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Franz Grillparzer über eine neue Rechtschreibung

 
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
Beiträge: 2840
Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg

Beitrag: Sonntag, 03. Okt. 2004 22:16    Titel: Franz Grillparzer über eine neue Rechtschreibung Antworten mit Zitat

„Die Sprachen werden durch den Gebrauch und die großen Schriftsteller gemacht. [...] An dem Materiellen einer Sprache ist nichts stoßweise zu ändern, wenn sie einmal eine klassische Literatur hat.“
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[ÜBER EINE. NEUE RECHTSCHREIBUNG]

Man will eine neue Rechtschreibung in den Schulen einführen. Ich bitte die Behörden es zu unterlassen:

Man muß Neuerungen überhaupt nur einführen, wenn sie notwendig oder von wesentlichem Nutzen sind, sonst hat das Bestehende die Vorrechte des Natürlichen.

Der Prüfstein alles Neuen ist die Zeit. Erst wenn ein Menschenalter vorüber gegangen ist und trotz alles Wechsels der Ansichten das Neue sich erhalten hat, weiß man, daß man eine Verbesserung gemacht und nicht einer Mode gehuldigt hat.

Nirgends ist die Vorsicht gegen Neuerungen so notwendig als in Deutschland, wo man alle zehn Jahre literarische Absurditäten in Gang setzt, über die man zehn Jahre später wieder lacht.

Die Sprachen werden durch den Gebrauch und die großen Schriftsteller gemacht. Wie unsere Altvordern gesprochen und geschrieben haben ist uns höchst gleichgiltig, denn sie waren albern und wir wollen uns bemühen gescheid zu sein.

An dem Materiellen einer Sprache ist nichts stoßweise zu ändern, wenn sie einmal eine klassische Literatur hat. Leider veralten auch die großen Schriftsteller, es wäre aber Frevel beizutragen, daß sie vor der Zeit veralten.

Was für jedermann gilt, gilt vor allem für die Schule: Sie hat nichts vorzutragen als was sich durch längere Geltung als gut und richtig bewährt hat.

Bei literarischen Schulen mag einige Ausnahme gelten, obwohl wir auch da die traurigsten Beispiele in Deutschland gesehen haben. In: zeit von fünfzig Jahren sind vier philosophische Systeme vergöttert und verlacht worden. Aber die Zöglinge der höhern Schulen bleiben auch später in einigem Verhältnis zur Literatur. Sie mögen sich die Kleider ihrer Jugend ändern lassen, wenn man statt der langen Taille wieder eine kurze trägt.

Die Schüler der deutschen Schule aber lernen was man ihnen beibringt für ihr ganzes Leben. Es wäre traurig wenn

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ein Bekenner der neuen Orthographie in einer Schreibstube nicht aufgenommen oder nach zehn Jahren wieder entlassen würde, weil er nicht deutsch schreiben kann.

Man beherzige dies und überlasse die ur-hochdeutschen Bestrebungen den Phantasten und Pedanten. Es gibt in Deutschland nämlich auch Pedanten des Neuen und, was sonst überall unerhört ist: phantastische Pedanten.

Franz Grillparzer: [ÜBER EINE. NEUE RECHTSCHREIBUNG] AUFSÄTZE ÜBER LITERATUR, MUSIK UND THEATER. In: Franz Grillparzer: Gesammelte Werke, S. 689 f.

Franz Grillparzer (1791-1872), österreichischer Schriftsteller und Dramatiker

Links zur Biographie
www.boorberg.de/juristerei/juristen/grillparzer.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Grillparzer
http://gutenberg.spiegel.de/autoren/grillprz.htm
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