, Herr Homo habilis, ein krampfhafteres Beispiel konnte Ihnen wohl nicht einfallen. Ich lese seit 6 Jahren in allen Medien täglich Beiträge von Reformgegnern und habe kaum jemals ein freiwilliges falsches „ss“ gelesen. Sie meinen sicher Leute, die mit der Zeit gehen wollen oder müssen, wie den Pastor unserer Gemeinde: „… so musste ich immer wieder feststellen, daß das leichter gesagt als getan war. Mit viel Mühe und manchem Ärger, vor allem aber mit Gottes Hilfe gelang es, dass die Gemeinde wieder zusammenwuchs. Es gab viel zu tun, und ich muß feststellen, dass ich leider nicht alles, was ich mir vorgenommen hatte, geschafft habe.“

http://www.rheinneckarweb.de/regio/brennpunkt/duden/forum/zyvzzwzzt.htm
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Manfred Riebe



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Beitrag: Sonntag, 08. Feb. 2004 00:14    Titel: Kleines Echo einer VRS-Pressemitteilung Antworten mit Zitat

<b>Kleines Echo einer VRS-Pressemitteilung
__________________________________________________________

Kritiker der Rechtschreibreform werfen Medien Beliebigkeit vor</b>

Erlangen (dpa/lby) - Kritiker der Rechtschreibreform haben den deutschen Medien Beliebigkeit im Umgang mit den neuen Regeln vorgeworfen. Nachdem sich etliche Medien hauseigene Regelwerke erstellt hätten, gebe es in Zeitungen und Zeitschriften ein Mischmasch herkömmlicher und neuer sowie individueller Schreibweisen, kritisierte der Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege (VRS) am Freitag in Erlangen. Die einheitliche Schreibung werde so zerstört, Schüler dadurch verunsichert.

Straubinger Tagblatt / Landshuter Zeitung am 29. August 2003
www.idowa.de/idowa/bereich_de/nachrichten/nachricht.html?nachrichten_id=469607
______________________________________________________________________

Anmerkungen:

Einen „Verein für Sprachpflege“ (VfS) gibt es in Erlangen. Aber der Sitz des „Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege“ (VRS) ist in Schwaig bei Nürnberg.
Man sieht an diesem Beispiel, wie dpa und/oder die HAZ eine VRS-Pressemitteilung kürzt und verstümmelt:
Pressemitteilung vom 28. August 2003: „Gleichgeschaltete Presse verharmlost Rechtschreibreform - Totschlagargumente der Reformer und Kultusminister werden verbreitet, Teil 2 der Presseserie des VRS“
http://www.vrs-ev.de/pm280803.php
Vgl. auch www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=152
___________________________________________________________________

Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt / Landshuter Zeitung
Straubinger Tagblatt
Landshuter Zeitung
Bogener Zeitung
Chamer Zeitung
Kötztinger Zeitung
Landauer Zeitung
Plattlinger Anzeiger
Donau-Post
Allg. Laber-Zeitung
Vilsbiburger Zeitung
Moosburger Zeitung
Hallertauer Zeitung
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In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.


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Manfred Riebe



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Beitrag: Freitag, 07. Mai. 2004 20:02    Titel: Beliebigkeit und Unsicherheit durch die Rechtschreibreform Antworten mit Zitat

Beliebigkeit und Unsicherheit durch die Rechtschreibreform
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Grammatikunterricht an der Grundschule


Es kommt darauf an, wie und was man unter Grammatikunterricht versteht. An der Grundschule muß Sprachunterricht praktisch sein -- theoretische Überlegungen werden von den meisten Schülern dieser Altersstufe nicht verstanden. Guter Deutschunterricht ist ohnehin immer auch Rechtschreib- und Grammatikunterricht. Ich weiß, wovon ich rede. Ich war lange genug im aktiven Schuldienst tätig.
Wer sich alte Sprachbücher anschaut, ist überrascht von der Vielfalt situationseingebetteter Grammatikübungen. Die Überschriften verraten meist gar nicht, daß es um Grammatik geht. Reihenübungen erleichterten das Einschleifen und Bilden von Automatismen.
Vergleicht man die alten Sprachbücher mit den heute gebräuchlichen, fällt gleich das armselige Angebot an sinnvollen Übungen ins Auge. Moderne Sprachbücher wirken im Vergleich zu den alten wie Illustrierte, die man „konsumieren“ kann. Und trotzdem irgendwie steril. Trostlos.
Die Folge der „Schulbuchmisere“: Grammatikunterricht wird losgelöst vom gesamtunterrichtlichen Konzept erteilt: theoretisch, sinnentleert, auf fliegenden Blättern, gespickt mit Fachbegriffen und Erklärungen. In den letzten Jahren zunehmend mit der Methode des „selbstentdeckenden Lernens“ (was auch immer das sein mag)gekoppelt. Unsere Schüler sollen heute eher ÜBER etwas schwätzen können, als daß sie es ÜBEN und LERNEN. (Pfui, wie rückständig! ÜBEN ist ein Folterwerkzeug rückständiger und autoritärer Pädagogik!) Schüler sollen nach modernem Unterrichtsverständnis etwas VERSTEHEN und ERKLÄREN, noch ehe sie die Chance bekommen, es AUSZUPROBIEREN. Sie lernen also, über Dinge zu reden, von denen sie keine Ahnung haben.
Wenn ich Professor Ickler richtig verstehe, dann meint er diese Art von verkopftem Grammatikunterricht, der zu früh einsetzt und zu früh wieder vom Stundenplan verschwindet.
Die Verfrühung und Verkomplizierung von Lerngegenständen durch Spezialisierung und Verkopfung zieht sich quer durch alle Unterrichtsfächer und -gegenstände. Sie ist eine von den vielen Ursachen für Unterrichtsfrust und oft zitiertem „Leistungsstreß“, der nichts anderes ist als „Orientierungsstreß“. Gerade die Beliebigkeit ist es, die solchen Streß erzeugt. Was an Beliebigkeit und Unsicherheit durch die Rechtschreibreform entstanden ist, wird diesen Mißstand eher noch verschärfen.
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07.05.2004 16.30

Karin Pfeiffer-Stolz
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Forum > Rechtschreibforum > „Neue“ Grammatik
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 06. Jul. 2004 17:36    Titel: RECHTSCHREIBCHAOS Antworten mit Zitat

RECHTSCHREIBCHAOS 2003

Am Anfang war das Wort - und das Wort wurde Symbol - und aus Symbolen entstanden neue Wörter und Sätze - und man reihte sie aneinander - und einige wenige konnten lesen und schreiben und sie verfassten erste „Vorschriften“, in Klöstern und bei Hofe.

Wer privilegiert war, durfte „frei Schnauze“ schreiben – zum Beispiel unsere Klassiker: Mal „diktierte“ Goethe mit „ck“, mal trug seine „Nachbarin“ ein Doppel-“a“.

Erst Konrad Duden, ein Schullehrer mit mäßigem Examen, stellte für den gesamten deutschen Sprachraum Richtlinien korrekter Orthographie und Interpunktion auf.

Seine ersten Opfer waren die Schüler: In Klassenzimmern, Amtsstuben und in „gebildeten Kreisen“ wurde der „Duden“ verbindlich. Seither kamen ständig neue Regeln hinzu. 1996 wurden sie ein bisschen reformiert: keine Reform, ein Reförmchen. Nach jahrelanger Kompromissfindung war am Ende keine Rede mehr davon, das Erlernen unserer Schriftsprache allen zu erschließen - etwa durch Kleinschreibung wie im Englischen.

Der Schriftsteller Reiner Kunze ist stolz, ein Arbeiterkind zu sein. Er brauchte keine Reform. Mit der „Bayerischen Akademie der Schönen Künste“ gehört Kunze zu den leidenschaftlichen Gegnern der Rechtschreibkompromisse, wie sie die Kultusminister beschlossen haben. Für ihn ist das Reförmchen ein „Staatsstreich“.

Paul Flora hat die vermeintlichen Beschädigungen der deutschen Sprache aus Sicht der Bayerischen Akademie illustriert. Sitzen die Dichter in der Tinte - Opfer der Rechtschreibreform?

Jetzt meldet sich die Akademie für Sprache und Dichtung mit einem „Kompromißvorschlag“ zum Kompromiss zu Wort - und das in vier Spalten:

1. „Ketchup“ bis 1996, dann ministeriell reformiert zu 2. „Ketschup“ mit „sch“, 3. Reform der Reform „Duden 2000“: abermals mit „sch“ und jetzt 4. Reform der Reform der Reform: „Ketchup“, wie gehabt: Deutschland - kein Land für große Veränderungen.

Die einzelnen Rechtschreibhilfen weichen je nach Auflage ganz erheblich voneinander ab. Statt Reform: Irritation - für Lehrer, Schüler und Staatsbeamte. Je nach Verlag sind in der Schönen Literatur inzwischen alle Schreibweisen vertreten - die neue, die alte oder - die „ganz persönliche“.

Die Darmstädter Sprachakademie will's allen recht machen: Ihr Vorschlag lässt „nichtsagend“ zusammen und „nichts sagend“ getrennt schreiben, „vielsagend“ will sie aber stets zusammenhalten. Radikal reformiert, darf „rauh“ nie mehr mit „h“ geschrieben werden: Ein bisschen Reform muss schon sein. Die meisten werden sich aufs neue WORD verlassen. Doch worauf setzt Microsoft? Vorerst keine Auskunft …

In Schulen und Behörden bleibt keine Wahl - uns anderen schon!

Michael Bauer
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Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (Hrsg.): Zur Reform der deutschen Rechtschreibung - Ein Kompromißvorschlag, Wallstein Verlag, Göttingen 16,00 Euro

Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.): Deutsch. Eine Sprache wird beschädigt. In Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Deutsche Sprache (FDS). Mit zehn Zeichnungen von Paul Flora. Oreos Verlag, Waakirchen 12,80 Euro

Reiner Kunze: Die Aura der Wörter Denkschrift. Radius-Verlag, Stuttgart, 16,00 Euro
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LeseZeichen
Redaktion Literatur Fernsehen
Floriansmühlstr. 60
80939 München

www.br-online.de/kultur/literatur/lesezeichen/20030525/20030525_3.html
www.br-online.de/kultur/literatur/lesezeichen/kontakt.html
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Manfred Riebe



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Beitrag: Samstag, 16. Okt. 2004 15:37    Titel: „Vermeidungsrechtschreibung“ Antworten mit Zitat

„Vermeidungsrechtschreibung“ und „Unsicherheitsrechtschreibung“
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Das Kreuz mit der Rechtschreibung


Von Peter Liebers

Im Sommer 2005 soll nun die vor fünf Jahren eingeführte und seitdem umstrittene Rechtschreibreform verbindlich werden. Alle Hoffnung auf Reform oder gar Rücknahme der Reform ist dahin. Ab 1. August 2005 muss man sich entscheiden, ob man Thunfisch nun mit h oder ohne h und ob man zusammenschreiben zusammenschreibt oder getrennt. Und wer es falsch macht, bekommt dann eine Sechs. Hilft Galgenhumor, wo die Reformmüdigkeit der Kritiker der Rechtschreibreform soeben die Kultusministerkonferenz in die Lage versetzte, das Chaos Dutzender aufgestellter oder wieder außer Kraft gesetzter Regeln zu sanktionieren? Sie will nun allein für alle weiterhin zu erwartenden Änderungen zuständig sein.

Die Katastrophe nimmt ihren Lauf, und weil niemand mehr durchblickt, was wie geschrieben werden darf oder muss, regt sich zwar in Akademien und Verlagen Widerspruch, aber der rechtlose Raum zerrt weiter an den Nerven der Lehrer, Schüler und Eltern. Denn es gibt derzeit ja nicht nur eine oder zwei, sondern viele Rechtschreibungen.

So gibt es die alte Rechtschreibung, die nach wie vor von den meisten Menschen benutzt wird; es gibt die neue Rechtschreibung, die mit der Gewalt der Zensur in den Schulen durchexerziert wird, und es gibt viele Mischformen. Darüber hinaus gibt es „Rechtschreibungen“, die es noch nie gegeben hat: die Vermeidungsrechtschreibung, also die, die Leute benutzen, wenn sie nicht gerne „Gräuel“ schreiben möchten, und die „Unsicherheitsrechtschreibung“, die entstanden ist, weil keiner mehr weiß, was eigentlich gilt.

Das wissen natürlich auch die Kultusminister. Doch sie wollen nur vermeiden, dass man irgend etwas am absurden Akt der Reform der Rechtschreibung zurückdreht, dass man abweicht von dem, was sie mal falsch gemacht haben. Trotzdem war gestern zum Abschluss ihrer Konferenz in Mainz die Rede von wieder neuen Änderungen, „sanften Korrekturen“, die ein Hinübergleiten in „zusätzliche Varianten“ von Schreibweisen in der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der Groß- und Kleinschreibung ermöglichen.

Neu ist auch ein „Rat für deutsche Rechtschreibung“, der sein Ohr künftig den Kritikern leihen soll. Besser wäre es gewesen, den neuen Variantenapparat nicht zuzulassen, um den Dschungel durchschaubar zu machen, denn 2006 soll sich in einem Lesetest an deutschen Grundschulen der Stand der Umsetzung der Rechtschreibreform erneut erweisen.

Man muss kein Pessimist sein, um der gleichfalls neuen Idee der Gründung eines „Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ zu misstrauen. Denn Grundentscheidungen sind das Gebot der Stunde. Sonst bleibt die deutsche Rechtschreibung frei gegeben, kann jeder schreiben, wie er will, herrschen bald wieder Verhältnisse, wie sie im 19. Jahrhundert in der deutschen Schriftsprache gang und gäbe waren.

Märkische Oderzeitung vom 5. Juni 2004
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