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Lehrer gegen die Rechtschreibreform
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Elke Philburn



Registriert seit: 03.12.2002
Beiträge: 246
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Beitrag: Dienstag, 31. Aug. 2004 00:01    Titel: Gottschalk protestiert gegen neue Rechtschreibung Antworten mit Zitat



Gottschalk protestiert gegen neue Rechtschreibung

Hamburg (AFP) - Entertainer Thomas Gottschalk hat sich dem Protest gegen die neue Rechtschreibung angeschlossen. "Von allen Reformen, die Deutschland dringend braucht, war die Rechtschreibreform die letzte", sagte Gottschalk der "Bild"-Zeitung. Weil aber Studienräte nicht zum Widerspruch neigten und Schüler nicht widersprechen dürften, habe niemand "diesen Verwaltungs-Germanisten ihre Kopfgeburt vom Schreibtisch gefegt".

Der studierte Lehrer hält sich selbst nicht an das neuen Regelwerk. Für ihn sei in diesem Zusammenhang "ziviler Ungehorsam Bürgerpflicht" gewesen. Er habe einfach weitergeschrieben wie bisher, sagte Gottschalk.

<a href="http://de.news.yahoo.com/040830/286/46ny4.html">Quelle</a>
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Donnerstag, 02. Sep. 2004 11:43    Titel: „Armenspeise als Festmenü angepriesen“ Antworten mit Zitat

„Armenspeise als Festmenü des Fortschritts angepriesen“
Beratung Stoibers durch engagierte Sprachwissenschaftler notwendig
Die Bildung ist zu einer Karikatur politischer Lächerlichkeit verkommen


Warum eigentlich regt sich Doris Ahnen, die Vorsitzende der Kultusminister-Konferenz, so auf über die Verlage, die jetzt zur herkömmlichen, d.h. auch zu der von allen Kultusministerien aus gesehen einzig richtigen Rechtschreibung zurückkehren? Wenn sie sich nach dem 1. August 2005 aufregen würde, dann wäre das noch irgendwie verständlich. Unseren Schülern wurde ganz offensichtlich gegen alle Vorbehalte und Warnungen Gewalt angetan, indem man ein kulturelles Erbe sinnlos zu vernichten wollte. Den „armen“ Kindern hat man eine Armenspeise als Festmenü des Fortschritts und der Reform angepriesen und selbst noch gültige Schreibung als „überholt“ angestrichen, wenn sie den Anforderungen Augsts und Zabels nicht genügten. Die Kultusminister sind verantwortlich für das augenblickliche Wirrwarr.

Im Gegensatz zu vielen, bin ich persönlich nicht glücklich über die Art, wie jetzt versucht wird, auf politischer Ebene eine Lösung zu finden. Ich nehme an, daß die Ministerpräsidenten auch nicht mehr verstehen von Sprache wie die jetzigen und die vorherigen Kultusminister, von denen es der Hauptschuldige Hans Zehetmair wenigstens jetzt tief bedauert, die sog Rechtschreibreform zugelassen zu haben. So könnte es schließlich zu noch grausigeren Verunstaltungen im Rechtschreibbereich kommen. Solange ein Herr Stoiber nicht Herrn Friedrich Denk und/oder dazu einige der engagierten Sprachwissenschaftler, die gegen die sog. Rechtschreibreform sind, in die Rechtschreibkommission und zu einer persönlichen Audienz ohne Zeitzwang bittet, solange ist alles ein Geschwafel.

Die überstürzte Einführung der auf 8 Jahre verkürzten Gymnasialbildung ist nach demselben Muster gestrickt wie die in Bayern noch dazu um ein Jahr vorgeschobene Einführung der sog. Rechtschreibreform. Der volkswirtschaftliche Unsinn ist inzwischen wenigstens sichtbar. Warum eigentlich werden die Kultusminister nicht für den Schaden haftbar gemacht, den sie angerichtet haben?

Für die Lehrer wird es eine unendliche Qual werden, vor allem deshalb, weil der größte Feind der bisherigen Bildung der Zeitdruck war, unter dem der „Stoff“ eingetrichtert werden mußte. Die Bildung ist zu einer unausgereiften Skizze und Karikatur politischer Lächerlichkeit verkommen.

So gesehen ist der, ich meine, nicht einmal mutige, sondern selbstverständliche Schritt einiger Verlage zur Rückkehr zur hergebrachten Schreibweise vielleicht doch noch ein Signal dafür, daß Bildung und Demokratie nicht weichen dürfen einer „Demokratur“, die beratungsresistent und antidemokratisch beliebige und unsinnige Reformen durchführen will.

Peter W. Forster, StD, Lerchenstraße 9, 84137 Vilsbiburg, pw.forster@t-online.de
am 09.08.2004 um 18:30 Uhr

www.fds-sprachforschung.de/index.php?show=gaestebuch&start=10.1
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Ulrich Brosinsky



Registriert seit: 09.08.2004
Beiträge: 155
Wohnort: Weinstadt

Beitrag: Freitag, 03. Sep. 2004 00:52    Titel: Hoher Preis Antworten mit Zitat

Anmerkung: Da er gut zum Thema "Lehrer gegen die RSR" paßt, habe ich diesen Artikel, der bereits unter "Die Schüler als Opfer" zu finden ist, auch hier eingetragen. Ulrich Brosinsky
____________________________________________________________________________________________________________

Urteil eines Deutschlehrers: Die Einheit der Rechtschreibung ist dahin - das ist der hohe Preis, der für einige kleine Verbesserungen zu entrichten ist. Unser Autor berichtet von seinen Erfahrungen im täglichen Umgang mit den neuen Regeln.


Rechtschreibung
Dann ist es ja Wurscht!
Von Matthias Richter


09. August 2004 Machen wir uns nichts vor: Die deutsche Rechtschreibung ist schwierig. Sie war es auch nach den alten Regeln, ob man sie nun für "bewährt" hält oder gar für "klassisch". Mitte der neunziger Jahre war ich Mitte Dreißig und hatte über zehn Jahre versucht, Schülern zu erklären, wann man "ss" oder "ß" zu schreiben hat, warum man "er bekommt recht" schreibt, aber "er sucht Recht". Vieles war eben so, man konnte es leider nicht recht erklären. Deshalb habe ich die Rechtschreibreform begrüßt, schien es doch so, daß vieles nun endlich klarer, logischer und leichter zu erlernen sei.

Nehmen wir das vielstrapazierte Beispiel "Schiffahrt" (alt) oder eben "Schifffahrt" (neu): Ob die Folge von drei gleichen Konsonanten häßlich aussieht oder nicht, ist Ansichtssache. Die alte Regelung schrieb vor, daß bei Wortbildungen, bei denen drei gleiche Konsonanten zusammentreffen, nur zwei geschrieben werden, wenn ein Vokal folgt, dagegen alle drei geschrieben werden müssen, wenn ein weiterer Konsonant folgt. Die besseren Argumente haben in diesem Fall die Reformer. Ihr Vorschlag, bei Wortzusammensetzungen alle Konsonanten zu schreiben, ist schlicht einfacher, sprachökonomischer und leichter zu erlernen als die alte Regelung.


Rechtschreibung im Schulalltag thematisiert

Und weil das beileibe nicht das einzige war, wo die neuen Regeln übersichtlicher, klarer und deshalb besser waren, haben viele Lehrer, so auch ich, die Rechtschreibreform anfangs durchaus begrüßt. Die ß-/ss-Regelung, einiges aus der Silbentrennung, das unsägliche "Er fährt rad", aber "Er fährt Auto" - daß so etwas fällt, erschien als Verbesserung. Das Kleingedruckte las man später. Da ging es den Lehrern nicht anders als den Schriftstellern, die auch erst aufwachten, als die Reform verabschiedet wurde.

Erst sickerten das Regelwerk und das neue Wörterverzeichnis durch, dann der KMK-Beschluß und die neuen Nachschlagewerke, die neuen Bücher - und die neuen Verordnungen. Es gab drei, vier Jahre, in denen Rechtschreibung im Schulalltag zum Thema wurde. Die privilegierte Position der Lehrkräfte war für eine Zeitlang dahin, weil sie die neuen Regeln genauso lernen mußten wie die Schülerinnen und Schüler.

Was die Lehrpläne für die höheren Klassen der Mittelstufe gefordert hatten, ohne daß es sonderlich interessiert hätte, nämlich über orthographische Normen und ihre Entwicklung nachzudenken, das war nun Thema des Tages und ermöglichte wenigstens punktuell ergiebige Reflexionen über den Zusammenhang von Schreibung und Bedeutung. Daß nebeneinander verschiedene Auflagen eines Schulbuchs mit unterschiedlichen Schreibungen benutzt wurden, störte in der Praxis nicht, sondern gab Anlaß, sich über die Veränderungen zu verständigen.


Die Übergangszeit

Damit begann aber auch das Grübeln über die beiden heikelsten Bereiche, die Groß- und Kleinschreibung und die Getrennt- und Zusammenschreibung. Diese beiden Bereiche waren immer heikel, auch in der alten, bewährten, klassischen Rechtschreibung - aber sie sind in der neuen nicht besser geworden. Karl Kraus hatte recht: Das hat der Fortschritt so an sich, daß er von nahem bei weitem nicht so groß ausschaut, wie es in der Ferne scheint.

Denn die Schule ist ja auch ein bürokratisches Rechtssystem. Es gab die Übergangszeit, volle sieben Jahre sollte sie dauern. Und währenddessen? In Niedersachsen zum Beispiel wurde die neue Rechtschreibung gelehrt. Die alte mußte als überholt gekennzeichnet werden. Aber diese Verstöße waren nicht benotungsrelevant, heißt: Verstöße gegen die neue Orthographie, die nach der alten korrekt waren, durften nicht in die Benotung einbezogen werden. Das geht auch nicht anders, denn sonst hätte man sich die Übergangszeit sparen können.


Dann ist es ja Wurscht!

Nun hat aber die Schule die Aufgabe, die Rechtschreibleistung zu bewerten - bis zur Abiturarbeit, wo laut KMK-Beschluß gravierende Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit mit Punktabzug zu ahnden sind. Etwas anderes kam hinzu: Mit der Rechtschreibreform fiel das Deutungsmonopol des Duden. Hinfort durfte den Eltern nicht mehr gesagt werden, der Duden sei das offizielle oder offiziöse Wörterbuch, das die Norm aller Bewertungen von Regelverstößen ist.

Fairerweise mußte darauf hingewiesen werden, daß auch andere Wörterbücher, sofern sie den Regeln entsprächen, zuzulassen seien. Die beiden erfolgreichsten Wörterbücher, der Duden und sein Konkurrent aus dem Hause Bertelsmann, wiesen aber in der ersten Auflage mehrere hundert Unterschiede auf, weil Regeln unterschiedlich ausgelegt wurden. Praktisch gesehen, hieß das: In Klasse 7 oder 8 wird etwa der haarige Komplex der Groß- und Kleinschreibung von Substantiven in stehenden Verbindungen durchgenommen - nach neuer Schreibung "Sie bekam Recht", nach alter "Sie bekam recht". Geübt wird die neue Schreibung, aber die alte darf nicht als Fehler bewertet werden. Also schließt der Schüler messerscharf: Dann ist es ja Wurscht!


Kuddelmuddel von alt und neu

Über den Sinn von Diktaten kann man streiten, aber sie müssen nach wie vor in allen Bundesländern geschrieben werden. Ob Diktate mit oder ohne Hilfe eines Rechtschreibwörterbuchs oder irgendeine andere Form der Überprüfung: Alle Schülerinnen und Schüler in dieser Übergangszeit dürfen sich praktisch aussuchen, wie sie schreiben. Und das betrifft nicht nur eher seltene Dinge wie "Schifffahrt" oder "Schiffahrt" oder die - sehr viel zahlreicheren - Fälle der Getrennt- und Zusammenschreibung wie die "so genannten" oder "sogenannten" "Besser Verdienenden" (von Duden und Bertelsmann-Wahrig neuerdings erlaubt) oder "Besserverdienenden" (vom Duden als Variante erlaubt, bei Bertelsmann-Wahrig überholt und demnach ab 1. August 2005 falsch).

Nein, dieses Kuddelmuddel von alt, aber überholt und neu gilt, rechtlich gesehen, durchweg und überall. Es ist nicht auszuschließen, daß ein erheblicher Teil der geschriebenen, in Einzelfällen möglicherweise sogar versetzungsrelevanten Diktate einer genauen Überprüfung nicht standhielte, weil Dinge als Fehler gewertet wurden, die eigentlich nur als überholt hätten markiert sein dürfen.


Kriterium: Vermittelbarkeit und Lernerfolg

Natürlich, sagt die Kultusbürokratie, das ist eben die Übergangszeit, und die soll ja Ende Juli 2005 enden. Dann endeten auch diese kleinen Problemchen, die jede Übergangszeit nun einmal mit sich bringt. Richtig. Aber dieses Nebeneinander hat die Lehrer mürbe gemacht, und es hat die Augen dafür geschärft, was denn nun wirklich besser geworden ist. Als Kriterium muß man sich da glücklicherweise nicht auf Geschmacksfragen verlassen.

Nein, als Lehrer hat man als Kriterium Vermittelbarkeit und Lernerfolg. Und da scheint mir, daß die Zeichensetzung nicht einfacher geworden ist, weil gerade der Hauptblock, die Kommasetzung bei Infinitivgruppen, durch Ausnahmeregelungen wieder verkompliziert wurde. Die Groß- und Kleinschreibung mag grosso modo etwas einfacher geworden sein. Die Getrennt- und Zusammenschreibung ist insgesamt nicht nur nicht einfacher geworden, sondern in jedem Fall schlechter als die alten Regelungen. Die Regeln zur ß-/ss-Schreibung dagegen sind klarer geworden, auch wenn jetzt überall regelwidrig "aussen" und "beissen" geschrieben wird.


Jeder macht, was er will

Insgesamt erlaubt meine Erfahrung nach zwanzig Jahren Deutschunterricht weder das Urteil, die neue Rechtschreibung sei komplett zu verwerfen, noch, sie sei um jeden Preis beizubehalten. Der wichtigste Einwand ergibt sich aber genau aus dieser Feststellung: Hat sich der immense Aufwand dieser Reform gelohnt, von der man selbst bei wohlwollender Betrachtung nur sagen kann, daß sie einige Dinge möglicherweise etwas besser gemacht hat?

Die Einheit der Rechtschreibung ist dahin. Sie war immer nur eine gesetzte, aber es gab sie, und insofern ist auch die Rede von der "bewährten" Rechtschreibung richtig. Mögen ihre Normen auch in Teilen willkürlich sein, mochte es auch fragwürdig sein, daß eine nichtöffentliche Instanz wie die Duden-Redaktion quasiamtliche Aufgaben ausübte - der jetzige Zustand, in dem jeder macht, was er will, ist gräßlich. Michael Klett hat recht: Not täte eine behutsame Anpassung der Rechtschreibung, "über die vorher endlos und sorgfältig debattiert wird". Dann freilich muß entschieden werden, und alle sollten sich daran halten. Wir werden lange darauf warten müssen.

Der Verfasser, geboren 1957, unterrichtet Deutsch am Hölty-Gymnasium in Celle und bildet dort als Fachleiter am Studienseminar zukünftige Deutschlehrer aus.


Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.08.2004, Nr. 184 / Seite 31
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
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Beitrag: Mittwoch, 06. Okt. 2004 20:57    Titel: Beliebigkeit hat in der Pädagogik nichts zu suchen Antworten mit Zitat

Beliebigkeit hat in der Pädagogik nichts zu suchen
Claudia Ludwig im Gespräch mit Karin Pfeiffer

Karin Pfeiffer:
Frau Ludwig, Sie sind Vorsitzende des Vereins „Lebendige deutsche Sprache e.V.“ und setzen sich in dieser Eigenschaft für die Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung nach Konrad Duden ein. Was sind Ihre Beweggründe?

Claudia Ludwig:
Als Lehrerin habe ich 16 Jahre lang Englisch und Deutsch unterrichtet und dabei im einen wie im anderen Fach auch besonders auf die Rechtschreibung geachtet, denn sie ist wichtig, wenn es um die Bedeutung von Wörtern geht. Schon ein einzelner Buchstabe kann dabei eine große Rolle spielen. Es ist eben ein Unterschied, ob ich ein „Lid“ oder ein „Lied“ meine, ob ich von der „Mine“ oder der „Miene“ schreibe, ob ich „weg“ oder „Weg“ sagen will. Gleich 1996 habe ich mich intensiv mit dem Regelwerk der „neuen“ Rechtschreibung auseinandergesetzt -

Pfeiffer:
Was nicht allzuviele von uns getan haben, wenn wir ehrlich sind -

Ludwig:
Genau das ist der Punkt. Also ich habe die „neuen“ Regeln mit den „alten“ verglichen und bin dabei auf Unglaubliches gestoßen,

Pfeiffer:
Jetzt machen Sie uns neugierig.

Ludwig:
Es heißt doch immer, die „neue“ Rechtschreibung komme mit wesentlich weniger Regeln aus als die „alte“, sei also leichter darstellbar und leichter lernbar. Gerade das stimmt aber nicht. Die Reformer haben wortwörtlich die einzelnen Regeln der „alten“ Rechtschreibung übernommen, ihnen aber keine Zahl gegeben, sondern sie als Unterpunkt zu einer anderen Regel aufgelistet. Auf diese Weise kann man schnell die Zahl der Regeln verringern, obwohl nun in einer Regel mindestens zwei oder drei enthalten sind...

Pfeiffer:
...was natürlich niemand erwartet hat. In gutem Glauben an die Seriosität der neuen Regeln versuchte auch ich, mir diese anzueignen. Doch irgendwie fühlte ich mich immer irritiert.

Ludwig:
Vor der Reform gab es 171 reine Orthographieregeln. Der Duden 2000 verzichtet auf Doppelanführungen, enthält aber trotzdem 169 orthographische Regeln - also gerade einmal zwei weniger als vor der Reform! Innerhalb dieser 169 Regeln sind viele der vorher unabhängigen Punkte zu einer Nummer zusammengefaßt worden - wieder andere fehlen komplett. De facto haben wir also weitaus mehr Regeln als vorher. Mich hat das alles sehr geärgert.

Pfeiffer:
Ärgern allein hilft nicht, man muß handeln. Also haben Sie als Frau in der Tat gehandelt. Was haben Sie unternommen?

Ludwig:
In erster Linie habe ich Aufklärung betrieben. Dabei stellte ich zu meinem großen Erstaunen fest, daß gerade die Befürworter den Inhalt der Reform gar nicht kannten. Tatsächlich habe ich nicht einen getroffen, der die „neue“ Rechtschreibung wirklich beherrschte. Am Ende der Diskussion stand immer das Argument, man sehe es als großen Vorteil an, daß nun jeder so schreiben könne, wie er wolle. Dazu fällt mir dann wirklich nichts mehr ein.

Pfeiffer:
Nun ist die Reform der Rechtschreibung mit dem Argument eingeführt worden, den Schülern das Schreiben zu erleichtern. Ist wenigstens dieses Ziel erreicht worden?

Ludwig:
In keiner Weise. Das Gegenteil ist eingetreten: wir alle tun uns heute beim Schreiben viel schwerer, und die Zeitungen sind voller Fehler. Die Einheitlichkeit der Schreibung ist verlorengegangen, wir haben keine Orthographie mehr sondern viele verschiedene Orthographien wie zuletzt vor mehr als 100 Jahren. Das betrachte ich nicht als Fortschritt.

Pfeiffer:
Aus Grundschulen hört man oft, die neuen Regeln würden von den Kindern leicht gelernt, deshalb sei man mit der Reform zufrieden.

Ludwig:
Mit den eigentlichen Problemen der Rechtschreibung hat man in der Grundschule kaum etwas zu tun. Von Belang ist allenfalls die neue s-Schreibung, aber auch die hat ihre Tücken. Nach „alter“ Rechtschreibung gab es eine leicht zu merkende Regel, die wirklich half: „ss am Schluß bringt Verdruß“. Auch konnten die Kinder sich merken, da0 ein s-Laut, sofern man ihn nicht trennen konnte, als ß verschriftlicht wurde: es-sen, aß, küs-sen, Kuß, und so weiter.Was war daran so schwierig? Die meisten Fehler wurden bei der Schreibung von daß und das gemacht. Und dieses Problem hat sich mit der Reform nicht erledigt, sondern eher verschärft.

Pfeiffer:
Weil „dass“ und „das“ graphisch schlechter zu unterscheiden sind als „daß“ und „das“

Ludwig:
Richtig. Wir lernen ja vor allem auch optisch, durch das Lesen. Und da war das auffällige „Buckel-ß“ einprägsamer. Wer viel liest, schreibt auch besser. Aber noch einmal zurück zu der s-Schreibung. Die Kinder lernen heute, daß ß nach langem Vokal, ss nach kurzem Vokal geschrieben wird. Diese Regel führt in die Logikfalle.

Pfeiffer:
Logikfalle?

Ludwig:
Diesen Begriff habe ich geprägt. Es fällt doch allgemein auf, daß die Schreibung der s-Laute immer uneinheitlicher wird. man legt die Regel falsch aus. Der Grund dafür ist einfach: Die Regeln „Doppel-s nach kurzem Vokal“ und „ß nach langem Vokal und Doppellaut“ beziehen sich ausschließlich auf Wörter, die in „alter“ Rechtschreibung mit ß geschrieben werden. Die Kinder lernen keine Hauptregel, sindern eine „Unterregel“, für die man die „alte“ Rechtschreibung beherrschen muß. Die Logik der neuen s-Regel erschließt sich daher nur den Erwachsenen, nicht den Kindern, denn die schreiben jetzt, völlig regelkonform aber falsch: Hinderniss, Ausweiß, Hinweiß, du bisst, Kisste.

Pfeiffer:
Rechtschreibreform - schlechtes Abschneiden der deutschen Schüler bei der PISA-Studie, was die Leseleistung betrifft: Sehen Sie da Zusammenhänge?

Ludwig:
Kinder werden nun seit Jahren mit verschiedenen Schreibweisen in Büchern, Zeitungen, Zeitschriften usw. konfrontiert. Das macht natürlich unsicher. Unsicherheit führt über kurz oder lang zu Frustration und Vermeidungsverhalten.

[...]

Pfeiffer:
Frau Ludwig, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Karin Pfeiffer: Engagierter Unterricht - Katalog des Stolz Schulbuchverlags 20.8.2004
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
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Beitrag: Montag, 11. Okt. 2004 08:28    Titel: Qualitätskontrolle ergibt die Note „mangelhaft“ Antworten mit Zitat

Qualitätskontrolle der „Rechtschreibreform“ ergibt die Note „mangelhaft“

Manfred Riebe, OStR i.R. ....................................................................1. August 2003
Max-Reger-Str. 99
D-90571 Schwaig bei Nürnberg
Tel. (0911) 50 08 25

Herrn
Johannes Bruggaier
Verlagsgruppe Kreiszeitung (Dr. jur. Dirk Ippen)
Syker Zeitung / www.kreiszeitung.de/
Am Ristedter Weg 17

28857 Syke

Leserbrief zu Hans Heinrich Rogge: Im Gestrüpp der Wörter. Serie zum fünfjährigen Bestehen der neuen Rechtschreibung / Teil 4: Der Lehrerausbilder Hans Heinrich Rogge. Interview von (joh), d.i. Johannes Bruggaier. In: Kreiszeitung vom 01.08.2003, S. 8 - Authentischer Abdruck erbeten!

Sehr geehrter Herr Bruggaier,

ich schreibe oben: „Authentischer Abdruck erbeten!“ Man würde den Leserbrief eines Reformkritikers verhunzen, wenn man ihn den Neuschrieb umfälschte. Ich weise auf das Urheberrecht hin.
___________________

Qualitätskontrolle der „Rechtschreibreform“ ergibt die Note „mangelhaft“

Johannes Bruggaier gehört zu den wenigen Journalisten, die sich die Mühe machen, zu den Quellen zu gehen. Danach urteilte das Ex-Kommissionsmitglied Professor Munske: „Die Rechtschreibreform hat die Note 'mangelhaft' verdient.“ Dagegen amüsiert sich Lehrerausbilder Hans Heinrich Rogge: Die neue Rechtschreibung sei in den Schulen kein Gesprächsthema, daher führe man keine Fehlerstatistiken, die Vereinfachungen seien offensichtlich.

Aber mehr als die zweifelhafte Kommasetzung kann Rogge nicht als Vereinfachung anführen. Lehrerausbilder wie Rogge spielen sich als Oberpädagogen auf, aber versäumen verantwortungslos wie die „Reformer“ eine Qualitätskontrolle der „Rechtschreibreform“ und erzählen daher Märchen. Dagegen deckte die Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ in der Netzseite www.raytec.de/rechtschreibreform/ schon im Frühjahr 1997 das 50-Prozent-weniger-Fehler-Märchen auf, mit dem die Kultusminister noch 1998 hausieren gingen. Studiendirektoren der Lehrerinitiative werteten Schulaufgaben statistisch aus und stellten immer wieder einen Fehleranstieg infolge der „Rechtschreibreform“ fest.

Rogge behauptet obendrein, die Zusammen- und Getrenntschreibung sei seit Jahrhunderten nicht beackert worden. Richtig ist dagegen, daß der Duden den Sprachgebrauch seit 1901 ziemlich genau und weitgehend nachvollziehbar aufzeichnete (deskriptive Methode). Die Reformer hingegen „beackerten“ das Feld, indem sie völlig willkürlich Regeln entgegen dem Schreibgebrauch konstruierten (präskriptive Methode), so daß die „Reformer“ selber im Januar 1998 ihren Unsinn korrigieren wollten. Aber die noch unfähigeren Kultusminister ließen es nicht zu.

Angesichts des durch die „Reform“ entstandenen „Gestrüpps“ der Beliebigkeitsschreibung ist es ein Hohn, wenn Rogge von einer „Beherrschung der Rechtschreibung“ spricht. Beliebigkeitsschreibung ist der auch in den gleichgeschalteten Zeitungen sichtbare Mischmasch aus herkömmlichen, „neuen“ und individuellen, aber falschen Schreibweisen. Das große Werk Konrad Dudens, die einheitliche Rechtschreibung, wird zerstört. Johannes Bruggaier hat recht: Der „Wildwuchs“ der neuen Beliebigkeitsschreibung ist deutschen Gartenliebhabern ein Graus.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Riebe, OStR i.R., Dipl.-Kfm.
Vorstandsmitglied und Pressesprecher des VRS
Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. - www.vrs-ev.de
Max-Reger-Str. 99
90571 Schwaig bei Nürnberg

„Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu stoppen!“ (VRS)
________________________________________

Vgl. die Serie zum fünfjährigen (richtig: siebenjährigen) Bestehen der neuen Rechtschreibung. In: Syker Kreiszeitung vom 29. Juli bis 1. August 2003 - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2298#2298

Anmerkungen: Lehrerausbilder wie Hans Heinrich Rogge spielen sich als Oberpädagogen auf, aber versäumten es verantwortungslos wie die „Reformer“, eine Qualitätskontrolle der „Rechtschreibreform“ durchzuführen und erzählen daher Märchen.
Bei den wenigen Befürwortern der Rechtschreibreform handelt es sich meist um

- Funktionäre der Schul- und Kultusbürokratie, wie z.B. Schulleiter, Fachbetreuer für Deutsch,
- Leute, die an der Reform verdienen, wie Schulbuchautoren oder Inhaber von Fortbildungsinstituten,
- Schreibschwache, die das Durcheinander begrüßen, weil ihre Schwächen dann nicht so sehr auffallen,
- bezahlte Funktionäre interessierter Verbände, z.B. des Verbandes der Schulbuchverlage,
- Unwissende, die als nützliche Idioten mißbraucht werden.

Wenn man die Befürworter testet, indem man ihnen Testaufgaben stellt, machen sie Fehler oder ziehen sich stillschweigend zurück.

Vgl. Illauers Testaufgaben im Strang „Getrennt- und Zusammenschreibung“ - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=528 - und im Strang „Die Schüler als Opfer“ - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=411 -: den Beitrag von StD Illauer: „Die Schüler würden die Rückumstellung kaum bemerken“ vom 5. Oktober 2004.

________________________________________

Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Dienstag, 02. Aug. 2005 06:50, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Montag, 01. Nov. 2004 22:46    Titel: Vom Umgang mit Irrtümern Antworten mit Zitat

Vom Umgang mit Irrtümern
Argumente für eine Reform der Rechtschreibreform

Von Stefan Stirnemann, St. Gallen*

Die im Sommerloch vor allem in Deutschland von Seiten namhafter Verlage neu lancierte Polemik über Legitimität und Sinn der Rechtschreibreform wird sehr stark über emotionale Argumente ausgetragen. In diesem Beitrag versucht ein Praktiker sich kritisch auf die rein sprachwissenschaftlichen Kriterien dieser Reform zu beschränken.

Die wichtigste Kritik an der seit 1996 laufenden Rechtschreibreform betrifft deren inhaltliche Inkonsistenz: Die Regeln sind auch in diesem Juni in wesentlichen Bereichen geändert worden. Nach vielen Änderungen, die sich nur den verschiedenen Auflagen der Wörterbücher entnehmen ließen, haben im Juni die deutschen Kultusminister, die offenbar auch für die Schweiz entscheiden, weitgehende Eingriffe in das Regelwerk gutgeheißen. Man muß, vor allem im Bereich des Getrennt- und Zusammenschreibens, von einer eigentlichen Zurücknahme der neuen Regeln sprechen. Im neuesten Duden, der Ende August erschien, zeigen sich die Folgen - aber erst zum Teil: Die Reformkommission hat die fällige Überarbeitung des Regelwerks noch nicht abgeschlossen, so daß der Umfang der Änderungen noch unklar ist. Jedenfalls sind jetzt alle Darstellungen der neuen Rechtschreibung in wesentlichen Teilen überholt oder unvollständig. Ein Beispiel: Im «Leitfaden zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung», den die Bundeskanzlei im Jahr 2000 in zweiter, erweiterter Auflage herausgab, werden vorgeschrieben: allein stehend (Ziffer 18), Rat suchend (Ziffer 13), die erste Hilfe (Ziffer 42), binnen kurzem (Ziffer 35), 15fach (Ziffer 28). Seit Juni gilt in diesen Fällen auch: alleinstehend, ratsuchend, Erste Hilfe, binnen Kurzem, 15-fach; die entsprechenden Ziffern (und weitere) müssen überarbeitet werden. Überholt ist auch das Wörterverzeichnis des Leitfadens; allein auf der zufällig aufgeschlagenen Seite 56 sind zu ergänzen: einwärtsgebogen, eisenverarbeitend, ekelerregend, engbefreundet, engbedruckt, englischsprechend, erdölexportierend, erholungsuchend, ernstgemeint, ernstzunehmend. Mit Ausnahme von ekelerregend und erholungsuchend schloß der Duden 2000 alle diese Wörter noch als «alte Schreibung» aus.

Auch neue Schulbücher sind veraltet

Überarbeitet werden müssen auch ganz neu erschienene Schulbücher. In der «Sprachwelt Deutsch» der interkantonalen Lehrmittelzentrale (1. Ausgabe 2003) steht z. B. im Abschnitt «Kleinschreibung» der Satz: «Die meisten wollen einfach in den Ausgang.» Jetzt soll betont werden, daß auch Großschreibung möglich sei: «Die Meisten stimmten seiner Meinung zu.» Der Abschnitt muß also angepaßt werden. Im selben Buch wird die Regel wiedergegeben, daß Adjektive auf -ig, -lich, -isch vom folgenden Wort getrennt zu schreiben seien. Seit Juni gilt diese Regel indessen so nicht mehr: Bildungen wie übriggeblieben sind wieder zugelassen. In einer teuren Unterrichtshilfe (2003) werden als «Besonders knifflig» Wörter aufgeführt, die man in Verbindung mit bestimmten anderen Wörtern groß schreibe: «Unrecht haben» oder «Leid tun». Seit Juni ist jedoch auch «leidtun» richtig, «unrecht haben» aber noch nicht. Betroffen von den Änderungen sind viele hundert Einträge im Duden und mehrere tausend Wörter unserer Sprache. Die Lehrkräfte würden, so sagte der Vorsitzende der Reformkommission, ein österreichischer Gymnasiallehrer, über E-Mail «schnell und kostengünstig» ins Bild gesetzt.
Diesen Änderungen müssen in absehbarer Zeit weitere folgen. Das ist auch der Reformkommission mindestens zum Teil bewußt. In ihrem vierten Bericht steht zur Kommasetzung, daß hier vorläufig keine Änderungen vorgesehen seien. Der «Beirat» der Kommission gibt in einer Stellungnahme den Grund solcher Zurückhaltung an: «Der Beirat empfiehlt, die Änderungen in einem Rahmen zu halten, bei dem die Auswirkungen der Regelmodifizierungen nicht zu einer erneuten öffentlichen Infragestellung der Neuregelung führen können.» In diesem Beirat sind die großen Wörterbuchverlage vertreten; sie fürchten wohl um ihr Geschäft.

Öffentlichkeit nimmt die Regeln nicht an

Ein Hinweis auf die «Neue Zürcher Zeitung» genüge zur Begründung dieser Behauptung: Mit Gemse, Stengel, behende, greulich, sitzenbleiben, achtgeben, not tun und Trennungen wie konstruieren sind hier Kernstücke der Reform zurückgewiesen. Das gilt auch für das Komma vor Infinitiven: «Da es uns wichtig ist, der Leserschaft einen klar gegliederten Satz zum Lesen zu unterbreiten, werden wir in der NZZ an der bisherigen Regelung mit Komma festhalten.» Nach den neuen Regeln kann somit nicht rekursfest korrigiert werden. Das Zählen und Werten von Fehlern ist aber auch keineswegs die Hauptaufgabe der Schule. Recht verstanden bezeichnet das rote Strichlein einen Verstoß gegen die Wirklichkeit, der, durch Nachdenken oder geduldiges Üben, vermieden werden soll. Der Vorsitzende der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), Regierungsrat Hans Ulrich Stöckling, hielt im Gespräch mit den «Schweizer Monatsheften» fest, daß die Schule verbindliche Regeln brauche. Verbindliche Regeln stellen sicher, daß Schülerinnen und Schüler das lernen, was der Wirklichkeit entspricht, und schützen sie vor Willkür. Die neuen Regeln leiten die Schule aber keineswegs zur Wirklichkeit an; sie werden nirgends vollständig umgesetzt und am wenigsten in den Werken der Literatur. Ihre Unverbindlichkeit zeigt sich auch darin, daß sie nach kurzer Zeit geändert werden mußten.

Neuregelung ohne juristische Grundlage

Die Wiener Absichtserklärung von 1996 ist im Urteil von über 60 Rechtswissenschaftern ein «juristisches Nullum». Wohl deswegen trägt das EDK-Dossier 42 («Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung») den Vorbehalt: «Der Bericht hat vorwiegend Informationscharakter.» Es ist auch fraglich, ob der Gegenstand der Absichtserklärung, das Regelwerk von 1996, nach den neuesten Änderungen überhaupt noch vorhanden ist. Es hat bisher zudem keine echte Vernehmlassung gegeben. Ein Beispiel für diese Behauptung sei die «Anhörung», welche zum vierten Bericht der Reformkommission stattfand. 25 dieser Berichte hat der Sachbearbeiter der EDK «vertraulich» an nicht genannte Personen geschickt. Die Auswertung bietet allgemeine Sätze wie: «Großmehrheitliche Zustimmung erfährt die Reform vorab bei den Unterrichtenden aller Stufen.» Dies wurde zu einer Vorlage gesagt, die das, was da «großmehrheitliche Zustimmung» erfuhr, in wesentlichen Punkten abänderte. Die Kritik wird kurz abgefertigt: «Gewisse Widerstände weckte die Neuregelung eigentlich ausschließlich bei schreiberfahrenen älteren Sprachteilhabern im Privatgebrauch.» Von einem Maturanden wird erwartet, daß er in seiner Matura-Arbeit Tatsachen von Meinungen trennt und Belege anführt. Zum Verfahren paßt aber, daß die Reformkommission nach durchgeführter Anhörung sehr wohl weitere Änderungen vornahm. Die Reform verfälscht Bedeutung und Gewicht zahlloser Wörter. Im Duden 2000 steht neben dem reformierten viel versprechend gleichberechtigt vielversprechend. Das ist grundsätzlich falsch: Man vergleiche dazu nur schon etwa eine «vielversprechende Schriftstellerin» mit einem «viel versprechenden und wenig haltenden Gedichtanfang». Der Duden 2004 gibt in zahllosen weiteren Fällen die Wahl frei, als ob es sich um orthographische Varianten handelte (wie Delphin oder Delfin). Wenige andere Beispiele: Warum behandeln die Reformer in Lichtenbergs Satz Gleiches verschieden: «Es tun mir viele Sachen weh, die anderen nur Leid tun»? Und warum bei Erich Kästner Verschiedenes gleich: «Sie haben Recht. Doch das Recht, den ersten Stein gegen uns aufzuheben, das haben Sie nicht!» Und wie lange noch gilt eigentlich die Differenz zwischen «Ich bin dir Feind» aber «Ich bin dir spinnefeind»? Solche Vorschriften legen gerade den Anfängern lediglich schwere Stolpersteine vor die Füße.

Einheitliche Rechtschreibung gestört

Von 1901 an, dem Jahr der Berliner Konferenz, bis 1996 erschienen Zeitungen, Literatur und Schulbücher in einer einheitlichen Rechtschreibung. Heute findet man auf einer Schulbuchseite dreimal selbstständig und einmal selbständig und fragt vergeblich, wozu das gut sei. Offenbar ist auch für solche Widersprüche der Staat nicht zuständig. Nach ihrem Beschluß vom Juni teilten die Kultusminister lediglich mit: «Für den Fall Leid tun wird die neue zusätzliche Variante leidtun eingeführt. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß sich eine eindeutige Entscheidung für adjektivischen und substantivischen Gebrauch nicht treffen läßt.» An einer solchen Erklärung ist erstens erstaunlich, daß Bildungspolitiker öffentlich Wortarten bestimmen, und zweitens, daß sie es eigentlich gar nicht können. Schon ein Schulwörterbuch von 1796 führt nämlich «Es thut mir leid» als adjektivischen Gebrauch an; die Erkenntnis ist natürlich älter. Der Staat schafft den Rahmen, in welchem alle Wissenschaften frei ihre Arbeit tun können; eingreifen darf er nicht, sofern er selber frei bleiben will.

Es muß jetzt gehandelt werden

Die letzten acht Jahre zeigten, daß die Reformkommission eine stark fehlerhafte Arbeit abgeliefert hat und mit ihren Fehlern im sprachlichen Alltag auch nicht umgehen kann. Ihr Weg mit bisher drei sonnengelben Duden-Meilensteinen ist zudem viel zu teuer, zumal in einer Zeit, in welcher unseren Schulen ganze Wochenstunden weggespart werden. Unabhängig von den Entscheidungen, die in Deutschland in der nächsten Zeit gefällt werden, müssen unsere Behörden nun dringend dafür sorgen, daß an den Schulen im Sprachunterricht wieder Ordnung und Zuverlässigkeit herrschen. Die neuen Regeln dürfen nicht in dieser Form für die Schule verbindlich werden; unabhängige Wissenschafter müssen sie überarbeiten. Da die Reformer selbst der Schule Änderungen zumuten, ist es vernünftig, jetzt (nicht in zehn Jahren) so zu ändern, daß wieder für lange Zeit Ruhe herrschen kann. Bis sich die Lage in diesem Sinne geklärt hat, sollten Schulen und Ämter keine neuen Wörterbücher kaufen.

· Der Autor ist Lehrer am Gymnasium Friedberg im sankt-gallischen Gossau und zudem Mitglied der Forschungsgruppe deutsche Sprache.

Weiterbildung neue Rechtschreibung zz. unter dem Titel «Änderungen und kein Ende: Die Rechtschreibreform: wo stehen wir heute?» bietet das Erziehungsdepartement des Kantons St. Gallen am 10. November eine ganztägige Weiterbildungsveranstaltung zum Themenbereich an. Sie findet im Gymnasium Friedberg in Gossau statt und läßt als Referenten Prof. Horst Haider Munske, bis 1997 Mitglied der Reformkommission, sowie Prof. Mario Andreotti zu Wort kommen.
Anmelden kann man sich beim Erziehungsdepartement des Kantons St. Gallen, Davidstr. 31, 9000 St. Gallen, unter Tel. 071 229 44 45 oder E-Mail info.formi@sg.ch.

Neue Zürcher Zeitung, NZZ Online vom 28. September 2004, 02:19
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Manfred Riebe



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Beitrag: Mittwoch, 17. Nov. 2004 21:46    Titel: Zum Schweigen vieler Lehrer zur Schreibreform Antworten mit Zitat

Zum Schweigen vieler Lehrer zur Schreibreform

Mein Leserbrief an die Herausgeber der FAZ erschien in der FAZ Nr. 127 vom 4. Juni 1998 mit der Überschrift: „Schweigen zur Schreibreform“. Die Textstellen, die die FAZ nicht abdruckte, setze ich in eckige Klammern.
_______________________________________________________________________________

[Manfred Riebe, OStR ....................................Schwaig bei Nürnberg, den 22.05.1998
Max-Reger-Str. 99
90571 Schwaig bei Nürnberg
Tel. (0911) 50 08 25, Fax: 50 80 07

Fax: (069) 75 91 - 17 43
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Leserbrief zu Katharina Gelinsky: Karlsruhe verhandelt über die Rechtschreibreform. und: Das Verfassungsgericht ist nicht sprachwissenschaftlicher Obergutachter. In: FAZ vom 13.05.1998, S. 1 und 4]

Zu den Artikeln „Karlsruhe verhandelt über die Rechtschreibreform“ und „Das Verfassungsgericht ist nicht sprachwissenschaftlicher Obergutachter“ (F.A.Z. vom 13. Mai.): Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Anke Brunn, sagte vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, sie halte an der Rechtschreibreform fest, weil es kaum Proteste aus den Schulen gegeben habe. Da hatten aber bereits 550 Sprachprofessoren in einer gemeinsamen Erklärung die Rechtschreibreform abgelehnt (F.A.Z.-Feuilleton vom 9. Mai), darunter die beiden unter Protest aus der Rechtschreibkommission ausgetretenen Professoren Eisenberg und Munske. Auch Hans Peter Meidinger, der Pressesprecher des bayerischen Philologenverbandes, der Hausmacht des bayerischen Kultusministers Zehetmair, behauptete in Karlsruhe wahrheitswidrig, die Einführung der Rechtschreibreform verlaufe „praktisch problemlos“.

Doch Lehrer und Schüler befinden sich in einem Abhängigkeitsverhältnis. [Trotzdem schrieben 2.151 Schüler kürzlich im Auftrag der Zeitschrift „Eltern“ anonym fiktive Briefe an den Bundeskanzler. Darunter verlangten 57 Prozent der Schüler den Stopp der Rechtschreibreform. Einer schrieb an Helmut Kohl: „Du mußt sofort die Rechtschreibreform stoppen, sonst streiken wir Schüler und schreiben grundsätzlich, wie es uns gerade einfällt.“ (Nürnberger Nachrichten 21.05.98, S. 9). Ebenfalls unter Zusicherung der Anonymität haben wieder über 1.100 bayerische Gymnasiallehrer die Rücknahme der Reform gefordert.] In der Öffentlichkeit [aber] schweigen die meisten Lehrer, weil sie andernfalls mit Disziplinarmaßnahmen, Mobbing und einem Karriereknick rechnen müssen. Das ängstliche Schweigen der Lehrer und Schüler nennt Kultusministerin Gisela Böhrk „Akzeptanz“. Tatsächlich aber leisten viele Lehrer passiven Widerstand, indem sie z.B. bei Korrekturen weniger Fehler anstreichen, weil ja zwei verschiedene Rechtschreibungen gelten. Sie schlagen auch nicht in den zehn verschiedenen Wörterbüchern und im schwierigen Regelwerk nach, sondern allenfalls im Duden. Professor Theodor Ickler, der den „Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V.“ [Hervorhebung, MR] vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vertrat, sagte zusammenfassend: „Diese Neuregelung übertrifft an Kompliziertheit alles bisher Dagewesene. Sie ist nicht lernbar.“

[Kultusministerin Böhrk verbreitete auch das Märchen von 50 Prozent weniger Rechtschreibfehlern (zuletzt in Treffpunkt Sparkasse, Nov./Dez. 1997). Die bundesweite Lehrerinitiative hat dagegen dem Bundesverfassungsgericht vorgetragen, daß statistische Auswertungen von Deutsch-Schulaufgaben, die vom bayerischen Kultusministerium überprüft wurden, einen Fehleranstieg durch die neue Rechtschreibung ergeben haben. Das Reformziel der Vereinfachung wurde folglich verfehlt und sogar ins Gegenteil verkehrt. Die Änderung von „nur“ 2,5 Prozent des Wortschatzes infolge der künstlich geschaffenen Rechtschreibregeln, die rund 8.000 Widersprüche zwischen Duden und Bertelsmann (Eisenberg in: Saarbrücker Zeitung vom 14.07.97; der Schweizer Reformer Werner Hauck in: FACTS 14.08.97), die Ausmerzung von rund 800 Wörtern, die Variantenschreibung und die daraus resultierende Erschwerung der Rechtschreibung mit einem Fehleranstieg sind wesentliche Folgen der Reform. Diese tiefen Eingriffe in den Bedeutungsbereich der Sprache, d.h. in Grammatik und Semantik, die Zerstörung der Einheitlichkeit der Rechtschreibung und der Fehleranstieg sind die wesentlichen Gründe, weshalb sich Professoren und Lehrer gegen einen solchen Unfug wehren, der keinen Vorteil, sondern nur Nachteile bringt, aber Milliarden kostet. Es sind ja nicht nur deutsche Schulen betroffen, sondern alle Deutschsprechenden in den Schulen, Behörden und der Wirtschaft in allen Staaten der Welt.]

Manfred Riebe, Schwaig

Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 127 vom 4. Juni 1998, S. 10
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Manfred Riebe



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Beitrag: Donnerstag, 25. Nov. 2004 15:21    Titel: Schweizer Lehrer und die Rechtschreibung Antworten mit Zitat

Welche Rechtschreibung soll gelten?
Ein Bildungsdirektor und ein Gymnasiallehrer im Streitgespräch


Nach Jahren scheinbarer Lethargie in Sachen Rechtschreibreform ist der Disput um Sinn und Leistung der Anpassungen wieder heftig entbrannt, nachdem grosse deutsche Verlage die Neuerungen nicht hatten umsetzen wollen. Wir haben den Aargauer Bildungsdirektor Rainer Huber und den St. Galler Theologen und Gymnasiallehrer Stefan Stirnemann, der auch Mitglied der Forschungsgruppe Deutsche Sprache ist, zum Streitgespräch eingeladen. Als «Dompteur» wirkte Inlandredaktor Walter Hagenbüchle.

In einem Jahr sollte eigentlich die reformierte Rechtschreibung in Amts- und Schulstuben definitiv in Kraft treten. Mitten im Sommerloch mehrten sich nun aber in Deutschland die Anzeichen, dass dieser Fahrplan möglicherweise Makulatur wird. Hat Sie der neue Ungehorsam überrascht?

Stirnemann: Überhaupt nicht, denn es ist Zeit für diesen Streit. Zudem möchte ich festhalten, dass gar nicht die ursprünglichen Reformvorschläge umgesetzt würden, sondern eine in wesentlichen Punkten stark geänderte Regelung, da eingesehen wurde, dass die Reform in wesentlichen Bereichen fehlerhaft war und deshalb von der Öffentlichkeit gar nicht angenommen wurde. Das macht die Lage für die Schule so schwierig.

Huber: Ein Sommerloch wird immer medial aufgefüllt, deshalb überrascht mich der Zeitpunkt nicht. Irritiert bin ich über die Vehemenz des Widerstandes und den Umgangston. Die Reform wurde in einer zwischenstaatlichen Vereinbarung im Juli 1996 beschlossen, und es wurde dafür eine grosszügige Übergangsfrist bis 2005 eingeräumt. Dass dies alles nun quasi fünf vor zwölf wieder in Frage gestellt werden soll, ist enttäuschend.

In Frage stellen darf man aber Sprachnormen schon, denn die Sprache gehört dem Volk?

Huber: Das ist richtig, und der Sprachgebrauch wird sich ja auch weiterentwickeln. Eine Rechtschreibreform regiert aber ja auch nicht unsere Sprachgewohnheiten, sondern lediglich die schriftliche Verkehrsform. Die Querelen um die Reform deuten auch auf einen Generationenkonflikt hin: Sechs Schülerjahrgänge haben nun die neuen Regeln gelernt und wären sehr überrascht, wenn sie bereits wieder umlernen müssten, nur weil die Reformgegner es verpasst haben, früher zu reagieren.

Dass die Reform im Alltag nicht akzeptiert wurde, wie Herr Stirnemann sagt, ist falsch?

Huber: Ja, denn an den Schulen und in den Verwaltungen ist die Reform sehr wohl auf Akzeptanz gestossen.

Stirnemann: Und was sagen Sie dazu, dass die Lehrer vieles als falsch anstreichen müssen, was in der NZZ oder in anderen Zeitungen als richtig gilt? Das geht juristisch nicht.

Huber: Es wird immer verschiedene Schreibweisen geben, die richtig sind. Die Schule hat damit keine Schwierigkeiten. Wenn aber alle grossen Zeitungen und Nachrichtenagenturen auf die alte Rechtschreibung umstellen würden, wären die Gegensätze zu gross. Die Erziehungsdirektorenkonferenz hat nie die Absicht gehabt, irgendeine Regelung festzulegen, die ausserhalb des täglichen Sprachgebrauches ist. Die Reformdiskussion darf aber nicht auf dem Buckel der jungen Generation ausgetragen werden.

Finden Sie denn, die Reform sei inhaltlich und sprachwissenschaftlich gelungen, wenn so viele Verlage davon abweichen?

Huber: Die Schweiz hat ja einen moderaten Weg gewählt. Selbstverständlich lässt sich über manches streiten, und wir sollen auch die Weiterentwicklung nicht verhindern. Aber wir sind von Staates wegen verpflichtet, für Schule und Verwaltung verbindliche Vorgaben zu machen. Zudem ist es jetzt zu spät, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren.

Ein Marschhalt ist also tabu?

Huber: Ich kann mir allenfalls vorstellen, dass man, wenn in den nächsten Monaten keine Einigung erfolgt, die Übergangsfrist verlängern muss. Aber das Rad zurückzudrehen und beispielsweise unsere Schüler wieder mit vielen Ausnahmen zu belasten - das ist ja ein Merkmal der alten Regelung -, ist falsch. Die Erziehungsdirektorenkonferenz unternimmt grosse Anstrengungen, dass der Gebrauch der Standardsprache verbessert wird. Bei einer Rückkehr würde die Verunsicherung total, es drohte sprachlicher Wildwuchs. Sie können die Entwicklung der Sprache nicht stoppen.

Stirnemann: Klarheit und Verbindlichkeit hat es bis 1996 gegeben, mit der Reform aber sind sie weg. Das liegt daran, dass in den Kernbereichen die Reform missglückt ist. Ich habe hier ein ganz neues Wörterbuch für die zweite Primarklasse, das aber von 1994 stammt. Offenbar kann man damit unterrichten. Warum? Weil von 2000 Einträgen nur gerade 8 von der neuen Rechtschreibung betroffen sind. Eingreifend wird die Reform erst in oberen Klassen, wo es um Satzbau, Interpunktion und Wortbildung geht. Genau da stecken schwere Fehler. Deswegen musste man dauernd ändern. Das Chaos an Schulen entsteht nicht mit der Umkehr, sondern wenn man diese verhindert.

Huber: Es hat nie eine einzig richtige deutsche Rechtschreibung gegeben, das war ein dauernder Anpassungsprozess. Ich möchte daran erinnern, dass der Bundesrat erstmals 1902 die Duden- Rechtschreibung als verbindlich für unsere Schulen und für die Verwaltung festgelegt hat.

Stirnemann: Konrad Duden hat nicht eine neue Rechtschreibung festgelegt, sondern im Wesentlichen die gebräuchliche bestätigt. Dann ist schleichend die Dudenredaktion allein zuständig geworden für die Rechtschreibung. Sie hat aber immer nur nachgezeichnet, was sich weiterentwickelt hat. Das hat bis 1996 gut geklappt, dann kam der grosse Bruch. Man hat von aussen ganz neue Regeln an die Sprache herangetragen.

War also diese Einmischung des Staates der eigentliche Sündenfall?

Stirnemann: Unbedingt, er hätte besser die Finger davon gelassen. Deshalb wird es jetzt auch so schwierig, diesen Fehler wieder zu korrigieren.

Huber: Sprache kann nicht verordnet werden, sie gehört weder dem Staat noch den Experten. Dennoch ist es notwendig, dass die festgelegten Regeln von Zeit zu Zeit angepasst und auch vereinfacht werden. Mit der Rechtschreibereform hat man sich im deutschsprachigen Sprachraum zu gemeinsamen neuen Normen durchgerungen. Dass ein solcher Ansatz natürlich auch mit Fehlern behaftet ist, stellt niemand in Frage. Es muss auch eine Entwicklung nach der Reform geben, mit weiteren Anpassungen. Es wäre aber falsch zu behaupten, es hätte früher einmal eine «richtige» deutsche Rechtschreibung gegeben. Für neu Lernende der deutschen Sprache hat die jetzige Regelung eine klar einfachere und systematischere Norm gebracht, gerade auch für die anderssprachigen Schülerinnen und Schüler.

Stirnemann: Es gibt keine taugliche Studie, die beweist, dass die Fehlerzahl seit 1996 abgenommen hat. Wenn Sie sagen, es sei eine Vereinfachung, dann nenne ich die neuen Kommaregeln. Da heisst es in neuen Lehrbüchern, bestimmte Kommas könne man meist weglassen. Genau dann aber werden die Texte sehr viel schwerer verständlich, weniger eindeutig. In der Schule wird also unterrichtet, was die Texterfassung erschwert. Das darf doch nicht sein. Warum denn hat gerade die NZZ die Kommaregelung nicht übernommen? Weil Kommas Lesehilfen sind. Diese Hilfe wird den Schülern vorenthalten.

Finden Sie, Orthographie sei bezogen auf die Sprachkompetenz eine entscheidende Grösse?

Stirnemann: Ja, denn die neuen Regeln im Kernbereich des Zusammen- und Getrenntschreibens, des Gross- und Kleinschreibens führen die Schüler teilweise zu falschem und altem Deutsch, womit die Sprachentwicklung zurückgedreht wird. Das müssen wir korrigieren, und dazu braucht es neue und unabhängige Sprachwissenschafter.

Aberkennen Sie denn den bisherigen Akteuren ihre Fachkompetenz?

Stirnemann: In den Kernbereichen haben sie meines Erachtens wissenschaftlich versagt.

Wie soll es nun weitergehen?

Stirnemann: Auch die Schulbehörden müssen Deutschland gegenüber fordern, dass wieder geordnete Verhältnisse eintreten. Es darf nicht sein, dass an Schulen eine Rechtschreibung unterrichtet wird, die im Alltag nicht angewendet wird.

Sie sammeln für dieses Anliegen Unterschriften?

Stirnemann: Ich beginne damit in diesen Tagen. Bereits habe ich aber Unterschriften von Fachschaften Deutsch, die die Entwicklung mit Sorge verfolgen. Die Unterschriften werden der Erziehungsdirektorenkonferenz vorgelegt mit der Bitte, die Regeln nicht verbindlich werden zu lassen und das Regelwerk von unabhängigen Experten überprüfen zu lassen. Es steht die Glaubwürdigkeit von Schule und Politik auf dem Spiel.

Was sagt Ihr Bildungsdirektor, der ja auch EDK-Präsident ist, zu Ihren Aktivitäten?

Stirnemann: Herr Stöckling hat im Gespräch mit den «Schweizer Monatsheften» festgehalten, dass die Politik nicht über richtig und falsch entscheiden soll. Sie soll nur entscheiden, welches Lehrbuch, welches Wörterbuch, das mit der Sprachwirklichkeit übereinstimmt, für die Schule ausgewählt werden soll. Das ist genau der richtige Weg, er deckt sich mit meinem.

Huber: Im Aargau, Herr Stirnemann, finden Sie ganze Schulen, die ihren Aufruf aus Überzeugung nicht unterzeichnen würden. Sie sagen klar, dass sie keine Rückkehr wollen. Und als politischer Vorgesetzter, nicht als Sprachfachmann, teile ich diese Meinung ebenso wie die gesamte EDK und der Lehrerdachverband. Wenn aber die grossen Verlage oder gar ganz Deutschland wieder zurückbuchstabiert bei der Reform, dann darf die Schweiz keine Rechtschreibe-Insel bleiben. Dann müssen wir auf Expertenebene die Diskussion weiterführen.

Neue Zürcher Zeitung vom 21. August 2004
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Manfred Riebe



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Beitrag: Montag, 31. Jan. 2005 17:54    Titel: Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ Antworten mit Zitat

Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“

Die bundesweite Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ wurde am 20. Februar 1997 gegründet. Leiter und Koordinator ist der Nürnberger Oberstudienrat Manfred Riebe - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3200#3200 -. Aus dieser Lehrerinitiative heraus bildeten sich eigenständige Lehrerinitiativen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, dazu die Fremdsprachenlehrer-Initiative Schwerte, die Mainzer Hochschullehrer-Initiative und der Berliner Hochschularbeitskreis „Kulturelle Selbstbestimmung“.

Aktivitäten

Die Lehrer und Hochschullehrer der Lehrerinitiative verteilten ihre Aktivitäten graswurzelartig auf mehrere Initiativen und Vereine, z.B. für Berlin:

* „Berliner Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (BVS) –
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2819#2819

* Berliner Bürgerinitiative „Wir sind das Rechtschreibvolk!“
http://www.rechtschreibvolk.de
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3140#3140

* Berliner Hochschularbeitskreis „Kulturelle Selbstbestimmung“ - http://www.tu-berlin.de/fb1/AGiW/Cricetus/SOzuC1/SOVsRSR/ArchivSO/HAKAufr.htm

* Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Berlin
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=603#603

* Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS)
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3201#3201

alle von Lehrern der Lehrerinitiative geleitet.

Für eine Graswurzelbewegung - http://de.wikipedia.org/wiki/Graswurzelbewegung - wie die Lehrerinitiativen sind vielfältige spontane Einzelaktivitäten kennzeichnend, etwa in Gestalt von Leserbriefen, Schreiben an die für die Reform Verantwortlichen, Briefen an Politiker, Parteien, sonstige Organisationen, Artikeln, Büchern, Gesprächen mit Politikern usw.

Über die Sorgen und Nöte der Lehrer durch die Rechtschreibreform berichtete DIE WELT vom 12. Mai 1997 - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3199#3199

Bereits am 25. Februar 1997 sandte die Lehrerinitiative eine Petition als offenen Brief an die Kultusministerkonferenz mit der Bitte, die sogenannte Rechtschreibreform zurückzunehmen. http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3180#3180 -. Die Lehrer argumentierten, durch die Rechtschreibreform werde die Qualität der Schriftsprache gemindert, die Volksvertretungen seien übergangen, die Haushaltsausschüsse des Bundes und der Länder, der Bundesrechnungshof und die Landesrechnungshöfe nicht eingeschaltet worden, obwohl man die Steuerzahler schröpfe, und man habe die Lehrer nicht gefragt.

Die Lehrerinitiative stieß aber bei den Ministerialbeamten und Kultusministern auf taube Ohren. Anstatt sich zu informieren, reagierten die Kultusminister mit der Forderung, alle Volksbegehren zu verbieten. Daraufhin forderte die Lehrerinitiative in einer Presseerklärung den Rücktritt der Kultusminister.

Das bayerische Kultusministerium reagierte darauf und auf die Petition am 4. März 1997 mit einer Presseerklärung: „Aus dem Tiefschlaf erwacht!“ Darin wandte sich Toni Schmid, der Pressesprecher des bayerischen Kultusministers Hans Zehetmair, gegen den Zusammenschluß von Lehrern gegen die Rechtschreibreform in dieser Lehrerinitiative: Die Gründung werfe ein „bezeichnendes Licht auf alle, die ihr beigetreten sind“. Diese Lehrer hätten in den vergangenen zwei Jahren ihre Dienstpflichten nicht wahrgenommen und seien erst jetzt „Aus dem Tiefschlaf erwacht“. - http://www.stmwfk.bayern.de/pressearchiv/1997/03/marz32.html

Dagegen ist festzustellen, daß Mitglieder der Lehrerinitiative zum Teil schon seit 1994 gegen die Rechtschreibreform protestiert hatten. Aus den Einzelprotesten entstand dann durch den Zusammenschluß eine gemeinsame Stellungnahme. Theodor Ickler stellte fest, daß keine Dienstpflichtverletzungen vorlagen, daß es sich somit um ungerechtfertigte Schuldzuweisungen an die Lehrer handelte und daß der Dienstherr rechtswidrig öffentlich gegen seine Beamten polemisierte - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=4020#4020 -, obwohl diese Lehrer sehr bald Aufklärungsschriften erarbeitet hatten. Im Gegensatz zu anderen Lehrerorganisationen war die Lehrerinitiative zwecks Aufklärung sogar bei den Anhörungen der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung und des Bundesverfassungsgerichts vertreten, während die Kultusminister, obwohl sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatten, diese Lehrer als Ewiggestrige beschimpften, die ihre Dienstpflichten verletzt und geschlafen hätten.

Schon seit dem Frühsommer 1997 zeigte sich immer mehr, daß Toni Schmid den Kultusminister und die Öffentlichkeit irregeführt hatte und daß die Lehrer mit ihrer Kritik an der Rechtschreibreform recht hatten. Toni Schmid gehört als Ministerialrat zu den eigentlichen Drahtziehern der Rechtschreibreform - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2239#2239 -. Kultusminister Zehetmair hatte Toni Schmid öffentlich kritisiert, daß er in Sachen Rechtschreibreform ohne sein Wissen und ohne sein Einverständnis gehandelt habe. Seit dem Spätsommer 2000 bekannte sich Zehetmair in der Presse zu seiner Fehlleistung und seit Dezember 2004 ist Zehetmair als Vorsitzender des Rates für deutsche Rechtschreibung bemüht, offiziell Buße für den von ihm angerichteten Schaden zu tun und ihn wiedergutzumachen.

Die Polemik des bayerischen Kultusministeriums verfehlte nicht ihre Wirkung. Die meisten Lehrer trauten sich aus gutem Grund nicht mehr, der Lehrerinitiative beizutreten. Ein junger Volksschullehrer sagte dies ganz offen und zog sich zurück. Gegen aufmüpfige Lehrer gab es Disziplinarmaßnahmen. Manche bayerischen Mitglieder der Initiative tarnten sich, indem sie in den „Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege“ (VRS) eintraten. Andere blieben im Untergrund, d.h. kämpften aus der Deckung heraus allein weiter.

Aber die Lehrerinitiative verfaßte nach der vergeblichen Petition an die Kultusministerkonferenz vom 27./28. Februar 1997 sofort eine weitere Petition an den Deutschen Bundestag, die vorzeitig eingeleitete Rechtschreibreform zurückzunehmen.

Von Disziplinierungsmaßnahmen und Pressezensur der Schulbürokratie betroffen war seitdem z.B. der Hauptschullehrer Norbert Schäbler, in Laufach (Unterfranken), der Leiter der Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Bayern. Er hatte als Chefredakteur einer Schülerzeitung auf neun Seiten über die Rechtschreibreform informieren wollen, darunter auch über das Mogeldiktat Zehetmairs. Doch der Schulleiter stoppte die Auslieferung der Schülerzeitung, und Norbert Schäbler mußte auf Weisung des Rektors und des Schulamtes die zensierten neun Seiten aus der Schülerzeitung entfernen und durch andere ersetzen. Auch der weitere Aushang der Petition der Lehrerinitiative an den Deutschen Bundestag am Schwarzen Brett wurde verboten, nachdem bereits neun Laufacher Lehrer die Petition an den Bundestag, die Rechtschreibreform zurückzunehmen, unterzeichnet hatten. Die oft gerühmte Liberalitas Bavariae gilt offenbar nur für höhergestellte Kreise.

Theodor Ickler wies in seinem Buch: „Die sogenannte Rechtschreibreform - Ein Schildbürgerstreich“ darauf hin, daß die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch die undemokratischen Praktiken der Kultusminister in Gefahr sei. Er zitierte aus dem Vorwort des Bertelsmann-Wörterbuchs, das Kriegsende habe die Rechtschreibreform des Dritten Reiches verhindert. Der Verfasser verschweige jedoch, „wie sehr diese Pläne mit der gegenwärtigen Reform [...] übereinstimmten“.

Das war dem Vorsitzenden der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, Gerhard Augst, vermutlich ein Dorn im Auge. Augst zitierte bei der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 2. Juni 1997 aus einem privaten Schreiben Icklers an ihn, bei der Neuregelung handele es sich um „ein menschenverachtendes Massenexperiment“. Ickler stelle damit eine Parallele her zwischen der Rechtschreibreform und dem Dritten Reich. Damit sei die Grenze des Erträglichen überschritten.

Ickler erwiderte damals im Bundestag, sein Wort vom „menschenverachtenden Massenexperiment“ sei im Zusammenhang damit gefallen, daß ein Sprecher des bayerischen Kultusministeriums im Herbst 1996 gesagt habe, alle Lehrer, die sich nicht an die neue Rechtschreibung hielten, müßten mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. Es sei deswegen zu Zerwürfnissen in Lehrerkollegien und zu Konflikten zwischen Eltern, Lehrern und Schülern gekommen. Das Vertrauen der Lehrer in die Schulverwaltung sei nachhaltig erschüttert. Es sei menschenverachtend, wenn man Lehrer zu etwas zwinge. Die von den Kultusministern vorexerzierte Behördenwillkür zähle zu den schlimmsten Demütigungen, meint auch Friedrich Denk in der Süddeutschen Zeitung vom 25. Februar 1998.

Der Austritt des Rechtschreibreformers Professor Horst Haider Munske aus der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung im September 1997 wirkte wie ein Paukenschlag.

Die Lehrerinitiative trat dann u.a. auch am 11. Oktober 1997 bei der Dichterlesung „Für die Einheit der Orthographie“ mit Ota Filip, Wulf Kirsten, Reiner Kunze, Loriot, Gerhard Ruiss, Albert v. Schirnding in Erscheinung, die Friedrich Denk in Weilheim organisiert hatte. Dort stellte Verleger Matthias Dräger eine Dokumentation von 21 Initiativen gegen die Rechtschreibreform vor, die die Lehrerinitiativen und der VRS gemeinsam herausgegeben hatten: „Der ‚stille’ Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit“.

Darin erinnert Oberstudienrat Günter Loew, der Leiter der Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Hessen, in einem Leserbrief vom 13. April 1996 an die FAZ an den Einspruch der Ministerpräsidenten: „Diese fühlten sich vor allem durch brutale Vereinfachungen wie Restorant oder Portmonee abgestoßen und empfanden solche an die Deutschtümelei der Nazis erinnernde Schreibungen im Zeitalter der europäischen Einigung mit Recht als unpassend.“

Seit November 1997 organisierten die Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ und der „Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege“ (VRS) die Einladung und entsprechende Stellungnahmen zur Anhörung der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung in Mannheim und vor dem Bundesverfassungsgericht.

Am 23. Januar 1998 bei der Mannheimer Anhörung der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung und am 12. Mai 1998 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wurde die Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ durch Professor Theodor Ickler vertreten. Vor dem Bundesverfassungsgericht waren nur drei reformkritische Organisationen vertreten: die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (DASD), die Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ und der VRS.

Einer der führenden Köpfe der Hochschullehrer im Kampf gegen die Rechtschreibreform war und ist Professor Helmut Jochems. Jochems schloß sich im Frühjahr 1997 der losen Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ an und trat dann in den VRS ein. Er arbeitete u.a. auch mit Theodor Ickler zusammen und war der Koordinator einer Hochschullehrer-Initiative, einer der über 600 Professoren und Professorinnen der Sprach- und Literaturwissenschaft, die dem Bundesverfassungsgericht April/Mai 1998 eine Gemeinsame Erklärung zur Rechtschreibreform - http://www.vrs-ev.de/resolutionen.php#professoren -. überreichten, um den VRS und die Lehrerinitiative bei der Anhörung durch das Bundesverfassungsgericht am 12. Mai 1998 in Karlsruhe zu unterstützen.

Auf Einladung von Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP) reisten Professor Theodor Ickler (Lehrerinitiative), Professor Werner H. Veith (Mainzer Hochschullehrer-Initiative) - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2391#2391 - und Manfred Riebe (Lehrerinitiative und VRS) am 6. Februar 1998 gemeinsam zu einem Gespräch über die Rechtschreibreform nach Bonn und hielten ihm Vortrag über die Problematik. Gerhardt, ehemals Präsident der Kultusministerkonferenz, beklagte, daß es in Deutschland bisher keine ähnliche Institution wie die Académie Française gebe, die die „Eleganz der Schriftsprache“ gegen solche „Pickel im Gesicht“, d.h. gegen Verhunzungen schütze.

Mit ein Ergebnis der Petition der Lehrerinitiative an den Deutschen Bundestag war dann der Beschluß des Deutschen Bundestages vom 26. März 1998: „Die Sprache gehört dem Volk!“ - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2784#2784
Allerdings handelte es sich um einen faulen Kompromiß. Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages hatte am 4. März auf Intervention Wolfgang Schäubles und Hans Zehetmairs nachgegeben und war von der Forderung der 50 Abgeordneten auf Stopp der Rechtschreibreform abgerückt. Auch auf die Forderung, die Länderparlamente sollten die Rechtschreibreform in den Schulen stoppen, wurde verzichtet.

Kennzeichnend für die Einschüchterung der Lehrer war eine Unterschriftensammlung vornehmlich in Bayern im April 1998 anläßlich der Anhörung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 1998. Innerhalb von nur 14 Tagen unterschrieben über 1.000 Lehrer, aber nur mit der Zusicherung, daß man ihren Namen nicht nennen würde. Prompt versuchte das bayerische Kultusministerium, beim Koordinator der Lehrerinitiative die Namen der Lehrer zu erfahren. Siehe hierzu auch: Germanisten kuschen vor Kultusbürokraten (Ministerialrat Dr. Stefan Krimm) - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=635#635

Auch bei der Organisation der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtschreibreform“ von Professoren der Sprach- und Literaturwissenschaft zur Rechtschreibreform für das Bundesverfassungsgericht - http://www.uni-muenster.de/Medienpaedagogik/kontra.htm - wirkte die Lehrerinitiative mit, zusammen mit dem VRS.

Die starre Haltung der CSU und mancher Funktionäre der Lehrerverbände führte dazu, daß führende Mitglieder der Initiative aus der CSU und aus Lehrerverbänden austraten. So traten Manfred Riebe und Norbert Schäbler zusammen mit Friedrich Denk am 6. März 1998 aus Protest gegen die Haltung der CSU aus der CSU aus. http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2838#2838

Da auch die meisten Funktionäre von Lehrerverbänden entgegen der Meinung der Lehrerbasis mit den Kultusministern gemeinsame Sache machten und für die Rechtschreibreform eintraten - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1497#1497 -, traten etliche Lehrer aus den Verbänden aus, so auch Manfred Riebe: http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2801#2801

Danach koordinierte und unterstützte die Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ von Fall zu Fall zusammen mit dem VRS wie bis dahin mittels Telefon- und Faxnetz die Aktivitäten dieser Graswurzelbewegung einzelner Lehrerinitiativen im Rahmen der Volksinitiativen gegen die Rechtschreibreform in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, der Volksbegehren in Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein und des Volksentscheides in Schleswig-Holstein.

Seit Herbst 1998 trat an die Stelle des Faxverkehrs zunehmend ein E-Mailnetz. Das offene Sammeln von Unterschriften auf der Straße hörte allmählich auf. Als Bewegung arbeitete die Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ seit 1999 koordinierend im Hintergrund, um Einzelaktivitäten soweit wie möglich zu unterstützen, z.B.

* die Aktivitäten des „Bitburger Appells“ des Deutschlehrers Otto Freiherr Hiller von Gaertringen.

* 1998, 1999, 2002, 2003: Artikel von Mitgliedern der Lehrerinitiative in der Lehrerzeitschrift „Schule in Frankfurt“ -
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=448#448

* Juli 2002: Deutschlehrer Grosser im CSU-Forum zur Arroganz der Macht -
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=4035#4035

* Juni 2004: Deutschlehrer fordern Moratorium bei der Rechtschreibreform - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1118#1118
Marianer starten Protest-Initiative - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1144#1144

* Warburger-Appell.de - Hans-Jürgen Grosser
http://www.Deutschlehrer.de
http://www.warburger-appell.de/Forum/forumdisplay.php?forumid=55
http://www.warburger-appell.de/Forum/showthread.php?threadid=870

* Juni 2004: Schweizer Gymnasiallehrer gegen die Rechtschreibreform –
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=372

wird ergänzt.

Das unten angefügte Literaturverzeichnis belegt
* die Aktivitäten der Lehrer dieser Graswurzelbewegung anhand einiger Beispiele,
* daß es sich bei den Verfassern nachprüfbar um Lehrer handelt,
* daß diese Lehrer Mitglieder der Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ waren,
* daß sie durch Aufklärung gegen die Rechtschreibreform kämpften,
* daß der Name der Lehrerinitiative stimmt,
* daß die Kultusminister schon sehr bald nach dem Erscheinen der neuen Wörterbücher durch die frühen Aufklärungsbroschüren von Mitgliedern der Lehrerinitiative aufgeklärt wurden,
* daß die Lehrerinitiative im Gegensatz zu anderen Lehrerorganisationen zwecks Aufklärung sogar bei den Anhörungen der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung und des Bundesverfassungsgerichts vertreten war.

Das Literaturverzeichnis zeigt jedoch nur ansatzweise, wie aktiv die Lehrer waren. Es ließe sich um Hunderte von Leserbriefen ergänzen. Viele der Aktivitäten der Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ blieben unbekannt, weil Leserbriefe nicht veröffentlicht wurden und Briefe oft nur auf die Schreibtische der Ghostwriter der Politiker gelangten und Pressemitteilungen bei den Nachrichtenagenturen untergingen. Die Reformkritiker und somit auch der VRS, die organisierten und unorganisierten Lehrer und Lehrerinitiativen wurden trotz ihrer Aktionen, Volksinitiativen, Volksbegehren und des Volksentscheides und ihrer Pressemitteilungen systematisch totgeschwiegen. Daher kommt es, daß die Lehrerinitiative kaum in der Literatur und in der Presse nur versteckt zu finden ist. Darum heißt ein Sammelband der Lehrerinitiative auch: „Der ‚stille’ Protest“ - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=504#504 -. Die Gründung der „Deutschen Sprachwelt“ - www.deutsche-sprachwelt.de - im Frühjahr 2000 war eine der Gegenmaßnahmen gegen das Totschweigen.

Die FAZ hatte bis dahin neben Leserbriefen von Rechtschreibreformkritikern auch große Artikel von Theodor Ickler gebracht, aber keine von der Lehrerbasis. Erst nach der Rückumstellung der FAZ auf die traditionelle Orthographie am 1. August 2000 kam auch einmal ein Studiendirektor der Lehrerinitiative mit einem ganzseitigen Artikel zu Wort. Wolfgang Illauer: „Die neue Rechtschreibung in der Schule und in der Zeitung. Widerlegung der Argumente der Kultusminister und Reformer.“

Die Süddeutsche Zeitung brachte dagegen tendenziell keine Artikel von Kritikern der Rechtschreibreform. Das änderte sich erst 2001, nachdem Theodor Ickler den Deutschen Sprachpreis erhalten hatte. Aber die SZ veröffentlichte unter ihrem liberalen Leserbrief-Redakteur Dr. Christian Ullmann auch aufschlußreiche Leserbriefe von Mitgliedern der Lehrerinitiativen. Aber dann beschlossen die Nachrichtenagenturen trotz des Volksentscheides gegen die Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein vom 27. September 1998 Anfang Oktober 1998, ab 1. August 1999 die Rechtschreibeform einzuführen. Bald darauf wurde Ullmann Ende 1998 gegen seinen Willen versetzt und zum Schlußredakteur gemacht, obwohl er 25 Jahre Leiter der Leserbriefredaktion war. Sein Nachfolger Gerd Sowein brachte seitdem nur noch selten Leserbriefe gegen die Rechtschreibreform. ... Zur Rolle der Medien vgl.: http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1223#1223 -.

Weil ein großer Teil der Presse seit August 1999 Nachrichten und Leserbriefe über die Rechtschreibreform weitgehend unterdrückte oder in den Neuschrieb umfälschte, nutzten die Kritiker der Rechtschreibreform zur Information und Aufklärung zunehmend das Internet. Die staatlich finanzierten Sprachvereine, Institut für deutsche Sprache (IDS), Mannheim, und Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), Wiesbaden, http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2520#2520 - die die Rechtschreibreform betreiben, vermieden es, im Internet Diskussionsforen einzurichten, damit sie nicht der öffentlichen Kritik ausgesetzt gewesen wären. Aber auch der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ http://www.rechtschreibrat.com/ , der ja angeblich dem Volk aufs Maul schauen will, hat kein Diskussionsforum. Diese Lücke füllen die Kritiker der Rechtschreibreform mit ihren Diskussionsforen. Den Lehrern stehen folgende Foren zur Verfügung:

Bis 2004: http://www.rechtschreibreform.com/
Ab 2002: http://www.vrs-ev.de/forum/
Ab 2004: http://rechtschreibung.com/Forum/
Ab 2005: http://www.sprachforschung.org/forum/

http://www.vrs-ev.de/forum/ hat sogar eine eigene Rubrik „Sprachberatung“: http://www.vrs-ev.de/forum/viewforum.php?f=22 -, in der man kostenlos Fragen stellen kann.

Allmählich wurde die Diskussion auch in die Internetforen der Parteien und Zeitungen hineingetragen. Der Vorteil gegenüber Leserbriefen ist, daß diese Beiträge erscheinen und weniger zensiert werden, insbesondere wird die Rechtschreibung nicht umgestellt. Jedoch sind die Internetforen auch für viele Lehrer entweder gewöhnungsbedürftiges Neuland oder aber gefährliches Terrain, auf dem sie sich Ärger mit ihrem Dienstherrn einhandeln können und womöglich ihre Karriere aufs Spiel setzen. In welchen Foren war oder ist der harte Kern der Mitglieder der Lehrerinitiativen tätig?

Parteiforen im Internet

* CSU-Forum: PISA und die Rechtschreibreform -
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=4031#4031

Das CSU-Forum hat vorgeschaltete Moderatoren im Gegensatz zum CDU-Forum und dem SPD-Forum in Berlin. Es werden erfahrungsgemäß nicht alle Beiträge freigeschaltet. Allerdings ließen CDU und SPD nach einiger Zeit den Strang „PISA und die Rechtschreibreform“ verschwinden.

* CDU-NRW-Forum
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=4036#4036

* CDU-Forum
http://diskussion.cdu.de/forum

* SPD-Klartext-Forum
http://klartext.spd.de/read_v2.php?f=28&i=1508&t=1508

Trotz reger Diskussion entfernten die Volksparteien CDU und SPD nach einiger Zeit den jeweiligen Strang. Sie scheinen Kritik nicht zu vertragen.

Rechtschreibreform-Online-Foren von Zeitungen und Zeitschriften
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=775#775

Ohne vorgeschaltete Moderatoren arbeiten z.B. FAZ, Hannoversche Allgemeine, Tagesspiegel, Stuttgarter Zeitung, Nordbayerischer Kurier, Augsburger Allgemeine, Münchner Merkur, Oberbayerisches Volksblatt, SPIEGEL, ZEIT, so daß die Besucher ihren Beitrag sofort sehen können.

Die Süddeutsche Zeitung und die WELT haben dagegen vorgeschaltete Moderatoren. Im SZ-Forum dauert es oft drei bis neun Tage bis ein Beitrag, freigeschaltet wird. Manche unerwünschten Beiträge verschwinden im Bermuda-Dreieck des Forums bzw. in einem schwarzen Loch, d.h. werden nicht freigeschaltet. Das ähnelt der Zensur bzw. Löschpraxis in der Wikipedia.

* Nordbayerischer Kurier / Stadt Bayreuth
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=852#852

* SPIEGEL: Rechtschreibreform: Die unendliche Debatte
http://forum.spiegel.de/cgi-bin/WebX?13@195.HwVhaOpbRoN^3@.ee6b4b4/2822

* Stuttgarter Zeitung: Zur Rücknahme der „Rechtschreibreform“
http://forum.stuttgarter-zeitung.de/board/viewtopic.php?t=2927&start=0

* Rechtschreibforum der Süddeutschen Zeitung
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=4025#4025

* Tagesspiegel: Rechtschreibreform pro & contra
http://forum.tagesspiegel.de/viewtopic.php?t=338&start=0

* WELT-Forum
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=915#915

Die Rechtschreibreform in Enzyklopädien im Internet

* Wikipedia, deutsch, englisch, französisch usw.
Ein Überblick in: http://en.wikipedia.org/wiki/User:Manfred_Riebe

WIKIPEDIA und der Neuschrieb - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3493#3493

* Kontropedia http://lenz.uni-koblenz.de/wiki/index.php/Rechtschreibung/Betroffene_und_Beteiligte

* Contrapedia http://www.contrapedia.de -neu

Veröffentlichungen von Lehrern

Bücher

* Deterding, Klaus: Rechtschreibung zum Nulltarif, Fehler und Mängel der Neuregelung, Satz und Gestaltung: Jürgen Brinkmann, 4. vermehrte und verbesserte sowie mit einem Vorwort versehene Auflage, Berlin, Charlottenstr. 23 A, K. Deterding, Februar 1997, 22 Seiten, IDN: 950758132 (Deutsche Bibliothek - Deutsche Nationalbibliographie - http://dnb.ddb.de )

* Dietz, Helma u. a.: Die Rechtschreibreform in der Schulpraxis. Stellungnahme der bundesweiten Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“; zum Fragenkatalog des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtschreibreform für die Verhandlung am 12. Mai 1998, 18 Seiten (auszugsweise abgedruckt in: Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS): Unser Kampf gegen die Rechtschreibreform, Volksentscheid in Schleswig-Holstein, Bearbeitung und Kommentar: Manfred Riebe, Nürnberg 1998, IDN: 957735057 (Deutsche Bibliothek - Deutsche Nationalbibliographie - http://dnb.ddb.de ), S. 10-13)

* Ickler, Theodor: Rechtschreibreform auf dem Prüfstand, Presserechtlich verantwortlich: Alexander Siegner, Pullach, November/Dezember 1996, 38 Seiten

* Ickler, Theodor: Rechtschreibreform auf dem Prüfstand, mit Beiträgen von Reiner Kunze, Stephanus Peil u.a., hrsg. von Alexander Siegner, Pullach, März 1997, 52 Seiten, ISBN 3-931155-08-0

* Ickler, Theodor: Die sogenannte Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich. 2. Auflage, St. Goar: Leibniz-Verlag, 1997, 206 Seiten, ISBN 3-931155-09-9. - http://www.deutschland-kehrt-zurueck.de/dokumente/ickler_die_sogenannte_rechtschreibreform.pdf

* Ickler, Theodor: Kritischer Kommentar zur „Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“: mit einem Anhang zur „Mannheimer Anhörung“, 2. durchgesehene u. erw. Auflage, Erlangen und Jena: Verlag Palm & Enke, 1999 (Erlanger Studien, Band 116) - ISBN 3-7896-0992-7 (Darin analysiert und kritisiert Theodor Ickler den Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, S. 241-283) - http://www.vrs-ev.de/KritKomm.pdf

* Ickler, Theodor: Regelungsgewalt. Hintergründe der Rechtschreibreform. St. Goar: Leibniz Verlag, 2001, 312 S., ISBN 3-931155-18-8 (Ickler zur Anhörung der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung: „Von den wenigen Reformkritikern, die – zum Teil erst nach umständlichen eigenen Bemühungen und wenige Tage vor der Veranstaltung – zugelassen worden waren, lehnten der „Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege“ (vertreten durch Hans Krieger) sowie die Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ (die ich vertrat) die Korrekturvorschläge ab.“ S. 136 f.) - http://www.deutschland-kehrt-zurueck.de/dokumente/ickler_regelungsgewalt.pdf

* Peil, Stephanus: Die Wörterliste. St. Goar: Leibniz-Verlag, 1997, 32 S., ISBN 3-931155-07-2 (Stephanus Peil ist Leiter der Lehrerinitiative Rheinland-Pfalz gegen die Rechtschreibreform)

* Peil, Stephanus: Die Wörterliste Ein Vergleich bisheriger und reformierter Schreibweisen. 10., überarb. Auflage, Westerburg: Selbstverlag, In den Gärten 5: S. Peil, 1998. - 42 S., IDN: 957626223 (Deutsche Bibliothek - Deutsche Nationalbibliographie - http://dnb.ddb.de ) - http://www.rechtschreibreform.com/Woerterliste/

* Riebe, Manfred; Schäbler, Norbert; Loew, Tobias (Hrsg.): Der „stille“ Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit. St. Goar: Leibniz-Verlag, 1997, ISBN 3-931155-10-2. Dokumentation von 21 Initiativen gegen die Rechtschreibreform.

* Schäbler, Norbert (Hrsg.): Rechtschreibreform life – live – läuft – In Laufach läuft Pressezensur. Eigenverlag: Norbert Schäbler, Rosenstr. 12, 63768 Hösbach, Juni 1997, 32 Seiten (Auszug aus der Nr. 10 der zensierten Schülerzeitung boh-ey der Volksschule Laufach bei Aschaffenburg vom 12. Juni 1997 mit dem bayerischen Mogeldiktat „Ein Alptraum“ des Rechtschreibreformers Prof. Burkhard Schaeder und dem Hinweis auf die Webseite der Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“: http://www.raytec.de/rechtschreibreform/. Norbert Schäbler ist Leiter der Lehrerinitiative Bayern gegen die Rechtschreibreform.)

* Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS): Unser Kampf gegen die Rechtschreibreform, Volksentscheid in Schleswig-Holstein, Bearbeitung und Kommentar: Manfred Riebe, Nürnberg 1998, IDN: 957735057 (Deutsche Bibliothek - Deutsche Nationalbibliographie - http://dnb.ddb.de )

Anmerkung: Zum Charakter und den Merkmalen einer „Graswurzelbewegung“ gehört, daß Veröffentlichungen spontan und ohne ISBN-Nummer entstehen. Soweit die Titel der Initiative nicht in der „Deutschen Bibliothek - Deutschen Nationalbibliographie“ - http://dnb.ddb.de - aufgeführt sind, ist die Adresse des Autors angegeben.

Artikel (Auswahl)

* Hiller von Gaertringen, Otto Frhr.: Rechtschreibreform: Brief an den Bundeskanzler. In: Schule in Frankfurt (SchiFF), Nr. 46, November 2002, S. 14

* Hinrichs, Wolfgang: Schleichweg zur Sprachdiktatur? Erziehungswissenschaftliche Bedenken gegen die Rechtschreib-„Reform“. In: IBW-Journal, Paderborn: Verlag Deutsches Institut für Bildung und Wissen e.V., Nr. 4, Juli/August 1999, S. 17-23

* Illauer, Wolfgang: Die neue Rechtschreibung in der Schule und in der Zeitung. Widerlegung der Argumente der Kultusminister und Reformer. In: FAZ vom 5. 10. 2000, Seite 10 - Wiederabdruck in der FAZ-Broschüre: Die Reform als Diktat. Zur Auseinandersetzung über die deutsche Rechtschreibung. Frankfurt am Main, Oktober 2000, S. 95-101

* Jochems, Helmut; Ickler, Theodor: Die Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich. In: Pädagogische Rundschau, Jg. 51 (1997), Heft 6, S. 764-766

* Loew, Günter: Motive für die Rechtschreibreform. In: Riebe, Manfred; Schäbler, Norbert; Loew, Tobias (Hrsg.): Der „stille“ Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit, St. Goar: Leibniz-Verlag, 1997, S. 159-161

* Loew, Günter: Hände weg von einer so drastischen Rechtschreibreform! Anlage zu einem unveröffentlichten Leserbrief vom 13.04.1996 an die FAZ. In: Riebe, Manfred; Schäbler, Norbert; Loew, Tobias (Hrsg.): Der „stille“ Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit. St. Goar: Leibniz-Verlag, Oktober 1997, S. 176

* Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages (02.06.97): Protokoll der 86. Sitzung der öffentlichen Anhörung zum Antrag der Abgeordneten Detlef Kleinert (Hannover), Norbert Geis, Reinhold Robbe und weiterer Abgeordneter, Rechtschreibung in der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 13/7028

* Riebe, Manfred: Die andere Meinung: Mehr Widerstand gegen die Rechtschreibreform. In: DIE WELT vom 12. Mai 1997, S. 4 - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3199#3199

* Riebe, Manfred: Ihr Beitrag gegen die Rechtschreibreform. In: Die deutsche Schrift, Nr. 2, Juli 1997, S. 34-35.

* Riebe, Manfred: Die neue Schulrechtschreibung und Presse-Orthographie - Ungrammatisch, unlogisch, verwirrend, mißverständlich, fehlerträchtig. In: Junge Freiheit Nr. 31/32 vom 28. Juli 2000 - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=584#584

* Riebe, Manfred: Rettet die deutsche Sprache - Dokumentation einer „Graswurzelrevolution“. In: DEUTSCHE SPRACHWELT, Ausgabe 18, 20. Dezember 2004, Seite 8 - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3018#3018

* Rolland, Maria Theresia: Auszüge aus Anschreiben an Politiker, Wissenschaftler und die Presse. In: Riebe, Manfred; Schäbler, Norbert; Loew, Tobias (Hrsg.): Der „stille“ Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit. St. Goar: Leibniz-Verlag, 1997, S. 189

* Rolland, Maria Theresia: Streitobjekt Sprache. In: Riebe, Manfred; Schäbler, Norbert; Loew, Tobias (Hrsg.): Der „stille“ Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit. St. Goar: Leibniz-Verlag, 1997, S. 190

* Rolland, Maria Theresia: Variantenchaos und Inkompetenz. In: Bayerische Staatszeitung vom 30.01.98, S. 6

* Veith, Werner H.: Petition und Initiative von über 200 Mainzer Hochschullehrern gegen die Wiener Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. In: Riebe, Manfred; Schäbler, Norbert; Loew, Tobias (Hrsg.): Der „stille“ Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit. St. Goar: Leibniz-Verlag, Oktober 1997, S. 169-172

Netzverweise

* Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ (seit Dezember 1997 nicht aktualisiert) - http://www.raytec.de/rechtschreibreform/ - Internetseite

* Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3133#3133 - Artikel

* Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ in der Wikipedia (laufend verschlimmbessert)
http://de.wikipedia.org/wiki/Initiative_Wir_Lehrer_gegen_die_Rechtschreibreform

* Theodor Ickler: Warum gehorchen die Lehrer?
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=4020#4020

* Petition als offener Brief an die Kultusministerministerkonferenz - http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3180#3180

* Gemeinsame Erklärung zur Rechtschreibreform von Professoren der Sprach- und Literaturwissenschaft zur Rechtschreibreform für das Bundesverfassungsgericht - http://www.uni-muenster.de/Medienpaedagogik/kontra.htm

* Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14. Juli 1998, Az.: 1 BvR 1640/97 -
http://www.bverfg.de/entscheidungen/frames/1998/7/14 (Darin wird auch die Rolle der Lehrerinitiative erwähnt)

* Lehrerinitiativen gegen die Rechtschreibreform -
http://www.sprache.org/bvr/biwhoisi.htm

* Berliner Hochschularbeitskreis „Kulturelle Selbstbestimmung“ - http://www.tu-berlin.de/fb1/AGiW/Cricetus/SOzuC1/SOVsRSR/ArchivSO/HAKAufr.htm

* Initiative von Mainzer Hochschullehrern gegen die Wiener Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung - http://www.sprache.org/bvr/biwhoisi.htm

* Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Baden-Württemberg -
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2474#2474
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1606#1606
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1629#1629

* Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Bayern

* Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Berlin
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=603#603

* Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Hessen
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=4029#4029
http://www.schule-in-frankfurt.de/45/45-06.htm

* Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Niedersachsen

* Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Nordrhein-Westfalen
http://www.sprache.org/bvr/biwhoisi.htm
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1246#1246

* Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Rheinland-Pfalz
http://www.vrs-ev.de/vorstand.php


Anmerkungen:

Zum Namen der Initiative:

Die bundesweite Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform und für eine einheitliche, systematische Rechtschreibung“ wurde und wird häufig abgekürzt Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ genannt, so zum ersten Mal in den Presseberichten über die Gründung der Initiative und infolgedessen auch in der Pressemitteilung von Toni Schmid vom 4. März 1997 (siehe oben. Man erkennt daran die Macht der Presse), in einschlägigen Veröffentlichungen wie z.B. Ickler, Theodor: Regelungsgewalt. Hintergründe der Rechtschreibreform..., S. 136 f.. (Literatur) und somit auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Link). Wohl deswegen wird der geläufigere, kürzere und bekanntere Name auch in der Wikipedia verwendet.
____________________________________________________________

Anmerkungen:

„Es läßt sich andererseits zeigen, daß zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung nach dem 1. August 1999 das Thema Rechtschreibreform tabu war. Vom Beginn des Jahres bis zu diesem Stichtag brachte die SZ rund 25 Beiträge. Danach erschien – bis auf zwei Pfl ichtmeldungen über ein Volksbegehren bzw. das Scheitern eines Reformgegners vor dem Bundesverfassungsgericht – praktisch überhaupt kein Text
mehr. Es wurde auch kein Leserbrief mehr abgedruckt, obwohl bestimmt sehr viele Leser ihr Mißfallen an der Neuschreibung geäußert haben. Der eserbriefredakteur Dr. Ullmann, dem die Veröffentlichung zahlreicher reformkritischer Zuschriften zu verdanken war, wurde durch den Redakteur G. Sowein abgelöst, der die Reformkritiker zuweilen mit gehässigen Antwortschreiben bedachte.“
Ickler, Theodor: Folgen der Rechtschreibreform in Zeitungen und Zeitschriften. In: Ickler, Theodor: Die Folgen der Rechtschreibreform in Texten deutscher Sprache, S. 81 - www.rosentreters.de/dokumente/folgen_der_rsr_lang.pdf

Zum Artikel in Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wir_Lehrer_gegen_die_Rechtschreibreform
In Wikipedia sind Kritiker der Rechtschreibreform nicht gern gesehen. Man löscht daher Textteile, fälscht Texte in den Neuschrieb um und macht aus „Netzverweisen“ sog. „Weblinks“.

Dort heißt es: „Korrigiere Fehler oder erweitere diesen Artikel!“
Aber leider wird von anonymen, verschlimmbessernden Rechtschreibreformbefürwortern das Gegenteil getan: „Kürze den Inhalt, lösche die ganze Literaturliste und möglichst viele Netzverweise!“

Tatsächlich wurden von Vandalen ganze Literaturlisten in den Artikeln „VRS“, Lehrerinitiative, „Theodor Ickler“, „Friedrich Denk“ und „Manfred Riebe“ gelöscht. Ich fügte ersatzweise wenigstens einige Bücher ein. Siehe:

http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Denk

http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Ickler

http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Krieger [in der Wikipedia Opfer einer Löschaktion]
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3286#3286

http://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Riebe [am 24.02.2005 in der Wikipedia Opfer einer Löschaktion]
http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Manfred_Riebe [auch die Benutzerseite wurde in der Wikipedia das Opfer einer Löschaktion]
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3263#3263

http://de.wikipedia.org/wiki/Verein_f%C3%BCr_deutsche_Rechtschreibung_und_Sprachpflege

http://de.wikipedia.org/wiki/Initiative_Wir_Lehrer_gegen_die_Rechtschreibreform

Da das Löschen nicht konstruktiv ist, folgte ich dort lieber der Aufforderung: „Korrigiere Fehler und erweitere diesen Artikel!“ :-))

www.raytec.de/rechtschreibreform/ ist die Seite der Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“. Auf dieser Netzseite findet man daher auch eine der ersten Pressemitteilungen des VRS. Diese historische Seite enthält aufschlußreiche Dokumente aus der Anfangsphase des Widerstandes gegen die „Rechtschreibreform“ bis November 1997. Sie wurde seitdem nicht mehr aktualisiert.

Siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Manfred_Riebe

Schreibverbot, innere Emigration und Exil auch in der deutschen Wikipedia: Erwartungsgemäß wurde ich in der deutschen Wikipedia, die auf Neuschrieb umgestellt hat, gesperrt. Deshalb emigrierte ich rechtzeitig in die englischsprachige und französischsprachige Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/User:Manfred_Riebe
http://fr.wikipedia.org/wiki/Utilisateur:Manfred_Riebe
Dies sind meine Schlüsselseiten mit vielen Links auf der Startseite!

Theodor Ickler in seinem Buch „Regelungsgewalt“ zur Mannheimer Anhörung:

„Von den wenigen Reformkritikern, die – zum Teil erst nach umständlichen eigenen Bemühungen und wenige Tage vor der Veranstaltung – zugelassen worden waren, lehnten der „Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege“ (vertreten durch Hans Krieger) sowie die Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ (die ich vertrat) die Korrekturvorschläge ab; die „Studiengruppe geschriebene Sprache“ (Helmut Glück) begrüßte sie als Schritt in die richtige Richtung, erneuerte aber ihre Kritik an der Reform und an der Zusammensetzung der Kommission.“
(Ickler, Theodor: REGELUNGSGEWALT. Hintergründe der Rechtschreibreform. St. Goar: Leibniz Verlag, 2001, S. 136 f.)

- Bericht Theodor Icklers über die Anhörung durch die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung am 23. Januar 1998 - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1093#1093

Der „Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege“ (VRS) hatte Hans Krieger - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2849#2849 - zur Anhörung der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung am 23. Januar 1998 in Mannheim delegiert. Hans Krieger über die Mannheimer Anhörung:

- Hans Krieger: Die Reformruine wankt - Rechtschreibkommission: Neuverhandlung wird unumgänglich. In: BAYERISCHE STAATSZEITUNG NR. 5 vom 30. Januar 1998, S. 19 - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2850#2850

Theodor Ickler über die Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht:

- „Handverlesene Claque ist der Normalzustand“ - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2399#2399 -.

„Den beiden Kritikern (es waren Christian Meier für die Akademie und ich für den VRS) saßen bei der Verhandlung etwa 50 Personen von der Reformerseite gegenüber, darunter die Kultusministerinnen Böhrk und Brunn. Die Presse schien dieses Mißverhältnis nicht erwähnenswert zu finden.
Schon einige Zeit vor der Verhandlung gab es Hinweise, daß das Urteil im Sinne der Kultusminister ausfallen werde. Dies hat sich mit überraschender Eindeutigkeit bestätigt. Nach dem Eindruck mancher Beobachter (vgl. Bayerische Staatszeitung vom 18.7.1998) könnte das Urteil geradewegs von der KMK verfaßt sein.“
(Ickler, Theodor: REGELUNGSGEWALT. Hintergründe der Rechtschreibreform. St. Goar: Leibniz Verlag, 2001, S. 177 f.)

„Nicht erwähnt werden natürlich auch die umfassenden sprachwissenschaftlichen Analysen, die ich für den Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege vorgelegt habe. Dem Gericht lag ferner die von nahezu 600 Professoren der Sprach- und Literaturwissenschaft unterschriebene Erklärung vor. Nicht einmal diese Erklärung hat das Gericht offenbar dazu veranlassen können, Fachleute außerhalb des immergleichen Kreises der Reformer zu Rate zu ziehen.“
(Ickler: REGELUNGSGEWALT, S. 209)[/b]


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Manfred Riebe



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Beitrag: Donnerstag, 10. Feb. 2005 09:35    Titel: Petition an die Kultusministerkonferenz Antworten mit Zitat

Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform
und für eine einheitliche, systematische Rechtschreibung“

(Manfred Riebe, Max-Reger-Str. 99, 90571 Schwaig)

Fax: (0228) 501 -772

Kultusministerkonferenz
Nassestr. 8

53113 Bonn
____________________


Fax: (0511) 1 20 74 50

Herrn Professor
Dr. Rolf Wernstedt
Vorsitzender der Kultusministerkonferenz
Schiffgraben 12

30159 Hannover


Schwaig, den 25.02.1997

Petition als offener Brief an die Damen und Herren Kultusminister
mit der Bitte, die sog. Rechtschreibreform zurückzunehmen


Sehr geehrter Herr Professor Wernstedt! Sehr geehrte Damen und Herren Kultusminister!

Anläßlich der Kultusministerkonferenz am 27.02.1997 bitten wir Sie um Verteilung dieser Petition an die Damen und Herren Kultusminister. Wir Lehrer verschiedener Schularten, darunter viele Deutschlehrer, vertreten die Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform und für eine einheitliche, systematische Rechtschreibung“ . Wir alle bitten Sie, die in verschiedenen Bundesländern vorzeitig eingeleitete sog. Rechtschreibreform zurückzunehmen.

Eine Rechtschreibreform ist ein interdisziplinäres Problem. Einer der Unterzeichner, der Berliner Germanist und Deutschlehrer Klaus Deterding, sagt hierzu: „Es geht nicht um die Frage, ob Details der Reform diskutabel sind - es geht um das Fiasko der Strukturmängel der Neuregelung auf der sprachlichen, der juristischen und politischen Ebene.“ (Klaus Deterding: Rechtschreibung zum Nulltarif, Fehler und Mängel der Neuregelung, 3. Auflage, Berlin, Januar 1997). Wir geben hierzu eingangs einen Überblick:

1. Sprachlich-kulturelle Aspekte: Die Minderung der Qualität der Schriftsprache

Das angebliche „Reförmchen“ greift nicht nur in die Orthographie ein, sondern auch in die Grammatik und Semantik. Prof. Theodor Ickler, Universität Erlangen, stellte diesbezüglich fest, die sog. Reformer hätten nach Metzgerart die feinen Gesetzmäßigkeiten der Sprache zerstört (Nürnberger Nachrichten 23.11.96, S. 6). Das bedeutet Eingriffe in die Vielfalt und Ausdruckskraft der Sprache, eine Sprachverhunzung. Die fehlbesetzte Rechtschreibkommission darf nach unserer Meinung und der Meinung kompetenter Linguisten wegen Befangenheit und vielfältiger Interessenkollisionen an der weiteren Arbeit nicht mitwirken. Hier sind die Deutschlehrer, Schriftsteller und vor allem jene Sprachwissenschaftler gefragt, die nicht in der Kommission saßen (vgl. Helmut Glück: DIE WELT 13.12.95).

2. Rechtlich-politische Aspekte: In einer Demokratie ist das Volk der Souverän.

Repräsentative Meinungsumfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach GmbH und der Forsa Gesellschaft für Sozialforschung mbH, Berlin, haben im Herbst 1996 ergeben, daß mehr als 75 Prozent der Bevölkerung gegen die sog. Rechtschreibreform sind. In der jüngsten RTL-Umfrage sprachen sich 91,6 Prozent der 58.000 Anrufer gegen Änderungen in der deutschen Sprache aus. (In: Nürnberger Zeitung 19.02.97, S. 4). Diese 90 Prozent Wähler haben Volksvertreter gewählt. Doch die Volksvertretungen, der Bundestag und die Landesparlamente, wurden von den Kultusministerien übergangen. Der Rechtsausschuß des Bundestages und evtl. die Gerichte sind aufgerufen, diesen Verstoß gegen die Verfassung zu klären.

3. Finanzpolitischer, haushaltsrechtlicher Aspekt:

Wir Steuerzahler werden geschröpft, und das Geschäft bei Duden, Bertelsmann und Schulbuchverlagen läuft wie geschmiert. Andere Verlage hingegen stehen durch die Rechtschreibreform am Rande des Ruins. Hier sind die Haushaltsausschüsse des Bundes und der Länder, der Bundesrechnungshof und die Landesrechnungshöfe als Kontrollorgane aufgefordert, ihre Arbeit im Hinblick auf die Bauruine Rechtschreibreform zu tun.

4. Pädagogische Aspekte und Alternativlösungsvorschläge:

Wir Lehrer wurden bisher überhaupt nicht gefragt, ob wir als Eltern und Pädagogen diese neue Rechtschreibung für sinnvoll und notwendig erachten. Eine der Grundvoraussetzungen unseres Berufes ist es, überzeugt hinter dem Stoff zu stehen. Wie soll man aber bei diesen Widersprüchlichkeiten und Fehlern überzeugt hinter der Reform stehen, die es zu vermitteln gilt? Wir Lehrer werden zum ersten Mal in der Geschichte unseres Berufes veranlaßt, Schüler Fehler zu lehren, also dem Sinn unseres Berufes entgegenzuhandeln. Sie als Kultusminister degradieren uns zu Ihren willenlosen Werkzeugen. Um unserer minderjährigen Kinder und Schüler und um unserer Schriftsprache willen stellen wir fest, daß wir, wie zahllose andere Lehrer, unsere bisherige Rechtschreibung beibehalten wollen, aber im Sinne einer Sprachpflege aufgeschlossen sind für eine einheitliche, systematische Rechtschreibung. Die Linguisten Theodor Ickler und Werner H. Veith haben in diesem unserem Sinne Lösungsvorschläge in groben Zügen ausgearbeitet. Sie sehen behutsame Veränderungen mit der Beseitigung von Spitzfindigkeiten der bisherigen Rechtschreibung vor. Aus allen genannten Gründen bitten wir Sie, die Rechtschreibreform zurückzunehmen.

Nähere Begründung der Punkte 1 und 2:

1. Sprachlich-kulturelle Aspekte: Die Minderung der Qualität der Schriftsprache


Die FAZ schrieb bereits am 12.10.96: „Zu den gigantischen Bauruinen gesellt sich nun die Reform der deutschen Rechtschreibung.“ (S. 36). Sprachwissenschaftler und auch wir haben erkannt, daß die sog. Rechtschreibreform eine irreparable Fehlkonstruktion ist. Wenn schon Sprachwissenschaftler eine solche mangelhafte, nicht akzeptable Handwerksarbeit abgeliefert haben, so daß nicht einmal professionelle Wörterbuchmacher das Regelwerk der neuen Rechtschreibung beherrschen und in zehn verschiedenen Wörterbüchern ein Rechtschreibchaos angerichtet haben, wie sollen dann wir Lehrer im Unterrichtsalltag damit zurechtkommen? Die Rechtschreibreform hat sich als „Mogelpackung“ (vgl. Bayerische Staatszeitung 22.11.96, S. 2) mit versteckten Mängeln erwiesen, die jeder vernünftig denkende Bürger dem Lieferanten innerhalb der Gewährleistungsfrist als unbrauchbar zurückgibt. Die bei Schulbüchern übliche Zulassungsprüfung wurde versäumt. Es handelt sich um einen Sack voller Banalitäten, z.B. Silbentrennungen, ß-ss-Schreibung usw., bei denen jeder vernünftige Bürger sich fragt, ob der Aufwand und die Kosten in einem angemessenen und zumutbaren Verhältnis zum Nutzen stehen. In diesem Sack verbergen sich aber zwischen den vielen Banalitäten gewichtige Änderungen, Eingriffe in die Semantik, Grammatik, die Kommasetzung und in den Wortschatz, die das Leseverständnis verhindern oder erschweren. Es ergibt sich infolgedessen auch ein ganz erheblicher Wegfall von sprachlichen Inhalten, die nicht mehr ausgedrückt werden können. Und es entstehen völlig neue Fehlerquellen. Wollte oder konnte dies niemand erkennen?

Trotzdem behauptet Kultusminister Hans Zehetmair, die Reform sei ein voller Erfolg, es gebe 40 Prozent weniger Fehler im Diktat, und im übrigen seien 60 Prozent der Schüler für die Reform (vgl. Rita Baedeker über die Podiumsdiskussion der SZ zur Rechtschreibreform „Deutschland zum Diktat!“ am 05.02.1997 in München. In: SZ 08.02.97, S. 13). Doch der Text des Probediktats des bayerischen Kultusministeriums „Der Alptraum“ ist kein Maßstab, weil er mit acht Sätzen sehr kurz und lächerlich unproblematisch ist. Wir drucken den Text nach den Namen der Unterzeichner am Schluß ab. Vielleicht kennt Hans Zehetmair diesen Diktattext nicht einmal. Tatsächlich machen die Schüler nicht weniger Fehler, sondern sogar ein wenig mehr Fehler als zuvor (vgl. „Mehr Verwirrung als Vereinfachung befürchtet.“ In: Nürnberger Zeitung 23.12.96, S. 11, Das Gymnasium in Bayern. Nr. 1, Januar 1997, S. 29, und „Nach der Reform weniger lesefreundlich.“ In: Nürnberger Anzeiger, Ausgabe Nordost 22.01.97, S. 6). Und die Schüler sind fast alle gegen die Reform, wenn sie geheim abstimmen dürfen (Umfrageergebnisse von Johannes Faupel, Nürnberg, unter 400 Nürnberger Schülern im November/Dezember 1996). Herr Zehetmair wurde von seinen Mitarbeitern offensichtlich unzureichend informiert und damit irregeführt.

Einige mutige Sprachwissenschaftler haben die Rechtschreibreform bereits als irreparabel bezeichnet, d.h. sie haben es gewagt, ihren Kollegen Professoren in der Reformkommission öffentlich zu sagen, daß der Kaiser nackt und nicht gehfähig ist. Schon im März 1993 hatten die fünf Akademien der Wissenschaften Deutschlands die Rechtschreibreform abgelehnt, die Reformvorschläge seien vielfach nicht ausreichend begründet und angesichts der Lebendigkeit der Sprache zwangsläufig auch nicht konsequent, es sei die Gefahr willkürlicher Veränderungen im geschriebenen und gedruckten Deutsch gegeben, die weder durch ersichtliche Inkonsequenzen der geltenden noch durch eine vermeintlich leichtere Erlernbarkeit der vorgeschlagenen Regeln gerechtfertigt werden können ... Und wörtlich: „Alle weitergehenden Eingriffe in die geltende Rechtschreibung sind entschieden abzulehnen, da sie das Schreiben kaum erleichtern, das Lesen eher erschweren und auf jeden Fall den Zugang zur geschriebenen und gedruckten kulturellen Überlieferung in einem gefährlichen Maße behindern würden.“ (FAZ 27.03.93, S. 5). Haben Sie dies eindeutige Votum nicht zur Kenntnis genommen?

Wir nennen für die Zeit danach hier nur die Professoren Helmut Glück, Bamberg, DIE WELT 13.12.95 („Unter den Sprachwissenschaftlern gibt es kaum jemanden, der der Reform ohne Vorbehalte zustimmt. ... Gravierender ist, daß einige gut funktionierende grammatische Mechanismen zerstört werden. ... Viele Sprachwissenschaftler haben sich mit ihrer Kritik nur deshalb zurückgehalten, weil sie eine andere Erwartung mit der Reform verbanden. Sie hofften, daß ... Instanzen die weitere Entwicklung unserer Rechtschreibung pflegend und steuernd begleiten.“ und: „Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist die Reform ein Debakel!“. In: Fränkischer Tag, Bamberg, 23.09.96), Theodor Ickler, Erlangen, „Wie wir schreiben sollten - Die Rechtschreibreform ist bankrott. Die Erneuerung der deutschen Orthographie stürzt nicht über ihre Lächerlichkeit, sie geht an ihren Widersprüchen zugrunde.“, (FAZ 12.10.1996, S. 36), „Die Rechtschreibreform auf dem Prüfstand“, Erlangen 16.12.1996, sowie Bayerische Staatszeitung 14.02.97, S. 11 (Bei den Mängeln handle es sich nicht nur um kleine Ausrutscher, die mit Einzelfallösungen zu korrigieren wären. Es seien zum weitaus größeren Teil „Geschwüre“, deren „Metastasen“ das Ganze durchziehen, und 21.02.97, S. 10), Christian Stetter , Aachen, SZ 14.12.96, S. 10 („Ich jedenfalls habe beim Hearing in Bad Godesberg ... empfohlen, die Neuregelung erst einmal auf Schwächen hin zu testen, bevor man sie in Kraft setzt. Das ist abgelehnt worden.

Die Kultusministerkonferenz kann nicht sagen, man habe sie nicht rechtzeitig gewarnt. Sie trägt die Verantwortung für dieses sachliche und wirtschaftliche Desaster. ... Wir lassen uns somit eine Reform viel kosten, die in vielen Bereichen nicht Orthographiereform ist, sondern Eingriff in Grammatik und Semantik der deutschen Schriftsprache. Dazu hat kein Kultusminister ein Recht. Sie bringt ferner die Kinder auf ein deutlich niedrigeres orthographisches Niveau und stürzt sie zudem nach der Schulzeit in Konflikt mit einer außerhalb der Schule praktizierten orthographischen Norm. Das widerspricht dem Bildungsauftrag der Schule ... Ein solches Handeln ist meines Erachtens unverantwortlich. Ich meine, daß der Bundespräsident mit seiner Einschätzung dieser ‘Reform’ recht hatte: sie war und ist so überflüssig wie ein Kropf.“), Werner H. Veith, Mainz, DIE WELT 16.01.97 (Eine Reform der Reform auf der Grundlage des Regelwerkes führe zu einer noch stärkeren Verschlimmbesserung und sei daher zum Scheitern verurteilt.). Selbst ein Mitglied der Kommission, Prof. Horst Haider Munske, kritisiert die Reform, die Folgen seien verheerend. Unklarheiten hätten zu unterschiedlichen Auslegungen in den Lexika geführt. Vgl. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 28.01.1997, S. 5.

2. Rechtlich-politische Aspekte: In einer Demokratie ist das Volk der Souverän.

Viele Lehrer machen den Unfug der sog. Rechtschreibreform nur mit, damit sie keinen Ärger in Gestalt von schlechten dienstlichen Beurteilungen und Disziplinarmaßnahmen bekommen. Sie als Kultusminister und Pädagogen verlangen von uns, daß wir die Schüler im Geiste der Demokratie erziehen, aber Sie selber gehen mit der Bevölkerung undemokratisch und unpädagogisch um wie die böse Stiefmutter mit ihrem Stiefkind, das nicht essen will: „Augen zu! Mund auf! Rein damit! Runterschlucken!“ Das Kind kann sich nicht wehren, aber 75 Prozent der deutschen Wähler in allen Bundesländern werden diese mißlungene Rechtschreibreform nicht schlucken.

Die sog. Reform wurde den Lehrern und Schülern undemokratisch, an den Parlamenten vorbei, aufgezwungen, wie es führende Rechtsprofessoren Ihnen, den Kultusministern, seit Sommer 1995 vergeblich vorgehalten hatten (z.B. Gröschner/Kopke, Kobler, Denninger). Auf Grund des Donnergrollens der dritten Bürgerinitiative in Niedersachsen und drohender Mitglieder- und Wählerverluste an radikale Parteien bliesen Theo Waigel und dann Bernd Protzner in Bayern zum Rückzug. Danach stellten 45 Bundestagsabgeordnete aus CDU/CSU, SPD und FDP, vorwiegend Rechtsanwälte und Richter, darunter Detlef Kleinert, Heiner Geißler, Friedhelm Ost und Jürgen Warnke, den Antrag, der Bundestag möge beschließen, die alte Rechtschreibung beizubehalten. Eine Unterzeichnerin unserer Initiative ist die bildungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen, Elisabeth Altmann, eine Lehrerin aus Hohenstadt in Bayern. Bereits im Oktober 1996, also lange vor der Initiative der Bundestagsabgeordneten, schrieb sie: „Nicht nur namhafte Schriftsteller lehnen die Reform als unsinnig und teuer ab, auch in der Bevölkerung regt sich Unmut. Offensichtlich wird über den Kopf der Betroffenen ein nicht akzeptiertes Regelungswerk geschaffen. Die meisten Veränderungen werden nicht als Vereinfachung akzeptiert. Viele Inkonsequenzen kommen hinzu. ... Mein Vorschlag ist es, die Rechtschreibreform zugunsten einer umfassenden Überarbeitung erst einmal auszusetzen. Solange die Bevölkerung nicht vom Sinn einer derartigen Reform überzeugt ist, macht sie keinen Sinn. Eine demokratische Reform bedarf der aktiven Trägerschaft durch die Bevölkerung.“ (Elisabeth Altmann: Aus der geplanten Reform eine echte Reform machen. In: Pressemitteilung Nr. 858/96 vom 15.10.1996 von Bündnis 90/ Die Grünen). Wenn Sie, die Kultusminister, diese Lawine der verschiedensten Bürgerinitiativen aufhalten wollen, wäre dies politischer Selbstmord.

Die sog. Reformer übersahen in blindem Reformeifer, daß die Sprache bereits über natürlich gewachsene Regeln verfügt, und meinten überheblich, der Sprache künstliche Regeln überstülpen zu können. Sprachregeln müssen aber der natürlich gewachsenen Sprachgewohnheit folgen, und sie dürfen nicht auf bürokratisch-politischem Wege eine Unsprache schaffen. Diese demzufolge nicht hochseetüchtige Fehlkonstruktion „Rechtschreibreform“ scheiterte folglich an den Felsen der Sprache und an dem Felsen der Sprachverbundenheit der Menschen. Rechtsexperten haben festgestellt, daß dieser Schrottkahn auch am Rechts- und Demokratie-TÜV vorbeigemogelt wurde, Sprachwissenschaftler haben bescheinigt, daß dieses Wrack niemals seetüchtig zu machen ist, und Meinungsumfragen haben ergeben, daß 90 Prozent der Bevölkerung gegen die Reform sind, daß also die politisch notwendige mehrheitliche Akzeptanz fehlt. Die Folge ist, daß die ersten klugen Bundestagsabgeordneten die Trümmer fluchtartig verlassen haben. Wer nicht ideologisch verblendet ist, wie einige Sprachreformer, wird ihnen nachfolgen, um nicht noch mehr Unheil anzurichten. Ihnen, den Kultusministern, bleibt nicht viel Zeit zu wählen, ob Sie als Kapitäne mit ihrem Wrack „Rechtschreibreform“ politisch untergehen oder ob Sie sich nicht doch noch vorläufig auf das hochseetüchtige Schiff „alte Rechtschreibung“ retten wollen. In einer Demokratie ist das Volk der Souverän. Wollen Sie es verantworten, wenn aufgrund Ihrer Hartnäckigkeit die Politikverdrossenheit des Volkes weiter zunimmt? Die Wähler werden nicht durch ihren Stimmzettel, sondern womöglich noch stärker durch ihre Nichtbeteiligung an den nächsten Wahlen zeigen, wie sie Ihren Überrumpelungsversuch einstufen.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Riebe, OStR
stellvertretend unterzeichnet mit Einverständnis aller unten genannten 12 Erstunterzeichner


- Manfred Riebe, OStR, 58 Jahre, Max-Reger-Str. 99, 90571 Schwaig bei Nürnberg, Tel. (0911) 50 08 25, Tel. (0911) 5692 - 343 Schule, Fax (0911) 50 80 07

- Elisabeth Altmann, MdB, 53 Jahre, Weinbergstr. 3, 91224 Hohenstadt /Bayern, Tel. (09154) 83 47, Fax (09154) 21 89, Tel. (0228) 16 - 8 10 18 Bonn, Fax (0228) 16 - 8 65 25 Bonn

- Helmut Delbanco, StD i.R., 69 Jahre, Fichtestr. 4, 26197 Ahlhorn, Tel. (04435) 13 13, Fax (04435) 36 23

- Dr. phil. Klaus Deterding, MA, 54 Jahre, Charlottenstr. 23 a, 12247 Berlin, Tel. (030) 7 74 48 40, Fax (030) 79 04 53 83 Schule

- Tihomir Glowatzky, OStR, 47 Jahre, Am Babenberger Ring 49, 69049 Bamberg, Tel. (0951) 5 79 39, Fax (0951) 50 93 62

- Wolfgang Illauer, StD, 57 Jahre, Von-Richthofen-Str. 20, 86356 Neusäß-Westheim, Tel. (0821) 48 23 26, Fax (0821) 3 24 23 95 (Gym)

- [Name auf Wunsch des Unterschreibers für Veröffentlichung im Internet gestrichen]

- Anselm Kobler, Dipl.-Theol., 31 Jahre, Brahmsstr. 58 b, 86179 Augsburg, Tel.-Fax (0821) 88 39 27

- Stephanus Peil, 47 Jahre, In den Gärten 5, 56457 Westerburg, Tel. (02663) 85 93

- Hans Sticht, StR, 57 Jahre, Angerstr. 23, 96049 Bamberg, Tel. (0951) 5 31 66, Fax (09542) 83 02 (Schule)

- Johannes Wagenknecht, StR, 49 Jahre, Theodor-Heuss-Str. 7, 90542 Forth-Eckental, Tel. (09126) 10 56

- Dr. phil. Gerd Witzke, OStR, 54 Jahre, Greuther Str. 53, 90455 Nürnberg, Tel. (09122) 97 59 39, Fax (09122) 7 78 37

Anhang: Probediktat des bayerischen Kultusministeriums

„Ein Alptraum. Gestern nacht hatte ich einen schrecklichen Traum. Nach den Schularbeiten wollte ich radfahren, als plötzlich ein Riese vor mir im Zimmer stand. Er stellte zehn Joghurtbecher vor mir auf den Tisch und forderte mich auf, sie zu essen. Anschließend sollte ich die Becher numerieren und aufeinanderstapeln. Kaum hatte ich den ersten Becher ausgelöffelt, da standen zwanzig neue auf dem Tisch. Und so ging es weiter, bis das ganze Zimmer mit Joghurtbechern angefüllt war. Ich schrie vor Angst und wachte auf. Vor mir stand meine Mutter, beruhigte mich und meinte, daß es das beste wäre, diesen Traum schnell zu vergessen.“


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Donnerstag, 22. Sep. 2005 17:46, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Donnerstag, 10. Feb. 2005 22:01    Titel: Ein Lehrer zur Überanpassung und „Kreativität“ Antworten mit Zitat

Ein Lehrer zur Überanpassung und „Kreativität“
_________________________________________

Recht schreiben


Von W[olfgang] Steinbrecht [1]

Ein wesentlicher Grund für die Einführung der neuen Rechtschreibung, der von den Reformern und den ihnen willfährigen Kultusministern groß herausgestellt wurde, war, daß das Schreiben von nun an sehr viel leichter werden würde. In Testdiktaten [2] wurde nachgewiesen, daß sich die Fehlerzahl rapide vermindere. Davon ist längst nicht mehr die Rede. Die Schüler machen die gleiche Menge Fehler wie eh und je. Die Vorsitzende des Bundeselternrats, [Renate] Hendricks [3], führt das auf eine größere Bedeutung von Rechtschreibung in der Schule zurück. Derartiger Unfug wird nicht nur so dahergeredet, sondern auch noch von dpa verbreitet.

Rechtschreibung ist nicht für den Schreibenden entstanden, sondern für den Leser. Man schreibt, um dem Leser einen Inhalt mitzuteilen. Schreiben und Lesen stehen einander nicht symmetrisch gegenüber. Jeder von uns liest sehr viel mehr als er schreibt. Manche Menschen schreiben nach Abschluß ihrer Schulzeit so gut wie nicht mehr. Die moderne elektronische Datenübermittlung und das Telefon haben diesen Trend verstärkt.

Bei dem auf einen Leser bezogenen Schreiben ist Lesefreundlichkeit [4] gefordert. Es ist zum Beispiel nützlich, Wörter durch einen Abstand von anderen Wörtern kenntlich zu machen und sie immer auf die gleiche Weise zu schreiben. Es ist auch nützlich, Sinneinheiten durch eine Interpunktion zu segmentieren und dadurch für das Auge deutlicher hervortreten zu lassen. Nicht alles, was man hören kann, kann man auch schreiben. Diesen Mangel machen wir in der Schrift wenigstens teilweise wett, indem wir manches schreiben, was man nicht hören kann, zum Beispiel Großbuchstaben oder den funktionalen Unterschied zwischen „das“ und „daß“ (beziehungsweise „dass“).

Die bis 1996 gültig gewesene Rechtschreibung war kein „Beamtenstreich von 1901“, wie es der Journalist Dieter E. Zimmer formuliert hat. Sie hat sich, analog zur Entwicklung der gesprochenen Sprache, im Laufe der Jahrhunderte durch die Schreibpraxis selbst entwickelt. In jeder historisch begründeten Rechtschreibung gibt es Ungereimtheiten. Aber im ganzen muß man über die von der „unsichtbaren Hand“ intuitiv gefundenen Tricks und Feinheiten staunen. Bei jedem Eingriff in ein solches Gebilde ist Vorsicht angesagt, damit nicht an einer unvermuteten Stelle mehr zu Bruch geht, als anderswo gewonnen wird.

Ein auffälliges Merkmal der neuen Rechtschreibung ist die vermehrte Großschreibung – im Allgemeinen, des Weiteren, im Dunkeln tappen und so weiter -‚ nachdem die Reformer zuvor eine lange Zeit auf die totale Kleinschreibung gesetzt hatten. Groß werden im Deutschen Substantive geschrieben. Substantive – wirkliche Substantive – sind „Gegenstände“, über die im Satz etwas ausgesagt wird. Man kann andere Wortarten durch sprachliche Operationen substantivieren und dadurch zum „Gegenstand“ der Rede machen (zum Beispiel: „Das Wandern ist des Müllers Lust“). Der Schreibende hat dabei nicht die formale grammatische Absicht, Substantive groß zu schreiben, sondern er hebt durch die Großschreibung für das Auge hervor, wovon er gerade spricht.

Eine Reihe von Wendungen hat im Deutschen formale Merkmale von Substantiven, ohne indessen „Gegenstand“ der Rede zu sein: des öfteren, im übrigen und so weiter. Überwiegend ist das formale Merkmal der bestimmte Artikel. Es können aber auch ehemalige echte Substantive sein, deren ursprüngliche Bedeutung verblaßt ist, zum Beispiel: von seiten. Im Laufe der Entwicklung der modernen Rechtschreibung ist man mehr und mehr dazu übergegangen, diesen Typ von Scheinsubstantiven klein zu schreiben, was für die Textrezeption außerordentlich hilfreich war. Die Rechtschreibreform hat die Entwicklung wieder umgekehrt. Jetzt gilt in solchen Fällen die totale Großschreibung. Oder doch nicht ganz? Es soll geschrieben werden: Jung und Alt, von nah und fern, von nahem, Arm und Reich, durch dick und dünn, jenseits von gut und böse. Die reformierten Groß- und Kleinschreibungen sind manchmal überraschend.

Richtig interessant wird es aber erst bei der Getrennt- und Zusammenschreibung. Aus bildungspolitischen Veröffentlichungen, die Verbandszeitschriften des Deutschen Philologenverbands und des Philologenverbands Niedersachsen inbegriffen, habe ich mir in einem Zeitraum von etwa sechs Wochen die folgenden authentischen Schreibweisen notiert: Input bestimmt, out-put orientiert, Prozess fokussiert, Schulform bezogene Lehrpläne, weiter führende Schulformen, da dies in der Sache nicht weiter führe, eine wohl begründete Tradition, schwer wiegende Veränderungen, allgemein bildend, extrem sozial abhängig, von vorn herein, selbst tätig, verständlicher Weise, es ist sicher zu stellen, zurück lassen, hervor bringen. Von diesen 16 Beispielen hätten nach der neuen Rechtschreibung acht zusammengeschrieben werden müssen. Weitere Fälle sind mindestens fraglich. „Schulformbezogen“ ist in den neuen Nachschlagewerken nicht notiert, aber auch das Wort „Schulform“ kommt weder im alten noch im neuen Duden vor. Es ist ein Fall, der sinngemäß entschieden werden muß. Da es zum Beispiel das Wort „leistungsbezogen“ gibt, sollte ein gebildeter Mensch die Unbefangenheit haben, auch von „schulformbezogenen Lehrplänen“ zu sprechen.

Zusammengeschriebenes kam bei der gleichen Recherche in folgenden Verbindungen vor: flächendeckend, weitgehend, fachspezifisch, hierzulande, weiterführende Schulen, sogenannt, allgemeinbildend, abendfüllend, sozialschwache Familien, über die Öffnungsklauseln hinausgehend. Von diesen zehn Beispielen sind vier falsch oder jedenfalls nicht als mögliches Wort verzeichnet. Anders als mancher vermuten könnte, gehört „hierzulande“ nicht dazu. Es ist – nach Duden – neben „hier zu Lande“ eine zulässige Variante geblieben. [5]

Auf den ersten Blick fällt auf, daß sich die Beispiele zum Teil überschneiden. Zusammensetzungen werden mal so, mal so geschrieben. Das zeugt von einer latenten Unsicherheit gerade in diesem Bereich. Einerseits geht die Trennung von dem, was als ein Wort empfunden wird, dem Schreibenden gegen den Strich, so daß er unwillkürlich aus der sonst beachteten neuen Rechtschreibung ausbricht. Andererseits waltet Überanpassung. Es wird im vorauseilenden Gehorsam auch dort getrennt, wo es nicht sein sollte. Da schreibt jemand, daß „gegen das Schule schwänzen“ anzugehen sei. Im Eifer des Trennens wurde übersehen, daß „schwänzen“ nunmehr der Hauptsinnträger geworden ist und als substantiviertes Verb nach der alten und neuen Schreibung groß zu schreiben wäre. Die orthographische Wirklichkeit ist voll von solchen Gebilden. Das Nonplusultra ist der authentische Satz: „Diese Auffassung kann nicht auf Recht erhalten werden.“ Man muß sich immer wieder vor Augen halten, daß die Schreiber Gymnasiallehrer, Professoren, Bildungsjournalisten und Angehörige der Kultusbürokratie waren, Leute also, die man üblicherweise als gebildet bezeichnet. [6]

Wenn man zu diesem Problem Wörterbücher konsultiert, kommt man zusätzlich ins Schleudern. Der Duden etwa unterscheidet zwischen hochberühmt, hochintelligent, hochverehrt, hochwirksam und hoch achten, hoch geehrt, hoch stehend, hoch qualifiziert – als kleine Auswahl unter diesem Stichwort. Greift man gar zu mehreren Wörterbüchern, vergrößert sich die Vielfalt. Duden: allein selig machend, hoch begabt, wohl bekannt, wohltuend; Bertelsmann: allein seligmachend, hochbegabt, wohlbekannt, wohl tuend. Diese Beispiele stammen aus einer relativ frühen Phase der Rechtschreibreform. Zu dem Wirrwarr kommen noch die seither unauffällig – keine Reform der Reform! – vorgenommenen Korrekturen. Es gibt Vielfalt auch durch den Verlauf der Zeit. Wer auf dem jeweils letzten Stand sein will, kann ein Vermögen für Wörterbücher und die periodische Erneuerung des Rechtschreibprogramms für seinen PC ausgeben.

Wenden wir uns nun der Welt der Druckerzeugnisse auf breiter Front zu. Hier hat sich die neue Rechtschreibung nicht dominant durchgesetzt. Es ist nicht zu erwarten, daß sich das ab 2005 ändern wird. Je nach Lesegewohnheiten kann man an Literatur geraten, die einen so gut wie total in die alte Rechtschreibung einbettet. Mindestens kann man sagen, daß die Deutschen auf eine unabsehbare Dauer ständig zwei Rechtschreibsysteme vor Augen haben werden, was die Sicherheit im Gebrauch nur eines Systems nicht gerade fördert. [7]

Bei der Lektüre der nach den neuen Regeln verfaßten Druckerzeugnisse stößt man keineswegs auf eine einheitliche Norm. Die neue ss/ß- Regelung haben sie alle. Sie ist gewissermaßen das Basismerkmal, wenn auch nicht immer fehlerlos. Überkompensationen vom Typ „heissen“, „aussen“, „Strasse“ sind durchaus verbreitet. Ansonsten ist Kreativität angesagt. Manche halten die neue Rechtschreibung geradezu beflissen ein, andere haben sich auf gemäßigte Varianten verschiedener Abstufungen geeinigt. Die neuen Regeln, die mehr fakultative Varianten zulassen als die alten, leisten dem Vorschub. Es ist möglich, im Rahmen der neuen Schreibung einem Druckerzeugnis ein gezielt reformiertes oder gemäßigt konservatives Flair zu verleihen. Das fällt besonders bei der Interpunktion auf. Die neuen Regeln sehen hier zwar prinzipiell eine Verminderung der Kommasetzung vor. Die alten Regeln sind aber nicht expressis verbis verboten. Sie sind nun ins Ermessen gestellt worden. Entsprechend ist in seriösen Zeitschriften zu beobachten, daß die neue Rechtschreibung konsequent mit der traditionellen Zeichensetzung verbunden wird – mit wohltuenden Folgen für die Lesbarkeit.

Wie ist die Rechtschreibreform bei der Bevölkerung im ganzen angekommen? Dazu gibt es eine polis-Umfrage vom Juli 2003. [8] 46 Prozent der Bürger halten die Reform für „alles in allem unverständlich“. 15 Prozent antworteten auf die Frage, ob die neue Rechtschreibung verständlich sei, mit „trifft voll und ganz zu“. 33 Prozent sagten: „trifft eher zu“. Eine höhere Verständlichkeit wird bei den 14- bis 34jährigen (55 Prozent), eine geringere bei den über 55jährigen (42 Prozent) angegeben. Der Eindruck der Verständlichkeit wächst mit der Höhe der Bildung: 42 Prozent bei Befragten mit Hauptschulabschluß, 48 Prozent bei Bürgern mit mittlerem Bildungsabschluß und 51 bei Abiturienten und Hochschulabsolventen.

Es wurde auch nach der persönlichen Nutzung der neuen Rechtschreibung gefragt. Konsequent angewandt wird sie nur von einer Minderheit, von 22 Prozent der Deutschen. 24 Prozent bekannten sich „eher“ dazu, sie anzuwenden. 25 Prozent wenden sie „eher nicht“ an, 29 Prozent konsequent gar nicht. Auch hier steigt die Nutzung mit der Höhe der Bildung – von 30 Prozent bei Hauptschulabsolventen bis 51 Prozent bei Abiturienten und Hochschulabsolventen.

Bei den Befragungswerten fällt auf, daß sich etwa die Hälfte der Bevölkerung in einer Grauzone einordnet, wenn sie die neue Rechtschreibung „eher“ oder „eher nicht“ benutzt. Was immer das im einzelnen bedeuten mag – es ist offensichtlich, daß die neue Schreibung wie ein dünner Firnis über der alten liegt und sich ganz eigentlich nicht durchgesetzt hat.

Das mag aus der Lehrersicht ein wenig verwundern. Lehrer spielen eine Sonderrolle. Sie sind nicht nur von Amts wegen gehalten, die neue Rechtschreibung zu benutzen – das sind eine Reihe anderer Berufe auch –‚ sondern sie auch zu vermitteln und einzufordern. Das zwingt zu einer Umstellung, die bis ins Privatleben reicht. Es ist unökonomisch, für ein und dieselbe Sache zwei konkurrierende Regelsysteme auf Dauer aktiv zu halten. [9] Es ist auch nicht ohne Einfluß, daß auf der Lehrerschaft generell ein großer Innovationsdruck liegt. Wer die neue Rechtschreibung benutzt, signalisiert, daß er nicht in einer konservativen Ecke verharren will. Aber auch dieses kann Firnis sein. Die eigentliche Akzeptanzfrage ist davon unberührt. Umfragen räumen ein, daß unter den Lehrern der weiterführenden Schulen die Resonanz auf die Rechtschreibreform „zurückhaltend“ gewesen sei.

Ein einheitliches Meinungsbild zur Reform wird es in der Lehrerschaft kaum geben, weil die verschiedenen Fakultäten, die wir vertreten, zu einer unterschiedlichen Sensibilisierung gegenüber dem Phänomen Sprache führen. Die einen sind voll des bitteren Spotts über die Ungereimtheiten der Reform. Sie mokieren sich über Pseudoetymologien wie Quäntchen, Tollpatsch oder belämmert, das Hobby eines einzelnen Reformers [10], der diesen Unfug einer Sprachgemeinschaft von neunzig Millionen Menschen aufgedrückt hat, und sie fragen sich bei der Schreibung „Gämse“ (zu „Gams“), warum es die Henne nicht erwischt hat, die ja vom Hahn abgeleitet ist. Für andere sind Regeln Regeln, und sie begnügen sich damit, sie halt anzuwenden.

Dennoch taucht die Frage auf, wie sich die Lehrerschaft langfristig auf die neue Rechtschreibung einstellen soll. Von Bedeutung sind dabei die prinzipiellen Regelungen wie die Groß- und Kleinschreibung und die Getrennt- und Zusammenschreibung. Es ist deutlich geworden, daß es hier Ermessensspielräume gibt. Es ist unmöglich, derartiges über Einzelwortregelungen zu dekretieren. Im prinzipiellen Bereich gibt es immer unvorhergesehene Fälle, wo sinngemäß und nach Sprachgefühl entschieden werden muß. Die Zeiten der Verunsicherung werden vergehen. In der deutschen Sprachgemeinschaft mit ihren Millionen von kompetenten Schreibern wird sich das Bedürfnis verstärken, wieder zusammenzuschreiben, wenn man das Gefühl hat, man schreibe ein Wort, und klein zu schreiben, wenn man das Gefühl hat, man schreibe ein Wort, das kein Substantiv ist. Es ist kein Verstoß gegen die Weisungsbindung der Beamten, hier den Ermessensspielraum weit auszulegen. Als Gymnasiallehrer sind wir gehalten, unseren Lernstoff – und Rechtschreibung ist ein solcher – glaubwürdig zu begründen, und als Beamte sind wir verpflichtet, Schaden von der Gemeinschaft fernzuhalten. [11] Gemeinschaft bedeutet auch Sprachgemeinschaft.

GYMNASIUM in Niedersachsen, Die Zeitschrift des Philologenverbandes Niedersachsen (PHVN), Nr. 1, 2004, S. 13-15 - Bildung & Politik
www.phvn.de/Website/images/Bilder_Informationen/GiN_H_1_04_Screen.pdf
_________________________________________________________________

Herausgeber und Verleger:
Philologenverband Niedersachsen
Sophienstr. 6
30159 Hannover
Tel. 0511/36475-0
Redaktion:
Manfred Franke
Dammühle 19
30890 Barsinghausen;
Roland Neßler
frankelangreder@t-online.de
____________________________

Anmerkungen:

[1] Wolfgang Steinbrecht war Mitbegründer und jahrelanger 1. Vorsitzender des Fachverbandes der Russischlehrer. Bis 1978 förderte er als Landesfachberater die Entwicklung des Russischen in Niedersachsen entscheidend. Als Russischlehrer an der Goetheschule Hannover und Fachleiter für Russisch am Studienseminar Hannover II ging er 1992 in den Ruhestand. Er ist Autor des Lehrwerks „Russisch heute“, Mitherausgeber einer Oberstufen-Lektürereihe und Verfasser zahlreicher Schriften zur Methodik des Russischunterrichts, darunter des auch heute noch höchst aktuellen Bands „Kleines 1 x 1 des Russischunterrichts“.
(Wolfgang Steinbrecht: Kurzer Abriss der Geschichte des Russischunterrichts und des Russischlehrerverbands in Niedersachsen - http://www.russischlehrer-nds.de/index.php/item/238 -)

Steinbrecht verwendet abweichend von der Redaktion die traditionelle Orthographie. Es ist bezeichnend, daß erst ein pensionierter Kollege die Wahrheit sagt.

[2] Testdiktat von 1996/97: www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3180#3180
[3] Der Bundeselternrat - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=250
[4] Lesefreundlichkeit - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1749#1749
[5] Ich meine, hier täuscht sich Wolfgang Steinbrecht. In „hierzulande“ ist ein verblaßtes Substantiv enthalten. Eine Variante „hier zu Lande“ habe ich im Duden von 1991 nicht gesehen.
[6] Wenn schon Gymnasiallehrer, Professoren, Bildungsjournalisten und Angehörige der Kultusbürokratie so dumm schreiben, dann werden Schüler noch mehr Unsinn produzieren.
[7] Siehe hierzu die Ranschburgsche Hemmung - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=656
[8] Demoskopische Untersuchungen - www.vrs-ev.de/demoskop.php und
Umfragen zur Rechtschreibreform - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=371 -. Die Grauzone zeigt, daß die Bevölkerung keine Ahnung hat, auch das Bildungsbürgertum nicht.
[9] Bis jetzt ist es so, daß die Lehrer zwei konkurrierende Regelsysteme aktiv halten müssen, weil sie dies bei der Korrektur berücksichtigen müssen. Da aber das Bundesverfassungsgericht urteilte, daß außerhalb der Schule jedermann so weiterschreiben könne wie bisher, besteht dieses Problem auch über den 1. August 2005 hinaus.
[10] Dieser einzelne Reformer ist Gerhard Augst: www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=458 -.
[11] Mir scheint, daß hier zensiert worden ist. Lehrer dürfen keinen Unsinn unterrichten, den sie als solchen erkannt haben. Sie dürfen sich nicht anpassen, indem sie ihren Beamteneid an der Garderobe abgeben. Beamte sind ihrem Beamteneid verpflichtet. Also wäre ein Dauerprotest der Lehrer angesagt. Es genügt nicht, die Faust in der Hosentasche zu ballen. Es geht um die wissenschaftliche Wahrheit und darum, daß man nicht skrupellos - entgegen dem Beamteneid - den Schülern grammatischen Unsinn usw. verzapfen darf. Siehe hierzu BÜRGER-OSCAR 1998 für Zivilcourage für Gisa Berger, eine Gesamtschulrektorin - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=603#603 -.

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Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Dienstag, 02. Aug. 2005 06:52, insgesamt 3mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Freitag, 11. Feb. 2005 00:04    Titel: „Lehrer haben Verantwortung für das Kulturgut Sprache“ Antworten mit Zitat

„Lehrer haben Verantwortung für das Kulturgut Sprache“,
weil Kultusbürokraten die Sprache vergewaltigen
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Rechtschreibung – was nun?

Wolfgang Steinbrecht

„Mitten im Winter rüttelt ein Herbststurm an der Hand voll roter Klinkerhäuser.“
Deutsch für deutsche Leser in der „Zeit“

In einer vom Kultusministerium herausgegebenen Denkschrift „Orientierungsrahmen Schulqualität in Niedersachsen“ kann man folgenden Satz lesen: „Die Lehrkräfte wenden im Unterricht verschiedene, situations- und Aufgaben angemessene Unterrichtsformen an.“ Die Verfasser haben hier in Anpassung an die reformierte Rechtschreibung eine Wortverbindung – „situationsangemessen“ – getrennt und ein unverbundenes Element – „Aufgaben“ – zwischengestellt. Auf eine solche aberwitzige Idee kann man nur kommen, wenn ein Rest des Gefühls verblieben ist, daß situations- und „Aufgaben“ eigentlich gleichartige Glieder sind. Und in der Tat, sie sind es. Das n in „Aufgaben“ ist kein Pluralmorphem, die einzig denkbare Begründung für Selbständigkeit. Es ist ein überleitender Konsonant analog zu dem n in „Nasenloch“, das bekanntermaßen nur zu einer Nase gehört, und analog auch zu dem s in „situations-“. Alle Logik spricht deshalb dafür, in dem zitierten Satz die Rechtschreibung „aufgabenangemessene“ zu benutzen. An sprachlicher Eleganz wäre dadurch allerdings nichts gewonnen. Das scheußliche Bürokratendeutsch, das falsch gesetzte Komma inklusive, träte nur noch deutlicher hervor.

Es sind Fälle wie diese, die den Leser reformiert verfaßter Texte ständig kränken. Die Kränkung nimmt noch zu, wenn man auf das Impressum schaut. Hier schreibt nicht irgendwer. Die Verfasser sind hochrangige Vertreter des Kultusministeriums, des NLI und einiger Bezirksregierungen. Es ist deprimierend zu sehen, wie bedenkenlos Angehörige der Bildungsschicht der deutschen Sprache Gewalt antun, nur weil sie meinen, sie seien das der reformierten Rechtschreibung schuldig.

Die Rechtschreibreform ist wie nie zuvor ins Gerede gekommen, seit die wichtigsten deutschen Zeitungsverlage zur traditionellen Rechtschreibung zurückgekehrt sind [1] und so mit dem Buchmarkt gleichgezogen haben, der außer in Jugend- und Schulbüchern die Reform weitgehend ignoriert hatte. Der Paukenschlag von Ministerpräsident [Christian] Wulff [2] wirkte zusätzlich resonanzverstärkend. Die amtlichen Entscheidungsträger sind von dieser gesellschaftlichen Unruhe merkwürdig unberührt. Hier spielen Machtverhältnisse, Gesichtswahrung und andere Faktoren eine Rolle, die mit Rechtschreibung im engeren Sinn nichts zu tun haben. Aber wenn man in diverse gesellschaftliche Gruppen hineinlauscht, kann man feststellen, daß die Gegensätze sich verschärft haben. Die Unzufriedenheit mit der Reform artikuliert sich stärker als zuvor.

Die Meinung in der Lehrerschaft ist geteilt. Verläßliche Umfragen zum Meinungsbild gibt es nicht, so daß man auf subjektive Eindrücke angewiesen ist. Mit Sicherheit kann man sagen, daß Rechtschreibung ein Unruhepotential darstellt und daß die reformierte Schreibung nicht der problemlose Selbstläufer ist, wie es die Kultusminister gern hätten. Es gibt Befürworter und Gegner der neuen Schreibung, und es gibt wohl vor allen Dingen auch Zweifler, die sich ein größeres Maß an Verläßlichkeit und Durchschaubarkeit wünschen.

Die Verbandsspitzen bieten ein Bild der Polarisierung. Der Deutsche Lehrerverband hat sich dezidiert gegen die Reform ausgesprochen, der Deutsche Philologenverband dafür. Die Landesverbände des Philologenverbands haben sich in der Mehrzahl nicht expressis verbis dazu geäußert. Die Länder der Südschiene plus Nordrhein-Westfalen haben den Deutschen Philologenverband unterstützt, während Niedersachsen zu den Reformgegnern gehört und mit Ministerpräsident Wulff konform geht. Kultusminister Busemann ist in die Linie seiner Regierung eingebunden. In einer Presseerklärung ließ er verlauten: „Sprache und Rechtschreibung sind etwas Fließendes, das man dem Volk nicht mit einem Beschluß verordnen kann.“ Das ist wohltuend richtig. Aber wie wir sehen werden, hat eine solche Erkenntnis für die Mühlen der Kultusministerkonferenz keine Bedeutung.

Die Meinungen der Spitzen der Lehrerverbände sind durch Presseerklärungen in die Öffentlichkeit getragen worden. Was Lehrerverbände zu einer so strittigen Frage sagen, spielt seismographisch durchaus eine Rolle. Den Verbandsmitgliedern kann es deshalb nicht egal sein, wie sich die Spitzen äußern. Sie wollen ihre Meinung vertreten sehen. Wenn kontroverse Meinungen aufeinanderprallen, muß die Kontroverse ausgetragen werden – in der gleichen öffentlichen Form, wie die Diskussion ohnehin öffentlich geworden ist.

Eindruck der Absprache

Die Presseerklärungen des Deutschen Philologenverbands und der Landesverbände, die an der Reform festhalten wollen, enthalten eine so ähnliche Argumentationskette, daß sich der Eindruck der Absprache aufdrängt. Als erstes wird die Kostenfrage aufgeworfen. Eine Rücknahme der Reform käme zu teuer, wir könnten sie uns finanziell nicht leisten. Dieses Argument wird verständlicherweise vehement von den Jugend- und Schulbuchverlagen unterstützt, die ihre unternehmerischen Interessen einbringen. Unternehmerische Interessen einer einzelnen Branche sind jedoch kein guter Ratgeber für gesellschaftlich relevante Entscheidungen. Falsche gesamtgesellschaftliche Entscheidungen pflegen in sich kostenträchtig zu sein, wobei Kosten durch verdeckte Kollateralschäden entstehen können und der Öffentlichkeit nicht bewußt werden. [3] Ein Fallbeispiel in unserem Kontext wäre Deutsch als Fremdsprache. Die Stimmen ausländischer Germanisten zur Rechtschreibreform werden bei uns so gut wie nicht wahrgenommen. [4] Auch Juristen melden sich immer wieder zu Wort und stellen beharrlich die Frage nach der Kompatibilität der reformierten Rechtschreibung mit Gesetzestexten. [5] Teuer könnte auf die Dauer nicht die Rücknahme der Reform sein, sondern deren Beibehaltung.

Als nächstes Argument wird das Wohl der Kinder beschworen. Man dürfe den Konflikt nicht auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler austragen, eine erneute Umstellung der Regeln sei nicht zu vermitteln. Die Rücknahme der Reform wird als Horrorszenario entfaltet: Einer ganzen Schülergeneration würde dadurch ein systematisch aufbauender Rechtschreibunterricht vorenthalten, ältere Schüler müßten sogar zum zweiten Mal umlernen. Auch zur Basisdemokratie wird aufgerufen: „Statt die Menschen zu fragen, die gar nicht umlernen müssen, also die große Bevölkerungsmehrheit, sollte man lieber eine repräsentative Befragung der Schülerinnen und Schüler durchführen.“

Dem Zeitzeugen kommen Erinnerungen. Wie war das doch bei der Einführung der Rechtschreibreform? Wurde uns da nicht mit beredter Zunge erklärt, die Reform betreffe nur einen minimalen Prozentsatz der Schreibung, das Umlernen sei gar nicht so schlimm? Soll das auf einmal nicht mehr gelten, wo eine Rücknahme der Reform ins Gespräch gekommen ist? Aber ob mehr oder weniger umgelernt werden müßte: Wer so argumentiert, unterschätzt unsere Schülerinnen und Schüler. [6] Natürlich würden sie eine erneute Umstellung wegstecken, so wie sie andere Reformen weggesteckt haben, an denen wahrlich kein Mangel war. Man müßte ihnen allerdings bei der Gelegenheit sagen, wer für die Reform verantwortlich war. Das hätte mancher nicht so gern.

Der dritte wiederkehrende Gedanke in der Argumentation gegen eine Rücknahme der Reform ist das Plädoyer für eine Versachlichung der Diskussion und „gegen eine weitere Emotionalisierung der Auseinandersetzung“. Wohlan denn, Sachlichkeit haben wir zu bieten. Der Philologenverband Nordrhein-Westfalen beginnt eine Presseerklärung vom letzten August, nachzulesen in „Profil“ 9/2004, folgendermaßen: „Es dürfte bei einer Rücknahme der Rechtschreibreform ausgesprochen schwierig sein, zwölf Millionen Kindern und Jugendlichen in Deutschland zum Beispiel plausibel zu machen, daß es ab sofort sinnvoller ist, „Fluß“ mit „ß“, „Klasse“ aber mit „ss“ zu schreiben, stehen doch beide stimmlosen s-Laute nach einem kurzen Vokal. Nach der alten Regel mußte man prüfen, ob dem stimmlosen s-Laut ein weiterer Laut folgt, dann, ob es sich dabei um einen Vokal oder einen Konsonanten handelt (ihr wißt – sie wissen). Den tieferen Sinn der Rückkehr zu der unnötig komplizierten alten Regel werden unsere Schülerinnen und Schüler kaum verstehen.“

Zur Versachlichung hätte es beigetragen, wenn man die traditionelle ss/ß-Schreibung so einfach dargestellt hätte, wie sie wirklich war: Nach kurzen Vokalen wird ss am Silbenende zu ß. Was ein Silbenende ist, war niemals ein Problem. Man brauchte sich ein Wort nur vorzusprechen. Der Unterschied etwa zwischen „Messerspitze“ und „Meßergebnis“ ist für den deutschen Muttersprachler hörbar, und in dem Wort „Bewußtsein“ – ein Beispiel für Konsonant nach ß – ist das Silbenende nicht minder eindeutig. Man muß den Reformern zugute halten, daß sie für ihre ss/ß-Regelung nicht von einer solchen Wahnsinnsregel ausgingen wie der oben zitierten. Ihr Anliegen war vielmehr das Stammprinzip: Im gleichen Wort wird, auch bei grammatischen Abwandlungen, immer einheitlich ss oder ß geschrieben (Fluss – Flüsse; Fuß – Füße).

Aber auch das geht nicht lückenlos auf. Man kann vereinheitlichen: ihr wisst – sie wissen. Der Störfaktor „ich weiß“ ist damit nicht vom Tisch. ß nach kurzen Vokalen am Silbenende ist dagegen eine Regel ohne Ausnahme, die unabhängig von historischen Unregelmäßigkeiten anwendbar ist. [7]

Angebot von Nachbesserungen

Das vierte wiederkehrende Argument der Befürworter der Reform ist das Angebot eines Kompromisses. Daß die Rechtschreibreform in ihrer ursprünglichen Form langfristig nicht zu halten ist, dürfte inzwischen jedem denkenden Menschen klar sein. Zur Gesichtswahrung wird deshalb versucht, bestimmte Teile gezielt zu opfern, um auf der anderen Seite so viele Bestandteile zu retten, daß der Anschein einer Rücknahme vermieden werden kann. Zur Strategie gehört es, das Opfer nicht als solches zu bezeichnen, sondern von „Nachbesserungen“ zu reden. Das klingt dann so, als ob nirgends eine eigentliche Rücknahme anstünde, sondern nur ein paar Ungereimtheiten auszuräumen seien.

Das, was von der Reform unbedingt erhalten werden soll, wird andererseits als „bewährt“ oder als „unumstritten“ bezeichnet, um es von vornherein aus der Diskussion herauszuhalten. An erster Stelle steht dabei immer die ss/ß-Regelung, wegen der hohen Häufigkeit des Vorkommens das Flaggschiff der Reform. Diese Regelung soll hier noch einmal unter dem Aspekt unter die Lupe genommen werden, was es denn mit der Bewährung auf sich hat.

Zunächst ist festzuhalten, daß Bewährung nicht gleichbedeutend damit ist, daß eine bestimmte Berufsgruppe, zum Beispiel Lehrer, die reformierte ss/ß-Regelung anwendet oder daß selbsternannte Autoritäten ihr das Gütesiegel verliehen haben. Bewährung würde vielmehr bedeuten, daß die Sprachgemeinschaft sich flächendeckend auf diese Regelung umgestellt hat – in der Gesamtheit ihrer Druckerzeugnisse und in jeden privaten Alltag hineinreichend. Davon sind wir zur Zeit weit entfernt.

Mit Bewährung kann aber auch gemeint sein, daß die neue ss/ß-Regelung sich trotz zögerlicher Akzeptanz als sachlich überlegen erwiesen hat. Auch hiervon kann nicht die Rede sein. Sie hat bei den Schreibern erkennbar zur Verunsicherung geführt – im Zweifelsfall entscheiden sie sich für ss – und die ehemals eindeutige Differenzierung zwischen ss und ß aufgeweicht. Die Verunsicherung rührt daher, daß gegenüber der traditionellen Rechtschreibung, die mit zwei graphischen Zeichen – s und ß – für s als Silbenschlußlaut auskommt, nun zwischen drei Zeichen – s, ss und ß – differenziert werden muß. Das vergrößert die Fehleranfälligkeit allein schon nach der statistischen Wahrscheinlichkeit. Vor allen Dingen aber muß nachhaltig in Erinnerung gerufen werden, daß Rechtschreibung dem Leser zu dienen hat. Für den Lesefluß spielt neben der formalen Eindeutigkeit das Wortbild eine Rolle. Es ist durchaus nicht ohne Bedeutung, ob man durch ß ein Signal für Silbenschluß erhält oder nicht – etwa in «Mißerfolg» versus „Misserfolg“. Noch deutlicher wird das in Fällen wie „Mißstand“ / „Schlußstrich“ versus „Missstand“ / „Schlussstrich“, wo drei Konsonanten aufeinanderstoßen. Die Reformer haben die Dreifachkonsonanz auch in anderen Verbindungen in die Rechtschreibung zurückgeholt – „Betttuch“, „Schifffahrt“. Logik ging ihnen über Lesbarkeit. Was das Auge zu sortieren hat, war ihnen einerlei. So konnten sie beispielsweise auch keinen Sinn dafür haben, daß in der Konjunktion „daß“ durch die Umstellung auf „dass“ die Oberlänge als unterscheidendes Merkmal verschwunden ist und dieses kleine, aber feine Signal nicht mehr wirksam werden kann. Die Behauptung, die neue ss/ß-Regelung habe sich bewährt, ist das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt ist. [8]

Nun zu der Frage der Nachbesserung. Als einziger Brocken wird in allen einschlägigen Presseerklärungen die Getrennt- und Zusammenschreibung zum Fraß hingeworfen. Hier ist allerdings mit „Nachbessern“ nichts zu retten. Dieses Stück der Reform ist derart mißlungen, daß außer der totalen Rücknahme keine Reparatur denkbar ist. Das liegt vor allen Dingen daran, daß die Reformer versucht hatten, die Getrennt- und Zusammenschreibung über geschlossene Listen zu reglementieren. Die Benutzer der reformierten Rechtschreibung standen deshalb unter dem ständigen Zwang, Wortverbindungen zu trennen, die durch die geschlossenen Listen nicht erfaßt waren. Es gibt inzwischen eine umfangreiche Literatur darüber, wie dilettantisch diese Listen konzipiert waren. Aber dilettantisch oder nicht, der Grundsatzirrtum der Reformer waren die geschlossenen Listen als solche. In der traditionellen Rechtschreibung beruht die Möglichkeit der Zusammenschreibung auf einem flexiblen Prinzip. Neue Wortverbindungen, die in einer lebendigen Sprache ständig entstehen, können nach diesem Prinzip geschrieben werden, ohne daß man gegen den Geist der Rechtschreibung verstößt.

Seit 1995 ist in diesem Bereich zu beobachten, daß nach einem anfänglichen Chaos die Mehrzahl der Schreiber Stück für Stück zu den traditionellen Prinzipien zurückgekehrt ist. Selbst in den Verlautbarungen des Deutschen Philologenverbands findet man inzwischen Wortformen wie „weitgehend“ und „schwerwiegend“. Nur in Papieren, wo der amtliche Charakter besonders betont wird, wird die reformierte Getrennt- und Zusammenschreibung noch penibel beachtet. Ansonsten schreitet die Erosion fort.

Verschwiegene Bereiche

Es verwundert, daß in den einschlägigen Verlautbarungen zur Rettung der Reform beharrlich verschwiegen wird, daß es noch weitere gravierende Problembereiche gibt. Die reformierten Regelungen der Groß- und Kleinschreibung, der Zeichensetzung und der Silbentrennung sind nicht minder problematisch als die Getrennt- und Zusammenschreibung. Dazu kommen diverse dubiose Einzelwortregelungen, wozu die berüchtigten Etymogeleien vom Typ „Quäntchen“, „Tollpatsch“ und „belämmert“ gehören. Würde man allerdings auch hier Nachbesserungen anbieten, wäre das als Signal zu verstehen, daß die Reform als Ganzes zur Disposition stehe. Insofern ist das Verschweigen nachvollziehbar.

Die reformierte Groß- und Kleinschreibung ist ein ähnlich folgenschwerer Bereich wie die Getrennt- und Zusammenschreibung. Erosion und Überanpassung gehen hier bunt durcheinander. In Presseorganen findet man Schreibungen wie „Es ist am Schlimmsten / am Besten …“, „Sie wird erst langsam zu Lachen aufhören“, „Sie machen von sich Reden“, „Wie Recht sie haben“, „Er blieb Zeit seines Lebens …“. Bei der Zeichensetzung ist dagegen die Erosion total. Die reformierte Interpunktion hat sich so unaufhaltsam wie unauffällig verabschiedet. Viele Presseorgane hatten sich ihr von vornherein verweigert. Die Verweigerung erstreckt sich inzwischen über die Breite der Druckerzeugnisse. Selbst „Profil“ ist davon nicht mehr ausgenommen, obwohl der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes noch im Herbst 2003 die Vorteile der reformierten Interpunktion gepriesen hatte.

Erosion findet nicht nur in der Schreibpraxis statt. Sie ist auch innerhalb des Systems, in den Nachschlagewerken, zu beobachten. Seit der Einführung der Reform wurde hier ständig nachgebessert. Diese Nachbesserungen erfolgten in der Regel nicht durch Rücknahme von Ungereimtheiten, sondern durch Freigabe der traditionellen Schreibung als Variante, so daß niemals der Eindruck entstehen konnte, die Reform werde konzeptionell angetastet. Kleine Stolpersteine sorgen dafür, daß der Schreibende nicht etwa zu selbständig entscheidet. So darf neben „Leid tun“ wieder „leidtun“ geschrieben werden, aber nicht die traditionelle Form „leid tun“. Warum, wird nicht erklärt. Es ist so, basta. Durch diese Veränderungen sind die Duden-Regelungen von 1996 nicht mehr die gleichen wie die von 2004. Es ist nicht vorstellbar, daß dieser Prozeß durch die willkürlich gesetzte Zäsur von 2005 zum Stillstand kommt.

Es fragt sich, wie es nun weitergeht. Wir haben erlebt, wie sich die Ministerpräsidenten des Themas Rechtschreibung bemächtigten. Ministerpräsident Wulff bewies dabei als einziger Mannesmut. Er mußte erfahren, wie eng der politische Spielraum ist. Es war nicht zu erwarten, daß sich die Runde der Ministerpräsidenten anders verhalten würde als die Kultusminister. Es sind ja die gleichen politischen Kräfte, die da aufeinandertreffen. Die Rücknahme der Reform stand nie ernsthaft zur Debatte. Einen kurzen historischen Moment schien ein Kompromiß in der Luft zu liegen, mit aller Problematik, die in dem Begriff enthalten ist. Ministerpräsident Stoiber gebrauchte das Wort. Danach wanderte das Thema zurück zu den Kultusministern, und die beschlossen, die Übergangszeit wie geplant am 31. Juli 2005 zu beenden und die neue Rechtschreibung verbindlich zu machen. Als „Angebot an die Reformgegner“ wird ein „Rat für deutsche Rechtschreibung“ gegründet, der alles Weitere richten soll.

Der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ wird nichts daran ändern können, daß die Rechtschreibreform seit ihrer Einführung eine Geschichte von Pannen und Pleiten war, vor der Toll Collect verblaßt. Es gab zu keinem Zeitpunkt eine funktionierende Stabilität. Bis in die jüngste Vergangenheit stolpert der Leser über Schreibungen, die ihn am eigenen Verstand zweifeln lassen: „Als Solistin gab sie schon viele Beifall umrauschte Konzerte“, „Europa wird von Sessel furzenden Beamten blockiert“, „In der EU ist die demokratische Gesetzgebung Not leidend“, „Wer es nicht ganz nach oben schafft, ist nicht immer selbst Schuld daran“, „Zwischendrin steht er Denkmal artig vor der Kulisse der erleuchteten Reichstagskuppel“ – alles authentische Zitate aus deutschen Zeitungen. Das meiste dieses Typs entsteht durch Hyperkorrektheit. Es mag vielleicht nicht immer von den Reformern so gewollt sein. Aber es reicht, daß professionelle Journalisten meinen, es sei so gewollt. Die Unsinnigkeiten gehen in jedem Fall auf das Konto der Reform.

Die Wurzeln der Rechtschreibreform reichen zurück in jene Zeit, als der Reformeifer nicht Renten- oder Gesundheitssystemen galt, sondern gleich die ganze Gesellschaft ins Visier nahm. Sprache galt als Herrschaftsinstrument, dessen Macht auf dem Weg in die egalitäre Gesellschaft zu brechen war. Folgerichtig setzten die Reformer bei der Rechtschreibung an und versuchten, die Hürden auf dem Weg zur höheren Bildung zu senken. Bei den Kultusministern klang das in verwässerter Form noch durch: Die Reform habe für die Schüler Erleichterungen gebracht, die Fehlerzahl sei minimiert. Heute ist es fast peinlich, daran noch zu erinnern. Dieses zentrale Herzstück der Reform ist derart mißlungen, daß es aus der Diskussion ganz herausgenommen ist.

Alle Zeichen der Zeit deuten darauf hin, daß in Sachen Rechtschreibung nichts so bleiben wird, wie es einmal war und wie es derzeit ist. Die Deutschen werden in den kommenden Jahren weiterhin mit zwei Systemen umgehen, die miteinander konkurrieren und die sich wechselseitig beeinflussen werden. Durchsetzen wird sich das System, das die größere Folgerichtigkeit und die größere Ausstrahlung hat. Bis das geschehen sein wird, wird noch ein Stück Weg vor uns liegen. Diejenigen, die von Amts und Berufs wegen gehalten sind, die reformierte Rechtschreibung zu benutzen, stehen nun nicht mehr unter dem moralischen Druck der totalen Anpassung, in der viel Überanpassung enthalten war. Unbefangenheit ist angesagt. Speziell die Lehrer haben eine Verantwortung für das Kulturgut Sprache. Die Freiräume, die durch die Erosion der Reform entstanden sind, sind dehnbar geworden. Wir sollten sie zum Wohl unserer Schüler nutzen. Jeder von uns ist mitbeteiligt an der Entwicklung. In weiteren zehn Jahren wird man erneut Bilanz ziehen.

VERGLEICHSARBEITEN

Auszüge aus Schüleraufsätzen aus den Jahren 1937 und 2004, Gymnasium Jahrgang 5. Rechtschreibung und Zeichensetzung sind originalgetreu übernommen.

1937
Das Altmetall wird gesammelt, und kommt in die Fabriken. Altmetall ist: Blei und Kupfer und Zink usw. Auch Knochen ist Altmaterial. Das Altmetall kommt in einen Schmelzofen, und dann schmilzt das Blei, wenn eine kleine Temperatur ist, ungefähr 100 und 150°, dann das Zinn und das Zink und Kupfer usw. Unten kommt es dann beim Schmelzofen heraus. Dann wird es noch einmal geschmolzen und flüssig in Formen gegossen. Jetzt kommt es als Blöcke wieder heraus. Das Metall kam also unsortiert in den Ofen und kommt neu und sortiert wieder aus dem Ofen heraus...

2004
... Wir gingen weiter und hörten immer wieder ein leises knuren und kuitschen. Svenja meinte sie hörte sogar Geister aber es könnte ja stimmen, aber das glaube ich nich. Später als wir uns hingelegt und die Kerze ausgemacht hatten, hörte ich wider soein kuitschen und knoren. Aber was war das da kamm eine Weisegestalt und mir lifes eiskalt den Rüken runter. Sie fragte uns mit einer pipsigen stimme: „Wer seit ihr und was macht ihr in meinem Haus?“ „Wir wusten gar nicht das das Haus jemanden gehört“! stoterte ich. „Dann macht das ihr wegkommt sonst mein Vater und das kann großen Erger geben“ flüstert die Weisegestalt. Da verschwand er wider ...

GYMNASIUM in Niedersachsen, Die Zeitschrift des Philologenverbandes Niedersachsen (PHVN), Nr. 4, 2004, S. 5-8, - Bildung & Politik
http://www.phvn.de/Website/images/Bilder_Informationen/GiN_H._4_04_Screen.pdf
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Anmerkungen:

Auch hier verwendet Wolfgang Steinbrecht - abweichend von der Redaktion - ostentativ die traditionelle Orthographie.

[1] SPIEGEL-Verlag und Axel Springer AG kehren zur klassischen Rechtschreibung zurück - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1768#1768
[2] Christian Wulff - Rückkehr zur herkömmlichen Rechtschreibung - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=390
[3] Kosten und finanzielle Hintergründe der Rechtschreibreform - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=433
[4] Die „Rechtschreibreform“ schadet im Ausland - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=154
[5] Rechtsprofessoren fordern Rücknahme der Schreibreform - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=279
[6] Die Schüler als Opfer und „Humankapital“ - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=411
[7] Zur ss/ß-Regelung, dem Silikonbusen der Rechtschreibreform - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=404 und
Zum 40-Prozent-weniger-Fehler-Märchen - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=511
[8] Der DASD-Kompromiß bedeutet Sprachspaltung - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2027#2027

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Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Dienstag, 02. Aug. 2005 06:53, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 15. Feb. 2005 11:11    Titel: „Viele kleine Rechtschreibdiktatoren an den Schulen“ Antworten mit Zitat

„Viele kleine Rechtschreibdiktatoren an den Schulen“
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Die andere Meinung

Mehr Widerstand gegen die Rechtschreibreform
[Sorgen und Nöte der Lehrer durch die Rechtschreibreform]

Von MANFRED RIEBE

Stephanus Peil ist Grundschullehrer im Westerwald. Er hat sich sehr intensiv mit der neuen Rechtschreibung auseinandergesetzt. In seiner Schrift „Lehrer in Not. Rechtschreibreform treibt Pädagogen an den Rand der Verzweiflung“ beschreibt er sehr anschaulich seine Sorgen und Nöte. Er hat lediglich den alten und den neuen Duden verglichen und schon unübersehbare Mängel festgestellt, ein Vergleich der neun bis jetzt erschienenen Wörterbücher ergäbe ein noch viel verworreneres Bild. Denn die von den Reformern künstlich geschaffenen Schreibregeln sind nicht eindeutig, sondern widersprüchlich, so daß selbst die professionellen Wörterbuchmacher in neun Wörterbüchern [(z.B. Aldi, 2 x Bertelsmann, 2 x Duden, Eduscho, Wahrig usw., vgl. FAZ 15.03.97, S. 35)] zwangsläufig ein Rechtschreib-Chaos angerichtet haben. Auch sind viele Wörter einfach verschwunden.

Sprachwissenschaftler [(u.a. Glück, Ickler, Stetter, Veith)] haben festgestellt, daß die neuen Regeln überdies auch in die Grammatik, Semantik und Phonetik der Schriftsprache eingreifen, dadurch die Vielfalt und Ausdruckskraft unserer Sprache einschränken und die Lesefreundlichkeit vernachlässigen. Besonders hervorzuheben ist, daß auch das Ziel der Vereinfachung der Rechtschreibung nicht erreicht wurde, denn die Schüler machen keineswegs weniger, sondern eher etwas mehr Rechtschreibfehler, weil neue Fehlerquellen entstanden sind. Das Weniger-Fehler-Märchen der Kultusminister wurde widerlegt [(SZ 03.03.97, S. 9, SZ 06.03.97, S. 10, SZ 22.03.97, S. 11)]. Und wie sollen Lehrer und Schüler mit Regelungen fertig werden, die nicht einmal Fachleute bewältigen konnten? Außerdem wären wir gezwungen, den Schülern Falsches beizubringen.

Gemeinsam mit 42 Lehrern hat Peil eine Petition an Politiker, vom Bundeskanzler bis zum Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz, gesandt, die Rechtschreibreform zurückzunehmen. Peil ist nur ein Beispiel unter vielen. Doch ist Solidarität nötig, denn auf Grund des negativen Vorbildes der Kultusminister sind an den Schulen viele kleine Rechtschreibdiktatoren wie Pilze aus dem Boden geschossen: Schulleiter, Deutschlehrer und Deutsch-Fachbetreuer.

Sie wollen in vorauseilendem Gehorsam als willige Vollstrecker die Reform noch vor dem 1. August 1998 einführen, um sich zu profilieren. Ihnen ist es egal, daß nun zwei Rechtschreibungen nebeneinander existieren, die die Familie, die Eltern und ihre Kinder, das Lehrerkollegium und die Gesellschaft unnötigerweise in zwei Rechtschreiblager spalten. Als Diktatoren kümmert es sie auch nicht, daß die Eltern meist nicht informiert wurden, die Schülervertretung, die Personalvertretung oft nicht mitgewirkt haben und häufig die Lehrerkonferenz nicht entschieden hat.

Es gibt aber auch ganze Schulleiterriegen, die die Reform nicht vor dem 1. August 1998 vollziehen wollen und abwarten. Der aktive und passive Widerstand der Lehrer gegen die Rechtschreibreform wächst, wenn auch nicht immer offen. Verdeckter Widerstand besteht z.B. darin, daß Lehrer angesichts des Wörterbuch-Chaos in neun verschiedenen Wörterbüchern nicht mehr nachschlagen, d.h. nicht mehr ordentlich korrigieren. Bei Lehrern und Schülern gibt es neben ohnmächtiger Wut häufig auch Gleichgültigkeit und Resignation.

Aber immer mehr Lehrer lehnen die Reform auch offen ab, so in Berlin-Steglitz alle Deutschlehrer der Kopernikus-Oberschule mit einem Protestschreiben an die Schulsenatorin [(vgl. B.Z. 17.03.97, S. 4)] oder 28 mutige Lehrer aus Rothenburg o. d. Tauber, die die Reform nicht vollziehen: „Uns alle kann der Kultusminister deswegen wohl nicht in Pension schicken!“ [(Fränkische Landeszeitung 21.03.97).]

Diese Lehrer und Lehrergruppen werden von der überparteilichen bundesweiten Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform und für eine einheitliche, systematische Rechtschreibung“ zusammengefaßt. Nach einer vergeblichen Petition an die Kultusministerkonferenz am 27./28.02.1997 werden jetzt bundesweit Unterschriften für eine Petition an den Bundestag gesammelt, die vorzeitig eingeleitete Rechtschreibreform zurückzunehmen.

Wir wollen unsere bisherige einheitliche Rechtschreibung und unseren alten Duden wiederhaben! Die gegenüber der Reform wenigen und unwesentlichen Ungereimtheiten des alten Duden können dann nach und nach ausgeräumt werden.

DIE WELT vom 12. Mai 1997, S. 4
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Anmerkung:

Ich habe die geänderte ursprüngliche Überschrift und die weggelassenen Quellenangaben in eckige Klammern gesetzt.

Zu Stephanus Peil, siehe: www.vrs-ev.de/vorstand.php#peil
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Beitrag: Freitag, 04. März. 2005 21:34    Titel: Rechtschreibreform-„Verblödung“ Antworten mit Zitat

Rechtschreibreform-„Verblödung“

„Endlich mehren sich die Stimmen gegen die 1996 beschlossene Rechtschreibreform, die von Anfang an von sprachkompetenten Personen als „angeordnete Verblödung“ und „Murks“ bezeichnet wurde. Sicher, Sprache verändert sich im Laufe der Zeit. Aber ich bin dagegen, daß eine Minderheit aus purer Denkfualheit oder aus geistigem Unvermögen heraus einer Mehrheit ihre verqueren Schreib- und Wortschöpfungen, den Mißbrauch einer logischen Syntax und die Beliebigkeit der Beistrichsetzung zumutet.“
(Brigitte Comploj, Leserbrief in den „Dolomiten“, 24.8.2000) -

„Lehrer, die offen ihre Meinung gegen die Rechtschreibreform sagen, müssen nachweisbar mit disziplinarischen Maßnahmen, einer schlechten dienstlichen Beurteilung (und damit einem Karriereknick) und der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand rechnen.
(Manfred Riebe, Oberstudienrat, Vorsitzender des Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege, Nürnberg, Leserbrief in den „Dolomiten“, 24.8.2000)

http://www.etika.com/deutsch5/5d0.htm
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Beitrag: Sonntag, 21. Aug. 2005 14:53    Titel: Androhung eines Eintrages in die Personalakte Antworten mit Zitat

Androhung eines Eintrages in die Personalakte
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Briefe an die Herausgeber

Rechtschreibchaos und beunruhigte Eltern

Zum Leitartikel „Dem Sprachgebrauch folgen“ von Heike Schmoll (F.A.Z. vom 28. Juli): Rechtschreibung üben bedeutet auch immer, sich anerkannten Regeln zu unterwerfen. Wer dies früh akzeptiert, erhält gute Noten in Diktaten, was für den Schulerfolg in unserem Lande immer noch von großer Bedeutung ist. Über den Zusammenhang von Leistungen in der Rechtschreibung in allen schriftlichen Arbeiten und angestrebtem Schulabschluß hatte ich als Pädagogischer Leiter und zugleich Deutschlehrer einer Gesamtschule mit Oberstufe Eltern auf ausdrückliche Anfrage schriftlich informiert. Immerhin kann das Ergebnis einer schriftlichen Arbeit um fast eine Note schlechter ausfallen, wenn Verstöße gegen Rechtschreibung und Zeichensetzung in entsprechendem Umfang vorliegen.

Die Eltern waren zutiefst beunruhigt über den ungeregelten Zustand der Rechtschreibung, in dem ihre Kinder aber Regeln lernen sollten. Sie befürchteten, daß der Schulerfolg ihrer Kinder durch Unsicherheiten beim Erlernen vermeintlicher Regeln gefährdet sein könnte. Das Schulamt für den Rheingau-Taunus-Kreis und Wiesbaden witterte den Schaden, der durch Aufklärung der Eltern in dieser zentralen Frage eintreten könnte, und sanktionierte mein Informationsverhalten mit der Androhung eines Eintrages in die Personalakte, was erst durch das Verwaltungsgericht Wiesbaden verhindert wurde.

Es ist schon erschreckend, mit welcher Halsstarrigkeit Schmidtchen ausführen will, was Schmidt befiehlt - auch bei rücksichtsloser Mißachtung des Elternrechts auf Information.

Wilhelm Theis, [65232] Taunusstein

Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 177 vom 2. August 2005, S. 8
_____________________________________________________

Wilhelm Theis
Pädagogischer Leiter der Integrierten Gesamtschule (IGS) „Obere Aar“
IGS Obere Aar, Taunusstein
Pestalozzistr. 3
65232 Taunusstein

Telefon: (0 61 28) 92 53 -0
Telefax: (0 61 28) 92 53 -11

nfo@igs-obere-aar.de
www.igs-obere-aar-taunusstein.de
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