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ß ist besser als ss

 
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H. Richter



Registriert seit: 28.06.2004
Beiträge: 7
Wohnort: Immenreuth

Beitrag: Mittwoch, 25. Aug. 2004 14:09    Titel: ß ist besser als ss Antworten mit Zitat

„ß“ ist besser als „ss“

Befürworter der sog. Rechtschreibreform haben ihre lächerlichen Versuche aufgegeben, die willkürliche Vermehrung der Groß-und Getrenntschreibung, die absurde Silbentrennung und die falschen oder verstaubten Etymologien zu verteidigen. Sofern sie nicht nur an das Mitleid mit den armen Grundschülern appellieren, die zwei Dutzend Wörter anders schreiben lernen müßten (Wem kommen da nicht die Tränen?), preisen sie die ss-Schreibung als neue, fortschrittliche Errungenschaft an, die erhalten bleiben müsse. Neu und fortschrittlich? Es handelt sich dabei doch nur um einen alten Hut, der bereits im 19. Jahrhundert abgelegt wurde – aus guten Gründen:

1. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, einen s-Laut am Ende oder Silbenende eines deutschen Wortes zu schreiben: s oder ß. Das neue Regelwerk macht die Sache komplizierter; denn nun gibt es drei Möglichkeiten: s, ss und ß. Die mathematische Wahrscheinlichkeit, hier Fehler zu machen, hat also um 50 % zugenommen. Das wird in der Schulpraxis bestätigt.

2. Schüler (und viele Erwachsene) haben Probleme, die Länge oder Kürze eines Vokals zu erkennen. Deshalb nützt ihnen die neue ss-Regel nichts, und sie schreiben z.B. Spass, Fussball oder sogar aussen und heiss. Solche Fehler werden nicht gemacht, wenn am Schluß oder Silbenende grundsätzlich kein ss stehen darf, gleichgültig, ob der vorausgehende Vokal kurz oder lang ist. Bewährte Merkhilfe: „ss am Schluß bringt Verdruß!“
Das Kriterium Vokallänge ist auch deswegen fragwürdig, weil das gleiche Wort in verschiedenen Gegenden unterschiedlich ausgesprochen wird. So werden z.B. die Wörter „Spaß“, „Maß“ (Bier) oder Geschoß je nach Landschaft lang oder kurz gesprochen. Die Schreibung nach Gehör führt hier also auf einen Irrweg: die einen glauben einen langen Vokal zu erkennen und schreiben ß, die anderen einen kurzen und schreiben ss. Das ß jedoch deckt beide Möglichkeiten ab, man kann nichts falsch machen.

3. Der häufigste Fehler bei Diktaten wurde bei „das“ und „daß“ gemacht. Daran hat sich auch durch die Umstellung auf „das“ und „dass“ nichts geändert. Nach wie vor muß erkannt werden, ob es sich um ein Geschlechtswort, ein Fürwort oder ein Bindewort handelt. Was nutzt also die ss-Schreibung? Sie dient heute überwiegend dazu, sich „modern“ zu geben oder den Kultusministern, die ihr Gesicht längst verloren haben, Loyalität zu zeigen.

4. Viele zusammengesetzte Wörter sind durch die ss-Schreibung wesentlich schwerer zu lesen als bei Verwendung des ß, z. B. Messergebnis, Passersatz, Nussecke, hasserfüllt, Flusssand, Schlussserie, Schlosssaal, Flussschifffahrt. Da das ß eine optische Zäsur darstellt, ist das Wortbild schneller zu erfassen: Meßergebnis, Paßersatz, Nußecke, haßerfüllt, Flußsand, Schlußserie, Schloßsaal, Flußschiffahrt. Hunderte von Wörtern sind davon betroffen.

5. Schließlich hat die Beibehaltung der bewährten ß-Schreibung den Vorteil, daß die bis 1996 erschienenen literarischen Werke nicht alt aussehen und nicht neu gedruckt werden müssen. Das spart Geld. Die meisten zeitgenössischen Schriftsteller von Rang und Namen lehnen die Neuschreibung ohnehin ab und lassen in der klassischen (richtigen) Rechtschreibung drucken.

Diese Argumente zeigen, daß die bisherige ß-Schreibung der „modernen“ ss-Schreibung überlegen ist. Folglich kommt nur eine komplette Rückkehr zur bewährten klassischen Orthographie in Frage. Vor faulen Kompromissen, wie sie nun von in Bedrängnis geratenen Ministerpräsidenten, Kultusministern, Reformern und Zeitungsverlegern zunehmend ins Spiel gebracht werden, ist nur zu warnen. Die milliardenteure Dauerbaustelle Rechtschreibreform muß sofort geschlossen werden.
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Anstelle der eigentlich beabsichtigten – aber nicht möglichen - Fußnoten folgen nun die vorgesehenen Anmerkungen unnumeriert:

Um eine „sog. Rechtschreibreform“ handelt es sich deshalb, weil es sich im strengen Sinn des Wortes nicht um eine Reform handelt, bei der es um die Wiederherstellung eines ursprünglichen (guten) Zustandes geht, der im Laufe der Zeit durch Fehlentwicklungen oder Mißstände verloren ging. Das Wort Reform wird ständig mißbraucht, um Verbesserungen zu suggerieren.

Bei dem Bemühen der Reformer und Kultusminister, die Reform zu verteidigen, handelt es sich deshalb um „lächerlich Versuche“, weil ihnen Gemeinplätze und so gut wie keine Beispiele einfallen, die sich eignen, als wesentliche Verbesserung der Orthographie zu überzeugen.

„falsche Etymologien“: „Quentchen“ kommt nicht von Quantum, „einbleuen“ nicht von blau, „belemmert“ nicht von Lamm.

„verstaubte (vergessene) Etymologien“: Schon Luther und Goethe schreiben „behenden Schrittes“ und nicht „behänden Schrittes“ (Schritte mit Händen?). Längst bedeutet behende“ geschickt, und niemand denkt dabei noch an Hände. – Der zarte „Stengel“ des Veilchens am Bache erinnert niemanden mehr an eine Brechstange.

„Das Kriterium Vokallänge ist fragwürdig, weil das gleiche Wort in verschiedenen Gegenden unterschiedlich ausgesproche wird“: Z.B. bestellt man in München die „Maß Bier“ mit kurzem „a“. – „Geschoß“: laut Duden in Norddeutschland kurzes „o“, in Süddeutschland u. Österreich langes „o“.

Hans-J. Richter, 95505 Immenreuth


Zuletzt bearbeitet von H. Richter am Mittwoch, 01. Sep. 2004 10:13, insgesamt 2mal bearbeitet
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Stephan Geue



Registriert seit: 24.08.2004
Beiträge: 10
Wohnort: Erlangen

Beitrag: Mittwoch, 25. Aug. 2004 18:40    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Herr Richter,
als — wie soll ich es treffend ausdrücken? — Liebhaber der deutschen Sprache, wohlgemerkt: der Sprache, nicht in erster Linie einer bestimmten Schreibweise, lese ich Betrachtungen über Sinn und Unsinn von Formulierungen und Schreibweisen immer mit einem gewissen Genuss. Das ist sozusagen so etwas wie ein Grundkompliment an Ihren Beitrag. Ich fürchte, es wird Ihnen umgekehrt nicht so gehen, weil Sie inzwischen gefunden haben, dass ich mich nicht an Ihre Regeln halte. Ich würde mich als kritischen Begleiter der Rechtschreibreform bezeichnen, aber was mir unmittelbar einleuchtete, musste ich nicht lernen — obwohl ich schon 40 Jahre alt bin. Dazu zählt die Verwendung von 'ss' anstelle von 'ß' nach kurzem Vokal eines hochdeutsch ausgesprochenen Wortes. (Das muss ich wohl hinzufügen, nachdem Sie die Dialekte und Roman Herzog bemüht haben, um die alte Rechtschreibung zu rechtfertigen. Ich strebe in Schrift und Sprache hochdeutsch an; ich denke einfach, dass ich mich auf diese Weise am ehesten und den meisten Menschen verständlich machen kann.)
Aber ich möchte am Anfang Ihres Beitrags beginnen.
Es ist mir nicht möglich, irgendjemandem einen von mir bevorzugten Stil der Auseinandersetzung vorzuschreiben, weder in einem von mir gar nicht initiierten Forum noch im persönlichen Gespräch. Wenn mir nicht gefällt, wie mein Gegenüber redet, seine Wortwahl, seine Polemik, sein Duktus oder was auch immer, dann muss ich eben gehen. Das ist die eine Möglichkeit. Ich nehme mir allerdings gelegentlich auch die Freiheit heraus, ihn darauf hinzuweisen, denn es könnte ja immerhin sein, dass Dinge, die mir auffallen, auch anderen auffallen. Informationstechnisch gesprochen hat die Rede den Sinn, beim Zuhörer anzukommen. Also sollte der Redner, wenn er vernommen und verstanden werden will, auf die Belange seiner Zuhörer ein Stück weit eingehen.
Ach so, ich muss noch eine Sache einfügen: Direkt auf der Eingangsseite von http://www.vrs-ev.de wird Partei ergriffen für die Rechtschreibung, wie sie vor der Rechtschreibreform galt. (Ich muss gestehen, dass ich nicht genau weiß, ob die neue Rechtschreibung nun schon richtig offiziell ist oder noch nicht.) Das ist natürlich legitim. Ich habe mich als Kritiker auch der alten Rechtschreibung hier trotzdem angemeldet, weil ich davon ausgehe, dass das erwünscht ist. Ich würde es für müßig und geistig nicht besonders anspruchsvoll halten, wenn Gleichgesinnte einen Verein gründeten, um sich fortlaufend gegenseitig zu versichern, wie richtig sie denken. Ich bin nicht angetreten, das Gegenteil zu behaupten, aber die eine oder andere Frage bzw. Anmerkung habe ich schon.
Sie beginnen mit einer Formulierung, die „immer wieder gern genommenen“ wird. Die Rechtschreibreform wird als „sog.“ bezeichnet. Mag sein, dass ich mir über die semantische Bandbreite dieses „sog.“ nicht völlig im Klaren bin. Es gab mal die „sog.“ DDR. Abgesehen von der Doppelung „demokratische Republik“ stand ja in Frage, ob auch nur eines davon wahr war. Jetzt haben wir eine Reform Hartz IV. Es wird viel dagegen polemisiert, geschrieben, gesagt und demonstriert. Aber mir ist bislang nicht zu Ohren gekommen, dass jemand ernsthaft in Frage gestellt hätte, dass dies eine Reform sei, also eine Wiederformung bzw. Umformung. Man kann sie ungerecht, undurchdacht, perspektivlos oder sonst was finden, aber als Änderung der bestehenden Regeln ist sie eine Reform. Oder etwa nicht? Und was ist da anders als bei einer Reform der Rechtschreibung?
Und dann greifen Sie zum großen polemischen Geschoss. Oder vielmehr zu so etwas wie einer Schrotladung: „lächerliche“, „willkürliche“, „absurde“, „falschen oder verstaubten“ — alles in einem Satz. „Lächerlich“ ist eine ziemlich subjektive Formulierung, finden Sie nicht? Ich halte es für guten Stil, Meinung und Fakt in der Formulierung auseinander zu halten. Das ist nicht nur eine Regel für Journalisten. Und immerhin publizieren Sie hier.
Willkür und Absurdität würde ich der Kommission nicht unterstellen wollen; gleichwohl halte ich es für vorstellbar, dass die Kommission etwas für sinnvoll hält, dem Sie nicht folgen mögen, weil Sie es nach anderen Schemata ordnen. Erschiene Ihnen eine adäquate Formulierung als zu stumpfe Waffe im Kampf gegen die Reform?
Die verstaubten Etymologien — ich hätte sie ja zu gern mal gesehen. Wissen Sie, ich bin weder Germanist noch Lehrer. Ich habe noch nicht mal ein Latinum. Ich kenne mich in der deutschen Sprache nur so weit aus, wie Sie das hier beurteilen können. Bin ich hier der einzige Dumme, dem man diese Dinge gar nicht erst am Beispiel zu erhellen braucht?
Unter 1. haben Sie angeführt, es gebe nur zwei Möglichkeiten, einen s-Laut am Ende oder Silbenende eines deutschen Wortes zu schreiben. Nun, das mag ja sein, aber wissen Sie, Silben interessieren mich persönlich nur, wenn es auf die Trennung ankommt. Die sind mir ansonsten nicht einmal in Fremdsprachen bewusst. Wie könnten mich Silbenenden da in meiner Orthographie irritieren? Aber das mag Ihnen anders gehen, und wahrscheinlich kennen Sie zahlreiche Menschen, die Ihre Sicht teilen.
Ich stimme Ihnen übrigens (von der Beobachtung her) zu, dass viele Menschen Schwierigkeiten zu haben scheinen, die Länge von Vokalen zu erkennen. Zwar denke ich, dass all diese Menschen Ruß und Russland durchaus verschieden aussprechen, aber ich komme an der Wahrnehmung nicht vorbei, dass da viele Fehler gemacht werden und an viel mehr Stellen, als es von der Rechtschreibreform vorgesehen wurde, 'ß' durch „ss“ ersetzt wird.
Es erfüllt mich mit Respekt vor dem Reichtum Ihres Wortschatzes, dass Sie Wörter wie Passersatz, Flusssand, Schlussserie, Schlosssaal, Flussschifffahrt regelmäßig oder wenigstens gelegentlich gebrauchen. Einige davon habe ich noch nie gehört. Gleichwohl stimme ich Ihnen zu: Sie sind nicht schön anzusehen, und das Lesen wäre mit dem scharfen s wohl einfacher. Wer sie nicht kennt, also noch nicht einmal ihre Bestandteile, weiß aber zumindest nach der neuen Rechtschreibung, wie er sie auszusprechen hat. Aber ich gebe zu: Das ist ein Problem, das nur Ausländer haben können, denn Muttersprachler lernen sowieso zuerst das Sprechen und dann das Lesen.
Ihr fünftes Argument halte ich für problematisch. Ich kann auch Bücher in deutscher Schrift lesen, nicht nur die üblichen in „ausländisch-lateinischer“. Sie müssten meinetwegen nicht neu gedruckt werden. Und das werden sie ja auch nicht. Dass sie alt aussehen, stört mich dabei überhaupt nicht. Und Geld sparen würden wir, wenn alles so bliebe, wie es jetzt beschlossen ist. Denn dort, wo die Rechtschreibreform wirklich bindend ist — in Schulen und Amtsstuben — müsste alles wieder rückgängig gemacht werden. Schriftsteller und Leute wie Sie und ich können ja sowieso schreiben, wie sie wollen. Ich halte es übrigens für unseriös, wenn Sie alle Schriftsteller für sich vereinnahmen. Das ist so nicht zutreffend und spricht nicht gerade für den Tiefgang Ihrer Argumentation.
Ach ja, vielleicht hätte ich mir das Folgende verkneifen können, aber warum eigentlich? Meine Idealvorstellung von reformierter Rechtschreibung sieht so aus, dass wir die Schriftsprache auf Lautschrift gemäß IPA umstellen. Dann müsste jede Sprache (jedenfalls unsere deutsche) nur noch einmal gelernt und gelehrt werden und nicht jeweils einmal als Sprache und als Schrift. Aber dieser Ansatz ist so umstürzlerisch, dass ich ihn zumindest hier nicht ernsthaft zur Diskussion stellen werde.
Stephan Geue
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H. Richter



Registriert seit: 28.06.2004
Beiträge: 7
Wohnort: Immenreuth

Beitrag: Mittwoch, 01. Sep. 2004 09:29    Titel: "ß" ist besser als "ss" Antworten mit Zitat

Antwort an Herrn Geue

Grüß Gott, Herr Geue,
mit Ihrer breitangelegten Kritik haben Sie sich große Mühe gemacht, doch nicht umsonst: Ich habe einige Stellen in meinem Artikel „ß ist besser als ss“ präzisiert. Nun - in aller Kürze - zu einigen Punkten Ihrer Stellungnahme:

"die Dialekte und Roman Herzog":
Von Dialekten war in meinem Beitrag überhaupt nicht die Rede. Hat denn Roman Herzog in seinen öffentlichen Äußerungen Dialekt gesprochen?

„Informationstechnisch gesprochen hat die Rede den Sinn, beim Zuhörer anzukommen. Also sollte der Redner ... auf die Belange seiner Zuhörer ... eingehen“.
Aber Herr Geue, ich habe doch keine „Rede“ gehalten, und Sie waren nicht mein „Zuhörer“, vielmehr waren Sie Leser eines Textes. Was Sie mit Recht vom Redner verlangen, gilt noch mehr für den Schreiber, ist jedoch schwerer umzusetzen in einer Rechtschreibung, die den Lesefluß behindert und die Sinnentnahme erschwert.

„Schrotladung“:
„sog. Rechtschreibreform“ deshalb, weil es sich im strengen Sinn des Wortes nicht um eine Reform handelt, bei der es um die Wiederherstellung eines ursprünglichen (guten) Zustandes geht, der im Laufe der Zeit durch Fehlentwicklungen oder Mißstände verloren ging. Das Wort Reform wird ständig mißbraucht, um Verbesserungen zu suggerieren;

„lächerlich“ deshalb, weil den Reformern u. Kultusministern Gemeinplätze und so gut wie keine Beispiele einfallen, die sich eignen, als wesentliche Verbesserung der Orthographie zu überzeugen;

„willkürlich“: Erkennen Sie wirklich bei der vermehrten Groß- und Getrenntschreibung eine Systematik? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir dabei etwas auf die Sprünge helfen könnten;

„absurd“ ist die Silbentrennung, weil sie alle unterrichtlichen Bemühungen sprachlicher Bildung untergräbt, z.B. he-rauf, hi-nein, ei-nander, Zent-rum, Zeb-ra, Quad-rat;

„falsche Etymologien“ deshalb, weil „Quentchen“nicht von Quantum kommt, „einbleuen“ nicht von blau, „belemmert“ nicht von Lamm;

„verstaubte (vergessene) Etymologien“: Schon Luther und Goethe schreiben „behenden“ Schrittes und nicht „behänden Schrittes“ (Schritte mit Händen?). „Behende“ bedeutet längst „geschickt“, und niemand denkt dabei noch an Hände. – Der zarte „Stengel“ des Veilchens am Bache erinnert niemanden mehr an eine Brechstange.

„Silben interessieren mich persönlich nur, wenn es auf die Trennung ankommt“:
Fehler kann man nicht nur am Wortende zusammengesetzter Wörter machen, sondern auch am Silbenende; das geschieht jetzt häufiger bei der ss-Schreibweise als bei der ß-Schreibweise. Hinzu kommt – auch von Ihnen unbestritten: Das ß erleichtert die Lesbarkeit eines Wortes mit „ss“ bzw. „sss“ und damit die Sinnentnahme des ganzen Textes. Das betrifft nicht nur ein paar Wörter, (die Sie als Sprachliebhaber angeblich nicht einmal kennen wollen), sondern hunderte.

„Ich halte es übrigens für unseriös, wenn Sie alle Schriftsteller für sich vereinnahmen“:
Verehrter Herr Geue, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich auf bedeutende Schriftsteller aufmerksam machen könnten, die darauf bestehen, daß ihre Werke in der neuen Schreibweise veröffentlich werden. Sie hätten schon in Ihrer Antwort wenigsten einen nennen können. Es wäre auch interessant zu erfahren, was Sie von diesem Reformwerk gerettet wissen wollen.

Freundlich grüßt
Hans-J. Richter, 95505 Immenreuth
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Michael Lange aus Appen



Registriert seit: 01.09.2004
Beiträge: 1

Beitrag: Mittwoch, 01. Sep. 2004 13:05    Titel: Meine Stellungnahme zum SS-Deutsch Antworten mit Zitat

(Dieser Text wurde vor der Antwort von Herrn Richter geschrieben, ich lasse ihn jetzt aber so, wie er ist).

Sehr geehrter Herr Richter und sehr geehrter Herr Geue,

leider hat Herr Geue in zwei wichtigen Punkten recht: In vielen Foren zum Thema Rechtschreibreform debattieren hauptsächlich Reformgegner, so daß man nach längerem Lesen den Eindruck gewinnen kann, die Reform sei wirklich schon so gut wie beseitigt. Dies ist ein schöner Traum, entspricht aber leider nicht der Wirklichkeit. Man kann sagen, es gibt eigentlich zu wenig Reformbefürworter, die die Reform mit guten Argumenten verteidigen. (Daß die armen Kinder alles neulernen müssen, oder die Kosten für neue Schulbücher sind für mich keine Argumente). Allerdings sind meiner Meinung nach die Befürworter der Reform eher solche Menschen, denen das Thema sowieso nicht so wichtig ist. Da geht es meistens nicht um die Sache, sondern daß „nicht zurückgerudert“ werden soll. Insofern ein Kompliment an Herrn Geue.
Das zweite ist die Verwendung polemischer Ausdrücke wie „die sog. Reform“, „willkürlich“, „verstaubt“, „absurd“ usw. Ich selbst habe in vielen Briefen und Beiträgen solche Wörter verwendet (sogar „Unsinn“ und „Schwachsinn“), wenn auch vielleicht nicht so intensiv wie andere an der Diskussion beteiligte. Vielleicht hängt es mit der großen Emotionalität zusammen, mit der wir Reformgegner das Problem betrachten. Durch die empfundene Ohnmacht gegenüber einer selbstherrlichen Bürokratie, wirtschaftlichen Interessen und linientreuen Politikern. Und mit der Erinnerung an die Ohnmacht gegenüber Lehrern, die oft nicht solche Persönlichkeiten waren, denen man gerne Respekt zollte. Denen ihr Lehrplan mehr bedeutete als Intelligenz und Eigeninitiative und die weitab vom wirklichen Leben standen. Also muß ich mich in Zukunft zügeln, auch wenn ich meine Meinung am liebsten jedem Kultusminister in die Ohren brüllen würde.
Nun will ich also ganz sachlich zu den Punkten Stellung nehmen:

1. „SS am Wortende“
Für mich ist das „ss“ am Wortende ein Graus („Grauss“), da „ss“ für mich immer eine Verbindung zweier Silben ist, wie bei „Mes-ser“. Ein „SS“ am Ende ist sozusagen ein „Koitus Interruptus“ (Das ist doch jetzt humorvoll und nicht polemisch, oder?). Über die tatsächliche Fehlerhäufigkeit bei Kindern kann ich natürlich nichts sagen. Es würde mich interessieren, ob es hier glaubwürdige Statistiken gibt. Dazu ein Nachtrag (siehe Punkt 4): Ich habe tatsächlich in diesem Brief „Ärgerniss“ schreiben wollen (wg. „Ärgernisse“), habe dies sofort zu „Ärgerniß“ geändert und dann erkannt, das dies falsch sein muß. Nach neuer Schreibung wäre es vielleicht bei „Ärgerniss“ geblieben.

2. „Langer und kurzer Vokal“
Dies kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, man muß oft überlegen. Ich gehe da lieber anhand der Silbentrennung vor. („Mis-ser-folg“, „Mes-ser-gebnis“ usw. sind eben falsch). Zur Mundart: Grundsätzlich würde ich eine Schreibung begrüßen, die für alle Mundarten-Sprecher gleich gut nachvollziehbar ist. Gerade bei uns in Schleswig-Holstein wird die Mundart (Plattdeutsch) viel zu wenig gepflegt, die Kinder kennen es kaum noch. Hier durch die Grammatik zusätzlich auf Hochdeutsch zu „trimmen“ halte ich für falsch.

3. „daß oder dass ?“
Allein dies Argument reicht aus, um die ganze Reform in Zweifel zu ziehen. Man könnte dies auf die erwähnte „sog. Reform“ anwenden: Eine Verbesserung ist eine Reform, aber eine reine Veränderung ist eine „sog. Reform“.

4. „Wörter mit sss“
Diese Wörter mögen zwar relativ selten sein, sie treten aber in vielen Texten häufig genug auf, um ein echtes Ärgernis darzustellen. Man könnte hier die Formel: „Ärgerpotential = Häufigkeit x Einzelärgernis“ anwenden, so daß ein relativ harmloses „dass“ und ein eklatanter „Messschwerpunkt“ am Ende gleich ärgerlich sind. Ich wäre damit einverstanden, wenn Buchstabentripel grundsätzlich zu doppelten Buchstaben würden, trotz „Sauerstofflasche“ und „Teei“ (bei Trennung wieder dreifach). Eine Abweichung muß aber kein Rechtschreibfehler sein, sonst wäre dies eine typisch deutsche Übernormierung!

5. „Texte sehen alt aus“.
In der Tat ist es vor allem die ß/SS-Schreibung, die einen Text sofort als alt oder neu geschrieben erkennbar macht (nach der neuen Schreibung wäre der Unterschied zu "neugeschrieben" nicht vorhanden!). Egal wie ich schreibe, werde ich immer einen Teil der Leser verprellen. Eine einheitliche Regelung wäre also für mich als Schreiber von Software-Handbüchern existentiell wichtig. Allerdings erkennen meine Leser mittlerweile, daß Ihre Handbuchversion nicht veraltet ist, sondern mit Absicht so geschrieben wird. Ich hoffe, daß die Einteilung „alt/neu“ in Zukunft durch „hochwertig/minderwertig“ ersetzt wird.

Abschließend möchte ich sagen, daß die SS-Schreibung auf jeden Fall abgeschafft werden muß, egal was sonst für Kompromisse möglich sind. Da setze ich lieber „Kommas“, wo sie mir gefallen und gehe mit meinem stängelfressenden Kenguru, der hoch springenden Gämse und meinem gräulichen Delfin „nach Aldi“ zum „schwarzen Brett“. :-). Also, im Ernst: die alten Kommaregeln hat doch so gut wie niemand wirklich beherrscht, und auch Rad fahren oder radfahren sollte beides erlaubt sein. Hier sollte die Intention des Schreibers respektiert werden. Bei der Frage, wie dies realisiert werden soll, ziehe ich die komplette Rücknahme der Reform und vorsichte Neureformierungen dem schrittweisen Rückbau der "Reform" vor. Ich würde übrigens gerne "nach Ickler" schreiben, das Wörterbuch ist aber zur Zeit in meiner Buchhandlung nicht lieferbar.
An die Betreiber dieser Internetseite, den VRS: Bitte setzen Sie sich auch weiterhin gegen die Hauptnegativa der Reform ein und zeigen Sie Ihren Lesern, wie sie sich in dieser Sache engagieren können. (Man beachte: sie/Sie).

Mit freundlichen Grüßen,
Michael Lange
Almtweg 26
25482 Appen
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