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Zur ss/ß-Regelung, dem Silikonbusen der Rechtschreibreform
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
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Beitrag: Freitag, 08. Okt. 2004 20:44    Titel: Leseerleichterung durch das „ß“ Antworten mit Zitat

Leseerleichterung durch das „ß“ sollte man nicht über Bord werfen

„Das sogenannte Schluß-ß tritt auf, wenn eigentlich ss nach Stammprinzip zu erwarten wäre. Statt muss wie in müssen steht muß, statt müsste steht müßte. Das ß übernimmt damit eine zusätzliche Information, die über den Lautbezug hinausgeht. Es sagt uns: Hier endet das Wort muß oder der Stamm müß-. Was ist damit gewonnen? Es ergänzt die Information von Wortzwischenräumen, Interpunktion und Großschreibung. Solche Grenzsignale sind ein wichtiges Merkmal leserorientierter Schriftsysteme. Meist wird der Wortbeginn markiert, die Kennzeichnung des Stamm- oder Wortendes erfolgt seltener. Das ß ist dazu das einzige Mittel. Eine besonders wichtige Funktion hat es in Zusammensetzungen wie Ausschußsitzung, Mißstand, Eßsaal oder Schlußsatz. Hier zeigt es die Kompositionsfuge an und erleichtert es, die Teile des zusammengesetzten Wortes zu erkennen. Diese Erleichterung des Lesens sollte man nicht ohne Not über Bord werfen.“
* Der Verfasser lehrte Germanische und Deutsche Sprachwissenschaft und Mundartkunde an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Auszug aus: Horst Haider Munske: Lob der Rechtschreibung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 231 vom 4. Oktober 2004, S. 8
_______________________________________________________________

Vgl. Der Rechtschreibreformer Horst Haider Munske - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=264

Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Dienstag, 02. Aug. 2005 07:50, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
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Beitrag: Freitag, 15. Okt. 2004 22:37    Titel: Generalverzicht auf das Eszett? Antworten mit Zitat

Generalverzicht auf das Eszett?
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Briefe an die Herausgeber

Geist aus der Flasche

Ohne die rasche Rücknahme der Reformschreibung, die sehr wohl durch einen entsprechenden Akt der Zeitungs- und Buchverlage erzwungen werden kann, ergeben sich zwei Gefahrenmomente: Die Front der Reformgegner ermüdet, und es greift das gereizte Wort des brandenburgischen Ministerpräsidenten Platzeck, es gebe in Deutschland wichtigere Aufgaben als den Streit um eine bereits beschlossene Reform. Es ist auch nicht hilfreich, wenn Günter Grass meint, der Generalverzicht auf das Schriftzeichen ß könne als Opfergabe hingenommen werden. Wenn erst begonnen wird, erst dieses und dann auch jenes als hinnehmbar zu bezeichnen, ist der Geist aus der Flasche. Dann treten die Möchtegern-Reformer auf die Bühne, welche die deutsche Sprache noch rigoroser deformieren wollen als die KMK je im Sinne hatte. Dem Wegfall des ß („weil die Deutsch-Schweizer auch damit leben können“) folgt die konsequente Kleinschreibung, dieser der Wegfall der Dehnungs-h und -ie, und schließlich wird darüber diskutiert, ob man den Vogel nicht auch mit F schreiben sollte, um den Pisa-Kindern die deutsche Sprache so lange zu erleichtern, bis die Kultusminister Amerikanisch als Verwaltungssprache einführen.

Kurt-Rolf Ronner, Berlin

Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 206 vom 4. September 2004, S. 11
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 19. Okt. 2004 21:32    Titel: Mehr Fehler durch neue ss-Regel Antworten mit Zitat

Mehr Fehler durch neue ss-Regel
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Briefe an die Herausgeber

Was nach wie vor erkannt werden muß

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, einen s-Laut am Ende oder Silbenende eines deutschen Wortes zu schreiben: s oder ß. Das neue Regelwerk macht die Sache komplizierter; denn nun gibt es drei Möglichkeiten: s, ss und ß. Die mathematische Wahrscheinlichkeit, hier Fehler zu machen, hat also um 50 Prozent zugenommen. Das wird in der Schulpraxis bestätigt. Schüler haben Probleme, die Länge oder Kürze eines Vokals zu erkennen. Deshalb nützt ihnen die neue ss-Regel nichts, und sie schreiben zum Beispiel Spass, Fussball oder sogar aussen und heiss. Solche Fehler werden nicht gemacht, wenn am Schluß oder Silbenende grundsätzlich kein ss stehen darf, gleichgültig, ob der vorausgehende Vokal kurz oder lang ist. Bewährte Merkhilfe: „ss am Schluß bringt Verdruß!“ Der häufigste Fehler bei Diktaten wurde bei „das“ und „daß“ gemacht. Daran hat sich auch durch die Umstellung auf „das“ und „dass“ nichts geändert. Nach wie vor muß erkannt werden, ob es sich um ein Geschlechtswort, ein Fürwort oder ein Bindewort handelt. Viele zusammengesetzte Wörter sind durch die ss-Schreibung wesentlich schwerer zu lesen als bei Verwendung des ß, zum Beispiel Messergebnis, Passersatz, Nussecke, hasserfüllt, Flusssand, Schlussserie, Schlosssaal, Flussschifffahrt. Da das ß eine optische Zäsur darstellt, ist das Wortbild schneller zu erfassen: Meßergebnis, Paßersatz, Nußecke, haßerfüllt, Flußsand, Schlußserie, Schloßsaal, Flußschiffahrt.

Hans-J. Richter, Immenreuth
Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 245 vom 20. Oktober 2004, S. 8
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Ulrich Brosinsky



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Beitrag: Donnerstag, 21. Okt. 2004 03:22    Titel: Nicht 50%, sondern 33%, aber auch die nicht Antworten mit Zitat

Herr Hans-J. Richter schrieb an die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

Zitat:
Es gibt nur zwei Möglichkeiten, einen s-Laut am Ende oder Silbenende eines deutschen Wortes zu schreiben: s oder ß. Das neue Regelwerk macht die Sache komplizierter; denn nun gibt es drei Möglichkeiten: s, ss und ß. Die mathematische Wahrscheinlichkeit, hier Fehler zu machen, hat also um 50 Prozent zugenommen. Das wird in der Schulpraxis bestätigt.

Aus: Schule / Zur ss/ß-Regelung, ... / Mehr Fehler durch neue ss-Regel, 19. Okt. 2004


Der Folgerung, 50% mehr Möglichkeiten bedeuteten auch 50% mehr Fehler, begegnet man immer wieder - bei näherer Betrachtung erweist sich diese Schlußweise aber als vorschnell.

Zunächst erhält man rein rechnerisch ein anderes Ergebnis. Geht man - wie hier wohl unterstellt - von der Annahme aus, die Schüler hätten im Zweifelsfalle gar keine Orientierungshilfe und auch keine Vorliebe, würden also quasi würfeln, ob sie nun s, ß oder ss schrieben, hätten sie vor der Reform unter zwei Möglichkeiten wählen können und damit zu 50% falsch gelegen. Die Reformschreibung bietet nun drei Möglichkeiten, die Schüler lägen somit (gerundet) nur noch zu 33% richtig und damit zu 67% falsch. Der Zunahme von 50% auf 67% entspricht eine Steigerung um 33%.

Aber auch dieser Rechnung fehlt die exakte Grundlage. Zu einer sauberen Argumentation gehört nämlich die Überprüfung, ob alle anderen Begleitumstände unverändert geblieben seien. Diese sind in Wirklichkeit aber weitgehend andere als vor der Reform. Weniger durchschaubare Regeln führen zu überproportional mehr Fehlern - es gibt keinen brauchbaren Ansatz, aufgrund von Unsicherheit oder gar Verwirrung entstehende Fehler quantitativ richtig zu prognostizieren.
Andererseits gibt es neue systematische Fehler, die von falschen Analogieschlüssen herrühren. Welche dies genau sind, hängt davon ab, welche "vereinfachten Regeln" unterrichtet werden und wie an den Stellen, wo die Fehler dann auftreten, die regelgemäße Häufigkeit von s, ß und ss ist.
Weiterhin wurden mit der neuen st-Trennung zusätzliche Schuß-s erzeugt und damit neue Problemstellen geschaffen.
Darüber hinaus erfaßt die obige Rechnung nur die Rechtschreibleistung eines rechtschreibschwachen Schülers - um die Gesamtzunahme an Fehlern bestimmen zu können, müßte man auch wissen, wie der Anteil an rechtschreibsicheren Schülern infolge der Reform abgenommen hat.

Die Untersuchungen von Prof. Marx belegen nicht nur die Fehlerzunahme, sondern auch die Schwierigkeit, diese quantitativ vorherzusagen, wie die folgenden Zitate zeigen:


Zitat:
Nach Untersuchungen hat die Rechtschreibreform bisher nicht zu besseren Deutschleistungen der Schüler beigetragen: Vor der Reform konnten Zweitklässler von fünf Worten mit ß eines richtig schreiben, nach der Umstellung auf ss nur mehr 0,35. Die Drittklässler beherrschten vorher schon über zwei Wörter, jetzt nur 1,65. Und in der vierten Klasse schrieben die Schüler vor der Refom 3,15 dieser fünf Wörter richtig, nachher gerade 1,62.

Aus: Aktionen / BAYERNKURIER, 19. Okt. 2004


Zitat:
Das Resultat, das der WELT exklusiv vorliegt, belegt: Bei den von der Reform betroffenen Wörtern kann Marx nichts von der versprochenen "Erleichterung" durch die neue Rechtschreibung feststellen. Wußten 1998 noch 53 Prozent der Viertkläßler, daß ein Wort wie "Schoß" mit "ß" zu schreiben ist, so waren es drei Jahre später noch 47, 2004 lediglich noch 35 Prozent. Vor der Rechtschreibreform hatten noch 89 Prozent der Altersgenossen die Vokabel richtig geschrieben. Doch nicht nur von der Rechtschreibreform unberührte Wörter mit "ß", auch solche mit "s" werden zur neuen Fehlerquelle.

Ein Wort wie "Last", das in alter Rechtschreibung noch 90 Prozent aller Viert-, Dritt- und sogar Zweitkläßler richtig zu schreiben wußten, bringen heute, sieben Jahre nach der Reform, nur noch 75 Prozent der Zweitkläßler, 81 Prozent der Drittkläßler und 61 Prozent der Viertkläßler korrekt zu Papier.

Den Schülertests mißt Marx deswegen große Bedeutung bei, weil dessen Ergebnisse als repräsentativ gewertet werden können. 1200 Schüler von der zweiten bis zur vierten Klasse haben mittlerweile das immergleiche Diktat geschrieben, einen "Lückentext", in den 44 Wörter eingefügt werden müssen. Diese Versuchsanordnung garantiert die höchste denkbare Objektivität.

Was aber ist es genau, das zur Vermehrung fehlerhafter Schreibungen bei Wörtern führt, an deren Schreibweise sich nichts geändert hat? Marx spricht von "Übergeneralisierung" und meint damit: Die neue Orientierung der s-Schreibung an der Aussprache sowie die Tendenz, den Gebrauch des "ß" einzuschränken, verleiten zu einer unzulässigen Verallgemeinerung dieser Neuerungen.

Aus : Aktionen / DIE WELT / Schüler schreiben nach Reform schlechter als vorher, 7. Okt. 2004


Sowenig die genannten Gründe eine Berechnung der Fehlerzahlen zulassen, so eindeutig weisen sie in dieselbe Richtung, nämlich auf eine Erhöhung der Fehlerquote - und das ausgerechnet beim Paradepferd der Reform, der neuen ss/ß-Schreibung. Kurz nach Bekanntwerden der Reformpläne lagen auch diese Einwände vor, insofern sind die Ergebnisse von Prof. Marx - qualitatativ gesehen - keine Überraschung. Quantitativ hat man z. B. das Ausmaß der "Übergeneralisierungen" unterschätzt.
Die Kultusbürokratie ignorierte diese Einwände - ebenso wie die Einwände gegen andere Bereiche der Reform - und begann ein Experiment an den Schulen, das man sich (im doppelten Sinne) hätte sparen können, da der Ausgang nicht nur vorhersehbar war, sondern auch rechtzeitig vorhergesagt worden ist.
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Manfred Riebe



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Beitrag: Freitag, 05. Nov. 2004 08:30    Titel: Ein Typograph über Lesegeschwindigkeiten Antworten mit Zitat

Amtsterroristische ß-Sabotage
Ein Typograph über Lesegeschwindigkeiten

_______________________________________________________

Der anständige Forist liest, BEVOR er schreibt.

soso ß Text mit fiktiven ß - Zeitschadenzeigern steht hier
seit 24.10.2004, 04:13 in Allg. Diskussionen
seit 24.10.2004, 11:13 im RS-Forum
seit 24.10.2004, 14:00 im RS-Forum

[...]
ß-Thema, zur Schlechtschreibreform

Amtsterroristische ß-Sabotage


Eine Sabotage-Volks-Schadens-Zeit-Berechnung, mal ganz kurz:

Typographen wissen von Lesezeiten unterschiedlicher Zeichensätze.

Logik-Geschulte, die z. B Mathe UND Germanistik richtig drauf haben, die außerdem von den Zeilengraphik-Belangen etwas verstehen, die kämpfen um den Erhalt jener Buchstaben, die Ober- oder Unterlängen haben, die also über w, e, r, s, z, u, m, n, nach oben oder nach unten rausragen,,, wegen der besseren Sicherheit zur schnelleren Lesbarkeit einer Zeilengraphik.

Allein für die Sünde, das ß vom daß auf „Gemeinenhöhe“ zu reduzieren (ja, Typographen nennen solche Buchstaben m n o e r s z x „Gemeine“) also statt „daß“ nunmehr „dass“ schreiben UND LESEN zu müssen, könnte man mal annehmen:

pro deutschsprachlichen Menschen, pro Tag 1 Sekunde Zeitraub.

Macht pro Jahr, pro Mensch 6 Minuten Zeitraub,
pro 10 Jahre pro Mensch 60 Minuten (=1 Std) Zeitraub,
pro 70 Jahre pro Mensch ca 40 Std Zeitraub,
pro Menschenleben also mindestens eine Woche Arbeitszeitraub,
pro Generation Deutschsprachiger also 90 000 000 Wochen Zeitraub,
(ja, die Schwyzer und Österreicher muß man auch mitrechnen,)

allein wegen des ß, für das sichere Erlesen vom „dass“
- und die Verwechselbarkeit von dass & dann, sodass & sodann -
- eine teuflische Ähnlichkeit,
- ein Lese-Risiko, was mithilfe des ß bei daß & sodaß entfällt,

das ergibt nur für den ß-Amtsterror einen enormen Zeit-Räuberei-Schaden,
denn 90 Mio Wochen ergeben ca 1,8 Mio Jahre,

pro Generation, immer wieder,,,
etwa alle 25 Jahre 1,8 Mio Mann-Jahre Zeit-Raub!!!

Das ist doch Sabotage am Volksvermögen!

Obige Rechenfehler sind tolerabel, weil sie weit unter dem Faktor 100 liegen, und in Wahrheit der KUMIKO-Schaden viel höher ist, als obiges, nur vorläufiges fiktives Ergebnisbeispiel.

Die Leute brauchen mehr Klärung über die Kunst der Typographen, und das Wissen der Typographen über Lesegeschwindigkeiten, und wie wichtig deren hochentwickeltes Zeiten-Wissen ist für Volks-Produktivität.

Schließlich ist Schreiben und Lesen nichts anderes als die Anwendung von Grafik, genauer gesagt von Zeilengrafik.

Davon haben gewöhnliche Schulmeister, Studienräte, KMK-Komiker und ähnlich unpraktisch veranlagte Akademiker KEINE AHNUNG! - isso! - Leider!

Auf die Idee, echte Fachleute mit heranzuziehen, kommen die NICHT!

Es gibt Schreibtisch-Terroristen, die halten sich für Alleskönner!

[...]

soso langsamtipper, Dichte bei Hannover, SHG - Grafschaft Schaumburg
letzte Änderung 1.11.04
http://forum.tagesschau.de/archive/index.php/t-5455.html
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Daniel Buncic



Registriert seit: 05.11.2004
Beiträge: 47

Beitrag: Freitag, 05. Nov. 2004 21:56    Titel: Rechenfehler Antworten mit Zitat

Auf die diversen Beiträge von soso, die hier aus dem tagesschau-Forum zitiert wurden, hatte ich dort bereits geantwortet, diese Gegenargumente wurden beim Zitieren aber nicht aufgenommen. Ich möchte sie daher hier wiederholen.

A. Zum angeblichen Zeitspar-Effekt
soso, zitiert von Manfred Riebe, hat folgendes geschrieben:
Allein für die Sünde, das ß vom daß auf „Gemeinenhöhe“ zu reduzieren (ja, Typographen nennen solche Buchstaben m n o e r s z x „Gemeine“) also statt „daß“ nunmehr „dass“ schreiben UND LESEN zu müssen, könnte man mal annehmen:

pro deutschsprachlichen Menschen, pro Tag 1 Sekunde Zeitraub.

Nach Ihrem Prinzip sollten wir auch eisig irgendwie anders schreiben, denn man kann es ja kaum von einig unterscheiden, nicht wahr? Vielleicht sollte man das lange s wieder einführen, aber dann wäre eisig kaum von eilig zu unterscheiden...

Sie haben aber Recht, dass dass in dieser Schreibung dann ähnlicher sieht als in der Schreibung daß. Umgekehrt sehen sich aber Fuß und Fluß ähnlicher als Fuß und Fluss. Ein weiteres schönes Beispiel:
<blockquote>bloß : blaß : blasses
bloß : blass : blasses</blockquote>Das alte blaß sieht bloß ähnlicher als seiner eigenen Form blasses, bei blass ist es umgekehrt.

Aus diesen beiden gegensätzlichen Effekten müsste man einen Netto-Effekt ausrechnen, durch welche Schreibung mehr graphische Oppositionen entstehen - viel Spaß dabei, ich vermute, dass das Ergebnis irgendwo bei einer positiven oder negativen Null läge.
Falls Sie wirklich vorhaben, das auszurechnen: Dazu brauchen Sie einen Computer, in den Sie eine Liste mit den Häufigkeiten aller in deutschen Texten vorkommenden Wortformen einspeisen müssen (bzw. zwei Listen - eine für die neue, eine für die alte Rechtschreibung). Außerdem brauchen Sie eine Tabelle, in der steht, welche Buchstabenkombinationen sich wie ähnlich sehen (rn und m sind wohl sehr leicht zu verwechseln, und e sieht a wahrscheinlich ähnlicher als u), und diese Ähnlichkeitswerte müssten irgendwie empirisch abgesichert werden. Und dann brauchen Sie noch einen Algorithmus, der aus der Wortliste für alle möglichen Wortpaare die Ähnlichkeitswerte für die Gesamtwörter mit den Häufigkeiten verrechnet, wobei man noch eine Lösung finden müsste, wie Buchstaben in verschiedenen Positionen miteinander verglichen werden können. Die Entwicklung dieses Programms könnte eine nette Diplomarbeit in Computerlinguistik werden, nur dass sie den Aufwand nicht lohnt.

Die rein optische Erkennung von Buchstabenreihen ist aber ein im Leseprozess vergleichsweise unbedeutendes Problem, damit gibt sich unser Gehirn gar keine große Mühe: Das Auge fixiert beim Lesen jeweils für Bruchteile von Sekunden zwei-drei Buchstaben und springt dann rund acht Buchstaben weiter. Diese Sprünge, die je nach Geübtheit des Lesers größer oder kleiner sind, nennt man "Sakkaden". Die Buchstaben, die bei diesen Sakkaden übersprungen werden, nimmt man kaum wahr, allenfalls "aus dem Augenwinkel". Deshalb sind Rechtschreibfehler bei kleinen Wörtern, z.B. des statt das, so schwer zu finden: Diese Wörter werden gar nicht fixiert, man "überliest" sie. Acuh die Vretasuchnug von Bcuhstaebn im Wrotinrenn ist kien gorßes Porlbem, man fxierit whol huatpscälhcih Wrotnafnag und -edne. (Nach kurzer Eingewöhnung lesen Versuchspersonen Sätze wie den vorhergehenden quasi ohne Geschwindigkeitsverlust!)

Viel wichtiger ist daher die Frage, welche Funktion der optische Unterschied zwischen ß und anderen Buchstaben hat. So unterscheidet sich nach alter Rechtschreibung blaß zwar kaum von bloß, obwohl dies ein ganz anderes Wort ist, dafür aber sehr deutlich von blasses, was doch nur eine andere Form desselben Wortes ist. Beim Lesen ist aber ein ganz wichtiger Schritt die Identifikation von Wörtern (Lexemen), um aus diesen die Bedeutung von Sätzen rekonstruieren zu können. Dabei ist das Prinzip der Morphemkonstanz nicht unerheblich, d.h. es ist von Vorteil, wenn zwei Formen eines Lexems sich möglichst ähnlich sehen. Die Schreibung Mann - Männer ist daher sicherlich vorteilhafter als Mann - *Menner (vgl. engl. man - men). In genau diesem Sinne ist blass - blasses besser als blaß - blasses.

Während das Gehirn versucht, ein gesehenes Schriftbild mit abgespeicherten Schriftbildern zu vergleichen und es so zu identifizieren, versucht es vermutlich gleichzeitig parallel dazu, das Schriftbild in ein Lautbild umzuwandeln und das dann mit abgespeicherten Lautbildern zu vergleichen. Bei seltener gelesenen Wörtern führt wohl dieser Weg schneller zum Ziel, daher ist neben der Morphemkonstanz auch eine möglichst direkte Beziehung zwischen Schrift- und Lautbild ("phonetisches Prinzip") von Vorteil. Auch hier bringt die neue ß-Schreibung eine Verbesserung, denn ß ist nun ein eindeutiges Zeichen für die Länge des vorausgehenden Konsonanten: Der Schoß hat nun auf einen Blick eindeutig langes o, da Schoß er wirklich nicht auf den Sheriff? mit kurzem o nun Schoss... zu schreiben ist.

In der Wissenschaft nennt man diesen Themenkomplex übrigens meist Leseforschung. Mit "Typographie" hat das nichts zu tun. Die Typographie beschäftigt sich z.B. damit, ob in floss eine fl-Ligatur stehen sollte oder in welchem Winkel die Achse der o-Rundung geneigt ist. Welche Buchstaben dieses Wort hat und ob man es z.B. bei Großschreibung genauso schreiben soll wie das Floß, das ist eine Frage der Orthographie.

B. Rechenfehler
soso, zitiert von Manfred Riebe, hat folgendes geschrieben:
Allein für die Sünde, das ß vom daß auf „Gemeinenhöhe“ zu reduzieren [...] pro deutschsprachlichen Menschen, pro Tag 1 Sekunde Zeitraub.

Macht pro Jahr, pro Mensch 6 Minuten Zeitraub,
pro 10 Jahre pro Mensch 60 Minuten (=1 Std) Zeitraub,
pro 70 Jahre pro Mensch ca 40 Std Zeitraub,

Wie oben dargelegt, ist die angebliche Sekunde "Zeitraub" völlig aus der Luft gegriffen, da man sie mit diversen positiven Effekten gegenrechnen muss, so dass vielleicht eher eine Sekunde Zeitgewinn herauskäme.

Unabhängig davon würde ich gern einfach mal nachrechnen:

1 Sekunde × 365 = ca. 6 Minuten; das stimmt.
6 Minuten × 10 = 60 Minuten = 1 Stunde pro 10 Jahre; das auch.
1 Stunde in 10 Jahren × 7 = 7 Stunden in 70 Jahren; wie kommen Sie da auf 40?!

Wenn Sie von Arbeitszeit reden, worauf Ihre Gleichsetzung von 40 Stunden mit 1 Woche hindeutet, dann dürfen Sie nicht vorher mit 365 Tagen pro Jahr rechnen, oder arbeiten Sie ohne Sonn- und Feiertage, ohne Urlaub und ohne Krankheitszeiten?

soso, zitiert von Manfred Riebe, hat folgendes geschrieben:
pro Menschenleben also mindestens eine Woche Arbeitszeitraub,
pro Generation Deutschsprachiger also 90 000 000 Wochen Zeitraub,

Gehören etwa alle Deutschsprachigen, die im Moment leben, zu einer Generation?! Ich würde vermuten, dass sie sich etwa gleichmäßig auf drei Generationen verteilen:
  1. Kinder
  2. Eltern und solche, die Eltern sein könnten
  3. Großeltern und solche, die es sein könnten
Macht also pro Generation rund 30 Millionen Menschen. (Die Generation der Urgroßeltern ist vermutlich zu vernachlässigen.)

soso, zitiert von Manfred Riebe, hat folgendes geschrieben:
(ja, die Schwyzer und Österreicher muß man auch mitrechnen,)

Was suchen die Schwyzer in dieser Rechnung? In der Schweiz schreibt man seit Jahrzehnten kein ß, und man lebt ganz gut damit. Jedenfalls ändert sich für die Schweizer durch die Rechtschreibreform nichts an der ss-Schreibung. Und wenn Sie schon die Schwyzer mitzählen, warum dann nicht die Zürcher, Basler, Berner, Appenzeller und all die anderen Deutschschweizer?

soso, zitiert von Manfred Riebe, hat folgendes geschrieben:
das ergibt nur für den ß-Amtsterror einen enormen Zeit-Räuberei-Schaden,
denn 90 Mio Wochen ergeben ca 1,8 Mio Jahre,
pro Generation, immer wieder,,,
etwa alle 25 Jahre 1,8 Mio Mann-Jahre Zeit-Raub!!!

Also alle 25 Jahre verschwinden alle 90-100 Millionen Deutsch sprechenden Menschen von diesem Planeten und werden durch "eine neue Generation" ersetzt? Bei manchen Menschen wäre das ja schön...

Korrigierte Gegenrechnung:
Die zweifelhafte 1 Sekunde lasse ich stehen.
Man rechnet üblicherweise als Faustformel mit 220 Arbeitstagen pro Jahr.
1 Sekunde × 220 = 3 Minuten 40 Sekunden
3,67 Minuten × 70 = 257 Minuten = ca. 4 1/4 Stunde
4,25 Stunden × 30 Millionen einer deutschsprachigen Generation = 128 Millionen Stunden
128 Millionen Stunden ÷ 40 Arbeitsstunden pro Woche = 3,2 Millionen Arbeitswochen
3,2 Millionen Arbeitswochen ÷ 48 Arbeitswochen pro Jahr = 66.666 "Mannjahre"

Übrigens setzt diese Rechnung außerdem voraus, dass alle Menschen, die arbeiten, in ihrer Arbeitszeit die bewusste Sekunde durch Lesen verlieren. Was aber ist mit Menschen, die während der Arbeit gar nicht lesen? Oder die berufsbedingt hauptsächlich englische Texte lesen (eine Gruppe, die zunehmen dürfte)?


C. Fazit

Abgesehen davon, dass der angebliche Zeitverlust durch die neue ß-Schreibung jeder Grundlage entbehrt, ist auch die auf ihm basierende Hochrechnung vorn und hinten falsch, und zwar mindestens um den Faktor 27.
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Karin Pfeiffer-Stolz



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Beiträge: 5
Wohnort: Düren und Salzburg

Beitrag: Sonntag, 07. Nov. 2004 11:40    Titel: Antworten mit Zitat

Herr Buncic, Sie schreiben:

"Dabei ist das Prinzip der Morphemkonstanz nicht unerheblich, d.h. es ist von Vorteil, wenn zwei Formen eines Lexems sich möglichst ähnlich sehen."

Hier kann man uneingeschränkt zustimmen. Die Lesbarkeit von Wortfamilien wird erleichtert, wenn sie sich in ihrer Schreibweise möglichst ähnlich sind.

Ist Ihnen bewußt, daß Sie hiermit gleichzeitig ist ein sehr starkes Argument gegen die Schreibung von "dass" vorbringen? Seit die sich optisch gut vom Relativpronomen "das" abhebende Konjunktion "daß" durch die Reformschreibung in "dass" einplaniert wurde, sind die Fehlerzahlen hochgeschnellt: Nicht nur Schüler, sondern auch erwachsene Schreiber verwechseln nunmehr "das" und "dass" häufiger.
_________________
Karin Pfeiffer-Stolz
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Daniel Buncic



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Beiträge: 47

Beitrag: Sonntag, 07. Nov. 2004 15:08    Titel: Morphemkonstanz und dass Antworten mit Zitat

Karin Pfeiffer-Stolz hat folgendes geschrieben:
Ist Ihnen bewußt, daß Sie hiermit gleichzeitig ein sehr starkes Argument gegen die Schreibung von "dass" vorbringen?

Das hiermit ist nicht gerechtfertigt, denn Morphemkonstanz sagt nur, dass Formen des gleichen Wortes gleich geschrieben werden sollen, nicht dass Formen verschiedener Wörter verschieden geschrieben werden sollen.

Während das Prinzip der Morphemkonstanz im Deutschen sehr weit durchgeführt ist (und durch die neue ß-Regelung weiter gestärkt wird), ist die Unterscheidung von Homonymen eine Frage von Einzelfällen, etwa Seite vs. Saite, Lerche vs. Lärche, Stadt vs. statt oder eben daß/dass vs. das. (Wer dieses Prinzip stärken wollte, müsste z.B. wieder seyn für das Verb zur Abgrenzung von sein für das Possessivpronomen einführen.)
Ansonsten werden Homonyme normalerweise nicht unterschieden, so schreibt man ja auch das Relativpronomen das nicht anders als den Artikel das.

Karin Pfeiffer-Stolz hat folgendes geschrieben:
Seit die sich optisch gut vom Relativpronomen "das" abhebende Konjunktion "daß" durch die Reformschreibung in "dass" einplaniert wurde, sind die Fehlerzahlen hochgeschnellt: Nicht nur Schüler, sondern auch erwachsene Schreiber verwechseln nunmehr "das" und "dass" häufiger.

Bei so etwas "glaube ich nur den Statistiken, die ich selbst gefälscht habe". Mir ist nicht bekannt, dass es bisher eine einzige umfassende und unabhängige Untersuchung gibt, die von Reformgegnern und -befürwortern gleichermaßen anerkannt würde. Eine große Studie zu diesem Thema ist offenbar in Arbeit, die müssen wir wohl abwarten.

Die Konjunktion dass unterscheidet sich optisch nicht weniger stark von das als denn von den oder wenn von wen. Wenn die ersten beiden aber angeblich mehr verwechselt werden als die anderen beiden Paare, so kann das nichts mit deren optischer Ähnlichkeit zu tun haben, sondern müssen hier andere Gründe vorliegen. Meine Vermutung dazu: Sätze vom Typ "Ich glaube, das..." konnte man immer schon lesen, und deren Häufigkeit hat kontinuierlich zugenommen. Dass eine Schülergeneration, die in ihrer Freizeit Karl May liest, besser rechtschreibt als eine, die in ihrer Freizeit auf dem Handy Tetris spielt, kann man ja wohl nicht der Reform anlasten.
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Manfred Riebe



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Beitrag: Mittwoch, 15. Dez. 2004 14:47    Titel: Ranschburg-Hemmung Antworten mit Zitat

Ranschburg-Hemmung

Vor allem Kinder und Wenigschreiber werden künftig Opfer der Ähnlichkeitshemmung beim Schreiben von das und dass. Begründung: Bei sicheren Schriftsprachenbenutzern, welche sich von der klassische Rechtschreibung auf die reformierte umgestellt haben, läuft während des Schreibens von s-Lauten parallel zum neuen stets auch das alte „Programm“ im Hintergrund mit, ob sie das wollen oder nicht. Wer also „dass“ schreibt, hat noch immer gefühlsmäßig ein „daß“ vor dem inneren Auge. Wie ich schon an anderer Stelle ausgeführt habe, ist „daß“ durch seine typographische Erscheinungsform leichter von „das“ zu unterscheiden. „dass“ und „das“ hingegen sind beim flüchtigen Betrachten ähnlich und können weniger leicht auseinandergehalten werden.
Wer nun vor dem inneren Auge „daß“ sieht, während er „dass“ schreibt, ist im Vorteil, und deshalb sind Umlerner beim Schreiben einfach sicherer.

Ganz anders die Kinder, die nur mit der Reformschreibung aufwachsen. Ihnen wird in der Schule vor allem der verkürzte Lehrsatz „ss nach kurzem Vokal“ eingehämmert. Dieser Satz ist ihnen stets präsent, wenn sie s-Laute schreiben, also auch, bei „das“ oder „dass“. Bei der Aussprache von „das“ und „dass“ gibt es so gut wie keinen Unterschied, es klingt immer kurz und stimmlos:
Ich glaube, daß das Kind, das so etwas lernt ...

Wer nun grammatisch den Unterschied das/dass nicht erfaßt, jedoch die Regel „ss nach kurzem Vokal“ verinnerlicht hat, wird häufig „dass“ schreiben, auch wenn er „das“ schreiben sollte. Lassen wir noch etwas Zeit vergehen, bis die ersten Neuschreibgenerationen mit Texten aus der Schule an die Öffentlichkeit treten. Zweifler werden dann meine Vermutung in der Realität bestätigt finden.

Nachtrag: Was die s-Laute betrifft, ist das Lesen von Texten in klassicher Rechtschreibung für Neuschreiber nicht schädlich, sondern pädagogisch geradezu ein Glücksfall. Der scheinbar paradoxe Umstand erklärt sich aus dem oben Gesagten. Die Lehrer sollten also Springer und FAZ dankbar sein für die Wiedereinführung von „daß“, weil es den Kindern hilft, „dass“ richtig zu schreiben.

Karin Pfeiffer-Stolz

15.12.2004 10:00 Rechtschreibforum > Sammlung: Probleme der ss/ß-Schreibung
www.rechtschreibreform.de/php/einzelner_Datensatz.php?BeitragNr=27712
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