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Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (DASD)
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
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Beitrag: Dienstag, 20. Apr. 2004 14:06    Titel: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (DASD) Antworten mit Zitat

Schläfrig in Darmstadt
Die Deutsche Akademie lässt sich bei ihrer Herbsttagung auch durch die Nachricht von Unselds Tod nicht aufschrecken
Von Uwe Wittstock

Ist diese Akademie noch zu retten? Wer immer sie zu retten versuchte, hätte ein hartes Stück Arbeit vor sich. Der Historiker Christian Meier unternahm als Präsident in den zurückliegenden sechs Jahren manches, um ihr ein öffentlich wahrnehmbares Leben einzuhauchen. Nun resignierte er und ließ sich abwählen. Die Ergebnisse seiner Bemühungen, dieser Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ihre jahrzehntelang gepflegte herablassende Schläfrigkeit auszutreiben, sind bescheiden. So bescheiden wie die Ergebnisse der temperamentlosen Herbsttagung, die jetzt in Darmstadt absolviert wurde, deren Höhepunkt in einer mäßig inspirierten Feier zur Verleihung des Büchner-Preises an Wolfgang Hilbig bestand und deren Gipfel ein peinliches Versäumnis war.

Doch der Reihe nach. Ein Beispiel für die habituelle Trägheit dieser Akademie bot der Rückblick Meiers auf seine Arbeit als Präsident. Die hatte er zu einem großen Teil dem - erfolglosen - Kampf gegen die umstrittene Rechtschreibreform gewidmet. Auf Nachfragen musste er eingestehen, dass der Kampf erst mit seiner Amtsübernahme und also nach offizieller Verkündung der Reform aufgenommen worden ist. An der Akademie, die von sich behauptet, für Sprache zuständig zu sein, sind also die jahrelangen Vorarbeiten zu diesem massiven politischen Eingriff in die Sprache samt Staatsvertrag mit Österreich und der Schweiz unbemerkt vorübergezogen. Nie ist die Akademie, bevor die Reform in Kraft trat, von sich aus aktiv geworden, nie wurde ein Brief, in dem man sie um Stellungnahme bat, in ihrer Poststelle gefunden. Kein Wunder, dass die Kultusminister wenig Lust verspürten, auf Proteste einer Akademie einzugehen, die sich erst zu Wort meldete, als das Kind längst im Brunnen war.

In seinem Tagungsvortrag nannte Meier die Bundesrepublik dann ein "stumpfsinniges" Land, da es angesichts offenkundiger und dringlichster Probleme nicht in der Lage sei, diese auch nur öffentlich qualifiziert zu diskutieren. Der Ort einer solchen Debatte müsste aber, möchte man hinzufügen, sehr wohl eine Deutsche Akademie sein. Doch keines der anwesenden Mitglieder hatte Substanzielles zu den von Meier angeschnittenen brisanten Themen vorzubringen - womit der Vorwurf des stumpfsinnigen Dösens angesichts sich anbahnenden Unheils auf die Akademie selbst zurückfällt.

Kurz vor der Verleihung des Büchner-Preises verbreitete sich dann die Nachricht vom Tode Siegfried Unselds. Unseld war kein Intellektueller, aber der Verleger etlicher Büchnerpreisträger und Akademie-Mitglieder. Dennoch versäumte die Akademie, was Bundespräsident Johannes Rau routiniert in sein Grußwort einzuflechten verstand: nämlich einen kurzen Nachruf auf Unseld zu improvisieren, der dessen Verdienste um die Nachkriegsliteratur anklingen ließ.

Wer evaluiert eigentlich Akademien? Vermutlich niemand. Doch sollte es eine dafür zuständige Institution geben, der Anglist Klaus Reichert - Meiers Nachfolger als Präsident - hätte sie zu fürchten. Diese Akademie ist nicht zuletzt deshalb geistig provinziell, weil viele kulturell anspruchsvolle Mitglieder den jährlichen Aufenthalt in Darmstadt fürchten und nach Kräften meiden. Vielleicht könnte man der hohen Ambition, die sich mit dem Titel einer Deutschen Akademie verbindet, gerecht werden, wenn man sie mit der Berliner Akademie der Künste verschmölze und in die Hauptstadt verlegte. Doch da unser Kulturföderalismus kleinkarierte, politisch lendenlahme und deshalb einflusslose Institutionen liebt, ist nicht zu erwarten, dass es je zu so einem solchen Schritt kommt.

DIE WELT vom 28. Oktober 2002
http://www.welt.de/daten/2002/10/28/1028kli365014.htx?search=Rechtschreibreform&searchHILI=1


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Mittwoch, 27. Okt. 2004 08:17, insgesamt 2mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 20. Apr. 2004 14:17    Titel: Rechtschreibkompromiß der DASD Antworten mit Zitat

Rechtschreibkompromiß der DASD
______________________________________

Totgelaufen oder tot gelaufen?

Worüber Linguisten am liebsten streiten: Fragen zum Rechtschreibkompromiss der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung
von Dankwart Guratzsch

Wie eine Kettenreaktion ist sie wieder da: die Diskussion über die Rechtschreibreform, die sich fast schon totgelaufen zu haben schien. Bewirkt hat das die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. In Leipzig präsentierte sie überraschend einen „Kompromissvorschlag“, mit dem sie Gegner und Befürworter der neuen Schreibregeln versöhnen und den Politikern eine Brücke zur Abkehr von der Reform bauen will. Die Reaktionen auf diese Initiative sind erstaunlich.

Dabei ist die Haltung der Akademie seit Jahren bekannt. Unter ihrem Präsidenten Christian Meier hatte sie eine der entschiedensten Gegenpositionen zu dem von einer Gruppe von Linguisten erarbeiteten neuen Regelwerk aufgebaut. 1997 kündigte sie an, ein eigenes „orthographisches Wörterbuch“ herausbringen zu wollen, weil „der umstrittene Entwurf einer Rechtschreibreform wegen offenkundiger Mängel von der Mehrheit der Bevölkerung nicht angenommen wird“. Zwei Jahre später dann die Präzisierung: Man wolle sich auf einen „Kompromiss“ beschränken - doch die Reaktion der Öffentlichkeit verhieß nichts Gutes: Sie beachtete das vorgelegte „Konzept“ kaum.

Meier ließ sich dadurch nicht entmutigen. Eine eigene siebenköpfige Reformkommission versierter Linguisten wurde eingesetzt. Ja, zeitweise wog sich der Präsident gar in der Hoffnung, die Kultusministerkonferenz könnte aus Enttäuschung über die verpatzte Reform über ihren Schatten springen und im Fluss die Pferde wechseln: sprich, die Akademie selbst mit einer „Reform der Reform“ beauftragen.

Diese Blütenträume des inzwischen abgelösten Akademiechefs sind nicht gereift. Aber nun ist der eigene Reformvorschlag der Akademie fertig. Als Forum für die Präsentation wurde die Leipziger Buchmesse gewählt. Und da passierte etwas Überraschendes: Die Veröffentlichung wirkte wie ein Paukenschlag und fand deutschlandweit Beachtung. Das lässt sich als Indiz dafür werten, dass das Unbehagen und der „Leidensdruck“ über die ungeliebte Reform nicht nachgelassen haben.

Autor ist der Potsdamer Linguist Peter Eisenberg, der schon mehrfach Schlagzeilen in Sachen Rechtschreibreform gemacht hat. Zuerst als strikter Gegner, dann als unfreiwilliges Mitglied der Mannheimer „Zwischenstaatlichen Kommission“, in der Rolf Wernstedt, seinerzeit Kultusminister in Niedersachsen und Präsident der KMK, den Querkopf unbedingt platzieren wollte, um ein Korrektiv in den selbstherrlich operierenden Zirkel einzubauen. Als Eisenberg erkennen musste, dass er sich dort nicht durchsetzen konnte und lediglich als „Feigenblatt“ benutzt wurde, trat er ein weiteres Mal in die Öffentlichkeit und kündigte die Mitarbeit auf.

Der Potsdamer ist sich also im Grundsatz treu geblieben - aber ob er diesmal mit seinen Vorschlägen Gehör findet oder sich endgültig zwischen alle Stühle setzt, bleibt abzuwarten. Denn natürlich vergrätzt er nicht nur die Mannheimer Kommission, sondern auch die Gegner der Rechtschreibreform, weil er sich auf eine Fülle von Neuregelungen einlässt (ohne von ihnen überzeugt zu sein).
Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass die Kultusminister nach dem Strohhalm eines „Kompromissvorschlages“ greifen, um die Fronten auszusöhnen und die ärgsten Patzer der Rechtschreibkommission auszumerzen - was mit der amtlichen Kommission nicht zu machen ist.

Eisenberg greift auf ein altes Prinzip der deutschen Rechtschreibung zurück, die ja einmal ein „lernendes“ Regelwerk war: Liberalität.

Er will zahllose neu eingeführte Unsinnsschreibungen insbesondere im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung, aber auch der Groß- und Kleinschreibung sowie der Silbentrennung „freigeben“ und dem Schreiber selbst die Wahl lassen. Dem förmlichen Einpauken von Nonsensschreibungen würde damit der Boden entzogen.

So öffnet Eisenberg im beigegebenen Wörterverzeichnis für fast alle von der Mannheimer Kommission auseinander gerissenen Zusammenschreibungen wieder die Möglichkeit der Zusammenfügung: „wohltun“ steht neben „wohl tun“. Damit wird dem Schreiber die Freiheit zurückgegeben, in der Schreibweise Bedeutungsvarianten zum Ausdruck zu bringen.

Aber eben leider nicht konsequent genug. Das große Manko der „Reform der Reform“ ist es, dass sie auf halbem Wege stehen bleibt und nun ihrerseits uneinsehbare neue Unterscheidungen dekretiert, die die „Liberalität“ sofort wieder in Frage stellen.

Haarsträubende Beispiele hat der Erlanger Linguist Theodor Ickler aufgelistet. Sie lassen daran zweifeln, ob Eisenberg überhaupt schon ein fertiges Regelwerk vorgelegt hat oder doch nur einen Versuchsballon starten wollte.
Ickler: „Man soll schreiben im klaren sein, aber im Unklaren sein; auf Deutsch, aber auf gut deutsch; im guten wie im bösen, aber Gleich und Gleich gesellt sich gern. Bei kennenlernen und spazierengehen soll nur die Zusammenschreibung erlaubt sein, bei sitzenbleiben, laufenlassen auch die Getrenntschreibung ...“ Und so geht es über Seiten weiter. Sind es Spitzfindigkeiten oder Flüchtigkeitsfehler? Die Frage bleibt unbeantwortet.

Gewiss erfreulich: Die Dreifachhäufung von Konsonanten wird zurückgenommen (Schlammasse statt Schlammmasse), und bei Streßsituation (statt Stresssituation) kehrt sogar das „ß“ zurück. Aber warum nicht auch hier die Öffnung nach beiden Seiten? Eisenbergs gutgemeinter Kompromiss bleibt auf ganzer Linie halbherzig - und deshalb chancenlos. Vielleicht öffnet er aber den Blick auf Lösungsmöglichkeiten, die einen Ausweg aus dem Schlamassel weisen. Zumindest dies wäre ein nicht zu unterschätzendes Verdienst.

DIE WELT vom 24. März 2003
http://www.welt.de/data/2003/03/24/56592.html?search=Rechtschreibreform&searchHILI=1
http://www.welt.de/data/2003/03/24/56592.html?s=2
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 20. Apr. 2004 16:12    Titel: „Als die neue Rechtschreibung Gesetz geworden war“ Antworten mit Zitat

„Als die neue Rechtschreibung Gesetz geworden war“???
________________________________________________

Protest und Preise: Die Akademie tagte

von Uwe Wittstock

Darmstadt - Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung eilt nicht eben von Triumph zu Triumph. Zu ihren größten Niederlagen gehört die zweifellos unglückliche Rechtschreibreform. Obwohl die Akademie schon im Namen ihre Zuständigkeit für die deutsche Sprache zu erkennen gibt, nahm sie auf die Planungen dieser Reform keinen Einfluss. Die Sprachregelung heißt: Der entsprechende Brief mit der Bitte um Kooperation sei in ihrer Poststelle nie angekommen oder dort verloren gegangen. Dumm gelaufen.

Erst als die neue Rechtschreibung Gesetz geworden war und in der Öffentlichkeit auf wenig Gegenliebe stieß, wandte sich auch die Akademie vehement gegen sie und unterbreitete den Reformern ihre Änderungswünsche.

So wirkte es recht populistisch, als Klaus Reichert, der Präsident der Akademie, jetzt in seinem Rechenschaftsbericht erneut gegen die umstrittene Reform polemisierte und damit seinem Publikum schnellen Beifall entlockte. Doch was hätte Reichert sonst auch tun können? Außer einem in diesem Jahr publizierten Buch mit Reform-Vorschlägen und der turnusgemäßen Frühjahrstagung hatte er über die Arbeit seines Hauses wenig vorzutragen.

Vermutlich wäre sie schon längst aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden, hätte sie nicht das Privileg, einige der bedeutendsten Auszeichnungen des deutschsprachigen Kulturlebens vergeben zu dürfen. Der Georg-Büchner-Preis, die wichtigste literarische Auszeichnung des Landes, ging in diesem Jahr an den Schriftsteller und Filmemacher Alexander Kluge. Der Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay an Klaus Theweleit. Und der Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa an den Altphilologen Walter Burkert.

Erstaunlich war, wie sich bei der Verleihungsfeier die drei Dankreden der Preisträger und die drei Laudationes unabgesprochen, aber deshalb umso eindrucksvoller zu einem Loblied auf die Kraft des Erzählens bündelten. Selbst Wissenschaft ist, hob Burkert hervor, eben keine reine Sammlung von Daten, sondern beginnt erst mit der Verknüpfung von Daten zu einem sinnvollen Zusammenhang - und diese Leistung ist ohne erfinderische Fantasie, also letztlich ohne erzählerisches Talent nicht denkbar.

Jan Philipp Reemtsma attestierte Alexander Kluge „poetisches Urvertrauen“, ohne zu verschweigen, wie skeptisch dieser seinerzeit derartigen Neigungen gegenüberstand. Doch was sich noch heute an Kluges Werk als lebendig erweist, ist jenem Vertrauen aufs Erzählen geschuldet, nicht dem Vertrauen zur Theorie.

DIE WELT vom 27. Oktober 2003
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Manfred Riebe



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Beitrag: Sonntag, 06. Jun. 2004 12:54    Titel: Die DASD ist staatlich finanziert Antworten mit Zitat

Die DASD ist staatlich finanziert
Interessenkollisionen durch personelle Verflechtung


Die KMK suchte letzthin Unterstützung bei der „Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung“ (DSAD). Warum ausgerechnet bei diesem Sprachverein, der als einziger Reformkritiker einen faulen Kompromiß anbot? Die DASD ist staatlich finanziert. Entsprechend sind ihre Führungsgremien besetzt. Durch eine personelle Verflechtung zwischen Rechtschreibkommission und Deutscher Akademie für Sprache und Dichtung (DASD) – insbesondere durch die Ministerialrätin Dr. Monika Palmen-Schrübbers - treten Interessenkollisionen auf. Siehe: www.vrs-ev.de/forum/viewtopic.php?p=1149#1149
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Manfred Riebe



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Beitrag: Freitag, 20. Aug. 2004 21:00    Titel: Rechtschreibung ein Fall von Fachidiotie Antworten mit Zitat

Politischer Eiertanz
Rechtschreibung ein Fall von Fachidiotie

_____________________________________________________

Versuch einer Entbiesterung
Noch einmal: Zur Reform der Rechtschreibung

<b>„Es ist schon alles gesagt, aber noch nicht von allen.“ Karl Valentins schöner Spruch trifft auch für die Befürworter und Gegner der Rechtschreibreform zu. Der Kampf wogt, in der Redaktion der Badischen Zeitung stapeln sich die Leserbriefe zum Thema. Wie soll es nun weitergehen? Hans-Martin Gauger, Mitglied der „Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung“, macht einen Vorschlag – in der alten Rechtschreibung.</b>

Wir Sprachwissenschaftler haben kein Glück. Kaum jemand außer uns selbst interessiert sich für das, was uns interessiert, und was die Leute an ihrer Sprache vor allem interessiert, die Rechtschreibung, interessiert wiederum uns kaum. Hier aber haben wir nun etwas gelernt. Vor dem enormen Aufwand an Affekt fragen wir uns augenreibend: „Horch, was kommt von draußen rein?“

Von unserem Fach her können wir diesen Affekt nicht erklären. Da braucht man Psychologie. Offenbar erklärt sich der Riesenaffekt daher, daß man die Rechtschreibung beinahe als allererste Kulturtechnik erwirbt. Unsere Sprache tritt uns hier zum ersten Mal in ihrer schriftlichen Hochform, sozusagen objektiv entgegen. So ist sie dann für uns. Wie jene Mutter aus dem Ruhrgebiet sagte: „Du mußt deutlich reden, Kind, deutlich, nach der Schrift: Schokolarde!“ Allein diese Wendung „nach der Schrift reden“ ist enthüllend. Also: da will man keine Änderung – jede, auch die geringfügigste schmerzt. Man identifiziert sich mit dem Gelernten. Und daß Sprache ein Besitz ist, empfindet man erst dann intensiv, wenn einem etwas genommen wird von ihr.

„Aber die Schreibung“, rief vor einigen Jahren ein Sprachwissenschaftler [Gerhard Stickel, damals Direktor des Instituts für deutsche Sprache, MR] den Mitgliedern der „Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung“ zu, „ist doch bloß das äußerlichste Gewand der Sprache!“ Da war heftige, fassungslose, entgeisterte Entrüstung. In der Tat: das meinen naiverweise wir die Sprachwissenschaftler. So ist es für uns – ein Fall von „Fachidiotie“ [wie die Achtundsechziger sagten. MR]. In Wirklichkeit, für die Sprechenden, ist es so gerade nicht. Sprache ist ja doch nicht irgendwo, sondern in den Köpfen, im Bewußtsein derer, die sie sprechen und schreiben.

<b>Die Rücknahme der Reform ist nicht mehr drin ...</b>

Die letzten Eingriffe in die Schreibung des Deutschen gab es 1901 und dann 1941, als Hitler die lateinische Schrift einführte; kurz danach wurden durch seine Lakaien Vereinfachungen anvisiert, die aber Hitler als nicht kriegswichtig zurückstellte. Das Kaiserreich hatte mit der Durchsetzung kaum Probleme, Hitler noch weniger, und außerdem hatte er ja, muß man sagen, recht. Niemand wollte nach 1945 zur Fraktur und zur Sütterlin-Schreibschrift zurück. Weit schwieriger - dies erleben wir nun - sind solche Eingriffe in einer Demokratie.

Gegen die heutige Reform hat sich eine formidable Phalanx aufgebaut: alle deutschsprachigen Akademien, nahezu alle Schriftsteller, entsprechend der deutsche PEN-Club, große deutsche Verlage, die deutsche Presse in ihrer Mehrheit, besonders die überregionalen Blätter, viele Verbände, sicher auch sehr viele Lehrer (nicht alle), vor allem aber die deutliche Mehrheit der Bevölkerung. Übrigens sind jetzt wohl auch die meisten Sprachwissenschaftler gegen die Reform. Es gilt gleich für den zur Zeit wohl bedeutendsten: Harald Weinrich.

Für die Reform sind nur noch die wenigen Sprachwissenschaftler, die sie ausgeheckt, und die Kultusminister, die sie toleriert haben, genauer: die in den Ministerien zuständigen Beamten. Sie sind das eigentliche Fundament des Ganzen. Hier wedelt der berühmte (hier unpolitische) Schwanz mit dem (hier politischen) Dackel, der sich dies gefallen läßt. Einer freilich, der frühere bayerische Kultusminister Zehetmair, wurde 1995 sehr deutlich: „Man wird uns, die Kultusminister, fragen: Was habt ihr denn da angestellt? Es wird viel Streit, sogar erbitterten Streit geben.“ Prophetische Worte in der Tat!

<b>Unmöglich ist es aber auch, die Reform einfach durchzuziehen.</b>

Was kann jetzt geschehen? Die schiere Rücknahme der „Reform“ ist politisch kaum mehr „drin“. Zu beklagen ist besonders die Haltung der SPD – in der CDU gibt es wenigstens beide Meinungen. Wenn die sympathische Genossin Doris Ahnen, Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz, [Gauger ist SPD-Mitglied, MR] auch sie (ahnungslos) im Würgegriff ihrer Beamten, sagt, es gebe Wichtigeres, so kann, so muß man dies auch gerade gegen sie wenden. Warum gibt sie der Sache solch grandiosen Stellenwert und nicht einfach nach?

Unmöglich ist es aber auch, bei diesem Widerstand die Reform nun einfach durchzuziehen. Diejenigen, die sie zuletzt in obrigkeitlicher Arroganz betrieben haben, hatten ihre Chance. Vor allem: der Streit, die nervende Unruhe wären mit dem Durchziehen der Reform keineswegs aus der (deutschsprachigen) Welt. Alles ginge – allem nach, verstärkt weiter.

Nun muß es einen Kompromiß geben und eine nicht zu knappe Verlängerung des Termins August 2005, an dem die noch waltende schöne Freiheit enden soll. Der ins Auge gefaßte „Rat für Rechtschreibung“ muß baldmöglichst zusammengestellt und einberufen werden.

Die „Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung“ hat im vergangenen Jahr einen Vorschlag unterbreitet, der unter Peter Eisenbergs Federführung erstellt und von ihrer „Rechtschreibkommission“ beschlossen wurde. In dieser Kommission sind, neben ihm selbst, Hartmut von Hentig, Friedhelm Kemp, der schwedische Germanist Gustav Korlén, Uwe Pörksen, Harald Weinrich und der Schreiber dieser Zeilen.

Der Vorschlag meidet verbiesterte Aufgeregtheit in dieser oder jener Richtung. Und wirklich: nicht alles, was die Herren jener anderen Kommission gemacht haben (es waren nur Herren) ist der bare Unfug. Der entkrampfende, entbiesternde Vorschlag der „Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung“ sollt nun als Vorlage aufgegriffen werden. Hans-Martin Gauger

Badische Zeitung vom Mittwoch, 18. August 2004, S. 25
_______________________________________________

Anmerkungen:

Der Autor lehrte Romanistik und Sprachwissenschaft an der Universität Freiburg. Er ist Vorsitzender der Sprachkommission und Mitglied der Rechtschreibkommission der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Zuletzt erschienen von ihm die Sprachglossen „Was wir sagen, wenn wir reden“ (Hanser).

Erstaunlich ist, daß sein Artikel in der traditionellen Orthographie gedruckt wurde. Der gleiche Artikel erschien, aber in den Neuschrieb umgefälscht, in ausführlicherer Fassung in Berlin:
Hans-Martin Gauger: Kinder, Schokolarde! - Die Debatte um die Reform der Rechtschreibung spitzt sich zu. Ein Vorschlag zur Entbiesterung. In: Der Tagesspiegel vom 18. August 2004
Die Lektüre der aufschlußreicheren Fassung im Tagesspiegel ist zu empfehlen.

Aufschlußreich ist das Geständnis Gaugers, die Rechtschreibung interessiere die Sprachwissenschaftler kaum, sie sei ein Fall von „Fachidiotie“. Man kann daher auch davon ausgehen, daß er sich damit persönlich nicht ausführlicher befaßt hat. Gauger: „Man identifiziert sich mit dem Gelernten.“ Nein, man identifiziert sich mit der Muttersprache. Sprache ist auch kein Besitz, sondern Eigentum. Eigentum kann man nicht ohne weiteres enteignen, niemand kann daran wie ein dahergelaufener Quacksalber herumpfuschen.

Über die Rechtschreibreform von 1944 geht Gauger mit verschleiernden Sätzen hinweg: „kurz danach wurden durch seine [Hitlers] Lakaien Vereinfachungen anvisiert“ (Das ist natürlich Unsinn, MR). Dann lenkt Gauger mit Hitlers Umstellung auf die lateinische Schrift vom Thema ab. Ein Eiertanz.

Wenn Gauger von der „schönen Freiheit“ der Rechtschreibung, d.h. von einer Beliebigkeitsschreibung, spricht, dann merkt man, daß es ihm gar nicht um die Einheitlichkeit der Orthographie geht. Dies entspricht seiner kompromißlerischen Haltung, ein politisches Zugeständnis an den SPD-Kurs. Das Bild von den unpolitischen Kultusbeamten und den politischen Kultusminister-Dackeln stimmt nicht. Die Kultusbeamten sind nach Parteibuch ausgesucht worden. Daher stimmt eher das Bild von den Kultusministern im „Würgegriff“ ihrer politischen Beamten.

Die Killerphrasen „enormer Aufwand an Affekt“, „verbiesterte Aufgeregtheit“ und „Versuch einer Entbiesterung“ sind entlarvend und können nicht verbergen, daß die DASD-Kommission wie die sieben Schwaben davor zurückschreckt, dem vermeintlichen Ungeheuer mannhaft entgegenzutreten. Es geht nicht um eine „Reform der Rechtschreibung“, wie Gauger in einer Zwischenüberschrift: „Die Rücknahme der Reform ist nicht mehr drin ...“ zu suggerieren versucht. Das Volk will die Rücknahme der Rechtschreibreform.

Gauger stellt fest, daß „vor allem aber die deutliche Mehrheit der Bevölkerung“ und „die meisten Sprachwissenschaftler“ gegen die Reform sind. Der DASD-Vorschlag ist aber auch eine Reform, die er mit der gleichen obrigkeitlichen Arroganz wie die Kultusminister dem Volk überstülpen will. Ihn interessiert nicht, was die Mehrheit des Volkes will.

„Die schiere Rücknahme der „Reform“ ist politisch kaum mehr drin.“? - „Weit schwieriger sind solche Eingriffe in einer Demokratie“, meint Gauger, ohne sich mit der Frage der diktatorischen Durchsetzung, einer parlamentarischen Entscheidung oder einer Volksabstimmung zu beschäftigen. Kann man fachübergreifendes Denken von einem Fachwissenschafter nicht erwarten? Statt dessen erfolgt der Blick auf die Parteien. Gegen deren Diktatur lehnt sich das Volk auf. Ist das für einen Sprachprofessor so schwer zu verstehen?

Auch die DASD hat ohne Befugnis eine ihr genehme Rechtschreibkommission zusammengestellt. Wie sollen deren Mitglieder sachkundig sein, wenn sie die Rechtschreibung als Fachidiotie betrachten? Und was soll darin ein schwedischer Germanist, Gustav Korlén? Hartmut von Hentig hatte mal Altphilologie studiert, war Lehrer und Pädagogik-Professor. Wo und wie haben sich die Mitglieder der DASD-Kommission (außer Peter Eisenberg) wissenschaftlich speziell mit Orthographie beschäftigt? Gab es keinen deutschen Linguisten wie etwa Theodor Ickler?

Die Frage, die Gauger an die Genossin Ahnen stellt: „Warum gibt sie der Sache solch grandiosen Stellenwert und nicht einfach nach?“, sollte er an sich stellen und darauf antworten.
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Manfred Riebe



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Beitrag: Montag, 30. Aug. 2004 12:01    Titel: Frieden ist möglich Antworten mit Zitat

Frieden ist möglich
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung
stellt ihren Kompromissvorschlag im Streit um die Rechtschreibreform vor


Christian Bommarius

Morgendlicher Bericht über das Geschehen an den Frontabschnitten: In der Schweiz ruft eine Tageszeitung den „Glaubenskrieg“ aus, in Österreich verlangt eine Gruppe zum Widerstand entschlossener Schriftsteller ultimativ von der Regierung, die Festlegung auf die deutsche Sprache in der Verfassung zu beseitigen, in Deutschland unternimmt die Satire-Fachzeitschrift „Pardon“ einen unerwarteten Ausfall nach zwei Seiten und kündigt ihre Herausgabe ab November sowohl in alter als auch in neuer Rechtschreibung jeweils mit 30 000 Auflage an.

Wie in den Wochen und Monaten zuvor, als der Krieg um die richtige Rechtschreibung in Deutschland mit Flächenbombardements von Argumenten, Unterstellungen, Rufmordversuchen, üblen Nachreden, Schmähungen und Ultimaten auf das feindliche Lager, demokratietheoretischen Denkschriften, ethymologischen Grundsatzerwägungen, pädagogischen Lock-, Warn- und Haltrufen zunehmend und derart erbittert geführt wurde, dass unvorbereitete Beobachter tatsächlich den Eindruck gewinnen konnten, Deutschland befinde sich in offener Feldschlacht, setzt sich das Ringen um die korrekte Orthografie auch an diesem Morgen fort.

Und doch: An diesem Morgen keimt im fünften Stock des ersten Gebäudes der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, in einem winzigen Büro des Romanischen Seminars, die Hoffnung auf baldigen Frieden - dauerhaft und ehrenvoll für beide Lager. Denn Hans-Martin Gauger, emeritierter Professor für Romanistik und Sprachwissenschaft, stellt einen Kompromissvorschlag vor, den er mit einigen Kollegen im Auftrag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt erarbeitet hat. „Das ist“, sagt Professor Gauger, „ein Angebot, das beide Seiten akzeptieren können müssten. Denn es ist vernünftig.“ Man merkt, Professor Gauger ist ein unverbesserlicher Optimist.

Das Angebot, das Gauger im Namen der Akademie unterbreitet, ist jedenfalls sehr übersichtlich (es steht auf 141 Seiten) und - sollte es am Ende angenommen werden - ein Meilenstein in der Geschichte des Kompromisswesens. Einerseits würden, wie seine Autoren versprechen, damit alle gravierenden Einwände gegen die Neuregelung gegenstandslos, andererseits würden Schulbuchverlage und Steuerzahler vor den befürchteten Kosten für Neudrucke bewahrt. Zwar besteht Gauger darauf, dass auch in Zukunft seiner Ansicht nach nicht „einer Hand voll“, sondern „einer Handvoll“ Beamten in den Kultusministerien kein Recht auf Verordnung der Rechtschreibregeln zukomme: „Gegen die waren am Ende sogar die Kultusminister der Länder machtlos“. Aber um des lieben Friedens willen lässt der Kompromissvorschlag der Akademie beide Varianten zu („Handvoll“ allerdings an erster Stelle).

Überhaupt, der Frieden. Gauger sagt, er sei schon deshalb dringend geboten, weil der Krieg niemandem mehr länger zuzumuten sei: „Dafür sind wir, obwohl im Prinzip gegen die Reform, zu Opfern bereit.“ Eines der Opfer besteht darin, die Ersetzung des „ß“ nach Kurzvokalbuchstaben durch „ss“ („Hass“, „Fass“) zu akzeptieren, obwohl sie - wie der Einführungskommentar zum Kompromissvorschlag resigniert erläutert - „weder systematisch geboten“ sei noch unproblematisch. Denn nachweislich verstärke sie die Neigung, nur noch „ss“ zu schreiben, aber „im Interesse einer Beilegung des Streites, zugunsten einer Wiederherstellung des ‘Rechtschreibfriedens‘ wird vorgeschlagen, die Änderung zu übernehmen.“

So moderat kommt die Deutsche Akademie den Rechtschreibungsreformern nicht durchweg entgegen. Ihre Toleranz ende, sagt Gauger, wo der Unsinn beginne. Und spätestens bei den Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung steht er in voller Blüte. Als Beispiel verweist Gauger auf ein Zitat des Literaturwissenschaftlers Peter von Matt: „Wenn ein Dieb ‘im Dorf wohl bekannt ist‘, heißt das etwas anderes, als wenn er ‘im Dorf wohlbekannt‘ ist. Der Unterschied kann juristische Konsequenzen haben. Jetzt darf man ihn aber nicht mehr zum Ausdruck bringen. Die Erziehungsdirektoren verbieten es.“ Dasselbe gilt natürlich für „auseinandersetzen“ und „auseinander setzen“. Es ist eben nicht das Gleiche, ob man sich auseinandersetzt oder zwei Schüler auseinander setzt. „Jeder muss in jedem Einzelfall selbst wissen“, sagt Gauger, „was er meint und jeder muss darum in jedem Einzelfall selbst entscheiden, wie er es das am besten schreibt.“ Also würde auch hier die Neuregelung nicht komplett verworfen, nur den Bedürfnissen der Sprache, also den Bedürfnissen der Schreibenden angepasst.

Das klingt nicht nur vernünftig, der Vorschlag ist so überzeugend, dass sich naturgemäß die Frage stellt, warum er jetzt erst die Debatte bereichert. Erstens, sagt Professor Gauger, sei er schon im vergangenen Jahr veröffentlicht, nur eben nicht zur Kenntnis genommen worden. Zweitens aber müsse er gestehen: „Wir haben geschlafen.“ Schuld daran sei vor allem wohl die Vorstellung der Sprachwissenschaftler, zwar für Laute und Grammatik, aber eben nicht für die Orthografie („Die finden wir vor, wie sie ist“) zuständig zu sein: „Wir sind erst aufgewacht, als die Emotionen hoch schlugen.“ Um so heftiger sei dann die Erkenntnis des schweren Versäumnisses gewesen: „Sie müssen bedenken, Schreiben ist für jeden eine der ersten Kulturtechniken, die er im Leben erlernt. Das kommt gleich nach dem Töpfchen.“

Aber das Reden gehört ohne Zweifel auch dazu. Weil sich Gauger darauf ebenfalls vorzüglich versteht, erläutert er mündlich die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, wenn der Kompromissvorschlag einen Sinn haben soll. Die Absicht, die neuen Regeln der Rechtschreibreform zum 1. August nächsten Jahres für verbindlich zu erklären müsse unverzüglich aufgegeben werden. Und dann müsse der angekündigte Rat für Rechtschreibung, in dem Gegner und Befürworter der Reform sich zusammensetzen oder zusammen setzen, sofort einberufen werden: „Wenn das nichts wird, dann wird es nichts mit einem Kompromiss.“

Am heutigen Montag will Hans-Martin Gauger zusammen mit dem Präsidenten und weiteren bekannten Mitgliedern der Akademie für Sprache und Dichtung bei der Berliner Presse für den Kompromissvorschlag werben.

Berliner Zeitung vom 30. August 2004
www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/372198.html


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Montag, 18. Dez. 2006 02:10, insgesamt 1mal bearbeitet
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Beitrag: Montag, 30. Aug. 2004 12:03    Titel: Sprachzeitung: Rechtschreibkompromiß ist Danaergeschenk Antworten mit Zitat

Sprachzeitung: Rechtschreibkompromiß ist Danaergeschenk

Als „Danaergeschenk an die deutsche Sprache“ bezeichnete der Schriftleiter der DEUTSCHEN SPRACHWELT, Thomas Paulwitz, den Kompromißvorschlag der Sprachakademie zur Rechtschreibreform. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung stellt ihren Entwurf heute wieder einmal der Öffentlichkeit vor. Er besteht aus willkürlichen und unsystematischen Einzelfestlegungen, teilweise im Rückgriff auf bewährte Schreibweisen, und dem Zugeständnis an die Reformer, die reformierte Doppel-s-Schreibweise beizubehalten. Aus diesem Grund hat die DEUTSCHE SPRACHWELT auf ihrer Netzseite mit sieben Gründen nochmals dargelegt, warum die reformierte Doppel-s-Regelung wieder abgeschafft werden muß. Unter anderem kommt die Sprachzeitung zu dem Ergebnis, daß die reformierte Doppel-s-Regelung ein alter Hut aus dem 19. Jahrhundert sei, nachgewiesenermaßen zu mehr Rechtschreibfehlern führe und Vorbote für weitere Willküreingriffe in die deutsche Sprache sei. Bei einem Kompromiß stünde nicht die beste Schreibweise im Vordergrund, sondern politische Taktiererei. Deswegen sei die Rücknahme der Reform die einfachste, vernünftigste und zudem auch billigste Lösung.

DEUTSCHE SPRACHWELT vom 30. August 2004
www.deutsche-sprachwelt.de/nachrichten/neues_detail.php?id=126
www.deutsche-sprachwelt.de/nachrichten/neues_detail.php?id=125
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Manfred Riebe



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Beitrag: Montag, 30. Aug. 2004 12:13    Titel: Sieben Gründe gegen die Doppel-s-Regelung Antworten mit Zitat

„Dass isst dass Hauß vom Nikolauß.“
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Sieben Gründe, warum die reformierte Doppel-s-Regelung abgeschafft werden muß


Heute stellt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung zum wiederholten Male ihren „Kompromißvorschlag“ zur Rechtschreibreform vor. Er besteht aus willkürlichen und unsystematischen Einzelfestlegungen und dem Zugeständnis, die neue Doppel-s-Schreibweise beizubehalten. Der Vorschlag ist deswegen sowohl von Befürwortern der Rechtschreibreform als auch von ihren Gegnern mehrmals zurückgewiesen worden. Anfang des Jahres wurde die Rechtschreibkommission zu Gesprächen mit der Akademie verpflichtet, die ganz und gar scheiterten. Die Nachteile eines Kompromisses liegen auf der Hand: Es stünde nicht die Besinnung auf die beste Schreibweise im Vordergrund, sondern politische Taktiererei. Außerdem wäre ein Kompromiß so teuer wie die von den Kultusministern beschlossene Umsetzung der Reform der Reform zum 1. August 2005, die der neue Duden schon fehlerhaft vorweggenommen hat.

Die Akademie bezeichnet den Schaden, den die reformierte Doppel-s-Regelung anrichtet, als „nicht nennenswert“. Die DEUTSCHE SPRACHWELT ist anderer Meinung und faßt deswegen aus aktuellem Anlaß noch einmal sieben Gründe zusammen, warum die reformierte Doppel-s-Regelung wieder abgeschafft werden muß:

1. Alter Hut:
Die reformierte Doppel-s-Schreibung hat sich schon im 19. Jahrhundert nicht bewährt.

Die vermeintlich moderne Doppel-s-Schreibung hat Christian August Heyse Anfang des 19. Jahrhunderts erfunden. In Österreich wurde sie 1879 eingeführt und 1902 wieder abgeschafft, weil sie sich schon damals nicht bewährt hatte.

2. Mehr Rechtschreibfehler:
Die reformierte Doppel-s-Schreibung ist erwiesenermaßen fehlerträchtiger als die bewährte Regelung.

Der Leipziger Professor Harald Marx hat die Rechtschreibleistungen von Grundschülern im Hinblick auf die Doppel-s-Schreibung im Jahr 1996, also vor der Reform, und nach der Reform (1998, 2001, 2003 und 2004) untersucht. Marx stellte fest, daß die Schüler mit den Reformregeln mehr Fehler machen. Er wies Übergeneralisierungen nach. Marx: „Wörter, die in der S-Laut-Schreibung von der Rechtschreibreform nicht betroffen waren, wurden jetzt häufiger als vor der Reform falsch geschrieben.“ Dazu trage vor allem das Nebeneinander von bewährter und reformierter Schreibung bei. Beispiele für Falschschreibung durch Übergeneralisierungen: heiss, Strasse, Grüsse und so weiter.

3. Keine Vereinheitlichung:
Die reformierte Doppel-s-Schreibung führt – anders als behauptet – nicht zu einheitlichen Schreibweisen.

Die hessische Landesregierung behauptete zum Beispiel am 19. August dieses Jahres in ihren „10 guten Gründen für die Rechtschreibreform“, die reformierte Doppel-s-Schreibung führe gemäß dem Stammprinzip „zu einheitlichen Schreibweisen - Fluss schreibt sich wie Flüsse -, wo früher Abweichungen gelernt werden mussten.“ Das Gegenbeispiel braucht man nicht lange zu suchen: fließen – floss – geflossen.

4. Verdruß am Schluß:
Die reformierte Doppel-s-Schreibung steigert die Fehlerwahrscheinlichkeit am Wortende um 50 Prozent.

Früher galt die Eselsbrücke: „Doppel-s am Schluß bringt Verdruß.“ Waren früher nur einfaches s und ß am Wortende möglich (Gruß, Fluß, Bus), so gibt es mit der reformierten Doppel-s-Schreibung drei Möglichkeiten: s, ss und ß (Gruß, Fluß, Bus). Die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einem Rechtschreibfehler kommt, hat hier um 50 Prozent zugenommen.

5. Vorbote weiterer Eingriffe:
Die reformierte Doppel-s-Schreibung ist nur ein erster Schritt zu weiteren Eingriffen in die deutsche Schreibung.

Die Abschaffung vieler ß-Schreibungen soll nur das Tor zu weiteren Eingriffen in die Sprache aufstoßen. Laut SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser müsse man ab dem Jahr 2005 den Weg weitergehen in Richtung „gemäßigte Kleinschreibung“. Das „ß“ müsse gänzlich abgeschafft werden.

6. Schwerer lesbar:
Die reformierte Doppel-s-Schreibung führt zu schwerer lesbaren Schreibweisen.

Zahlreiche zusammengesetzte Wörter sind durch die reformierte Doppel-s-Schreibung schwerer zu lesen: Messergebnis, Nussecke, hasserfüllt, Flusssand, Schlussserie, Schlossstraße, Flussschifffahrt. Das Wortbild mit der ß-Marke ist dagegen schneller zu erfassen: Meßergebnis, Nußecke, haßerfüllt, Flußsand, Schlußserie, Schloßstraße, Flußschiffahrt.

7. Zahlreiche Ausnahmen:
Die reformierte Doppel-s-Schreibung ist schwieriger als es den Anschein hat.

Nach kurzem Selbstlaut Doppel-s, nach langem Selbstlaut und nach Zwielaut „ß“? Eine scheinbar einfache Regel entpuppt sich als große Hürde für Neulerner: „Dass isst dass Hauß vom Nikolauß.“ Um diesen Satz nach der Rechtschreibreform richtig schreiben zu können, müssen zahlreiche undurchsichtige und schwierige Ausnahmeregeln gelernt werden. Vergleiche auch die möglichen Falschschreibungen „Kultussbürokratissmuss“, „Armutszeugniss“, „Ohne Fleiß kein Preiß“.

Die Vernunft siegt!

Thomas Paulwitz
Schriftleiter der DEUTSCHEN SPRACHWELT

DEUTSCHE SPRACHWELT vom 30. August 2004
www.deutsche-sprachwelt.de/nachrichten/neues_detail.php?id=125
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Karin Pfeiffer-Stolz



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Beitrag: Montag, 30. Aug. 2004 17:47    Titel: Antworten mit Zitat

Noch zwei weitere, gewichtiger Gründe sprechen gegen den "Kompromiß", die Heysesche s-Schreibung fortbestehen zu lassen:

1. Die künstliche Veraltung und Entwertung unseres in privaten und öffentlichen Bibliotheken gesammelten Schriftgutes, was einen unumkehrbaren Bruch mit der Schriftkultur zur Folge hätte.

2. Die Notwendigkeit für Literaturverlage, die Bücher der Backlist zu überarbeiten, was noch höhere Kosten verursachen würde als bei den Schulbuchverlagen.

Die ss-Schreibung beizubehalten wäre vergleichbar dem Entschluß, die Fassade eines durch Brand unbewohnbar gewordenen Hauses zu pflegen um des Anscheines willen, es sei trotz des Infernos unbeschädigt geblieben.
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Karin Pfeiffer-Stolz
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Manfred Riebe



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Beitrag: Montag, 30. Aug. 2004 17:59    Titel: Kompromissvorschlag im Streit um Rechtschreibreform Antworten mit Zitat

Kompromissvorschlag im Streit um Rechtschreibreform vorgelegt
Bleibenlassen oder bleiben lassen?
Die Akademie für Sprache will nur sinnvolle neue Regeln gelten lassen.


Berlin - Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung und andere Experten haben vor einer Spaltung der deutschen Sprache gewarnt und einen Kompromiss im Streit um die Rechtschreibreform gefordert. Sie plädierten für einen „klaren Neuanfang“ und einen „Rückweg zur Vernunft ohne Gesichtsverlust“. Die Vorschläge sehen vor, einzelne Teile der neuen Regelungen zu übernehmen. Gleichzeitig sollen die Schreibregeln gelockert werden.

Ersetzen des ß „sprachlich verantwortbar“

Die Vorschläge sehen vor, „Elemente der neuen Rechtschreibung, die nicht allzu störend sind“, beizubehalten „und die schlimmen, unsere Sprache entstellenden Fehler zu beseitigen“. So sei die Ersetzung des ß nach Kurzvokalbuchstaben durch ss sprachlich verantwortbar. Andererseits müssten Neuregelungen, die gegen die Sprachstruktur verstießen, die Ausdrucksvielfalt des Deutschen beschädigten und zu falschen Schreibweisen verleiteten oder sogar zur Beseitigung von Wörtern führten, rückgängig gemacht werden.

[...]

Kompromiss aus politischen Gründen

Auch der Potsdamer Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg hält die alte Orthographie für besser als die neue und sogar besser als den jetzt vorgelegten Kompromiss, doch sei eine totale Umkehr „politisch unrealistisch und sachlich auch äußerst schwer zu verwirklichen“.

„Lehrer verstehen Regeln nicht“

Der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Klaus Reichert, sprach in diesem Zusammenhang von einer „starren und vernagelten Haltung der Kultusminister“. Auch der Reformpädagoge Hartmut von Hentig warf der Kultusministerkonferenz vor, ihre Arbeit nicht getan zu haben. „Wir stehen vor einem großen Unglück. Die Lehrer sind unschlüssig und verstehen die neuen, komplizierten Regeln nicht.“

Die SPD-Spitze hatte am vergangenen Wochenende in Berlin deutlich gemacht, dass sie „im Interesse der Kinder und der Schulen“ an der Rechtschreibreform festhält.
[...] (ha/dpa)

AOL DEUTSCHLAND vom 30. August 2004
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Sigmar Salzburg



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Beitrag: Montag, 30. Aug. 2004 20:07    Titel: Ein zehnter Grund gegen die neuen ss Antworten mit Zitat

Das „umfunktionierte“ ß verliert seinen eigentlichen Daseinsgrund als ästhetisches, lesefreundliches Schlußzeichen. Schmuckschriften wie Fraktur sind nicht mehr stilecht darstellbar. Es ist ein Akt des Kulturbanausentums, diese Brücke zur großen künstlerischen Schrifttradition abzubrechen.
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Manfred Riebe



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Beitrag: Montag, 30. Aug. 2004 21:24    Titel: Kompromiss im Streit um Rechtschreibreform Antworten mit Zitat

Kompromiss im Streit um Rechtschreibreform

Berlin (dpa) - Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung und andere Experten haben vor einer Spaltung der deutschen Sprache gewarnt und gleichzeitig einen Kompromiss im Streit um die Rechtschreibreform gefordert.

Dafür müsse ein Expertenrat eingesetzt werden, der seine Vorschläge bis zum Ende der bisher festgelegten Übergangszeit im Sommer 2005 ausarbeiten sollte, forderte die Akademie am Montag in Berlin auf einer Pressekonferenz. Der Vorstoß fand bei der Kultusministerkonferenz (KMK) keine Zustimmung.

Die KMK reagierte mit dem Hinweis, bereits im September ein Konzept für den von ihr seit längerem geplanten «Rat für deutsche Rechtschreibung» vorlegen zu wollen. Darin sollen auch Kritiker sowie die «wichtigsten wissenschaftlichen und praktisch an der Sprachentwicklung beteiligten Gruppen» mitarbeiten. Letzte Gespräche mit Vertretern der Akademie hätten allerdings «derzeit nicht überwindbare Gegensätze» deutlich gemacht. KMK-Generalsekretär Erich Thies ergänzte auf dpa-Anfrage, dass die Kultusministerkonferenz von der Mitarbeit der Akademie für Sprache in dem Rat für Rechtschreibung ausgehe. Die Akademie habe grundsätzlich Interesse signalisiert.

Akademie-Präsident Klaus Reichert sprach in Berlin von einer «starren und vernagelten Haltung der Kultusminister». Auch der Reformpädagoge Hartmut von Hentig warf der KKM vor, ihre Arbeit nicht getan zu haben. «Wir stehen vor einem großen Unglück. Die Lehrer sind unschlüssig und verstehen die neuen, komplizierten Regeln nicht.» Die Akademie forderte, die Übergangszeit zur endgültigen Einführung der neuen Rechtschreibregeln um ein Jahr zu verlängern, damit die «Ausgeburten bürokratischer Denkweisen» bei der Reform beseitigt und der «Angriff auf die deutsche Sprache» abgewehrt werden könnten.

Unterdessen bekräftigten namhafte deutschsprachige Schriftsteller wie Günter Grass, Martin Walser, Tankred Dorst, Siegfried Lenz und Elfriede Jelinek eine «völlige Rücknahme der überflüssigen, inhaltlich verfehlten und sehr viel Geld und Arbeitskraft kostenden Rechtschreibreform». Dies entspräche dem erkennbaren Willen der großen Mehrheit der Bürger in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Auch der Potsdamer Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg hält die alte Orthographie für besser als die neue und sogar besser als den jetzt vorgelegten Kompromiss, doch sei eine totale Umkehr «politisch unrealistisch und sachlich auch äußerst schwer zu verwirklichen».

Die Vorschläge sehen vor, «Elemente der neuen Rechtschreibung, die nicht allzu störend sind», beizubehalten «und die schlimmen, unsere Sprache entstellenden Fehler zu beseitigen». So sei die Ersetzung des ß nach Kurzvokalbuchstaben durch ss sprachlich verantwortbar. Andererseits müssten Neuregelungen, die gegen die Sprachstruktur verstießen, rückgängig gemacht werden.

Selbstverständlich müsse man «anheimstellen» zusammenschreiben dürfen, ebenso wie «haltmachen». «Eislaufen» und «Eis essen» ebenso wie «Kennenlernen und Laufen lernen» oder «wohlfühlen» und «wohl fühlen» seien grammatikalisch nicht das gleiche. Die Verdreifachung von Konsonantbuchstaben anstelle der bisherigen Beschränkung auf zwei Buchstaben (Bettuch) führe teilweise zu grotesken, die Lesbarkeit störenden Wortbildern wie «Schlammmasse» oder «Schwimmmeister». Auch gebe es keinerlei Grund für die Kleinschreibung von Höflichkeitsformen.

Die SPD-Spitze hatte am vergangenen Wochenende in Berlin deutlich gemacht, dass sie «im Interesse der Kinder und der Schulen» an der Rechtschreibreform festhält. Dagegen begrüßte die FDP- Bundestagsabgeordnete Ulrike Flach, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, am Montag den Kompromissvorschlag. CDU-Chefin-Angela Merkel forderte kürzlich vor allem schnell Klarheit.

Die kompletten Kompromissvorschläge der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung liegen in Buchform vor (Wallstein Verlag Göttingen).

DIE WELT vom 30.08.2004 um 18:17 Uhr
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Manfred Riebe



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Beitrag: Montag, 30. Aug. 2004 21:34    Titel: „ss“ soll bleiben Antworten mit Zitat

Kompromissvorschlag zur Rechtschreibreform
Akademie für Sprache und Dichtung will Spaltung verhindern –
Nur wenige Neuerungen wie „ss“ sollen bleiben


von Dankwart Guratzsch

Berlin/Weimar - Im Streit über die Rechtschreibreform haben die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt und die politischen Parteien gegensätzliche Positionen bezogen. Während die SPD bekräftigte, dass sie „im Interesse der Kinder und der Schulen“ an der Rechtschreibreform festhalten wolle, verlangte die Akademie die komplette oder weitgehende Rücknahme der Reform. Auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Ulrike Flach, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, sprach sich für einen „Kompromissvorschlag“ von Mitgliedern der Akademie aus, der unter Beibehaltung weniger Neuerungen auf die Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung zielt.

Verfasser des Kompromissvorschlages ist der Potsdamer Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg, der früher selbst der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission in Mannheim angehört hatte, aber aus Protest gegen Absurditäten der Reform ausgetreten war. Wie er auf einer Pressekonferenz in der Berliner Akademie der Künste bekräftigte, hält er auch jetzt noch die alte Orthographie für besser als die neue und sogar besser als den von ihm selbst vorgelegten Kompromiss. Dennoch halte er eine totale Umkehr für „politisch unrealistisch und sachlich auch äußerst schwer zu verwirklichen“.

Eisenbergs Vorschläge sehen demgegenüber vor, „Elemente der neuen Rechtschreibung, die nicht allzu störend sind“, beizubehalten „und die schlimmen, unsere Sprache entstellenden Fehler zu beseitigen“. So sei die Ersetzung des ß nach Kurzvokalbuchstaben durch ss sprachlich verantwortbar. Andererseits müssten Neuregelungen, die gegen die Sprachstruktur verstießen, die Ausdrucksvielfalt des Deutschen beschädigten und zu falschen Schreibweisen verleiteten oder sogar zur Beseitigung von Wörtern führten, rückgängig gemacht werden.

Seine kritischen Einwände untermauert der Sprachwissenschaftler mit zahlreichen Beispielen, die die Widersprüchlichkeit der neuen Schreibweisen aufzeigen. Selbstverständlich, so Eisenberg, müsse man „anheimstellen“ zusammenschreiben dürfen, ebenso wie „haltmachen“. Ausländer, die diese deutschen Wörter in Wörterbüchern suchen, finden sie nicht mehr, weil sie auseinandergerissen worden sind.

Ähnlich verhängnisvoll wirke sich die Getrenntschreibung von Wörtern wie „Eislaufen“, „Kennenlernen“ oder „wohlfühlen“ aus, die grammatikalisch nichts mit „Eis essen“, „Laufen lernen“ und „wohl fühlen“ zu tun hätten. Die Verdreifachung von Konsonantbuchstaben anstelle der bisherigen Beschränkung auf zwei Buchstaben (Bettuch) führe teilweise zu grotesken, die Lesbarkeit störenden Wortbildern wie „Schlammmassel“ oder „Schwimmmeister“. Auch gebe es keinerlei Grund für die Kleinschreibung von Höflichkeitsformen.

Noch weit über die Vorschläge Eisenbergs hinaus gehen die Forderungen von 37 Mitgliedern der Akademie, unter denen sich zahlreiche prominente Schriftsteller befinden. Parallel zu Eisenbergs Erklärung verlangten sie gestern in einem eigenen Statement die „völlige Rücknahme der überflüssigen, inhaltlich verfehlten und sehr viel Geld und Arbeitskraft kostenden Rechtschreibreform“. Dies entspreche dem erkennbaren Willen der großen Mehrheit der Bürger in Deutschland, Österreich und der Schweiz und wäre ein wichtiger Beitrag zur demokratischen Kultur.

Unterschrieben haben das Papier neben anderen die Autoren Wulf Kirsten, Michael Krüger, Reiner Kunze, Guntram Vesper, Karl Dedecius, Tankred Dorst, Joachim Fest, Günter Grass, Thomas Hürlimann, Elfriede Jelinek, Günter Kunert, Siegfried Lenz, Odo Marquard und Martin Walser. Sie warnen vor allem vor den Folgen der für 2005 angekündigten „Verbindlichkeit“ der neuen Rechtschreibung an sämtlichen Schulen.

Nach Meinung der Autoren seien von der Neuregelung nicht nur die Schulbuchverlage, sondern auch die Literaturverlage betroffen. Sie würden in die „Zwangslage“ versetzt, Neuauflagen entweder in der „dann von Amts wegen fehlerhaften Schreibung nachzudrucken oder mit hohen Kosten neu zu setzen“. Seit 1996 seien bereits zahllose Kinder- und Jugendbücher aus Bibliotheken ausgesondert worden. Diese Aussonderung führe mit dem Ende der Übergangsfrist 2005 zu einer „schlagartigen Wertminderung aller privaten wie öffentlichen Buchbestände“.

DIE WELT, Dienstag, 31. August 2004
www.welt.de/data/2004/08/31/326268.html
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Manfred Riebe



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Beitrag: Montag, 30. Aug. 2004 22:40    Titel: Zurück zur klassischen Orthographie Antworten mit Zitat

Zurück zur klassischen Orthographie ohne Wenn und Aber
und damit zur Einheit der deutschen Schriftsprache
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Orthographie


Kommentar

von Dankwart Guratzsch

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie ausweglos alle Versuche sind, die Rechtschreibreform vor dem kompletten Scheitern zu bewahren, so hat sie der gestrige Tag gebracht. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, deren Rat von den deutschen Kultusministern in Sachen Orthographie bisher konsequent missachtet worden ist, hat in gleich zwei parallelen Erklärungen das Projekt für misslungen erklärt. Die eine ist von 37 prominenten Mitgliedern, unter ihnen die wichtigsten deutschen Schriftsteller, unterzeichnet, die zweite von Peter Eisenberg, dem namhaften Potsdamer Linguisten.

Während die Schriftsteller ohne Wenn und Aber zur klassischen deutschen Orthographie und damit zur Einheit der deutschen Schriftsprache zurück wollen, plädiert Eisenberg für einen letzten Kompromiss. Der Pferdefuß dabei: Kein Kompromiss hat bisher länger als ein Jahr gehalten. Jedwede Neuerung musste sich weitere Neuerungen, jede Regel Unterregeln und jede Unterregel die Ergänzung durch Unter-Unterregeln gefallen lassen, ohne dass ein Ende abzusehen ist.

Allzu spät haben die Kultusminister eingesehen, dass mit der Mannheimer Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission eine vernünftige Lösung offenbar nicht mehr zu erzielen ist und angekündigt, sie durch einen neuen „Rat für deutsche Rechtschreibung“ zu ersetzen. Er soll weitere Neuerungen vorschlagen. Inzwischen aber soll die Reform bereits ab Sommer 2005 „verbindlich“ werden. In dieser chaotischen Situation sollen Schulkinder deutsche Rechtschreibung beherrschen lernen.

Auch Peter Eisenberg ist überzeugt, dass nur allein die klassische deutsche Rechtschreibung allen Reformprojekten überlegen ist - sogar dem von ihm selbst vorgeschlagenen Kompromiss. Gibt es ein stärkeres Argument, zur bewährten „alten“ Rechtschreibung dann doch gleich ganz zurückzukehren?

DIE WELT, Dienstag, 31. August 2004
www.welt.de/data/2004/08/31/326216.html?search=Orthographie&searchHILI=1
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 31. Aug. 2004 22:37    Titel: Pressekonferenz der DASD Antworten mit Zitat

Pressekonferenz der DASD

Bei der Pressekonferenz der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung am 30. August 2004 war auch der FDS-Vorsitzende Reinhard Markner anwesend. Über seine Beobachtungen berichtet er hier:

31.08.2004 13:05 Rechtschreibforum > Wie wär's mit einem Kompromiß?
www.rechtschreibreform.de/php/einzelner_Datensatz.php?BeitragNr=25723
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2. Auflage

Ist schon bekannt, wie man an die 2. Auflage des Kompromißvorschlages gelangen kann? Leider bieten amazon.de und buecher.de bis heute nur die 1. Auflage an.
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Christian Dörner
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Anmerkung:

Auf Wunsch von Herrn Markner löschte ich seinen Beitrag hier.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Mittwoch, 01. Sep. 2004 14:58, insgesamt 1mal bearbeitet
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