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Die Schüler als Opfer und „Humankapital“
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Peter Schwenzer



Registriert seit: 01.09.2003
Beiträge: 56
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Beitrag: Dienstag, 10. Aug. 2004 18:47    Titel: Das Problem des Erlernens der Sprache ist ein Problem der Le Antworten mit Zitat

Wenn ich so zurückblicke und dabei die Argumente bezüglich der Vereinfachung des Deutschlernens lese, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Ich hatte in der 5. und 6. Klasse einen einmaligen Deutschlehrer, den die meisten haßten, weil er uns die Grammatik und die Rechtschreibung tatgtäglich mit entsprechenden Grammatikübungen einhämmerte, aber in der 7. Klasse konnte ich dann perfekt Deutsch und analysierte jeden Satz (letzteres habe ich allerdings verlernt). Solche Lehrer hatte ich sehr selten, die meisten waren einfach schlecht, aber das Deutsch hatte ich sitzen und konnte nur noch besser werden, denn außerdem las ich sehr, sehr viel.
Die Diskussionen über die Konsonantenzahl, die Zeichensetzung, die ß-Schreibung ist meiner Ansicht nach alles unsinniges Geplapper. Wer es nicht lernt, richtig Deutsch zu schreiben, der will es nicht oder es fehlt ihm halt an Grips - natürlich kann es auch sein, daß es sich um einseitige Begabunghandelt und der Betreffende besser mit Zahlen und Formeln umgehen kann als mit den Sprachen. Aber eine Sprache ist nicht an die mangelnde (Sprach-)Lernfähigkeit mancher Schüler oder ausländischer Einwohner anzupassen, sondern ist eine Kulturfrage, und Kultur ist halt mühsamer als in Höhlen zu wohnen und mit der Keule um sich zu schlagen.
Ich bin stolz auf das Deutsch, das ich vor allem bei jenem Dr. Kliesch in Mainz erlernte, den die meisten Schüler haßten, weil er sie zum Lernen und Arbeiten zwang. Ich hasse die Reformer, die das schwere, aber am Ende beglückende Lernen zunichte machen wollen. Daher auch ja zum ß und zu Schiffahrt mit zwei f. Nieder mit den Sprachbanausen und ihren Lakaien.
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 24. Aug. 2004 20:28    Titel: Offener Brief an die Jahrgangsstufe 9 Antworten mit Zitat

Offener Brief an die Jahrgangsstufe 9

Liebe Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 9,

Ihr seid die eigentlichen Opfer des verantwortungslosen Versuchs der Kultusminister, auf dem Wege über die Schule die deutsche Rechtschreibung zu verändern. Wenn das neue Schuljahr beginnt, ist die Rechtschreibreform vermutlich noch nicht aufgehoben, aber in vielen Zeitungen seht Ihr wieder die richtigen deutschen Schreibungen und könnt Euch leicht ausrechnen, daß sich die Veränderungen auch in der Schule nicht mehr lange halten werden. Das braucht Euch nicht zu erschrecken. Es ist so wenig umzulernen, daß ich Euch die wichtigsten Ratschläge in einem kurzen Brief zusammenstellen kann.

Ihr werdet schon wissen, daß man üblicherweise im Deutschen „daß“ schreibt, denn „ss“ kommt nie am Wort- oder Silbenende vor. Man schreibt also „lassen“, aber „laß das sein“ und natürlich auch „sie läßt das sein“. Das hat den Vorteil, daß nie drei „s“ hintereinander geschrieben werden müssen. Aus dem unübersichtlichen „Schlussstrich“ wird auch für Euch wieder ein „Schlußstrich“.

Drei Konsonanten hintereinander gibt es in der üblichen deutschen Rechtschreibung auch sonst nicht, außer in ein paar seltenen Wörtern, die Ihr nie schreiben werdet. „Schiffahrt“ und „Brennessel“ sind also richtig - gesprochen wird ohnehin nur ein „f“ und ein „n“.

Zusammengesetzte Verben werden üblicherweise zusammengeschrieben, wenn der erste Teil betont ist, also „auseinandernehmen“, „fertigstellen“, „lahmlegen“. Das gilt auch für „kennenlernen“ und „spazierengehen“. Zusammengesetzte Partizipien werden immer zusammengeschrieben: „besorgniserregend“, „arbeitsuchend“ und viele andere mehr.

Wendungen wie „im allgemeinen“, „im übrigen“, „im wesentlichen“, Umstandsbestimmungen also, werden nie groß geschrieben. Gewöhnt Euch auch an „heute abend“. Hier geht es ja nicht um Substantive.

Fremdwörter schreibt man am besten so, wie Ihr es im Englisch- und Französischunterricht lernt. Das gilt auch für den Plural: Babies und auch „Handies“.

Einige der dümmsten Neuschreibungen benötigt niemand, dazu braucht also nichts gesagt zu werden. Gewöhnt Euch aber an, „Stengel“ und „rauh“ zu schreiben - wie es zu allen Zeiten im Deutschen üblich gewesen ist.

Wenn Ihr am Zeilenende überhaupt Wörter trennt, dann tut das mit Verstand und gebt Euren Lesern keine Rätsel auf. Falls an der Trennstelle „ck“ steht, schreibt man „k-k“. Das kann selbst der Computer, aber vielleicht vermeidet Ihr das besser. Im Deutschen trennt man übrigens nie „st“.

Bleibt noch die Zeichensetzung. Eine große Hilfe ist die langsame Aussprache. Wo man eine kleine Pause macht, steht normalerweise ein Komma. Das ist besonders wichtig bei erweiterten Infinitiven. „Ich möchte Euch Mut machen, wieder vernünftig zu schreiben.“ So einfach ist das - normalerweise.

Ich erwähnte schon den Computer. Wenn Ihr einen habt, braucht Ihr im Textprogramm nur das Menü „Extras“ anzuklicken und darin „Optionen“. Dort stehen lauter Angebote, die Ihr ablehnen könnt. Löscht das Häkchen vor „Neue Rechtschreibung“, und Euer Computer schreibt wieder so, wie es im Deutschen üblich ist.

Vor allem aber: Lest am Anfang besonders aufmerksam Zeitungen und Bücher in herkömmlicher deutscher Rechtschreibung. In wenigen Wochen werdet Ihr die unsinnigen Schreibungen vergessen haben, die die Kultusminister an Euch ausprobieren wollten.

Viel Erfolg wünscht Euch

Euer Helmut Jochems

18.8.2004 Prof. Dr. Helmut Jochems
www.rechtschreibreform.com/Perlen/KraftBank/KraftBank.pl?WedAug1810:31:41CEST2004
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 31. Aug. 2004 21:07    Titel: Müssen Schüler wirklich leiden, Herr Lehrer-Präsident? Antworten mit Zitat

Müssen Schüler wirklich leiden, Herr Lehrer-Präsident?

In BILD erklärt Josef Kraus, Präsident des einflussreichen Deutschen Lehrerverbands, welche Folgen die Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung für die Schüler haben wird.

Ist es für Lehrer und Schüler zumutbar, wieder in der bewährten Rechtschreibung zu schreiben?

Durchaus. Von den 700 Wörtern Grundwortschatz, den Viertklässler schriftlich beherrschen müssen, brauchen sie gerade einmal 20 Wörter neu zu lernen.
Außerdem: Die Reformbefürworter hatten immer argumentiert, es werde kein Chaos bei der Umstellung auf die neue Schreibweise geben. Warum sollte es also nennenswerte Probleme bei einer Rückkehr zur klassischen Schreibweise geben? Ein viel größeres Chaos gibt es, wenn wir weiter eine Orthographie lehren, die außerhalb der Schule immer weniger praktiziert wird.

Was ist mit den Umstellungskosten von angeblich 250 Mio. Euro?

Ich sehe das Problem nicht, das von einzelnen Schulbuchverlagen aufgebauscht wird. Die Bücher in Kernfächern wie Deutsch sind sowieso nach fünf bis sechs Jahren zerfleddert und müssen ausgetauscht werden. Außerdem müssen sie aufgrund neuer Lehrpläne aktualisiert werden. Es kommen keine gigantischen Kosten auf Eltern und Kommunen zu. Es sollte aber eine Übergangsfrist bis 2010 geben. Viele Schulen verwenden auch jetzt noch in Fächern wie Erdkunde oder Biologie Bücher mit alter Rechtschreibung.

Müssten die Schüler schlechte Noten bei einer Umstellung auf die bewährten Regeln befürchten?

Nein. Kein Kind wird einen Nachteil haben, kein Schüler deshalb sitzen bleiben. Die Lehrer werden voraussichtlich auch über 2005 hinaus nur Fehler anstreichen, die in beiden Schreibweisen falsch sind. (tolo)

[tolo = Tobias Lobe]

BILD vom 9. August 2004

www.bild.t-online.de/BTO/news/2004/08/10/schlechtschreib__reform__menschen__dagegen/reform2.html
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Manfred Riebe



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Beitrag: Mittwoch, 01. Sep. 2004 20:53    Titel: In der Grundschule geht es nur um 24 Wörter Antworten mit Zitat

In der Grundschule geht es nur um 24 Wörter

Mich ärgert das Krisengeheule von Pseudopädagogen, die behaupten, eine Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung sei den Schülern nicht zumutbar: Tatsächlich geht es nur um wenige Wörter. So müsste ein Viertklässler in Bayern von den 700 Wörtern des Grundwortschatzes, die er schriftlich beherrschen muss, gerade mal 24 neu lernen, das sind 3,4 Prozent. Davon entfallen 20 auf die neue ss-Schreibung. Es handelt sich um folgende Wörter, hier in neuer Schreibung:

dass, Biss, Fluss, Kompass, misst, Pass, vergisst, tausende, Spagetti, isst, bisschen, frisst, Kuss, nass, riss, wusste, nummerieren, Stängel, muss, floss, goss, lässt, Nuss, schloss

Josef Kraus, Vilsbiburg (Bayern)

Josef Kraus ist Präsident des Deutschen Lehrerverbandes und Direktor des Maximilian-von-Montgelas-Gymnasiums in Vilsbiburg

BILD am SONNTAG Nr. 33 vom 15. August 2004, S. 47
__________________________________________________

Anmerkungen:

Josef Kraus zeigt, in welch geringem Umfang die Grundschüler von der neuen Rechtschreibung betroffen sind und daß es vornehmlich um die fehlerträchtige ss-Regelung geht. Sind Schüler wegen der Rücknahme der Rechtschreibreform Leidtragende? Kraus: Nur „Pseudopädagogen“ behaupten das. Als Präsident des Deutschen Lehrerverbandes kennt Kraus seine Pappenheimer bzw. „Pseudopädagogen“.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Donnerstag, 09. Sep. 2004 11:04, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Montag, 06. Sep. 2004 14:51    Titel: Gesellschaftliche Umerziehung wehrloser Schüler Antworten mit Zitat

Gesellschaftliche Umerziehung wehrloser Schüler
Reformregeln GEGEN den Sprach- und Schreibgebrauch
Schüler haben die Alternative NICHT gelernt


Eben sehe ich, daß HorstLudwig hier im Forum meinen Beitrag aus dem alten, gelöschten Forum haben wollte, mit dem ich einem Schüler namens Ajexey auf seine Beschwerde geantwortet hatte, die Reformgegner würden sich nicht um die Belange der Schülergenerationen kümmern. Weil ich keine eMail-Adresse von Horst Ludwig habe, stelle ich den Text eben nochmals ins Forum.

In Antwort auf:

Ajexey: „Ich verstehe nicht, warum man sich so über diesen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung [die Schüler] hinwegsetzt. Gerade dieser Teil hat unter dem hin und her aber am meisten zu leiden.“
________________________________________________________________

Versuchen wir mal, das Kommunikationsproblem ein bißchen aufzudröseln, vernünftiger Verständigung zuliebe, eh man sich im Pseudo-Generationskonflikt verliert... und versuchen wir zu klären, was Ajexey nicht versteht.

Ajexey, Sie haben vollkommen recht: Den betroffenen Schülerjahrgängen wurde und wird von der Kultusbürokratie übel mitgespielt. Ihnen wurde – ohne daß es dafür irgendeine zwingende Begründung oder Notwendigkeit gab – durch behördliche Anweisung jene Rechtschreibung vorenthalten, die bis dahin Allgemeingut aller deutschsprachigen Menschen war. In diese überkommene Rechtschreibung waren die Schreib- und Leserfahrungen vieler Generationen eingeflossen.

Die Orthographie vor der Reform war ein komplexes Werkzeug, das die schriftliche Darstellung und Weitergabe auch komplexer Sachverhalte mit hoher Präzision ermöglichte – was der Sinn einer jeden Schreibnorm ist: Was einer schreibt, sollen alle anderen möglichst leicht und genau lesend nachvollziehen können. Diese Orthographie war nicht ganz einfach; sie schleppte auch manche Dinge mit sich herum, auf die man gut verzichten konnte, darüber waren sich alle einig; aber sie war auch wiederum nicht schwerer als die mancher anderen Sprache - jedenfalls einfacher als z.B. die englische Orthographie.

Als Schüler ist man zunächst einmal Analphabet in einer großen alphabetisierten Gesellschaft. Jede neue Schülergeneration, die bislang lernend in die deutsche Sprachgemeinschaft hineinwuchs, wuchs nun in deren Orthographie-Vorbild hinein, übernahm es – und veränderte oder modifizierte es leicht in dem Maße, wie neue Sachverhalte der Welt einen veränderten Gebrauch bei der Mehrheit der Schreibenden bewirkten: Aus Telephon wurde irgendwann Telefon.

Dieses normale „Erbteil“, das normalerweise die Mehrheit der in Ihrer Muttersprache Schreibenden via Schule an die Jüngeren weitergab, wurde nun Ihnen als Schüler durch staatlichen Verwaltungsbeschluß vorenthalten: <i>Sie durften es nicht lernen.</i> Sie mußten statt dessen neue Regeln befolgen, die willkürlich von etwa einem Dutzend Leuten ausgedacht waren. Diese Leute haben ihre eigenen, sehr persönlichen Idealvorstellungen, wie das Schreiben zu normieren sei – sie reiten ihre privaten Steckenpferde. Sie wollten ausdrücklich die überkommenen Schreibgewohnheiten von 100 Millionen Menschen dadurch ändern, daß sie die wehrlosen Schüler zum Sturmtrupp oder zur „Speerspitze“ der Veränderung machten: Die Schüler sollten nicht so schreiben lernen, wie alle anderen deutschen Muttersprachler schrieben, sondern alle Deutschschreibenden sollten sich an die neuen Regeln anpassen, die man zuvor den Kindern und Schülern kraft behördlicher Anweisung beigebracht hatte – und die ja keine andere Wahl hatten, als sie zu lernen: Der Sechsjährige kann kaum protestieren. Die Reformer wollten gezielt einen Bruch zwischen der Mehrheit der Deutschschreibenden und den Schülern hervorrufen – auf daß alle sich im Laufe der Zeit den Schülern anpassen müßten. Diesen Zustand haben wir jetzt. Die Schüler sind das Mittel, mit dem die Reformer ihre Ziele durchsetzen wollen.

Diese Reformregeln sind z.T. ausdrücklich GEGEN den Sprach- und Schreibgebrauch gerichtet, der sich bei der Mehrheit aller Deutschschreibenden herausgebildet hatte. Die Deutschschreibenden sollen umerzogen werden. Sie – die Schüler-Generationen – wurden (und werden) benutzt, um eine bestimmte „gesellschaftliche“ Veränderung herbeizuführen. Man könnte auch sagen, Sie wurden dazu mißbraucht.

Sie beschweren sich, daß die Reformgegner sich über Ihre Belange als Schüler hinwegsetzen. Nun, sie tun es tatsächlich in gewisser Weise, und Ihre Klage ist in der Tat berechtigt: Sie, Ajexey, können ja nichts dafür, daß Sie im wehrlosen Alter von 20 Jahren diese Reformschreibung zu lernen hatten. Aber wie Sie vielleicht bemerken, werden Ihre berechtigen (Schüler-)Beschwerden derzeit nun wiederum dafür verwendet, die Mehrheit der Schreibenden zu den neuen Regeln hinzuzwingen: „Die armen Kinder“ (denen man zuvor das Erlernen der allgemein akzeptierten Schreibweisen amtlicherseits versagt hatte) würden unter einer Reformrücknahme ganz schrecklich und unzumutbar leiden – deswegen sollen alle anderen Schreibenden sich dieser Reform jetzt gefälligst anpassen. Sie – die heutigen Schüler, die Ex-Schüler der Reform – werden schon wieder mißbraucht. Sie werden mißbraucht, um z.B. einen Generationenkonflikt heraufzubeschwören: Die verknöcherten Alten seien bloß zu faul, um die progressiven neuen Regeln zu lernen – Ihr armen progressiven Kinder und Schüler aller Jahrgänge, wehrt euch gegen die rückwärtsgewandte Schreibdiktatur der arteriosklerotischen Greise, die nicht umlernen wollen! (Wobei ironischerweise anzumerken bleibt, daß die Reform-Erfinder selbst sich größtenteils kurz vor oder schon jenseits des Verrentungsalters befinden.)

Sie schreiben sehr ehrlich: „Für mich ist aber Fakt, dass sie bleiben soll. Ganz subjektiv. Ich bin 20 Jahre alt und habe in der Schule die meiste Zeit neue Rechtschreibung gelernt […]“. Das ist völlig verständlich. Ein ganz gesundes, normales und berechtigtes Eigeninteresse, für das Sie sich nicht zu entschuldigen brauchen. Ihnen wurde von der Schule etwas beigebracht. Sie haben es unter Mühen gelernt, wie man das von Ihnen verlangt hatte. Und jetzt verlangen irgendwelche Leute, daß das alles wieder nicht mehr gelten soll? Da müßten Sie ja blöd sein, wenn Sie sich dieser Forderung anschließen würden…! Warum denn! Ist doch alles gut! Sollen gefälligst die andern… – Völlig verständlich. Ich würde es an Ihrer Stelle genauso sehen.

Aber sehen Sie, da liegt ein Verständigungsproblem. Wer Ihre berechtigten Belange hier nicht berücksichtigen kann, ist nicht unbedingt ein starrsinniger, verknöcherter Greis: So jemand weiß vielmehr sehr wohl, daß Ihre Generationen darunter zu leiden haben. So jemand weiß z.B. (und bedauert dies ausdrücklich), daß Ihnen bestimmte sprachliche Fertigkeiten nicht vermittelt, ein diffizileres Sprachdenken Ihnen nicht weitergegeben wurde. Er weiß vor allem sehr genau, daß Sie instrumentalisiert und zum Spielball der Argumentation gemacht werden <i>– aber deswegen kann dieser Reformgegner sein besseres Wissen leider nicht über Bord werfen. </i> Und er muß es sogar ablehnen, Ihre subjektiv vollkommen verständliche Haltung als entscheidendes Argument in dieser Sache zu berücksichtigen: Denn Sie können es einfach nicht wissen! Und es geht auch nicht nur um Sie.

Das klingt jetzt wahrscheinlich ganz schrecklich und vor allem brutal und elitär in Ihren Ohren. Lassen Sie mich versuchen, es zu erklären.

Sie haben etwas wie vorgeschrieben von den „Alten“ (den Eltern, den Lehrern) gelernt und verteidigen ganz selbstverständlich das Gelernte als das „Bessere“. Was Sie aber zwangsläufig NICHT gelernt haben, ist die Alternative. Sie kennen sie nicht und ihre Vorzüge verstehen Sie deshalb nicht. Und daher sind Sie nicht wirklich in der Lage zu beurteilen, was „Besser“ und was „Schlechter“ ist, weil Sie mangels Ausbildung die beiden Systeme nicht vergleichen können – <i>Sie durften es ja nicht lernen! </i>

Und bei aller Einsicht in die Probleme der Jüngeren kann deren völlig verständlicher Wunsch – „alles bleibt, wie 's jetzt ist!“ – nicht die Richtschnur der Überlegungen sein. Als extremes Beispiel zur Verdeutlichung: Der Sechsjährige z.B. kann noch nicht wissen, ob die Kommasetzung wichtig sein könnte in komplexen Sätzen, die er noch nicht einmal denken kann. Ihn zu fragen, ob er lieber Kommas setzt oder nicht, führt daher zu nichts, es sei denn, man wollte die Regeln der Sprache auf das Verständnisniveau eines Sechsjährigen zuschneiden. Sollen nun, weil diese (Ihre) derzeitigen Generationen schon beschädigt wurden, alle weiteren genauso beschädigt werden? Denn es kommen ja immer neue und neue nach…

Der Reformgegner ist nicht einfach zu faul zum Umlernen; er argumentiert aus einem quasi übergeordneten Interesse <i>scheinbar</i> gegen die (verstehbaren) subjektiven „Partikularinteressen“ einiger Schülergenerationen, aber letztlich zum Wohle aller – und auch und gerade im Interesse der kommenden:

Es soll nicht sein, daß weitere, künftige Generationen in eine Sprachwelt hineinwachsen, in der eine völlige Willkür der Regeln herrscht und in der eine Einheitlichkeit der Rechtschreibung nicht mehr vorhanden ist – also jener derzeitige Zustand, zu dem die mißglückte Reform mit ihrer undurchdachten Willkür geführt hat.


Es soll nicht sein, daß in der Schule etwas gelernt werden muß, was „draußen“ kein Verlag und keine Zeitung so schreibt – denn keine zwei Verlage schreiben mehr gleich, auch wenn sie irgendwie eine halbgetraute „Reformschreibung“ (welche der vielen?) verwenden – der Unsinn mancher Reformregel verbietet einfach ihre praktische Anwendung.

Es soll nicht sein, daß ein Schüler so viele unterschiedliche Schreibweisen außerhalb der Schule antrifft, daß dadurch sein eigenes Sprachgefühl, das vor allem durch Vorbild sich entwickelt, in der Entwicklung behindert wird.

Es soll nicht sein, daß durch unsinnige neue Regeln neue unsinnige Schreibweisen provoziert werden, die es als Fehler noch nie zuvor gab.

Es soll nicht sein, daß eine „Ist-doch-eh-alles-wurscht“-Haltung die Norm wird (wie die Reform sie züchtet) und keiner sich mehr um Rechtschreibung kümmert – das wäre ein schwerer Verlust an Präzision und Ausdrucksfähigkeit der deutschen Sprache; es wäre ein schweres Handicap für Sie, Ihre Generationen und alle später nachkommenden. Die Einheitlichkeit und Präzision der Schreibung ist in allen Bereichen des Lebens (Wissenschaft, Technik, Medizin, Juristerei, Literatur, Wirtschaft – was Sie wollen) ein hohes Gut – und nicht zuletzt ein wirtschaftliches.

Es soll nicht sein, daß kommenden jungen Generationen eine Schriftsprache „vererbt“ oder – wenn Ihnen das zu pathetisch ist - als Vorbild weitergeben werden muß, die ein objektiver Rückschritt ins 19. Jahrhundert ist: Die meisten der angeblich „neuen“ Regeln sind alte Hüte, die von der Sprachgemeinschaft selbst schon im späten 19. Jahrhundert abgelegt wurden, weil Besseres, Praktischeres, Vernünftigeres entstanden war – aber das erzählen Ihnen Ihre (weisungsgebundenen) Lehrer und die Reformer natürlich nicht.

Sie schreiben: „Um es auf den Punkt zu bringen. Es ist bei dieser Rechtschreibdiskussion daher doch wichtig zu beachten, wie es dem Teil der Bevölkerung geht, der aktiv damit zurecht kommen muss. Und das sind eindeutig Schüler, Studenten, Lehrer, SekretärInnen, ..., die alle die neuen Regeln schon vor Jahren gelernt haben.“

Schauen Sie – nicht nur Schüler und Studenten gehen aktiv mit Rechtschreibung um. Jeder, der ein Buch, einen Zeitungsartikel, eine Gebrauchsanweisung, was auch immer, LIEST, geht schon aktiv mit Rechtschreibung um: Er muß sie verstehen. Und alle haben sie schließlich, genau wie Sie, irgendwelche „Regeln schon vor Jahren gelernt“. Alle werden sie mit den neuen, zum Schulstandard erhobenen Privatregeln der Reformer konfrontiert. Und alle werden mit dem konfrontiert, was Sie und Ihre Generation und die Reformer zu Papier bringen – und was Sie natürlich nicht nachvollziehen können, weil Sie Ihre gelernte Schreibung für gut halten, ist - daß es einem anderen dabei manchmal aus objektiven sprachlichen Gründen den Magen rumdrehen kann.

Umlernen wäre kein Problem – wenn das angeblich Neue etwas Besseres wäre! Aber das ist es nun mal nicht. Weshalb die Reformgegner davon überzeugt sind, können Sie in vielen Einzelbeiträgen hier in den Foren nachlesen. Und so geht es den Reformgegnern nicht um Wünsche der einen oder anderen künstlich herbeizitierten „Gruppe“, die erfüllt werden müßten: Die Schüler, die Legastheniker, die deutschlernenden Ausländer…; darum kann es ihnen gar nicht gehen: Sondern es geht um die Sache der Sprache selbst und ihrer besseren, vernünftigeren Verschriftung – auch wenn eine Gruppe (wie die Ihre, wie einige der jüngeren Generationen) darunter ganz zweifellos zu leiden hat.

Ich hoffe, ich konnte mich Ihnen verständlich machen. Und ich hoffe, daß Sie die Positionen und Haltungen ihrer „Gegner“ nun etwas besser verstehen – auch wenn Sie sie vielleicht trotzdem nicht teilen können. Vergessen Sie aber bei all Ihrem nachvollziehbaren Ärger bitte nicht, wer Ihnen das eingebrockt hat – daß Ihnen das schriftsprachliche „Erbteil“ Ihrer eigenen Sprachgemeinschaft in der Schule vorenthalten wurde. Dafür können die Reformgegner wahrlich nichts.

Mit freundlichen Grüßen
KeinGuru

PS. Ich habe, wie ich bemerke, meine eigene Meinung etwas pauschal als die Meinung aller Reformgegner ausgegeben. Ich bitte um Entschuldigung, es ist natürlich nur MEINE Meinung, ich wollte niemanden damit zwangsrekrutieren – auch wenn ich hoffe, im Konsens mit vielen anderen Reformgegnern zu sein.

Drittes Rechtschreib-Forum der Süddeutschen Zeitung (ab 31.08.2004)
Kultur >> Rechtschreibung – die deutscheste aller Dampfschif(f)fahrten
KeinGuru: Noch mal den „Brief an einen verärgerten Schüler“ #25555 - 05.09.2004 20:06
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Manfred Riebe



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Beitrag: Samstag, 02. Okt. 2004 20:52    Titel: Alle Mitschüler waren gegen die Rechtschreibreform! Antworten mit Zitat

Alle Mitschüler waren gegen die Rechtschreibreform!
___________________________________________________________________

Guten Tag,

ich war bis 1998 Schüler eines Gymnasiums in Bayern und so gut wie alle Mitschüler waren gegen die Rechtschreibreform!
Es hat sich damals keiner um die Meinung der Menschen in diesem Lande bemüht! Millionen bzw. Milliarden von (T)Euros und D-Mark wurden in eine Reform investiert, die weder sinnvoll ist, noch die Rechtschreibung erleichtert hat! Statt dessen muß man sich mit Konstruktionen wie „Flussschifffahrt“ und „Delfin“ herumschlagen!
Wieso gibt es nicht einfach eine Volksabstimmung, so wie dies in anderen Ländern auch gemacht wird! Warum durften wir nicht über den Euro abstimmen und Länder wie Dänemark und England dürfen es!!!
Die Demokratie schreibt man in unserem Deutschland wahrscheinlich in Zukunft mit „Demogradii“, erklärt dieses Wort zum Unwort, verbietet es und richtet eine Diktatur der Merkel'schen Wende ein, Arbeitslose weisen wir am Besten in den Irak als Helfer für unsere amerikanischen (republikanischen) Freunde aus (sollte Bush erneut Präsident werden und Angela Merkel Bundeskanzlerin, dann hätten wir das Traumpaar schlechthin!) und am besten zahlt jeder monatlich 1000 Euro an die Krankenkasse seiner Wahl für Leistungen, die man bei guter Laune der Ärzte vielleicht auch bekommt!
Die Diskussion bzgl. der Rechtschreibreform dient keineswegs zur Überbrückung des Sommerloches, sondern ist vielmehr eine Diskussion, die noch nie geführt worden ist! Ich persönlich würde alle Mitglieder und Wegbereiter der neuen Rechtschreibreform vom Dienst suspendieren und auf Bürgerpatrouille schicken, „Citizens on Patrol“, dann würden sie wenigstens was Sinnvolles in diesem Lande tun!
Steuergelder wurden für nichts und wieder nichts verschwendet und da wundert sich der sog. Durchschnittsbürger, dass angeblich kein Geld mehr in den Staatskassen ist!
Wir sind das Volk und wir möchten gefälligst eine Volksabstimmung und dann wird die Obrigkeit sehr schnell merken, wer denn eine Rechtschreibreform möchte... genau, richtig erkannt, nämlich NIEMAND!
Wie dem auch sei, ich möchte kein SCHANDMAUL sein und auch keine KISSes verteilen, aber eines weiß ich, ich werde auch weiterhin mit der alten Rechtschreibreform weiterschreiben und im Internet ist man mit Englisch sowieso besser dran!

In diesem Sinne!

Tschüß!

Ihr sobitan

Montag, 09. August 2004 - 15:46 Uhr:
www5.augsburger-allgemeine.de/discus/messages/8/106.html?1074639546
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Manfred Riebe



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Beitrag: Samstag, 02. Okt. 2004 21:02    Titel: Nur die SMSler haben Probleme Antworten mit Zitat

Nur die SMSler haben Probleme
Rücksicht auf die Mehrheit der Deutschen nehmen

_______________________________________________________________

Ein Fehler wird doch nicht dadurch zum Erfolg, daß man ihn sich mit Nachdruck gut redet.
Wahre Größe hat doch vielmehr, wer bereit ist, sich von offensichtlich begangenem Unsinn zu verabschieden. Fehler machen heißt Erfahrungen sammeln und aus denen lernt man bekanntlich.
Daß das nicht ohne Reibung abgeht, dürfte klar sein - konsequentes Handeln trifft halt oft auf Widerstand, doch ich denke, da müsse wir halt jetzt durch... .

Wenn ich schon an diese vollkommen blödsinnigen „Kannbestimmungen“ denke:
Es dürfte doch mittlerweile Jeder begriffen habe, daß man mit Regel - gerade in Deutschland (dem Mutterland allen Regelstrebens ;-)) eben nur mit schwarz oder weiß glücklich werden kann.
Jedesmal wenn grau dazukommt wird’s, gefährlich, unklar, unsicher... .

Und jetzt noch zu den die-armen-Kinder-müssen-es-jetzt-ausbaden-Menschenfreunden:
Wenn die kleinen Schätzchen wie bisher beide Regeln nebeneinander - wie jeder der im Berufsleben Stehende auch - lernen konnten und damit Erfolg hatten, dann sehe ich auch hier kein Problem, oder?
Diejenigen, die in der Schule damit ein Problem hatten, ich nenne sie jetzt mal SMSler, die werden vorsichtig ausgedrückt auch bei anderen Aufgaben an ihren Horizont stoßen.
Wer Bewerbungsschreiben lesen muß, kann nachvollziehen, was ich hiermit andeuten will.

Darum lassen sie uns Rücksicht auf die Mehrheit der Deutschen nehmen - einfach mal zur Abwechslung.

Bürger 08/15
Samstag, 21. August 2004 - 18:34 Uhr
www5.augsburger-allgemeine.de/discus/messages/8/106.html?1074639546
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Manfred Riebe



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Beitrag: Samstag, 02. Okt. 2004 21:12    Titel: Die Lehrer hatten selbst keine Ahnung Antworten mit Zitat

Die Lehrer hatten selbst keine Ahnung
________________________________________________

Zum Thema Rechtschreibreform möchte ich folgendes bemerken:

Wer hat vor sechs Jahren an die Schüler gedacht? Vor allem die, die in diesem, bzw. dem darauffolgendem Jahr Abitur gemacht haben? Von denen konnte fast kein einziger die neue Rechtschreibung! Es konnte sie keiner lernen, da die Lehrer selbst keine Ahnung davon hatten!

An die Kosten hat damals auch keiner gedacht. Es entstanden damals genau die gleichen Kosten! Das ganze nur, weil sich ein paar Profilneurotiker in der Politik ein Denkmal in den Geschichtsbüchern setzen wollten.

Hätten die Herren schon damals die richtigen Experten gefragt (Lehrer, Autoren usw.) wären viele gravierende Fehler nicht entstanden.

Die Verwirrung, die um die Rechtschreibung entstanden ist, rührt nicht von der heutigen Diskussion her. Sie ist durch die vielen Nachbesserungsversuche entstanden. Bei vielen Wörtern ist man heute verunsichert, wie man sie richtig schreibt.

Meines Erachtens ist die Reform der größte Schwachsinn seit der Erfindung der Streitaxt.

Warum muß man Fremdwörter mit aller Gewalt eindeutschen. Seit wann schreibt man Design heute Dessin. Es macht keinen Sinn diese Wörter einfach so zu schreiben, wie man sie ausspricht.

Es ist besser den Schülern zu erklären woher das Fremdwort kommt, als es so zu entstellen, daß Schüler, die es dann in der Originalsprache sehen, nicht mehr erkennen!

Sinnvolle Änderungen sind z.B. der generelle Verzicht auf das „ß“ und eine generelle Aufgabe der Groß und Kleinschreibung. Hier habe auch ich während meiner Schulzeit die großen Fehler gemacht.

Thorsten
Samstag, 21. August 2004 - 18:51 Uhr
www5.augsburger-allgemeine.de/discus/messages/8/106.html?1074639546
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 05. Okt. 2004 23:18    Titel: Die Schüler würden die Rückumstellung kaum bemerken Antworten mit Zitat

StD Illauer: „Die Schüler würden die Rückumstellung kaum bemerken.“

<i>Vorbemerkung: Dies ist ein Schlüsselartikel. Ich fand ihn im Rechtschreib-Forum der Süddeutschen Zeitung im Strang: „Schüler als Leidtragende?“ Ich habe in den Text weiterführende Links gestellt. Manfred Riebe</i>

Es gibt viel Hohn und Polemik gegen die Rückkehr zur alten Rechtschreibung. Frau Karin Pfeiffer-Stolz kann ein Lied davon singen! [Stolz-Schulbuchverlag - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=363 -] Die spottenden Reformbefürworter haben aber leider sehr wenig Ahnung von den Fakten. Sie berufen sich immer auch auf die Schule: Die Reform könne und dürfe nicht zurückgenommen werden, da es sonst an den Schulen ein Chaos gebe; eine Rücknahme der Reform sei den Schülern auf keinen Fall zumutbar.

Deshalb möchte ich mich als Schulpraktiker äußern (eben pensionierter Gymnasiallehrer mit der Fächerverbindung Latein, Griechisch, Deutsch und Ethik) und einige Fakten liefern, die vielleicht noch nicht oder nicht nachdrücklich genug dargestellt wurden. Ich möchte mit einigen Märchen aufräumen, die von der Mehrheit der Deutschen, sogar wenn sie die alte Rechtschreibung bevorzugen, geglaubt werden.

Hier die Darstellung von Fakten, die in der hektischen Diskussion meist untergehen und die den meisten Leuten zum Teil völlig unbekannt sind:

Als erstes ist festzuhalten:
Die Entscheidung einiger deutscher Zeitungen zum „Aufstand“ gegen die Reform ist unbedingt richtig und notwendig; denn die neue Schreibweise ist schlechter als die traditionelle, weil sie unschärfer abbildet, Zweideutigkeiten schafft, weniger Informationen bietet zu Sinn und Aussprache. Peter von Matt in der NZZ vom 14./15. August: „Da (..) massiv in den Wortschatz eingegriffen, Wörter zerstört und nicht ersetzbare Wortverbindungen verboten wurden, kam es zum Aufstand“ - [ www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2290&highlight=#2290 -]. Gustav Seibt spricht in der Süddeutschen Zeitung von einem „absurden Angriff auf den deutschen Wortschatz“.

Die Gegner der Reform sind in der Regel keine dummen, nicht mehr lernfähigen Alten, die aus lauter Bequemlichkeit das Neue ablehnen (solche gibt es natürlich auch; man erkennt sie an ihrer schwachen Argumentation), sondern es sind Leute, die sich intensiv mit der reformierten Schreibweise beschäftigt haben (als Reformgegner kennen sie das Neue besser als die meisten Befürworter) und die es für ihre Pflicht halten, Widerstand zu leisten, einer besseren Rechtschreibung und nicht zuletzt dem gesunden Menschenverstand zum Sieg zu verhelfen.

Es war ein unerhörter, skandalöser Vorgang, wie da von den Kultusministern falsche Etymologien, grammatikalisch falsche Schreibungen, absurde Regeln der Zusammen- und Getrenntschreibung durchgesetzt wurden, und das unter anderem mit der unverfrorenen Propagandalüge, die Rechtschreibfehler der Schüler würden sich halbieren! [- www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=511 -]. Die Zeitungen sahen sich genötigt, so zu schreiben, wie man in der Schule schreibt: Die Schüler wurden als Geiseln genommen, und die Zeitungen wurden erpreßt.

Und wie ging man mit Lehrern um, die Zivilcourage zeigten? Hierzu ein Beispiel: Ein Lehrer hatte dem bayerischen Kultusministerium erklärt, er könne die Reform nicht unterrichten aufgrund seines Wissens und Gewissens. Daraufhin bekam er von der Regierung Unterfrankens die folgende Antwort:
„Diese Erklärung steht im Gegensatz zu Ihrer sich aus dem Wesen des Beamtenverhältnisses als Dienst- und Treueverhältnis ergebenden Pflicht, sich bei Ihrer Amtsausübung den Richtlinien der Politik der parlamentarisch verantwortlichen Staatsregierung einzuordnen, und zwar auch dann, wenn sie Ihrer Überzeugung nicht entsprechen. Ihre Loyalität verlangt, dass Sie alle rechtmäßigen Weisungen der staatlichen Schulaufsicht befolgen und Sie es unterlassen, eigene, von den staatlichen Vorgaben abweichende Ansichten im Schuldienst zur Geltung zu bringen.“ Zum unsäglichen letzten Satz bemerke ich: Man muß Frau Grammatica mehr gehorchen als der Frau Kultusministerin. Von einer „rechtmäßigen Weisung“ kann natürlich auch nicht die Rede sein: Die Kultusminister überschreiten ihre Kompetenz und machen sich zugleich lächerlich, wenn sie das Unterrichten grammatikalisch und etymologisch falscher Neuschreibungen befehlen! Ebensowenig können sie einem Biologielehrer befehlen, er müsse in Zukunft unterrichten, daß kein Unterschied sei zwischen Hasen und Kaninchen.

Ich möchte jetzt (und das ist die Hauptabsicht dieses Beitrags) eingehen auf ein Argument der Reformbefürworter, das die meisten Leute sehr beeindruckt, weil es scheinbar äußerst gewichtig ist - auch viele Journalisten und viele Politiker, Ministerpräsidenten und Kultusminister, wiederholen es unablässig und mit ernster Miene: Den Schülern – sie hätten die neuen Regeln problemlos gelernt - sei eine Zurücknahme der Reform einfach nicht zuzumuten. Eine solche Umstellung stürze die Kinder in große Verwirrung.

Das Argument ist nichtig. Es kann nur Leute beeindrucken, die vom Rechtschreibunterricht in der Schule und von den wirklichen Problemen dieses Unterrichts nicht die geringste Ahnung haben. Nun glauben aber Millionen Zeitungsleser (sie sind keine Deutschlehrer, haben sich nie intensiver befaßt mit Dingen der Rechtschreibung, kennen natürlich die wirklichen Probleme des Rechtschreibunterrichts nicht) an die Stichhaltigkeit dieses Arguments. Aufklärung von seiten der Unterrichtspraxis ist deshalb dringend erforderlich.

Richtig ist folgendes: Die Schüler würden die Rückumstellung kaum bemerken. Sie wäre ganz nebenbei und völlig problemlos zu bewerkstelligen. Warum?

Weil die beiden Rechtschreibungen, wenn man absieht von der neuen ss-Schreibung, zu mehr als 99 Prozent identisch sind (von hundert Wörtern eines Aufsatzes werden also 99 Wörter geschrieben wie bisher). Jeder kann den Test machen. Ich nehme den Leitartikel der Augsburger Allgemeinen vom 6. September 2004 („Neue Schlappe für die SPD). Bei 435 Wörtern gibt es nur einen einzigen Unterschied zwischen alter und neuer Rechtschreibung (wenn man absieht vom neuen ss): statt „liegen ließ“ schrieb man früher „liegenließ“; es gibt nur zwei neue ss-Schreibungen: musste, dass.

Warum wäre die Rückumstellung zur traditionellen ß/ss-Schreibung (die neue ss-Schreibung umfaßt 90 Prozent der Änderungen!) spielend leicht und ohne jedes Problem sehr schnell möglich?
Weil sich der Schüler im wesentlichen nur folgendes merken muß: Am Wortende (auch nach dem ersten Bestandteil bei zusammengesetzten Wörtern) schreiben wir statt ss scharfes ß (muss > muß, Flussufer > Flußufer), vor Mitlaut (z.B. vor l oder t) schreiben wir statt ss scharfes ß (musste > mußte). Sonst ß wie bisher, ss wie bisher. Schüler mit durchschnittlichem Auffassungsvermögen begreifen das in wenigen Minuten,.
(Nebenbei bemerkt: man sollte vor allem aus diesen Gründen zur bewährten ß/ss -Schreibung zurückkehren: eine kleine Platzersparnis durch weniger aufgeschwemmte Texte; Vermeidung des überaus häßlichen, ständig unangenehm ins Auge springenden ss / sss. ß ist außerdem eine sehr wertvolle optische Leseerleichterung, auf die man nicht verzichten sollte! [Siehe dazu Horst Haider Munske - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2309&highlight=#2309 -]. Gustav Seibt spricht in der Süddeutschen Zeitung von einer „Boje mit Fähnchen“. )

Warum wäre auch die Rückumstellung der anderen Reformbereiche (wohlgemerkt kaum ein Prozent!) nicht das allergeringste Problem?
Weil man einige Änderungen aus dem Bereich dieses einen Prozents sogar beibehalten kann und weil dieses eine Prozent de facto gar nicht Schulstoff ist! Der Schüler hat es (mit kleinen Ausnahmen) gar nicht gelernt. Er hat nur ganz wenige, völlig unbedeutende Kleinigkeiten gelernt (z. B. Stängel, Gämse, Schifffahrt, Gräuel, „Komma vor „und“ und vor erweitertem Infinitiv darf weggelassen werden“...). In der Grundschule sind das ganze drei oder vier Wörter! Also braucht er fast nichts umzulernen! Die paar Neuschreibungen wird der Lehrer natürlich tolerieren und, soweit nötig und sinnvoll, im Lauf der Zeit behutsam durch die besseren traditionellen Schreibungen ersetzen.

Entscheidend für die Rechtschreibleistungen eines Schülers sind ausschließlich die den beiden Schreibungen gemeinsamen 99 Prozent. Wer’ s nicht glaubt, kann sich im Internet informieren: unter

www.rechtschreibreform.com/Seiten2/Wissenschaft/001Untersuchung.html
www.rechtschreibreform.com/Seiten2/Wissenschaft/002Untersuchung.html
www.rechtschreibreform.com/Seiten2/Wissenschaft/003Untersuchung.html

findet er alle Rechtschreibfehler von 90 Schüleraufsätzen aufgelistet. Er wird dann erkennen, wie belanglos es ist, ob wir in der Schule nach den alten oder nach den neuen Regeln schreiben. Und er weiß dann, worin die wirklichen Sorgen der Deutschlehrer bestehen.

Warum aber ist das knappe Prozent der Unterschiede (mit wenigen Ausnahmen) nicht Schulstoff? Warum kann, ja muß es der Lehrer fast völlig vernachlässigen? Weil es sich hierbei um Spitzfindigkeiten aller Art, um komplizierte, sogar unter Wissenschaftlern umstrittene Probleme der Groß- und Kleinschreibung, der Getrennt- und Zusammenschreibung handelt. Der Deutschlehrer hat keine Zeit für so etwas, auch keine Zeit für schwierige Variationen der Worttrennung, die übrigens in der Praxis des Unterrichts kaum eine Rolle spielt: Die Schüler trennen ungern, und wenn sie falsch trennen, dann so falsch, daß es ein Fehler ist sowohl nach der neuen als auch nach der alten Schreibweise. Der Deutschlehrer hat wahrhaft andere Sorgen.
Beispiel: den Kürzeren ziehen. Ob ein Schüler schreibt „den Kürzeren ziehen“ oder „den kürzeren ziehen“, „in Bezug auf“ oder „in bezug auf“, „beim Alten lassen“ oder „beim alten lassen“, ist dem korrigierenden Lehrer, wenn er keine krankhafter Pedant ist, der nicht mehr unterscheiden kann zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem, egal. Er wird solche Dinge nicht zum Unterrichtsstoff machen, er wird sie vielleicht kurz erwähnen, er wird sie ausbessern, aber er wird nie einen Fehler rechnen. Manchmal weiß er es selber nicht. Der Stoff dieses einen Prozents ist viel zu wirr, viel zu kompliziert. Die Deutschlehrer haben, wie gesagt, andere Probleme, etwa mit solchen Schreibungen: denn kürtzeren zihen, in Betzuhg auf, beim allten lasen...

Wenn nun manche Lehrer und von ihnen beeinflußte Schüler behaupten, man habe die neuen Regeln gelernt, diese Regeln seien klar und einfach, man beherrsche jetzt die neue Rechtschreibung und man wolle auf diesen Fortschritt nicht verzichten und auf keinen Fall umlernen, dann ist das schlichter Unsinn!

Beweis: Bisher schrieb man nach der einfachen Regel (natürlich gab es auch hier Ausnahmen, aber wen kümmert das?), daß man zusammenschreibt, was man als Einheit zusammendenkt, zusammenspricht und vorne betont, folgendermaßen: lahmlegen, stillstehen (= in der Bewegung aufhören), fernhalten, zurückeilen, vorwärtskommen, volltrunken, vollpfropfen, volltönend, schwerverträglich, vollklimatisiert, kennenlernen, hochfliegend, fettfüttern, vollbeschäftigt, volltanken, zusammenarbeiten, halbnackt, halblaut, wohlwollen (= wohlgesinnt sein), hochexplosiv, schwerverständlich, wohlverstanden, querlegen, wohltuend, wohltun, hinabsteigen, schwerhalten (= schwierig sein), fortschreiten, Handvoll (= Mengenmaß), darumlegen, vollschmieren, (sich) danebenbenehmen, offenlegen (= einsichtig machen) usw...

Jetzt (Duden, 23. Auflage, 2004) schreibt man so (keine Varianten!): lahm legen, stillstehen, fern halten, zurückeilen, vorwärts kommen, volltrunken, voll pfropfen, volltönend, schwer verträglich, vollklimatisiert, kennen lernen, hochfliegend, fett füttern, vollbeschäftigt, voll tanken, zusammenarbeiten, halb nackt (trotz Betonung auf „halb“), halblaut, wohl wollen, hochexplosiv, schwer verständlich, wohlverstanden, quer legen, wohltuend, wohl tun, hinabsteigen, schwer halten, fortschreiten, Hand voll, darumlegen, voll schmieren, (sich) danebenbenehmen, offen legen usw......

All das sollen die Schüler tatsächlich beherrschen (ich brachte nur wenige Beispiele; hunderte wären möglich!), weil sie angeblich die neuen Regeln seit Jahren erfolgreich gelernt haben? Und das soll klarer und verständlicher sein? Ein Diktat mit solchen Wörtern ließe die Fehlerzahl ums Zehnfache steigen!

Wenn die Kultusminister behaupten, es würden jetzt weniger Fehler gemacht, dann ist das eine unverfrorene Verfälschung der Tatsachen, oder aber: die Minister zeigen völlige Ignoranz bezüglich der Rechtschreibwirklichkeit an unseren Schulen und bezüglich der Problematik des von ihnen verordneten Regelwerkes. Es werden nicht weniger Fehler gemacht, sondern mehr. Wie sollten denn weniger Fehler an den Schulen möglich sein, wenn die Zeitungen mehr Fehler machen (falsche Getrenntschreibungen, falsche Großschreibungen)? Sind Journalisten etwa dümmer als Schüler? Wie sollten weniger Fehler an den Schulen möglich sein, wenn die beiden Schreibweisen (abgesehen vom neuen ss) zu mehr als 99 Prozent identisch sind, wenn die neue ss-Schreibung fehlerträchtiger ist und wenn das restliche Prozent (falls man überhaupt Zeit hat, solche Dinge im Unterricht zu besprechen) neue heftig sprudelnde Fehlerquellen enthält: Die vermehrte Getrenntschreibung (neue Faustregel: im Zweifelsfall getrennt) führt zu vielen falschen Getrenntschreibungen, die vermehrte Großschreibung zu falschen Großschreibungen, die äußerst stark vermehrten Varianten zu einer Nachlässigkeit, die weitere Fehler erzeugt. Die Kommamoral sinkt natürlich auch, wenn man Kommata weglassen darf, die für das Vermeiden von Zweideutigkeiten wichtig wären. Warum vor „daß“ ein Komma, wenn ich im folgenden Satz das Komma weglassen darf: Er riet ihm den Brief zu schreiben.

Man muß sich also schämen für die Ignoranz der Kultusminister, die von einer Verringerung der Fehlerzahl reden. Aber selbst wenn die Behauptung richtig wäre, selbst wenn in der Schule weniger Fehler gemacht würden, wäre diese Argumentation von höchster Peinlichkeit, weil sie zeigt, daß die Minister den folgenden simplen Sachverhalt nicht begriffen haben: Ob in der Schule beim Erlernen der Rechtschreibung ein paar Fehler mehr oder weniger gemacht werden, darf kein Kriterium dafür sein, welche Rechtschreibung in einer Sprachgemeinschaft zu gelten hat. Die Frage darf nämlich nicht lauten: Was bringt den Schülern Vorteile? Sondern die Frage muß lauten: Was bringt den 100 Millionen Schreibern und vor allem Lesern der deutschen Sprache Vorteile? Und wenn die beste Rechtschreibung für die Lernenden ein bißchen schwieriger wäre als die zweitbeste, dann müßte eben die schwierigere Schreibung in der Schule gelehrt und gelernt werden.

Ich fasse zusammen: Die Rückumstellung ist für Schüler kaum bemerkbar, weil sie im wesentlichen auf die geradezu in Sekundenschnelle zu erklärende traditionelle ss/ß-Regelung beschränkt ist. „Macht ß statt ss vor Mitlaut und am Wortende!“ Das darf man den Schülern nicht zumuten? Das soll Chaos verursachen?
Schreibungen aus dem Bereich des einen Prozents der schwierigeren Unterschiede kommen in Schüleraufsätzen nur überaus selten vor. Wird ein Fehler gemacht, handelt es sich grundsätzlich um eine harmlose Kleinigkeit, die kein psychisch gesunder Deutschlehrer als Fehler rechnen wird. Er wird sich damit begnügen, den „Fehler“ auszubessern. Denn bei dem einen Prozent geht es in der Regel um unwichtige Randdinge, um bloßen Ballast. Das Wenigste davon kann durchgenommen werden. Ein Lehrer, der seine Schüler mit solchen Spitzfindigkeiten nervt, versäumt das eigentlich Wichtige. Auf die 99 Prozent kommt es an, also auf das beiden Rechtschreibungen Gemeinsame! Außerdem: die alte Rechtschreibung (selbstverständlich sind behutsame Verbesserungen angebracht) ist vor allem im Bereich der Zusammen- und Getrenntschreibung weniger fehlerträchtig und gleichzeitig wiedergabegenauer!

Ich höre jetzt den folgenden Einwand: Warum die Reform zurücknehmen, wenn die Sache ohnehin für die Schule belanglos ist? Warum also den Schülern nicht die neue Schreibweise lassen?
Die Antwort ist überaus einfach: Wenn es sich lediglich um Diktate und Aufsätze handelte, die immer nur für jeweils einen einzigen korrigierenden Lehrer bestimmt sind, dann wäre es ziemlich egal, wie geschrieben wird. Da es aber um Bücher, Zeitschriften und Zeitungen geht, auch um Internettexte, die für viele Millionen von Lesern bestimmt sind, darf e i n e schlechtere Schreibungen pro hundert Wörter (bei 25 bis 30 Buchseiten ergibt das 100 sinnwidrige bzw. grammatikalisch oder etymologisch falsche Schreibungen!), außerdem eine Kommasetzung, die das blitzschnelle Erfassen des Sinns des öfteren erschwert, auf keinen Fall hingenommen werden. Die Rechtschreibung ist nicht für die Schule da, sondern die Schule ist dazu da, die beste, leserfreundlichste, wiedergabegenaueste Rechtschreibung zu lehren. Eine Rückkehr zur traditionellen, einheitlichen Schreibung ist deshalb unerläßlich.

Erst wenn die Einheitlichkeit wiederhergestellt ist, kann man über das Auskämmen von Ungereimtheiten der traditionellen Schreibung reden.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Illauer

Illauer: Re: Schüler als Leidtragende? #25959 - 17.09.2004 14:13
SZ-Rechtschreib-Forum: Rechtschreibung – die deutscheste aller Dampfschif(f)fahrten,
Strang: Schüler als Leidtragende?

www.sueddeutsche.de/app/service/forum/showflat.php?Cat=&Board=Rechtschreibung
&Number=25418&page=0&view=collapsed&sb=5&o=&fpart=4&vc=1
__________________________________________________________

Anmerkung:

Die oben genannten drei Links zu Illauers Fehlerstatistiken sind beachtenswert.

In den Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.

Vgl. auch Dietz, Helma; Illauer, Wolfgang u. a.: Die Rechtschreibreform in der Schulpraxis. Stellungnahme der bundesweiten Initiative „Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform“ zum Fragenkatalog des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtschreibreform für die Verhandlung am 12. Mai 1998, 18 Seiten (Studiendirektoren beweisen u. a., daß durch die neue Rechtschreibung mehr Rechtschreibfehler entstehen.), auszugsweise abgedruckt in:
Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS): Unser Kampf gegen die Rechtschreibreform, Volksentscheid in Schleswig-Holstein, Bearbeitung und Kommentar: Manfred Riebe, Nürnberg 1998, S. 10-13

Wer mehr über Wolfgang Illauer wissen will, findet hier weitere Informationen: www.vrs-ev.de/vorstand.php#illauer und www.raytec.de/rechtschreibreform/ -.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Samstag, 11. Jun. 2005 12:45, insgesamt 12mal bearbeitet
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Beitrag: Dienstag, 05. Okt. 2004 23:28    Titel: Antworten mit Zitat

Verbreitung des Textes an Lehrer
___________________________

Lieber Herr Illauer!

Danke für Ihren Beitrag darüber, welche (minimalen) Probleme die Reformrücknahme in der Schule tatsächlich mit sich bringen würde - als Nicht-Lehrer weiß man darüber nicht so viel und macht sich falsche Vorstellungen.

Mein Fax rattert; ich erlaube mir, Ihren Text bei einigen Lehrern in der näheren und ferneren Bekanntschaft weiterzuverbreiten.

Angesichts der zynischen Kommentare der Schulbuchverlage („die Bevölkerung ist der Überzeugung, daß die Reform auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird“), die Frau Stolz zitiert, müßte man nachdenken, wie man diesem gängigen, manipulativen „Die-armen-Kinder“-Argument entgegenwirken könnte, um das Thema in den Köpfen anders zu besetzen. „Weg mit der Reform“ reicht da nicht - es müßte positiv formuliert sein: „Schützt unsre Kinder vor...“ - „Schenkt unsern Kindern...“, „Laßt unsern Kindern...“.

Ich denke mal drüber nach.

Herzliche Grüße

KeinGuru

KeinGuru: Re: Schüler als Leidtragende? #26056 - 19.09.2004 17:39
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Beitrag: Montag, 27. Dez. 2004 00:03    Titel: Josefine Ahrens (15) aus Elsfleth Antworten mit Zitat



Josefine Ahrens (15) aus Elsfleth:
„Ich klage gegen die Rechtschreibreform“

Wenn Josefine über die Rechtschreibreform spricht, klingt es, als würde ein Sprachwissenschaftler reden - und nicht eine ganz normale Schülerin. In Sachen Orthographie kennt sie sich aus, da macht ihr keiner was vor. „Die Reform ist total unsinnig“, meint die Zehntklässlerin.

In der 2. Klasse kam Josefine verwirrt von der Schule heim

Das hübsche Mädchen, das Schauspielerin werden will, stolperte mit acht Jahren das erste mal über die Reform: „Ich kam aus der Schule und zeigte meiner Mutter ein Diktat. Ich hatte das Wort ,Zucker’ mit ,kk’ getrennt, sollte es aber jetzt nach dem ‚u’ trennen und dann ,ck’ schreiben. Meine Eltern waren entsetzt - und so beschlossen wir, etwas dagegen zu tun.“

Josefines Eltern reichten Klage beim Kultusministerium ein und kämpfen seitdem - gemeinsam mit ihrer Tochter - dagegen, dass die neue Rechtschreibung am 1. August 2005 verbindlich wird. Bisher ist beides erlaubt, die alte und die neue. „Ein Kuddelmuddel“, findet Josefine. „Jeder meiner Mitschüler schreibt anders, selbst die Lehrer wissen oft nicht weiter.“ Kein Wunder, die Regeln sind teilweise unlogisch. „Oder können Sie mir erklären, weshalb man eingedeutscht ‘Portmonee’ schreibt, aber weiterhin ,Teenager’?“, fragt Josefine. Nein, können wir nicht. Aber wir warten gespannt auf den nächsten August!

Bildunterschrift: Sie kennt sich aus mit der deutschen Sprache: Mutig kämpft Josefine gegen die Rechtschreibreform [Josefine hält auf dem Foto in den Händen das Buch von Theodor Ickler: Die sogenannte Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich, MR]

bella Nr. 49 vom 24. November 2004, S. 23
Heinrich Bauer ACHAT KG, bella, Hamburg


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Freitag, 11. Feb. 2005 20:19, insgesamt 2mal bearbeitet
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Beitrag: Montag, 17. Jan. 2005 21:27    Titel: „Die Rechtschreibreform geht an den Problemen der Schüler vo Antworten mit Zitat

Theodor Ickler: „Die Rechtschreibreform geht an den Problemen der Schüler vorbei. Sie ist naiv und unkultiviert.“
„Alle reformierten Texte, Schulbücher, Kinderbücher, Zeitungen wimmeln von Fehlern, die man bis zur Reform überhaupt nicht kannte.“


[...]
In einer Zentralverwaltungswirtschaft fehlt es erfahrungsgemäß an allen Ecken und Enden, die Versorgung klappt einfach nicht. Stopft man hier ein Loch, reißt dort ein neues auf. So war es auch mit der Rechtschreibreform. Man führt die Dreibuchstabenregel ein, wonach in Zusammensetzungen wie Stofffetzen alle drei f erhalten bleiben. Zusammen mit der neuen s-Schreibung ergeben sich zahlreiche unschöne Wörter wie genusssüchtig - mit drei s. Um sie optisch zu entzerren, wird ein Bindestrich empfohlen: genuss-süchtig. Dann taucht aber sofort ein neues Problem auf: Muß der Genuss dann nicht groß geschrieben werden? Eigentlich schon, sagen die Reformer, und deshalb sollte man lieber auf den Bindestrich verzichten. Lauter Probleme, die man vor dem Eingriff gar nicht kannte.

Bei dem Deutschdidaktiker Bernhard Weisgerber läßt sich der kulturrevolutionäre Geist der Rechtschreibreformer klar erkennen. Für den seltenen Fall, daß ein Schüler das Wort Eltern mit Ä geschrieben hat, schlägt er folgende Ansprache des Lehrers vor:

„'Du hast Eltern mit Ä geschrieben. Sicher hast du gedacht: Das sind die Älteren, Eltern gehört also zu alt. Und damit hast du recht. Aber nach der heute geltenden Rechtschreibregelung wird das Wort Eltern mit E geschrieben. Wenn du in unserer Gesellschaft Ärger vermeiden willst, mußt du dich zunächst an diese Regelung halten. Wenn aber viele Leute darüber nachdenken wie du, wird die Schreibung vielleicht später einmal geändert.'“

Bezeichnend ist, daß - und wie - dem Schüler recht gegeben wird. Er hat sogar das höhere Recht für sich, die Erwachsenen können bloß die dumpfe Gewohnheit und die schiere Macht für sich in Anspruch nehmen. Eines Tages, wenn sie „nachdenken“, werden sie sich bekehren, und die Letzten werden dann die Ersten sein. Einstweilen müssen sich die jungen Leute fügen, dürfen sozusagen die Faust nur in der Hosentasche ballen, um „Ärger zu vermeiden“. Manche Reformbetreiber haben ihre Befriedigung darüber zum Ausdruck gebracht, daß nun die Kinder die Erwachsenen „korrigieren“ werden. Hierher gehört auch die Abschaffung der Höflichkeitsgroßschreibung.

Die bekannten Stolpersteine der deutschen Rechtschreibung sind durch die Reform nicht beseitigt worden. Einige Jahre zuvor hatte ein durchaus reformfreudiger Deutschdidaktiker eine Liste der 50 häufigsten Rechtschreibfehler veröffentlicht. Kein einziger davon wird von der Rechtschreibreform berührt. Ein anderer Forscher stellte fest, daß die Schüler in 3.000 Diktaten das Wort Sonnenblumenkernen (Dativ Plural) auf 236 verschiedene Weisen geschrieben hatten. Keine Rechtschreibreform kann daran etwas ändern. Die jetzige Reform geht an den wirklichen Problemen der Schüler schlicht vorbei. Sie hat aber neue Problemfälle in ungeahnter Zahl geschaffen. Noch heute wissen die reformierten Wörterbücher nicht zu sagen, wie man wohlbekannt oder die Langeweile denn nun schreiben soll. Ein bekannter Schulbuchverfasser rät den Schülern, die schwierigen Wörter ganz zu meiden und lieber etwas anderes zu schreiben, als sie eigentlich schreiben wollten. Alle reformierten Texte, Schulbücher, Kinderbücher, Zeitungen wimmeln von Fehlern, die man bis zur Reform überhaupt nicht kannte. Die Einheitlichkeit der Schreibweise ist auf lange Zeit zerstört. Die Reformer erfinden jedes Jahr neue Varianten, nur um nicht zugeben zu müssen, daß ihr Unternehmen in der Sackgasse steckt. Und diese Varianten werden als neue „Freiheiten“ für die Schreibenden angepriesen, während man sie zuvor als „Zonen der Unsicherheit“ angeprangert und als Argument für eine angeblich dringend nötige Reform ins Feld geführt hatte.

Die wirkliche Entwicklung unserer Orthographie fand im Zeichen des Lesens statt. Das Ergebnis war eine der leserfreundlichsten Rechtschreibungen der Welt. Den Leser interessiert die Bedeutung des Geschriebenen, nichts anderes. Aber ausgerechnet von der Bedeutung wollten die Reformer nichts wissen, es war einer ihrer Grundsätze (ich zitiere:) „die Schreibung vom Transport semantischer Informationen zu entlasten“ Der Schritt in die Sinn-Losigkeit war also kein Betriebsunfall, sondern Absicht.

Wie verkehrt die Reformer ihre Sache angepackt haben, läßt sich über die Jahre hin genau verfolgen. Die Buchstabenschrift findet nach ihren Vorstellungen ihre Erfüllung in der Eins-zu-eins-Abbildung der Laute. Aber dieses Stadium hat die deutsche Schreibweise schon vor Jahrhunderten überwunden. Nach Gehör schreiben zu können, ist das Ideal von Dienstleistern, die fremde Texte nach Diktat schreiben und dabei Wörter zu Papier bringen müssen, die sie nicht verstehen und selbst nicht gebrauchen würden. Für solche bloßen Schreibkräfte ist die Orthographie aber nicht gemacht. Deshalb ist die Rechtschreibreform schon von der Wurzel her naiv und unkultiviert.

Ist diese folgenreiche Zwangsbewirtschaftung der deutschen Sprache überhaupt noch rückgängig zu machen? Die Reformbetreiber behaupten, das sei mit Rücksicht auf die Schüler nicht mehr möglich. In Wirklichkeit haben die Schüler von der Reform fast nichts übernommen. Der gesamte Rechtschreibwortschatz der vierjährigen Grundschule umfaßt nur 24 geänderte Wörter - alle wegen des Doppel-s. Was die Schüler wirklich belastet, ist die Unzahl der reformierten und damit verdorbenen Texte, mit denen sie es täglich zu tun haben und die ihre sprachliche Intuition, vor allem das Gefühl für Wortarten, aber auch all die anderen Feinheiten, die ich genannt habe, von Grund auf zerrütten. Hier muß dringend ein Schlußstrich gezogen werden - aber bitte mit scharfem s, denn „ss am Schluß bringt Verdruß“. So einfach ist das.

Prof. Theodor Ickler: “Reform mit drei ‚F’ - Über die Folgen der neuen deutschen Rechtschreibregeln”. SÜDWESTRUNDFUNK, SWR2 Aula, Sendung: Samstag, 01. Januar 2005, 8.30 Uhr, Redaktion: Ralf Caspary
www.swr.de/swr2/sendungen/wissen-aula/archiv/2005/01/01/

Zum Autor:
Theodor Ickler, geb. 1944, Studium der Germanistik, Klassische Philologie, Philosophie und Indogermanistik in Marburg; 1970 Erstes Staatsexamen für das Lehramt, 1973 Promotion in Klassischer Philologie und Indogermanistik. 1979 Zweites Staatsexamen. 1985 Habilitation für Deutsch als Fremdsprache. Seit 1987 Professor für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Erlangen. Ickler gilt als einer der schärfsten Kritiker der Rechtschreibreform. Für sein Engagement erhielt er den deutschen Sprachpreis.

Bücher:
- Die Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich.
- Regelungsgewalt. Hintergründe der Rechtschreibreform.
- Die Disziplinierung der Sprache. Fachsprachen in unserer Zeit.
- Normale deutsche Rechtschreibung. Leibniz Verlag
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Manfred Riebe



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Beitrag: Mittwoch, 19. Jan. 2005 19:07    Titel: Kinder als „Humankapital“ Antworten mit Zitat

Kinder als „Humankapital“
Die „Rechtschreibreform“ eine „Entwertung von Humankapital“
_____________________________________________________________________________________

„Humankapital“ - Unwort des Jahres

Wenn Menschen nur noch Rechengrößen sind

FRANKFURT/Main - Kaum ist das „Unwort des Jahres 2004“ veröffentlicht, trudelt eine mit „Humankapital“ überschriebene Pressemitteilung in die Redaktionen: Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft hat errechnet, dass das Humankapital der voll erwerbstätigen Bundesbürger 1999 insgesamt 3,75 Billionen Euro betrug. Soweit die Wirtschaftswissenschaftler, die damit das „Vermögen in den Köpfen“ berechnen wollten.

Bei Sprachwissenschaftlern ist „Humankapital“ dagegen gerade in Ungnade gefallen. Der Begriff degradiere nicht nur Arbeitskräfte, sondern Menschen überhaupt zu nur noch ökonomisch interessanten Größen, kritisiert Horst Dieter Schlosser, Professor für Deutsche Philologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Freilich betont Schlosser, dass er den Ökonomen den Ausdruck nicht nehmen wolle. Er fügt aber hinzu, dass es der Wissenschaft ganz allgemein bei der Wortwahl manchmal an Feinfühligkeit mangelt.

Krasse Missverhältnisse

Die „Sprachkritische Aktion“, die krasse Missverhältnisse zwischen Wörtern und Sachen entlarven soll, zielt daher diesmal auf den unreflektierten Gebrauch eines Fachwortes in der Allgemeinsprache. „Entterminologisierung“ nennt Schlosser das, wenn wissenschaftliche Begriffe so „in die Öffentlichkeit sickern“. „Ein Esel wird auch erst zum Schimpfwort, wenn damit ein Mensch gemeint ist“, erklärt er.

Bei der Unwort-Jury ist „Humankapital“ sozusagen ein alter Bekannter. „Das Wort taucht eigentlich jedes Jahr auf“, sagt Schlosser. Bereits 1998 hatten es die Juroren als Bezeichnung für Kinder gerügt.

Tatsächlich ist „Humankapital“, das der „Brockhaus“ als Gesamtheit der wirtschaftlich verwertbaren Fähigkeiten von Personen definiert, fester Begriff der Volkswirtschaftslehre. Er stammt wie viele andere Ökonomie-Begriffe aus den USA, wo ihn der Forscher Gary Becker in dem 1964 veröffentlichten Buch „Human Capital“ bekannt machte.

Heute spuckt die Suchmaschine Google dafür mehr als 4,4 Millionen Treffer aus, beim deutschen Begriff sind es immerhin 130000. Sogar Gewerkschaftsfunktionäre benutzen es: Humankapital sei es, was den Standort Deutschland auszeichne, sagte IG-Metall-Chef Jürgen Peters jüngst.

Für den Direktor des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache, Ludwig Eichinger, ist die Wahl typisch für „die Interpretation unseres Lebens nach wirtschaftlichen Kategorien“. Das zeige auch die Wahl von „Hartz IV“ zum Wort des Jahres 2004. Eichinger betont, dass es „sicher vernünftig ist“, auszurechnen, welchen Anteil menschliche Intelligenz am wirtschaftlichen Ganzen hat. In der „bürgerlichen Öffentlichkeit“ wirke der Begriff Humankapital aber verstörend: „Man findet sich als Mensch in diesem Wort nicht wieder“, sagt Eichinger.

Für Klaus Reichert, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, zeigt die Wahl, mit welchen unmenschlichen Wörtern in der Wirtschaft umgegangen werde: „Die totale Verdinglichung oder Verwirtschaftlichung des Menschen kommt in diesem schändlichem[n] Wort gut zum Ausdruck.“ Nikolaus von Twickel, ap

Nürnberger Zeitung Nr. 14 vom 19. Januar 2005, S. 5

____________________________________________

Anmerkungen:

Bereits 1998 hatten die Juroren das Wort „Humankapital“ als Bezeichnung für Kinder gerügt.

Oben sprach Theodor Ickler von der sogenannten Rechtschreibreform als einer „Zwangsbewirtschaftung der deutschen Sprache“. Klaus Reichert, der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, spricht von einer „Verwirtschaftlichung des Menschen“.

Professor Helmut Berschin schrieb, aus volkswirtschaftlicher Sicht bedeute das Milliardenprojekt „Rechtschreibreform“ einerseits eine „Entwertung von Humankapital“, nämlich der bisherigen Rechtschreibkenntnisse, andererseits erfordere sie große Investitionen, um die neue Schreibung umzusetzen und zu erlernen.
(Berschin, Helmut: Laufenlassen oder nicht laufen lassen? Eine Zwischenbilanz zur Rechtschreibreform. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik, Heft 1, 1998, S. 47)

1995:
10. Platz: Rechtschreibreform

1996:
6. Platz: Rechtschreibreform
Häufigste Nennungen: Sparpaket (122), Rechtschreibreform (98)

1997:
Häufigste Nennung: Rechtschreibreform (132)

1998:
3. Platz: Humankapital (als Bezeichnung von Kindern!)

www.unwortdesjahres.org
inoffiziell: www.unwort.de
Soviel Wortmüll war nie - Unwörter von 1991 bis 2003. In: FAZ-NET vom 20. Januar 2004 - www.faz.net/
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Elke Philburn



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Beitrag: Sonntag, 30. Jan. 2005 01:44    Titel: Investieren Sie Ihre Kinder! Antworten mit Zitat

Investieren Sie Ihre Kinder!
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<b>Neue Orthografie:
Der grosse Stuss</b>

Die so genannte neue Orthografie
enthält Atem raubende Missstände wie noch nie
und führt zu Unheil bringendem Stuss
dass wohl meinendsten Menschen übel werden muss

Man glaubt es wär' nahe liegend nur für Rinder
statt dessen Verwirrung stiftend auch für Kinder
der in mancher Zeitung ohne demokratischen Beschluss
Kopf über eingeführte Stuss.

Hoch bezahlte schwarze Roben
welche mit Genusssucht Paragrafen loben
ziehen Hände reibend sich zurück,
Hohn lachend über's Bildungsbürokraten Stück.

Selbst Berufs mäßig Dienst habende Bibliofile
verstehen Schluss endlich nur mit Mühe
dass sich Umsatz bringendes Geschäft
auch mit orthograf'schem Missstand machen lässt.



Die neue Orthografie
ist ein gutes Geschäft.

Investieren Sie
Ihre Kinder!

Kopieren und Weitergabe erwünscht.

Herausgegeben von RA Gerhard Hett,
86356 Neusäß,
Tel. 0821/4861039

Deutscher Sprachpreis 2005 des Lese- und Literatur-Förder-Vereins München für Rechtsanwalt Gerhard Hett
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=4161#4161



Zuletzt bearbeitet von Elke Philburn am Freitag, 14. Okt. 2005 14:54, insgesamt 1mal bearbeitet
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Alfred Bomanns



Registriert seit: 25.01.2004
Beiträge: 6
Wohnort: Oberhausen

Beitrag: Samstag, 05. Feb. 2005 18:34    Titel: Irreführung der Schüler Antworten mit Zitat

Zu dem Artikel: Josefine Ahrens (15) aus Elsfleth: „Ich klage gegen die Rechtschreibreform“
Zitat:
In der 2. Klasse kam Josefine verwirrt von der Schule heim. Das hübsche Mädchen, das Schauspielerin werden will, stolperte mit acht Jahren das erste mal über die Reform: „Ich kam aus der Schule und zeigte meiner Mutter ein Diktat. Ich hatte das Wort ,Zucker’ mit ,kk’ getrennt, sollte es aber jetzt nach dem ‚u’ trennen und dann ,ck’ schreiben. Meine Eltern waren entsetzt - und so beschlossen wir, etwas dagegen zu tun.“

Die damals 8jährige Josefine Ahrens war verstimmt, weil sie gut in Rechtschreibung war und das, was sie in der Schule gelernt hatte, nun auf einmal durch einen Staatsstreich über den Haufen geworfen wurde. Man muß sich einmal vorstellen, ein Kind lernt in Mathematik "a*b = b*a" - und nächste Woche streicht der Lehrer das als falsch an und sagt: "Das war nur ein Scherz, das gilt jetzt nicht mehr." Die Demotivierung des Schülers wäre enorm.

Man muß natürlich in unserer Epoche ständig dazulernen. Niemand wird den Wandel ablehnen, wenn er unser Leben verbessert. Mir ist natürlich klar, daß unsere Sprache allgemein und die Rechtschreibung im besonderen nur eine Konvention ist und kein Naturgesetz. Aber diese vertrauten Wortbilder und Begriffe ("sogenannt") wird man doch nicht ohne guten Grund aufgeben.

Die Rechtschreibreform ist aber nun ein völlig überflüssiger und sogar schädlicher Eingriff in unsere Sprache. Sie hat zu Verwirrung und Beliebigkeit geführt. Wer mit der bewährten Rechtschreibung Schwierigkeiten hatte, wird auch die Reformschreibung nicht beherrschen. Andererseits machen diejenigen, die vorher gut schreiben konnten, nun laufend Fehler. Selbst Briefe aus dem Schulsekretariat sind heutzutage mit Fehlern durchsetzt. Die Reform bringt also niemandem etwas ein - außer den Schul- und Wörterbuchverlegern.

Falls die Schlechtschreibreform durchkommen sollte, gehe ich davon aus, daß weitere Umstellungen im Zehnjahresturnus folgen werden.

Denn seien wir doch ehrlich: es wird stets Kinder geben, die nicht so gut schreiben können wie der Durchschnitt ihres Jahrgangs (so ist das eben mit der Normalverteilung), und dies würde immer wieder Anlaß für neue Reformbestrebungen und vermeintliche "Erleichterungen" sein. Vielleicht schreibt man "Zucker" dann einmal "Tsukker" oder "tsuker". Natürlich könnte im Prinzip auch jeder nur einige Buchstaben lernen und dann alles nach der Aussprache schreiben, so wie er sie persönlich empfindet, nur ist das dann so schwer zu lesen. Und die meisten Menschen lesen nun einmal viel mehr als sie schreiben!

Die Reformvorantreiber, deren Ziel schlußendlich die Abschaffung einer verbindlichen und damit lesbaren Schreibung ist, würden in einem solchen Szenario keine Ruhe geben. Schließlich muß in Deutschland Arbeit geschaffen werden - unter anderem für Germanisten und Pädagogen.

Niemand würde sich überhaupt mehr Mühe geben, die Rechtschreibung zu erlernen, da sie bei der nächsten Reform ja wieder umgestellt würde.
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