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Manfred Riebe
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: Montag, 10. Mai. 2004 13:55 Titel: Zur Ideologie der Sprachzersetzung |
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George Orwell: „Big Brother is Watching You!“
Zum totalitären Ungeist der Rechtschreibreform
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George Orwell: 1984, Nineteen eighty-four, Frankfurt, Berlin: Propyläen Verlag, Jubiläumsausgabe 1984.
Wolfgang Denk, der Sohn des Studiendirektors Friedrich Denk aus Weilheim in Oberbayern, des Initiators der Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform vom Oktober 1996, hatte im August 1996 im Sommerurlaub George Orwells Roman „1984“ gelesen, geschrieben im Juli 1948 von Eric Blair (alias George Orwell, 1903-1950). Eric Blair erlebte als britischer Militärpolizist in Indien die widerwärtigen Methoden der Kolonialmacht gegenüber ihren Untertanen. Nach mehreren Romanen, in denen er seine Erlebnisse aufarbeitete, folgte schließlich 1944 die geniale Fabel „Die Farm der Tiere“, mit der er über Nacht berühmt wurde. Vor der schottischen Westküste, auf der Insel Jura, stellte er 1948 den wohl berühmtesten Science-Fiction-Roman „1984“ fertig. Orwell beschreibt darin eine Diktatur, in der Gedankenfreiheit zuerst ein tödliches Verbrechen ist, später aber durch gezielte Sprachmanipulation nur noch ein Begriff sein wird und letztendlich gar nicht mehr vorhanden sein kann.
Auf britischem Boden hält die politisch-intellektuelle Elite der „Inner Party“ mit dem „Großen Bruder“ die Funktionäre der „Outer Party“ mit der sie ständig bespitzelnden Gedankenpolizei in einem Zustand der Angst. Davon ausgenommen ist das gemeine Volk, die „Proles“, das dennoch in geistiger Unmündigkeit dahinvegetiert. Unter diesen Bedingungen herrschen weder Wahrheit noch Gerechtigkeit. Der „Große Bruder“ überwacht alles einschließlich der Sprache („Big Brother Is Watching You!“). Der Spruch: „Die Partei hat immer recht“, bekommt eine völlig neue Bedeutung.
Als das Buch 1949 erschien, war es eine Abrechnung mit den Greueln des Zweiten Weltkrieges wie auch eine literarische Warnung an Nachfolgegenerationen, sich vor einem totalitären System zu schützen. Die Nazis kannten und benutzten bereits all die Mittel, die Orwell in seinem Roman beschreibt. Man hatte erlebt, wie Propaganda, Massenpsychologie und professionalisierte Foltermethoden angewandt wurden, um ein ganzes Volk das denken zu lassen, was man sie im Sinne des Nationalsozialismus denken lassen wollte. „Der Große Bruder“ ist mit dem Führer gleichzusetzen. Auch dieser war in Form seiner Schergen allgegenwärtig und sorgte dafür, daß keine systemwidrigen Gedanken aufkamen, die die „politisch-ideologische Hygiene“ hätten gefährden können. Auch heute noch sitzen uns die Gefahren des Totalitarismus im Nacken, weniger in seiner diktatorischen reinen Form als in Gestalt der totalen Verflechtung zwischen Medien und Parteien. Die Gedankenkontrolle wechselt lediglich ihr Gewand und findet immer wieder neue Formen, nicht systemkonforme Menschen auszuschalten bis hin zum großen Lauschangriff. „1984“ hat kaum an Aktualität eingebüßt.
Im Inhalt und im Zustandekommen der deutschen Rechtschreibreform des Jahres 1996 zeigte sich ein ähnlicher totalitärer Ungeist. Wolfgang Denk stellte fest, daß die Rechtschreibreform dem „Newspeak“ ähnele und sprach mit seinem Vater darüber. So wurde Orwells „1984“ ein zusätzlicher Anstoß zum Widerstand gegen die Rechtschreibreform. Ein Auszug daraus:
„Neusprech war die Amtssprache Ozeaniens und entworfen worden, um die ideologischen Anforderungen des Engsoz, oder englischen Sozialismus, zu erfüllen. Im Jahre 1984 gab es noch niemanden, der Neusprech als ausschließliches Mittel zur mündlichen oder schriftlichen Kommunikation benutzte. Die Leitartikel der ‚Times‘ wurden darin abgefaßt, doch war dies eine ‚tour de force‘, die nur ein Spezialist bewältigen konnte. Man erwartete, daß Neusprech etwa bis zum Jahre 2050 Altsprech schließlich verdrängt haben würde. (...) Die 1984 gebräuchliche und durch die neunte und zehnte Auflage des Neusprechdiktionärs verkörperte Version war provisorisch und enthielt viele überflüssige Wörter und archaische Strukturen, die später abgeschafft werden sollten. (...)
Neusprech sollte nicht nur ein Ausdrucksmittel für die den Anhängern des Engsoz gemäße Weltanschauung und Geisteshaltung bereitstellen, sondern auch alle anderen Denkweisen unmöglich machen. (...) Neusprech sollte den Gedankenspielraum nicht erweitern, sondern ‚einengen‘, und dieser Zweck wurde dadurch unterstützt, daß man die Auswahl an Wörtern auf ein Minimum zusammenstrich.“ (Orwell, George: „1984“, S. 302 f.)
http://www.newspeakdictionary.com/
Die deutsche Rechtschreibreform des Jahres 1996 ist sowohl ein Produkt des Dritten Reiches als auch der DDR, also zweier totalitärer Systeme.
„Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu stoppen!“ (VRS)
Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.
Eine Schlechtschreibreform gab es schon einmal im Dritten Reich. Nun haben wir eine ganz ähnliche Schlechtschreibreform, die dem Rechtschreibvolk diktatorisch aufgezwungen wurde.
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Anmerkungen:
Hermann Zabel kritisiert in seinem Kapitel „Rechtschreibreform als Sprachpflege“ Wolfgang und Friedrich Denks Orwell-Vorgeschichte.
* Hermann Zabel (Hg.).: Widerworte. „Lieber Herr Grass, Ihre Aufregung ist unbegründet“. Antworten an Gegner und Kritiker der Rechtschreibreform. Aachen: Shaker, 1997, 184 S. , ISBN 3-8265-2859-X, S. 9 f.
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Sonntag, 06. Aug. 2006 08:37, insgesamt 2mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Dienstag, 07. Sep. 2004 11:34 Titel: Rechtschreibreform als Klassenkampf |
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Schriftsprache ist Ausdruck des Denkvermögens
Beglückung und Häme für die Wenigleser und Wenigschreiber
Reformbefürworter sägen den Ast ab, auf dem sie heute selbst sitzen
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Die Rechtschreibreform als neidideologisch motivierter Klassenkampf
Dieser Tage werden gern Äußerungen zur Reformschreibung getan, die darauf hinauslaufen, daß die Kritiker der Reform im Grunde unsozial und deshalb undemokratisch dächten. Sie werden als Betonköpfe und Starrhälse dargestellt, die nicht nur zu faul seien zum Umdenken, sondern partout nicht von ihrem „Herrschaftswissen“ lassen wollten. Hier ein typisches Zitat:
„ ... sie können es offenbar auch nicht ertragen, ihr mühsam eingeübtes Herrschaftswissen über all die Feinheiten der Fremdwortschreibung einfach als nicht mehr zeitgemäß aufzugeben.“
Wer richtig schreibt, übt also „Herrschaftswissen“ aus. Wer nach klassischen Regeln richtig schreiben will, zeigt demnach eine autoritäre und undemokratische Gesinnung. (Wie ist das eigentlich, wenn jemand nach den reformierten Regeln richtig schreibt? Übt der nicht auch „Herrschaftswissen“ aus?)
Man sollte gelassen zusehen, wie diese Ideologie sich selbst totläuft. Der erste Schritt ist getan. Der Bewegung konnte im Grunde nichts Schlimmeres passieren als die Verwirklichung der sogenannten Rechtschreibreform. (Nach dem allerneuesten Duden ist das Wort „sogenannt“ wiederhergestellt und zählt daher auch nicht mehr zum „Herrschaftswissen“ einer bornierten Bildungsschicht.). Trotz der makabren Entwicklung scheinen nicht alle begriffen zu haben, daß die Rechtschreibung nicht die Ursache ist für die Ungleichheit unter den Menschen. Immer noch gibt es welche, die meinen, man müsse die Rechtschreibung nur genügend verändern (ich sage nicht „erleichtern“, weil dieses Ziel utopisch ist), damit endlich Chancengleichheit und Gerechtigkeit herrsche. So als könne man Orthographieregeln und -wissen wohltätig in gleichgroßen Stücken unter dem Volk verteilen, wie man einen Kuchen verteilt. Man kann den Menschen materielle Güter wegnehmen, sie enteignen. Das Enteignete kann man an die Bedürftigen verteilen. Mit Sprache geht das nicht. Welcher Wenigleser und -schreiber hat etwas davon, wenn den Viellesern und -schreibern per Erlaß zugemutet wird, sich dümmer zu stellen als sie sind? Umverteilung der geistigen Ressourcen? Man muß angesichts mancher Äußerungen den Eindruck gewinnen, daß manche meinen, so etwas sei möglich.
Jedes neue Kommunikationssystem, sei es von schriftlicher oder mündlicher Art - auf welchem „amtlichen“ Niveau auch immer, wird zwangsläufig das abbilden, was man abzuschaffen gedenkt: die unterschiedlichen geistigen Voraussetzungen eines jeden einzelnen, gepaart mit dessen Willen und Eifer, eben dieses Mittel der Kommunikation möglichst gut zu lernen und zu trainieren, damit er von seinen Mitmenschen verstanden wird.
Man kann das nicht oft genug sagen: Sprache ist ein Kommunikationsmittel unter Menschen. Es vermittelt Gedanken. Wer ein funktionierendes Kommunikationsmittel gegen ein weniger gut funktionierendes ersetzen will, muß auf Widerstand stoßen, denn Gedanken wollen ausgedrückt und vermittelt werden. Etwas, das bereits gedacht und geschrieben werden konnte, will wiederum gedacht und geschrieben werden. Man kann nicht mir nichts, dir nichts aus der Welt schaffen, was bereits einmal darin war. Sprache bzw. Schriftsprache ist nichts anderes als sichtbarer Ausdruck meines geistigen, also verborgenen Denkvermögens.
Sprache kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, daß Menschen unterschiedliche Anlagen mitbringen. Ich mache ja auch nicht die Fotokamera für mein Aussehen verantwortlich. Oder anders: sind gesunde und gutaussehende Menschen undemokratisch, weil es kranke und mißgestaltete gibt? Wer kann etwas für seine Anlagen? Wäre es da nicht angebrachter, jenen, die andere gesellschaftliche Begabungen entwickeln als sich schriftlich gut ausdrücken zu können, mehr Toleranz entgegenzubringen anstatt jenen, deren Werkzeug die Sprache ist, die Schuld für das Versagen ersterer in die Schuhe zu schieben? Jedem das Seine! Hinter der Häme, mit der manche Reformfreunde die reformkritischen Kampagnen der BILD-Zeitung kommentieren, steht in Wahrheit die Verachtung jenen Teils der Bevölkerung, den man doch durch die Reformschreibung beglücken will, und zu dessen Vormund man sich in Reformkreisen berufen fühlt: die „einfachen“ Leute, die Wenigleser und Wenigschreiber! Wie also paßt das zusammen?
Es drängt sich der Verdacht auf, daß mit der sog. Rechtschreibreform eine ganz andere Rechnung beglichen werden sollte - eine alte Rechnung. 1996 ging ein Jugendtraum der Alt-68er in Erfüllung, die immer schon dem Establishment, oder was sie darunter verstanden, eins auswischen wollten. Jetzt, da man an den Schalthebeln der Macht sitzt, ist das gelungen, wie man meint. Und keiner von den Reformbewegten scheint bemerkt zu haben, daß sie den Ast absägen, auf dem sie heute selbst sitzen. Denn Sprache gehört auch ihnen, und ich unterstelle sicher nichts Falsches, wenn ich mutmaße, daß gerade auch sie sich gern eines guten und richtigen Schriftdeutsches befleißigen möchten.
Um jene fabelhafte Gleichheit herzustellen, von der die nunmehr (in Ehren?) ergrauten, soziolinguistisch bewegten Reformer heute immer noch träumen, müßte man schon gentechnische Eingriffe im Gehirn der Menschen vornehmen. Aber vielleicht kommen wir ja dieser „erstrebenswerten“ gesellschaftlichen Vision von völliger Gleichheit irgendwann einmal näher. Wer aber bestimmt dann, wie hoch das Niveau sein darf, auf dem wir uns zu bewegen haben? Orwell hätte wohl kaum geglaubt, daß wir seiner Utopie schon bald so nahe kommen würden.
(Ausdrücklich und ganz besonders herzlich möchte ich die Redakteure der SZ darum bitten, meinen Beitrag zu lesen und sich die Frage zu stellen, weshalb bei den Diskussionen um die Reform das sprachliche Anliegen ganz in den Hintergrund gerückt ist. Aber gerade um inhaltliche Aspekte – also um die Ausdrucksfähigkeit unserer Sprache – muß es uns doch allen in erster Linie gehen! Opfern wir unser höchstes Kulturgut doch nicht auf dem Altar eines unnützen und destruktiven Ideologienstreits!)
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im Bereich „Kultur“: „Rechtschreibung – die deutscheste aller Dampfschif(f)fahrten“
Stolz: Re: Zur Ideologie der Sprachzersetzung #25533 - 04.09.2004 13:05
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Samstag, 11. Sep. 2004 21:22, insgesamt 1mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
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: Dienstag, 07. Sep. 2004 11:39 Titel: Marxistische linguistische Guerillataktik |
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Sprache als Trojanisches Pferd
Marxistische linguistische Guerillataktik
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Marxistische Ideologien als Hauptgrund für die Zerstörung unseres Kulturgutes Sprache
„Orthographie als Herrschaftsinstrument“
Die Alt-68er sind auf ihrem Marsch durch die Institutionen an den politischen Schaltstellen in den verschiedenen Ministerien angekommen. Jetzt können sie endlich als marxistische Ideologen versuchen, Anarchie auf dem Erlaß- oder Gesetzesweg durchzusetzen.
Professor [Rolf] Wernstedt (Habilitation über Marxismus), Kultusminister von Niedersachsen und 1998 Vorsitzender der Kultusministerkonferenz, sagte: „Orthographie ist als Herrschaftsinstrument zur Unterdrückung geeignet und muß deshalb abgebaut werden.“
Schon 1972 sollten in Hessen die „Rahmenrichtlinien“ für das Fach Deutsch an Gymnasien die deutsche Sprache zum „Soziolekt“' abbauen. Es hat damals zehn Jahre gedauert, bis dieses Unheil abgewendet werden konnte.
Der Vorsitzende der zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission, Professor [Gerhard] Augst, ist Hochschullehrer an der Gesamthochschule (Uni mit niedrigem Niveau!) Siegen und rühmt sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit öffentlich seiner Lese-Rechtschreibschwäche. Deshalb ist ihm mit der Durchsetzung der sog. Rechtschreibreform endlich die Genugtuung widerfahren, daß Orthographie „nicht sakrosankt“ ist, wie er auch immer wieder betonte.
„Wer den Willen eines anderen brechen möchte, fährt am besten, wenn er sein Opfer zwingen kann, eine neue Sprache zu lernen. Bei uns [findet] seit etwa 1967 eine sprachliche Unterwanderung, eine Lähmung unserer freiheitlichen Gesellschaft und ihrer verfassungsmäßigen staatlichen Organe statt. Es ist ein Modellfall linguistischer Guerillataktik.“
Aus Professor Helmut Schoeck: Die Lust am schlechten Gewissen. 3. Auflage, Freiburg 1973, Herderbücherei Band 464
Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform & für eine vernünftige Rechtschreibung Baden-Württemberg
Hilde Barth, Markwiesenweg 46, 72800 Eningen unter Achalm
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Anmerkung:
„Sprache als Trojanisches Pferd: [...] George Orwell beschrieb in ‚1984’ - [...] wie die totale Diktatur durch fortwährend neue, sinnverdrehende Worte die Bevölkerung im Joch hält.“ Schoeck: Die Lust am schlechten Gewissen, S. 21
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im Bereich „Kultur“: „Rechtschreibung – die deutscheste aller Dampfschif(f)fahrten“
ManfredRiebe: Marxistische Ideologien #25588 - 07.09.2004 08:47 |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Donnerstag, 09. Sep. 2004 22:51 Titel: Keine Ideologisierung für späte Gegenwehr nötig |
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Keine Ideologisierung für späte Gegenwehr nötig
martell: Letzte Wurzel der Freiheit - #25602 - 07.09.2004 14:11
Zu: Marxistische Ideologien als Hauptgrund
Ich denke, solche Gegnerschaft macht es sich zu einfach. Sicherlich hat die aktuelle Geschichte der RSR eine lange und facettenreiche Vorgeschichte. Aber ist es nicht zu simpel, diesen einen Hauptgrund festzumachen ?
Selbst wenn diese Ideologie anfangs noch mitgewirkt haben sollte: Wurde sie nicht frühzeitig abgeschmettert (Kleinschreibung, keiser im bot etc.) ? Und was übrig blieb, taugt ja wohl kaum mehr zu irgendwelchen Klassengrenzenabbauunternehmungen.
Es war doch allerlei Bewegung in der vergrößerten BRD der 90er Jahre. An der Börse blähte sich eine Riesenblase, so, daß im Jahr 1999 selbst die studentischen Mitarbeiter in unserer Firma schier keine größere Sorge plagte als die Frage nach der richtigen Aktienanlegestelle.
Als besagte Blase im Jahr 2000 platzte, hatten die Studenten – und andere Aktiennovizen – dann plötzlich ganz andere Sorgen. Aber immerhin war da noch eine neue Regierung; die Bewegtheit der 90er Jahre blieb, nur nahm sie eine etwas andere Richtung. Doch wer interessierte sich damals für neue Rechtschreibung ?
Im Herbst 2001 passierten neue Schrecklichkeiten. Im Dezember erschien ein 3. Bericht. Die wenigsten realisierten, was da ins Sprachland heimlich einschlich.
Man gab der Sache eben das Gewicht, das ihr von vielen heute noch immer beigemessen wird.
Eine Gefahr, die ich in der Ideologisierung der Angelegenheit sehe, ist die damit einhergehende Banalisierung bzw. Vermeidung der fachlichen Auseinandersetzung. Meiner Ansicht nach ist der Kern der Streitsache die Sprache. Darauf geht Stolz ja auch ein. Die Heftigkeit der späten Gegenwehr braucht jedoch Ideologisierung nicht als Erklärung.
Vielleicht hatte sich der Sprachguru Gadamer ja darüber noch geäußert. Wir würden ihn gerne zu der Sache selbst befragen. Nachfolgend nur einige Aspekte aus dieser Geistesecke:
aus: http://www.science-softcon.de/gkhartmann/team412.pdf
...Velociferischer Trend...
Das Modell der dialogischen Verständigung ist das Urphänomen des Sprechens. Das bedeutet aber auch, daß wir heute in vielen Lebensbereichen durch unzureichende Aufmerksamkeit und mangelnde Sprachpflege (Da-)Sein wieder unverständlicher machen. Man sollte jedoch das Gegenteil erwarten, wenn die wirkliche Charakteristik für das Denken der letzten Jahrzehnte ein "Unterwegs zur Sprache" ist, wie Martin Heidegger es nannte. Zwar kann man in der Zukunft für die Naturwissenschaften, Technik und Handel eine Einheitssprache – Englisch – voraussagen, aber für die Geisteswissenschaften, deren Rolle auf dem historischen Bewußtsein beruht und deren Voraussetzung die Bildung ist, dürfte es anders aussehen, d.h. eher mehr als weniger Diversität ist zu erwarten, denn die (Mutter- )Sprache ist für jeden Menschen der "wohnlichste Raum seines Seins“ (H. G. Gadamer). Das heißt alle, deren Muttersprache nicht Englisch ist, sollten (mindestens) zweisprachig aufwachsen und mindestens zweisprachige Informationssysteme zur Verfügung haben um so mehr, je mehr diese Systeme auch (unmittelbar) geisteswissenschaftliche Bereiche erfassen. „Der Mensch ist gegenüber den Tiergesellschaften und den Kommunikationsweisen der Tiere durch Sprache ausgezeichnet. Hier liegt am Ende die letzte Wurzel der Freiheit, die den Menschen zum Menschen macht: die Wahl. Er hat zu wählen, und er weiß zu sagen, was er damit zu tun beansprucht: das Bessere auszulesen und das Rechte und Gerechte zu wählen. ...
Er kann statt des Guten das Böse tun, er kann das Böse für das Gute halten, das Unrechte für sein Recht, die Untat für seine Tat. Es ist wahr, der Preis, den wir Menschen für die Freiheit zu zahlen haben, ist hoch. Freiheit ist nicht Gegenstand der Erfahrung, sondern Voraussetzung der praktischen Vernunft“ (H. G. Gadamer).
ENDE ZITAT
Ich glaube, hier wird nicht schwache Ideologie abgewehrt. Solche Abwehr hätte diese Verve nicht nötig. Es geht um andere Schwäche und Schwächung.
SZ-Rechtschreibforum: "Rechtschreibung - die deutscheste aller Dampfschif(f)fahrten"- Strang "Zur Ideologie der Sprachzersetzung"
Beitrag: martell: Letzte Wurzel der Freiheit #25602 - 07.09.2004 14:11
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Manfred Riebe
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: Donnerstag, 09. Sep. 2004 23:38 Titel: Ideologisierung und Desinformation |
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Ideologisierung und Desinformation
Theoretischer Überbau ohne Faktenbasis
Desinformation durch Bagatellisierung: Marxistische Ideologie abgeschmettert?
Vermeidung der interdisziplinären Auseinandersetzung
Sehr geehrter Herr Martell,
wer sich ein Urteil erlaubt, müßte zuvor die Fakten untersuchen. Reines Theoretisieren ohne Fakten reicht allein nicht aus. Das käme einem ideologischen Überbau gleich, dem die Basis fehlt. Die Reformer machten den Fehler, ihr Regelwerk auszuarbeiten, ohne es empirisch abzusichern. Der Reformer Horst Haider Munske - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=264 - sprach daher von „Vereinfachungswahn“. Allein schon durch fehlende Verifikation und Falsifikation kommt es zu einer Ideologisierung und Desinformation.
Wurde die marxistische Ideologie wirklich „abgeschmettert“?
Herr Martell, Sie schreiben: „Ich glaube, hier wird nicht schwache Ideologie abgewehrt. Solche Abwehr hätte diese Verve nicht nötig. Es geht um andere Schwäche und Schwächung.“
Ist „Glaube“ in diesem Sinne nicht auch eine Ideologie? Handelt es sich um eine schwache Ideologie, die die Rechtschreibreform nach dem Marsch durch die Institutionen durchsetzte und sie nun mit Zähnen und Klauen wider alle Vernunft verteidigt? Um welche andere Schwäche und Schwächung soll es denn sonst gehen?
Haben die Reformer sich von ihren Ideologien distanziert? Haben sie ihre Ziele aufgegeben - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=88 -? Keineswegs. Martell bagatellisiert, weil er sich nicht über die gegenteiligen Fakten sachkundig gemacht hat.
„Die Heftigkeit der späten Gegenwehr braucht jedoch Ideologisierung nicht als Erklärung.“?
Wenn man mit einem Tunnelblick nur den sprachlichen Aspekt betrachtet, vermeidet man die schwierigere interdisziplinäre Auseinandersetzung. Ideologisierung findet schon allein durch Unterstellungen statt:
1. Falsch: Späte Gegenwehr
Richtig: Es gab eine kontinuierliche Reformkritik. Die Rechtschreibreform hat eine Vorgeschichte.
2. Falsch: Heftigkeit der Gegenwehr
Richtig: Gegen die Killerphrasen der Kultusminister ist eine entsprechende Verteidigung nötig.
3. Falsch: Ideologisierung
Richtig: Die marxistische Ideologie ist ein Faktum. Schlagt die Germanistik tot, färbt die blaue Blume rot.
4. Falsch: Vermeidung der fachlichen Auseinandersetzung. „Kern der Streitsache die Sprache“.
Richtig: Sicher ist die Sprache das Kernanliegen. Aber diese kann man unter verschiedenen Aspekten betrachten. Deshalb ist eine interdisziplinäre Auseinandersetzung nötig. Diese haben die Kultusminister geflissentlich vermieden.
„Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu stoppen!“ (VRS)
Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Donnerstag, 12. Jan. 2006 14:26, insgesamt 2mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Dienstag, 14. Sep. 2004 10:37 Titel: Polemisierungen vergiften die Diskussion |
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„Polemisierungen vergiften die Diskussion“
Werter martell,
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In Antwort auf:
Ich denke, solche Gegnerschaft macht es sich zu einfach. Sicherlich hat die aktuelle Geschichte der RSR eine lange und facettenreiche Vorgeschichte. Aber ist es nicht zu simpel, diesen einen Hauptgrund festzumachen ?
Selbst wenn diese Ideologie anfangs noch mitgewirkt haben sollte: Wurde sie nicht frühzeitig abgeschmettert (Kleinschreibung, keiser im bot etc.) ? Und was übrig blieb, taugt ja wohl kaum mehr zu irgendwelchen Klassengrenzenabbauunternehmungen.
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Herr Riebe liebt derlei argumentative Verschiebebahnhöfe. Von Anfang an haben seine Polemisierungen die Diskussion vergiftet: „Nazi-Schreibung“, wie krank! Fährt Riebe auch auf „Nazi-Autobahnen“?
Wie oft haben wir hier seine Seitenhiebe auf die Alt-86er, die Linken (= Kommunisten) und seine Kniefälle vor dem ehemaligen bayerischen Kultusminister Zehetmair (natürlich CSU) lesen müssen.
Wem außer Kopieren fremder Artikel nichts mehr einfällt, der benutzt halt die Nazi-Keule. Das kennt man aus anderen Foren: egal, ob es um die Aufzucht von Hundewelpen oder um Terrorakte geht: Passt dir die Meinung des anderen nicht, erkläre ihn kurzerhand zu einem (roten oder braunen) Faschisten. Zum Gähnen ist das.
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Dummheit ist der Glaube, genug zu wissen.
(Anita Daniel (1902-1982))
SZ-Rechtschreibforum: „Rechtschreibung - die deutscheste aller Dampfschif(f)fahrten“- Strang „Zur Ideologie der Sprachzersetzung“
Beitrag: Querkopf: Re: Letzte Wurzel der Freiheit #25689 - 10.09.2004 02:56
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Dienstag, 14. Sep. 2004 10:44 Titel: Widerstand gegen Schwächung der Sprache |
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Widerstand gegen Schwächung der Sprache
Sehr geehrter Herr Riebe,
anders als viele Fachleute konnten die meisten Sprachteilnehmer die Schwäche dieser „Reform“ nicht früh erkennen. Empirische Fakten fehlten ja nicht nur den Reformern; vielmehr erfuhren auch alle Betroffenen erst nach der Umsetzung des Reformversuches – nach und nach – was da auf sie zukam: „... und der Gestalten ungeheure Plage“ drohte nicht jeden Tag, sondern erschien: aber erst allmählich. Daher die späte und heftige Gegenwehr.
Im alten Forum schrieb hingegen schon ein anderer, daß ein Parteienstreit das „letzte sei, was hier noch fehlte“. 1968 war ich 9 Jahre alt. 15 Jahre später meinte ein englischer Freund einmal, daß, wer mit 20 rechts sei, kein Herz, wer aber mit 40 immer noch links sei, wohl keinen Verstand habe.
Wie unser demokratisches Staatswesen und einflußmächtige Organe mit dieser Schwächung der Sprache umgehen, bleibt spannend. Ich bleibe aber bei meinem Glauben – der tatsächlich Nicht-Wissen ist - , daß die Heftigkeit der Abwehr keiner bereits äußerst geschwächten Ideologie geschuldet ist.
Mißverstehen Sie mich bitte nicht: Nicht daß die Gegenwehr nicht nötig wäre; aber sie sollte doch besser auf die richtige Stelle zielen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Karl Martell
SZ-Rechtschreibforum: „Rechtschreibung - die deutscheste aller Dampfschif(f)fahrten“- Strang „Zur Ideologie der Sprachzersetzung“
Beitrag: martell: Re: Ideologisierung und Desinformation #25758 - 13.09.2004 17:30
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Dienstag, 14. Sep. 2004 10:47 Titel: Zur „verwirrten Generation“ |
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Zur „verwirrten Generation“
Sehr geehrter Herr Patrick Scheuer alias „Querkopf“ , 50769 Köln,
Sie tragen zur Sache nichts bei, sondern wirken in der Regel destruktiv. Falsch sind Ihre Killerphrasen „argumentative Verschiebebahnhöfe. Von Anfang an haben seine Polemisierungen die Diskussion vergiftet: „Nazi-Schreibung“, wie krank! Fährt Riebe auch auf „Nazi-Autobahnen“? usw.
Wer hier mit Lügen, Killerphrasen und Polemik die Diskussion vergiftet, sind Sie. Allmählich habe ich den Eindruck, daß Sie in der Stasi-Methode der Zersetzung und Gerüchtebildung ausgebildet wurden.
Falsch: Dummheit ist der Glaube, genug zu wissen. (Anita Daniel (1902-1982))
Richtig: Dummheit ist nicht: wenig wissen. Auch nicht: wenig wissen wollen. Dummheit ist: glauben, genug zu wissen. Anita Joachim-Daniel (1902-1982), rumänisch-amerikanische Schriftstellerin
„Die verwirrte Generation kann nur Verwirrung weitergeben.“
Peter Sloterdijk, Philosoph, über die regierenden 68er [Abgebildet sind um Sloterdijk herum die Köpfe der Regierung: Schröder, Fischer, Müntefering, Eichel] In: Wirtschaftswoche Nr. 37 vom 2.9.2004, S. 138
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Sehr geehrter Herr mit dem Künstlernamen Karl Martell!
Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber ich zähle Sie zu den Opfern der Desinformationskampagnen der Kultusminister. Sie meinen es ehrlich und sprechen von „Nicht-Wissen“.
1. Zum Teil falsch: Sie behaupten: „anders als viele Fachleute konnten die meisten Sprachteilnehmer die Schwäche dieser „Reform“ nicht früh erkennen. Empirische Fakten fehlten ja nicht nur den Reformern; vielmehr erfuhren auch alle Betroffenen erst nach der Umsetzung des Reformversuches – nach und nach – was da auf sie zukam: „... und der Gestalten ungeheure Plage“ drohte nicht jeden Tag, sondern erschien: aber erst allmählich. Daher die späte und heftige Gegenwehr.“
Richtig: Diese Darstellung entspricht nicht den Fakten. Es ist leider so, daß auch heute nicht einmal alle betroffenen Schreibberufler über die Rechtschreibreform Bescheid wissen. Es ist Tatsache, daß die Kultusminister Desinformationskampagnen durchführten und ihre Desinformation auch noch heute fortsetzen. Sehr viele Journalisten haben als Haus- und Hofpresse der Kultusminister gearbeitet und sind aus eigenem Verschulden falsch informiert. Auch innerhalb der gebildeten Bevölkerung erkennen Irregeführte nur allmählich, welcher Lügenpropaganda der Reformer und Kultusminister sie aufgesessen sind.
2. Falsch: Sie behaupten eine „späte und heftige Gegenwehr“.
Richtig: Die Gegenwehr war weder spät noch heftig. Der Widerstand gegen die Schlechtschreibreform setzte früh ein und wurde kontinuierlich fortgesetzt. Er ist als Reaktion auf die Rechtsverletzungen durch die Kultusminister und die Medien zu sehen, d.h. deren Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung. Die Wahrheit wurde und wird der Bevölkerung vorenthalten. Die Reform wurde schöngeredet. Immer wenn neue Untaten der Kultusminister, der Medien und deren Lobby bekannt wurden, schwoll der Protest an. Es ja leider so, daß die Medien bisher parteiisch waren und keinerlei Interesse an einem investigativen Journalismus zeigten. Der Widerstand konnte gar nicht heftig sein, weil weitgehend die Unterstützung durch die großen Medien fehlte. Daher heißt ein Buchtitel auch: „Der 'stille' Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit“.
3. Falsch: „daß ein Parteienstreit das „letzte sei, was hier noch fehlte“.
Richtig: Es gab einerseits am 26. März 1998 einen parteiübergreifenden Beschluß des Deutschen Bundestages: „Die Sprache gehört dem Volk!“
Andererseits gab es eine große Rechtschreibreform-Koalition in der Kultusministerkonferenz.
Der Parteienstreit gehört aber zu einer streitbaren Demokratie. Es ist geradezu ein Krankheitszeichen, daß die konservativen Parteien ihre anfängliche Opposition aufgaben.
4. Falsch: „Ich bleibe aber bei meinem Glauben – der tatsächlich Nicht-Wissen ist - , daß die Heftigkeit der Abwehr keiner bereits äußerst geschwächten Ideologie geschuldet ist.“
Richtig: Sie bauen mit einer einseitigen Sicht der Dinge eine Art Buhmann auf. Die Geschichte der Rechtschreibreform ist nur ein Aspekt unter mehreren. Daß Journalisten mit Tunnelblick die Problematik auf ausgewählte sprachliche Aspekte reduzieren, beweist nur deren Unfähigkeit zur interdisziplinären Betrachtung der Materie. Wenn der historische Aspekt – wie wir es erlebt haben – von den Kultusministern aus politischen Gründen tabuisiert wird, dann steht das im Gegensatz zu ihrem Bildungsauftrag und dient nur ihren machtpolitischen Interessen. Es ist daher zu begrüßen, daß das Thema „Rechtschreibreform und Nationalsozialismus“ wissenschaftlich untersucht wurde. Dementsprechend fehlt aber noch eine wissenschaftliche Untersuchung der marxistisch-sozialistischen Wurzeln der Rechtschreibreform. Soll die Wahrheit auf dem Altar der politischen Korrektheit geopfert werden? Sachlich falsch, aber politisch richtig?
Ich schrieb: „Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Eine Schlechtschreibreform gab es schon einmal im Dritten Reich. Nun haben wir eine ganz ähnliche Schlechtschreibreform, die dem Rechtschreibvolk diktatorisch aufgezwungen wurde.“
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Riebe |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Dienstag, 14. Sep. 2004 10:51 Titel: Re: Zur „verwirrten Generation“ |
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Zur „verwirrten Generation“
Sehr geehrter Herr Patrick Scheuer alias „Querkopf“ , 50769 Köln,
Sie tragen zur Sache nichts bei, sondern wirken in der Regel destruktiv. Falsch sind Ihre Killerphrasen „argumentative Verschiebebahnhöfe. Von Anfang an haben seine Polemisierungen die Diskussion vergiftet: „Nazi-Schreibung“, wie krank! Fährt Riebe auch auf „Nazi-Autobahnen“? usw.
Wer hier mit Lügen, Killerphrasen und Polemik die Diskussion vergiftet, sind Sie. Allmählich habe ich den Eindruck, daß Sie in der Stasi-Methode der Zersetzung und Gerüchtebildung ausgebildet wurden.
Falsch: Dummheit ist der Glaube, genug zu wissen. (Anita Daniel (1902-1982))
Richtig: Dummheit ist nicht: wenig wissen. Auch nicht: wenig wissen wollen. Dummheit ist: glauben, genug zu wissen. Anita Joachim-Daniel (1902-1982), rumänisch-amerikanische Schriftstellerin
„Die verwirrte Generation kann nur Verwirrung weitergeben.“
Peter Sloterdijk, Philosoph, über die regierenden 68er [Abgebildet sind um Sloterdijk herum die Köpfe der Regierung: Schröder, Fischer, Müntefering, Eichel] In: Wirtschaftswoche Nr. 37 vom 2.9.2004, S. 138
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Sehr geehrter Herr mit dem Künstlernamen Karl Martell!
Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber ich zähle Sie zu den Opfern der Desinformationskampagnen der Kultusminister. Sie meinen es ehrlich und sprechen von „Nicht-Wissen“.
1. Zum Teil falsch: Sie behaupten: „anders als viele Fachleute konnten die meisten Sprachteilnehmer die Schwäche dieser „Reform“ nicht früh erkennen. Empirische Fakten fehlten ja nicht nur den Reformern; vielmehr erfuhren auch alle Betroffenen erst nach der Umsetzung des Reformversuches – nach und nach – was da auf sie zukam: „... und der Gestalten ungeheure Plage“ drohte nicht jeden Tag, sondern erschien: aber erst allmählich. Daher die späte und heftige Gegenwehr.“
Richtig: Diese Darstellung entspricht nicht den Fakten. Es ist leider so, daß auch heute nicht einmal alle betroffenen Schreibberufler über die Rechtschreibreform Bescheid wissen. Es ist Tatsache, daß die Kultusminister Desinformationskampagnen durchführten und ihre Desinformation auch noch heute fortsetzen. Sehr viele Journalisten haben als Haus- und Hofpresse der Kultusminister gearbeitet und sind aus eigenem Verschulden falsch informiert. Auch innerhalb der gebildeten Bevölkerung erkennen Irregeführte nur allmählich, welcher Lügenpropaganda der Reformer und Kultusminister sie aufgesessen sind.
2. Falsch: Sie behaupten eine „späte und heftige Gegenwehr“.
Richtig: Die Gegenwehr war weder spät noch heftig. Der Widerstand gegen die Schlechtschreibreform setzte früh ein und wurde kontinuierlich fortgesetzt. Er ist als Reaktion auf die Rechtsverletzungen durch die Kultusminister und die Medien zu sehen, d.h. deren Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung. Die Wahrheit wurde und wird der Bevölkerung vorenthalten. Die Reform wurde schöngeredet. Immer wenn neue Untaten der Kultusminister, der Medien und deren Lobby bekannt wurden, schwoll der Protest an. Es ist ja leider so, daß die Medien bisher parteiisch waren und keinerlei Interesse an einem investigativen Journalismus zeigten. Der Widerstand konnte gar nicht heftig sein, weil weitgehend die Unterstützung durch die großen Medien fehlte. Daher heißt ein Buchtitel auch: „Der 'stille' Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit“. Der Widerstand kann gar nicht heftig sein, weil die meisten Bürger desinformiert sind.
3. Falsch: „daß ein Parteienstreit das „letzte sei, was hier noch fehlte“.
Richtig: Es gab einerseits am 26. März 1998 einen parteiübergreifenden Beschluß des Deutschen Bundestages: „Die Sprache gehört dem Volk!“
Andererseits gab es eine große Rechtschreibreform-Koalition in der Kultusministerkonferenz.
Der Parteienstreit gehört aber zu einer streitbaren Demokratie. Es ist geradezu ein Krankheitszeichen, daß die konservativen Parteien ihre anfängliche Opposition aufgaben.
4. Falsch: „Ich bleibe aber bei meinem Glauben – der tatsächlich Nicht-Wissen ist - , daß die Heftigkeit der Abwehr keiner bereits äußerst geschwächten Ideologie geschuldet ist.“
Richtig: Sie bauen mit einer einseitigen Sicht der Dinge eine Art Buhmann auf. Die Geschichte der Rechtschreibreform ist nur ein Aspekt unter mehreren. Daß Journalisten mit Tunnelblick die Problematik auf ausgewählte sprachliche Aspekte reduzieren, beweist nur deren Unfähigkeit zur interdisziplinären Betrachtung der Materie. Wenn der historische Aspekt – wie wir es erlebt haben – von den Kultusministern aus politischen Gründen tabuisiert wird, dann steht das im Gegensatz zu ihrem Bildungsauftrag und dient nur ihren machtpolitischen Interessen. Es ist daher zu begrüßen, daß das Thema „Rechtschreibreform und Nationalsozialismus“ wissenschaftlich untersucht wurde. Dementsprechend fehlt aber noch eine wissenschaftliche Untersuchung der marxistisch-sozialistischen Wurzeln der Rechtschreibreform. Soll die Wahrheit auf dem Altar der politischen Korrektheit geopfert werden? Sachlich falsch, aber politisch richtig?
Ich schrieb: „Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Eine Schlechtschreibreform gab es schon einmal im Dritten Reich. Nun haben wir eine ganz ähnliche Schlechtschreibreform, die dem Rechtschreibvolk diktatorisch aufgezwungen wurde.“
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Riebe
Ins SZ-Forum gestellt am 13.09.2004 23:45
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Dienstag, 14. Sep. 2004 13:09, insgesamt 1mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Dienstag, 14. Sep. 2004 12:56 Titel: Naiver querköpfiger ideologischer Überschwang |
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Naiver querköpfiger ideologischer Überschwang
„Ideologie macht die sachliche Diskussion mit den Reformbefürwortern so unmöglich.“
Lieber Querkopf, ich meine ganz ehrlich, daß sich in meiner Antwort meine ironische Verwendung des Wortes „feinfühlig“ aus der Nachbarschaft mit „bürgerlich eingestellt“ ergibt, und ich weiß, daß sich aus Sachkunde ein feines Gefühl für Probleme ergibt, das ich bei Fachleuten sehr schätze. Und Fachleute brauchen wir zum vernünftigen Zusammenleben.
Überhaupt ist unser Zusammenleben auch wegen vieler Einflüsse, deren wir uns normalerweise gar nicht so bewußt sind, vernünftig, und nicht nur, weil wir alles immer wieder neu mit unserem auf den Moment beschränkten Denken durchgehen. Wir sprechen hier von guten Sitten. Und wenn Sie sagen:
„Allerdings gab es ja wohl noch die Drohung einiger weniger Forumsnutzer an die SZ, gegen andere Diskutanten gerichtlich vorzugehen. Wenn ich als Redakteur/Moderator eines Forums so etwas lesen müsste, so würde auch ich zu der bequemen Lösung greifen: Weg mit dem ganzen Schlamassel!“ dann reden Sie gut deutsch Unterschlagung von Beweismaterial das Wort! So unangenehm und unförderlich fürs gesellschaftliche Leben Querköpfe sein können, — in einer zivilisierten Gesellschaft halten wir ihnen den Weg zum Kadi offen, denn auch ihnen soll Recht geschehen, nach dem Gesetz und den guten Sitten, nach denen wir nun mal zusammenleben.
Aber auch diese eigentlich recht einfache Regelung setzt voraus, daß jeder von uns sich soviel wie nur irgend möglich Wissen und Bildung erwirbt. Und deshalb können wir zwei uns leider nicht „darauf einigen, dass sich die Qualität von Zeitungsredakteuren (bzw. Journalisten allgemein) kaum (und schon gar nicht gänzlich) an ihrer Einstellung gegenüber der neuen Schreibung ablesen lässt.“ Bei dieser neuen Schreibung geht es nämlich um eine große gesellschaftliche Frage, und ich jedenfalls erwarte, daß Journalisten eine ganze Menge zur Sprache und Kultur des Volkes verstehen, dem sie ja dienen sollten. Und hier: Man kann nur sachgerecht berichten, wenn man zur Sache alles weiß und wenn man zum Werkzeug der Berichterstattung alles weiß. Dahinschludern kann jeder, und wenn Leute Schluderern ihr Schludern auch noch bezahlen, da haben wir eben kein vernünftiges Zusammenleben. Die Differenz zwischen „zur Sache und zum richtigen Werkzeuggebrauch alles wissen“ und „zur Sache und zum richtigen Werkzeuggebrauch soviel wie möglich wissen“ ist das Areal, wo eben selbst bei aller Güte unserer Arbeit wir immer wieder Schwierigkeiten haben werden. Das ist menschlich; aber ich bin da eben nicht willens, zu früh aufzugeben.
Zu Ihrem „Es gibt auch Linguisten, welche die Reform begrüßen, ohne an ihr mitgearbeitet zu haben“: War es Abendleser, der den Richter zitierte, der sagte: „Experte ist, wer sich Experte nennt“? (Abendlesers Essay fehlt auch noch bei der Wiederherstellung des durch unsachgemäße Löschung der sachlichen Beiträge hier entstandenen Schadens!) Was sagen Sie denn zu Linguisten, die da in unserer Gesellschaft durch Veränderung von etwas, was durchaus gut funktionierte, eine Situation heraufbeschwören, die keiner für nötig hielt, die viel Geld kostete und kostet, die unnötige Arbeit verursachte und verursacht, die uns kurz gesagt nichts Vernünftiges gebracht hat? Seminardiskussionen sind eine Sache, aber was deren Resultate in der Gesellschaft bewirken, das gehört eben auch zur Erweiterung des Wissens, wenn die Resultate dieser akademischen Diskussionen in der Gesellschaft zum Tragen kommen sollen. Und „zum Tragen“ ist diese Rechtschreibreform eben leider nicht gekommen. Im Gegenteil, sie hat die Last nur erschwert! Kein Wunder, daß das Wort „akademisch“ auch eine negative Bedeutung hat! Aus ähnlichem Grunde wie „feinfühlig“ übrigens.
Wenn ich Posers sachliche Bemerkung besonders betrachtet sehen wollte, dann meinte ich diese (und ich hatte sie doch auch richtig gekennzeichnet):
„Herr Riebe hat sehr couragiert diskutiert. Ihm gelang es durchweg polemisch und gleichzeitig geistreich zu sein. Dieses polemische Element sorgte für die nötige Würze.
Es gibt [einen] feinen ... Unterschied zwischen persönlichen Attacken und geistreicher Polemik.
Dafür wurde er so beschossen, daß ich mich als Leser fragte, wie man das aushalten kann.“
Auch Herr Poser zeigt hier sehr feines Gefühl für das, was uns weiterbringt und was uns nicht weiterbringt.
Wenn ich vorher von unserer bewährten Verschriftung als „etwas, was durchaus gut funktionierte“ sprach, da sind ganz anderer Meinung hfn(eubauer) und Mr. Stephens (so er bei der Sache bleibt [„Sie wollen damit also sagen, dass ein großer Teil der Reformbefürworter Ausländer sind?“] und wo er etwas zur Sache verstanden hat [und seine Lehrer waren weiß Gott nicht die besten; auf meinen Hinweis auf „gebundene Morpheme“ ist er jedenfalls nicht vorbereitet worden]). Worauf sie jedoch beide im wesentlichen abzielen, ist, die Schreibung „phonetischer“ zu machen: „ss“ immer nach kurzen Vokalen (Verdoppelung von Konsonanten als Anzeichen fürs Lesen) und andere „geregelte“ Vereinheitlichung (etymologische Zusammengehörigkeit, Übergänge von einer Wortklasse in eine andere).
Die bewährte Verschriftung funktionierte sehr gut, weil sie viel System hatte (nicht, weil sie einfach „ein System“ war). Die „phonetische“ Schreibung allerdings empfiehlt sich gar nicht, denn sie wäre landschaftlich gebunden und nach 50 Jahren sowieso schon wieder falsch. Doch selbst wenn man in der gegebenen Situation nicht so unmäßig sein wollte, müßte man erst einmal genau wissen, was die gegebene Situation wirklich ist. Und da haben wir nun mal keine klaren Zeichen für kurze Vokale. Alles was wir haben, ist, daß Doppelkonsonanz vorausgehende Kürze anzeigt, nicht daß vorausgehende Kürze immer durch Doppelkonsonanz angezeigt wird: wir haben „Grab“ und „ab“! Und so haben wir eben auch „Fuß“ und „Kuß“ und sogar „Stadt“ und „Städte“. Und jeder liest das richtig, weil eben die Schrift die gesprochene Sprache wiedergibt, nicht weil die Schrift absolut zeigt, wie etwas ausgesprochen wird! (Für letzteres gibt es die phonetische Umschrift, die wir alle kennen, wenn wir eine fremde Sprache gelernt haben! Die Ausländer aber kennen sie fürs Deutsche meist nicht, weil sie in den Lehrbüchern für Deutsch meist fehlt! Warum? Weil die deutsche Schreibung tatsächlich viel bei der richtigen Lautung hilft. Aber gute Wörterbücher und gute Lehrer geben eben auch die Aussprachehilfe, wo sie nötig ist. Und bei „Hindernissen“ [zu „Hindernis“!] hilft die Schreibung sogar zum Lesen, naja, genauso wie bei „Freundinnen“ [zu „Freundin“].)
Zur etymologischen Zusammengehörigkeit beim neuen „ss“: Da ist eben keine „Vereinheitlichung“ eingetreten: „schließen/*schloss“, „reißen/*riss“! Statt eines bewährten Systems ein neues also, — aber keinesfalls leichteres, vor allem nicht im Hinblick auf den mächtiger lehrenden Einfluß der historischen Schreibung! Ich wiederhole hier die Frage, die ich schon früher gestellt habe: Wie lange bewegen unsere armen Schreiber eigentlich noch die Lippen, wenn sie schreiben und lesen?
Zu den Übergängen: Wieweit Ausdrücke wie „zur Zeit“ und „zu Hause“ alleinstehend schon als ein Adverbwort („infolgedessen“) aufgefaßt werden können, kann jeder selbst entscheiden (schließlich benutze ich den Duden nicht als Vorschrift, sondern als Hilfe). Ratsam ist hierbei jedoch, den Leser und seine Gewohnheiten im Auge zu behalten! Warum? Nun, wir schreiben ja für den Leser! Und hier ist es, wo ein gutes Rechtschreibwörterbuch helfen will. Für mich ist auf jeden Fall „zur Zeit“ weder schon eine Präposition („zur Zeit des Kaisers Augustus“) noch schon ein Ein-Wort-Zeitadverb. Aber ich kenne viele, die auch ohne Rechtschreibreform „zuhause“ schreiben und „sodaß“. Neben dem Unsinn der Rechtschreibreform, dem linguistischen und dem gesellschaftlichen, ist es nämlich die staatliche Vorschreiberei, die den Leuten stinkt. Ich selbst — und ich bin da nicht allein — schreibe auch das ursprünglich englische „Miss“ auf deutsch, richtig mit „ß“. Und bei „Stewardeß“ höre ich erfreut hinreichend oft gut deutsch den „sch“-Laut am Beginn. Und selbst, wenn die Bezeichnung „Stewardeß“ sprachgeregelt aus unserer Sprache verschwinden sollte, die folgende Geschichte, alles mit vorbildlicher Schreibung, sollte es nicht:
Eine Banane für das Baby
Im Flugzeug sitzt eine Dame mit ihrem kleinen Baby. Der Mann neben ihr sieht lange auf das Kleine und sagt schließlich: „Wissen Sie, das ist das häßlichste Baby, das ich je gesehen habe.“ Daraufhin beginnt die Dame hysterisch zu schreien, so daß die Stewardeß gelaufen kommt und fragt, was denn passiert sei.
„Dieser Mann hat mich beleidigt“, schluchzt die Frau. „Mein Gott, was für eine Unverschämtheit! Mit so einem Flegel kann ich auf keinen Fall mehr zusammensitzen.“
„Was hat er denn gesagt?“ fragt die Stewardeß.
„Das kann ich gar nicht wiederholen“, weint die Frau. „Was er gesagt hat, ist so brutal, daß ich es gar nicht aussprechen könnte.“
Da sagt die Stewardeß: „Na, sicher entschuldigt sich der Herr.“
„Oh, nein!“ sagt der Mann. „Ich habe nichts als die Wahrheit gesagt; und für die Wahrheit braucht sich niemand zu entschuldigen.“ Und wieder schreit die Frau hysterisch auf.
Die Stewardeß geht und kommt nach wenigen Minuten mit dem Kapitän zurück. „Meine Dame“, sagt der, „ich höre, Sie haben Schwierigkeiten mit diesem Herrn hier. Das Problem können wir aber ganz einfach lösen. Sehen Sie, wir haben in der Ersten Klasse noch einen Platz frei. Den gebe ich Ihnen. Kommen Sie mit. Und ich bin sicher, die Stewardeß hat auch eine Banane für Ihren kleinen Affen da.“
Stellen Sie sich diese Geschichte sprach- und rechtschreib-“geregelt“ mit „der Flugbegleiter“ statt „die Stewardeß“ vor, und „Kapitänin“ statt „Kapitän“, und mit Doppel-“s“, wo ich „ß“ habe, — und Sie merken die Absicht, und Sie sind verstimmt.
Im Forumsteil „Ideologie zur Sprachzersetzung“ schreibt martell zwar sehr richtig: „Meiner Ansicht nach ist der Kern der Streitsache die Sprache. ... Die Heftigkeit der späten Gegenwehr braucht ... Ideologisierung nicht als Erklärung.“ Aber daß Ideologie hier keine Rolle spielte, das glaube ich nicht. Und genau das macht die sachliche Diskussion mit den Reformbefürwortern so unmöglich. Wenn wir lesen: „Im übrigen 'wische' ich keine Argumente vom Tisch, sondern bin ein Befürworter einer richtigen Rechtschreibung, nämlich der jetzt aktuell gültigen“, das ist doch Ideologie! Wie immer richtig die reformierte Rechtschreibung sein soll: Sie ist eben bestenfalls nur eine „der jetzt aktuell gültigen“, und sie gilt nur in einem Teilbereich unserer Kultur, und da nur, weil sie verordnet wurde, nicht weil sie vernünftig ist, und sie wird von der Gesellschaft ganz schön und eben zu Recht angegriffen. Gerade weil Informationsinstitutionen wie der Spiegel und der Springer-Verlag mit der Bevölkerung zusammenarbeiten müssen, um wirtschaftlich zu existieren, und weil die ihre Entscheidungen nicht ohne solide Marktforschung treffen, sehe ich, daß die reformierte Rechtschreibung aktuell gar nicht so gültig ist, wie manche in ihrem querköpfigen, aber doch durchaus ideologisch beeinflußten Überschwang naiv annehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Horst Ludwig
SZ-Rechtschreibforum: „Rechtschreibung - die deutscheste aller Dampfschif(f)fahrten“-
Strang „Neues Forum- neue Regeln!“
Beitrag: HorstLudwig: Re: Querköpfe? #25757 - 13.09.2004 17:27
www.sueddeutsche.de/app/service/forum/ |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Mittwoch, 15. Sep. 2004 13:19 Titel: Die verschiedenen Ebenen der Diskussion |
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Die verschiedenen Ebenen der Diskussion
Intellektuelle Redlichkeit im Reformstau
Was man zu hören bekommt, wenn man inhaltliche Kritik an den Reformregeln übt, kann einem schon zuweilen das Blut aus dem Kopf treiben. An dieser Stelle sei gesagt, daß ich der Reformschreibung nicht von Anfang an ablehnend gegenübergestanden habe. Da wir in unserem Lernhilfenverlag die Reformschreibung verwirklichen mußten, habe ich mich auch privat zum Herbst 1996 umgestellt. Allerdings kamen mir bei der Anwendung der neuen Regeln vermehrt Zweifel über deren sprachlichen Sinn, dennoch. Trotz meines Alters, das mich ohne weiteres in die Reihe der von den Reformbefürwortern oft zitierten „alten Männer“ (und wohl auch „Frauen“) stellt, kaufte ich mir den neuen Duden und schlug fortan eifrig die neuen Schreibweisen nach, um nicht „von gestern“ zu sein.
Ich gestehe, daß mein Eifer, richtig schreiben zu wollen, im Verlaufe des „angewandten Gehorsams“ schrumpfte. Zuerst mit Bestürzung, später mit aufkeimender Freude registrierte ich das orthographische Chaos in den Printmedien und begann, Beispiele für den „semantischen Blödsinn“ zu sammeln. Klammheimliche Freude keimte, weil ich mich nunmehr in meinen innersten Gefühlen der Irritation und der Ablehnung des Regelwerks bestätigt fühlte, die mich von Beginn an begleitet hatten, ohne daß ich deren Genese zu orten gewußt hatte: Irgend etwas stimmte also tatsächlich nicht mit dieser Reform!
Es dauerte insgesamt sieben Jahre, ehe ich beschloß, mich in meiner persönlichen Schreibung wieder nach den klassischen Regeln zu richten. Von einem Tag auf den anderen habe ich mich umgestellt. Das war im März dieses Jahres.
Dies zur Einleitung. Nun zu dem, was betrüblich und der Sache wenig dienlich ist. Man muß viel einstecken, wenn man den Finger auf die Wunde der Reformschreibung legt – da mag man noch so vorsichtig und sachlich argumentieren. In unserem Katalog für Lernhilfen 2004/05 haben wir erstmals in diesem Herbst auf einige Ungereimtheiten der Reformschreibung aufmerksam gemacht, wobei wir uns jeder Polemik enthielten. Wir erhielten ein Schreiben einer Lehrerin, die uns unter anderem folgendes mitteilte:
“Das Beharren einiger Ewig-Gestriger auf der Beibehaltung der alten Regeln hat die deutsche Sprachgemeinschaft gespalten. Über Generationen hinweg hat sich die Sprachgemeinschaft mit nicht funktionierenden Sprachmustern gequält. Das bedingte eine störungsanfällige Kommunikation. Die Wörterbücher der Vergangenheit zwangen dem Volk einen wenig verständlichen Sprachgebrauch auf. Die Schüler wurde früher etwas gelehrt, das ein Großteil der Gesellschaft nicht beherrscht. Heute versucht man, über die Schule die guten, nun endlich umgesetzten Einsichten „von unten“ her allen zugänglich zu machen. Wir Erwachsenen dürfen nun endlich so schreiben, wie zuvor alle gern geschrieben hätten, aber nicht durften ... Einige, besonders diejenigen, die die alte Rechtschreibung nicht sicher beherrschten, sind verunsichert, Behagen ergreift jene, die von Anfang an guten Willens waren und jetzt die Erfolge tagtäglich erleben können. Die neuen Schreibweisen sind einfacher, logischer und sehr viel leichter zu erlernen. ... Weniger Kummer und merkbar weniger Fehler stellen wir bei unseren Schülerinnen und Schülern zum Glück in unserer täglichen Arbeit fest! ... Ich fordere Sie hiermit auf, meine Daten sofort komplett aus Ihrer Kundenkartei zu entfernen, was Sie mir schriftlich bestätigen mögen. ...“
Diese Lehrerin hat jahrelang unseren Katalog in Neuschreibung bezogen und weiß, daß wir weiß Gott „guten Willens“ waren. Das Schreiben enthält auch noch persönliche Beleidigungen, die ich hier nicht wiedergeben möchte.
Vielleicht bin ich ja schon so verblendet, daß ich nur noch eindimensional denken kann, dann bitte ich um entsprechende Korrektur der werten Forumsteilnehmer, aber beim Lesen dieser Zeilen ärgert mich, daß hier die Tatsachen völlig auf den Kopf gestellt werden! Wer ist denn ins gemeinsame „Sprachhaus“ eingebrochen und hat die Möbel verrückt! Wer sich diesem Treiben nicht anschließt, ist also schuld an der Spaltung! Und: Wäre unsere deutsche Sprache so unlogisch und schlecht gewesen über all die Jahrhunderte hinweg, wie hätten sich da eine so hohe Kultur und Wirtschaft entwickeln können, bei „nicht funktionierenden Sprachmustern“ und „störungsanfälliger Kommunikation“???
Eine andere Lehrerin schrieb:
“Ich bin empört darüber, daß Sie es nun unseren Schülerinnen und Schülern wieder schwerer machen möchten und ersuche, mich aus dem Verteiler zu nehmen.“
Eine weitere Lehrerin:
„Hätten unsere Altvorderen eine derartig reaktionäre Einstellung gegenüber minimaler Änderungen (die den Namen „Reform“ nicht mal verdienen), würden wir heute noch mittelhochdeutsch sprechen oder in „Sütterli“ schreiben.“
Ich muß mich also als „reaktionär“ beschimpfen lassen.
Und noch eine Stimme:
“Ich gehe allerdings davon aus, dass die Rechtschreibbefürworter diesen „Kampf“ gewinnen werden und Ihr Verlag dann zähneknirschend zur neuen RS zurückkehren wird um nicht pleite zu gehen ...“
Die Rechtschreibreform als „Kriegsschauplatz“, auf dem man punkten und gewinnen oder verlieren kann! Woher dieser gewaltige Haß?
Auf diesem Niveau also spielt sich die „Diskussion“ um die Reformschreibung ab. Wenn es auch nicht viele sind, die so reagieren, so tut es trotzdem weh, weil intellektuell unredlich agiert wird. Konkrete Beispiele und sachliche Kritik werden mit verallgemeinernden, nicht zu belegenden und ideologisch motivierten Schlagworten („besser“, „leichter“, „logischer“, „weniger Fehler“ usw.) beantwortet und meist noch mit persönlichen Verunglimpfungen garniert. Derlei muß man also verdauen, wenn man die öffentliche Meinung der Reformbefürworter nicht teilt.
Ich finde, das ist ein starkes Stück Gegenwartsgeschichte, und traurig dazu.
Stolz: Re: Zur Ideologie der Sprachzersetzung #25834 - 15.09.2004 11:24 |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Mittwoch, 15. Sep. 2004 13:44 Titel: Zur „verwirrten Generation“ |
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Zur „verwirrten Generation“ und zum Niveau der „Diskussion“
Frau Stolz vom Stolz-Schulbuchverlag - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=363 - schreibt: „Auf diesem Niveau also spielt sich die „Diskussion“ um die Reformschreibung ab. Wenn es auch nicht viele sind, die so reagieren, so tut es trotzdem weh, weil intellektuell unredlich agiert wird. Konkrete Beispiele und sachliche Kritik werden mit verallgemeinernden, nicht zu belegenden und ideologisch motivierten Schlagworten („besser“, „leichter“, „logischer“, „weniger Fehler“ usw.) beantwortet und meist noch mit persönlichen Verunglimpfungen garniert. Derlei muß man also verdauen, wenn man die öffentliche Meinung der Reformbefürworter nicht teilt. - Ich finde, das ist ein starkes Stück Gegenwartsgeschichte, und traurig dazu.“
Diese traurige Methode der Zersetzung durch Gerüchtebildung gehört auch „zur Ideologie der Sprachzersetzung“. Man müßte wissen, wer diese Menschen so „ausgebildet“ und/oder verbogen hat. Oder haben sie von der dialektischen Methode der Argumentation keine Ahnung? Zu diesen traurigen Beispielen zählt hier Herr Patrick Scheuer alias „Querkopf“, 50769 Köln. Auch er arbeitet wie alle Ideologen mit verallgemeinernden, nicht zu belegenden und ideologisch motivierten Schlagworten, d.h. vergiftet mit Killerphrasen und Polemik die Diskussion, wirkt somit destruktiv und trägt in der Regel zur Sache nichts bei.
Falsch: Dummheit ist der Glaube, genug zu wissen. (Anita Daniel (1902-1982))
Richtig: Dummheit ist nicht: wenig wissen. Auch nicht: wenig wissen wollen. Dummheit ist: glauben, genug zu wissen. Anita Joachim-Daniel (1902-1982), rumänisch-amerikanische Schriftstellerin
„Die verwirrte Generation kann nur Verwirrung weitergeben.“
Peter Sloterdijk, Philosoph, über die regierenden 68er
[Abgebildet sind um Sloterdijk herum die Köpfe der Regierung: Schröder, Fischer, Müntefering, Eichel] In: Wirtschaftswoche Nr. 37 vom 2.9.2004, S. 138
Ins SZ-Forum hineingesetzt: 15.09.2004 13:26
Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Donnerstag, 12. Jan. 2006 14:27, insgesamt 1mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
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: Mittwoch, 15. Sep. 2004 14:16 Titel: Argumentationen wie aus dem DDR-Politbüro |
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Argumentationen wie aus dem DDR-Politbüro
stehen im Brief der zuerst zitierten Lehrerin.
Sehr geehrte Frau Pfeiffer-Stolz,
könnte es sein, daß diese Lehrerin aus dem Gebiet der früheren DDR schreibt oder von dort stammt?
Diese ganze Art, wie Tatsachen auf den Kopf gestellt und Lügen als Wahrheiten dargestellt werden, kennt man aus den offiziellen Verlautbarungen der DDR. DDR-Funktionäre wurden darin geschult. Diese Methoden scheinen wiederbelebt zu werden, um sie gegen andere Meinungen einzusetzen.
15.9.2004 Fritz Koch
www.rechtschreibreform.com/Perlen/KraftBank/KraftBank.pl?WedSep1514:12:16CEST2004 |
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Manfred Riebe
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Manfred Riebe
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: Mittwoch, 15. Sep. 2004 20:51 Titel: Peinliche „Vorbilder“ |
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Peinliche „Vorbilder“
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Knetmasse
Nicht ärgern und erst recht nicht wundern
Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
Ihre Empörung und Frustration angesichts solch geballter Ignoranz und Dummheit sind verständlich. Aber: Haben Sie von den beamteten Agenten der Staatsmacht etwas anderes erwartet? Erinnern sie sich an Ihre eigene Zeit als Lehrerin - Kollegen mit eigener Meinung, die sie dann sogar zu äußern wagten, konnte und kann man mit der Lupe suchen. Denken Sie nur an die berüchtigten Gesamtkonferenzen und das peinliche Bild, das z.B. Eltern- und Arbeitgebervertreter (in berufsbildenden Schulen), ja sogar Schülervertreter mit nach Hause nahmen. Erschreckend ist allerdings die Vorstellung, daß solchen „Vorbildern“ Kinder anvertraut werden, auf daß man sie zu mündigen, wachen, kritischen Staatsbürgern erziehe. Oder heißt das heimliche Unterrichtsziel doch eher angepaßte, dumpfe, alles schluckende Untertanen?
15.9.2004 serpiano
www.rechtschreibreform.com/Perlen/KraftBank/KraftBank.pl?WedSep1515:54:04CEST2004 |
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