| Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen |
| Autor |
Nachricht |
Klaus Eicheler
Registriert seit: 06.06.2004 Beiträge: 18 Wohnort: München
|
: Mittwoch, 11. Aug. 2004 00:12 Titel: Re: Neue ss-ß-Regel ist nicht einfacher! |
|
|
| krino hat folgendes geschrieben: | | Wer sagte da noch gleich, die neue Regel sei kürzer oder vereinfache das Schreiben? |
Sehr gut -- ich wollte auch schon einmal herausfinden, warum die s-/ß-Regel im Amtlichen Regelwerk länger ist als im alten Duden -- trotz kleinerer Schrift. |
|
| Nach oben |
|
 |
Krino Hoogestraat
Registriert seit: 09.08.2004 Beiträge: 25 Wohnort: 26723 Emden (Ostfriesland)
|
: Samstag, 14. Aug. 2004 23:49 Titel: Weg mit dem Eszett? |
|
|
Weg mit dem Eszett?
Von Jutta Limbach (Goethe-Institut) war neulich die erstaunliche Forderung zu hören, man möge die deutschen "Sonderzeichen" (ß, ä, ö, ü) ganz abschaffen; dies sei im Sinne der Ausländer, die deutsch lernen. Hans Ulrich Joerges vom "Stern" stieß in der Sendung "Presseclub" in das gleiche Horn, indem er behauptete, diese Zeichen seien für das Internet schlecht zu gebrauchen.
Tatsächlich wird jedes ß, das in meinen Emails vorkommt, vor dem Senden in einen besonderen Code transformiert und beim Empfänger wieder rückgewandelt. Otto Normalbenutzer merkt nichts davon. Der Grund für solche Behelfslösungen ist natürlich, daß das Internet von Menschen in die Welt gesetzt wurde, deren Muttersprache Englisch ist. Die haben, was die Übertragung einzelner Buchstaben angeht, erst einmal nur an sich gedacht - und so ist der Zustand bis heute.
Bei entsprechendem politischen Willen - vor allem der nicht-anglophonen Völker - wäre es selbstverständlich möglich, nicht nur für die gerade mal 7 deutschen Sonderzeichen (wenn man die Großbuchstaben mitzählt) eine gleichberechtigte technische Lösung zu finden, sondern für alle Alphabete der Welt gleich mit - lateinische und nicht-lateinische, wie etwa Russisch oder Arabisch.
Warum sollten wir aber auf dem Erhalt des ß bestehen? Schließlich gibt es doch auch kein Buckel-t oder Buckel-m.
Will man die deutsche Sprache schreiben, so gibt es tatsächlich ein besonderes Problem mit den s-Lauten. Daran ist nicht der s-Laut schuld, sondern die Art, wie wir uns angewöhnt haben, ihn zu schreiben. Während für andere stimmhafte und stimmlose Varianten desselben Lautes klare Verhältnisse geschaffen wurden (b und p, d und t, g und k), klingt der Einzelbuchstabe s (egal ob nach Traditions- oder Reformschreibung) manchmal weich und manchmal scharf - und dies, obwohl ja das Zeichen "ß" für das "scharfe s" zur Verfügung steht. -
Ein Radikalreformer, der bereit wäre, alle Brücken zur Tradition abzureißen, könnte für die Schreibung des s-Lautes eine ebenso stringente Lösung finden, wie sie für b/p, d/t, g/k bereits besteht.
Diese Lösung würde lauten: Das stimmhafte s schreibt man als s, das stimmlose als ß. Selbstverständlich würde die zum Deutschen gehörende Regel weiter gelten, die da lautet: Konsonantenverdoppelung zeigt an, daß der davorstehende Vokal kurz zu sprechen ist. Die Umkehrung (kurze Vokale MÜSSEN durch Konsonantenverdoppelung angezeigt werden) gilt in unserer derzeitigen Alt- und Reformschreibung noch nicht - Beispiele "mit", "ob", "das", - aber für die s-Laute werde ich sie kurzerhand einführen.
Es folgt gleich ein Probetext in dieser hypothetischen ultraneuen Rechtschreibung (die ich natürlich nicht ernsthaft propagieren will!). Vorab noch ein paar Stolpersteine:
1. Ein s-Zeichen im Anlaut vor einem Konsonanten wird meistens "sch" gesprochen (Stall; spielen). Das lassen wir in unserer "Reform" unberücksichtigt, da die ja nur die Schreibung der s-Laute betreffen soll.
2. Ein s im Anlaut vor einem Vokal wird stimmhaft gesprochen. Das ist ein Glücksfall, denn damit brauchen wir kein großes ß - das es ja bisher nicht gibt.
3. Das Deutsche kennt die "Auslautverhärtung". Das heißt, am Schluß kann kein Konsonant aus der hier besprochenen Gruppe stimmhaft sein (Rad klingt wie Rat, Teig wie Teik, ob wie opp). Daher sagen wir, um unserer Reform einen Anflug von Mäßigung zu verleihen: Buckel-s am Schluß bringt Kummer und Verdruß.
4. Die Endung -es (wie in "alles") enthält eine dritte Aussprachevariante des "e" und ist immer unbetont, also kurz. Von diesen Fällen lassen wir die Finger und schreiben nicht "alless", sondern weiterhin "alles".
Nun die Textprobe:
Der Mond ißßt aufgegangen,
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.
Wie ißßt die Welt so stille
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
wo ihr dess Tages Jammer
verschlafen und vergeßßen sollt!
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ißßt nur halb zu sehen
und ißßt doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
die wir getroßt belachen,
weil unsre Augen sie nicht sehn.
Wir stolze Menschenkinder
sind eitel arme Sünder
und wißßen gar nicht viel.
Wir spinnen Luftgespinßte
und suchen viele Künßte
und kommen weiter von dem Ziel.
Gott, lass dein Heil uns schauen,
auf nichts Vergänglichs bauen,
nicht Eitelkeit uns freun.
Lass uns einfältig werden
und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein.
Wollßt endlich sonder Grämen
aus dieser Welt uns nehmen
durch einen sanften Tod;
und wenn du uns genommen,
lass uns in Himmel kommen,
du unser Herr und unser Gott!
So legt euch denn, ihr Brüder,
in Gottes Namen nieder;
kalt ißßt der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen
und lass uns ruhig schlafen
und unsern kranken Nachbar auch!
Matthias Claudius.
-------------------------------------------------------------------------------
Was lehrt uns dieser Schabernack?
Selbst mit den besten Absichten verheddert man sich nach kurzer Zeit in undurchdringlichem Gestrüpp, wenn man versucht, an einem gewachsenen, leicht chaotischen (aber funktionierenden!) Regelsystem herumzudoktern. Es ist wie mit einem älteren Computerprogramm, deren Urheber in Rente oder gestorben sind. Versuchen Sie es zu verbessern - und es wird unter Garantie nicht mehr laufen. _________________ Krino Hoogestraat • Graf-Enno-Straße 3 • 26723 Emden (Ostfriesland) |
|
| Nach oben |
|
 |
Peter Schwenzer
Registriert seit: 01.09.2003 Beiträge: 56 Wohnort: Madrid
|
: Sonntag, 15. Aug. 2004 17:13 Titel: Blindheit in Deutschland beim Vergleich mit dem Ausland |
|
|
Argumente wie die von Jutta Limbach sind geradezu haaresträubend. Man muß also die Sprachen an die englischsprachigen Gegebenheiten der Interneterfinder anpassen und das Erlernen der deutschen Sprache "leichter" machen. Da fragt sich offensichtlich keiner, ob Tschechen oder Polen, Russen oder Katalanen auch auf solche Gedanken kommen: Besonders die slawischen Sprachen haben eine Fülle von Sonderzeichen, auch die Katalanen. Und was soll das heute noch mit der kyrillischen Schrift?
Die neuen Medien sollte man als Werkzeug für eine mögliche Vielfalt sehen, nicht als Einschränkung. Der praktische Gebrauch von unterschiedlichen Schriften und einer Vielzahl an Sonderzeichen der einzelnen Sprachen zeigt, daß das möglich ist.
Deutsch hat heute kaum noch Sonderzeichen, die Doppelbuchstaben der deutschen Schrift gibt es als solche gar nicht mehr, das Alphabet wurde dadurch verarmt, ausgedünnt.
In Spanien hatte man auch schon versucht, das Ñ (sprich: enje = N mit Welle) auszumerzen, was besonders eine politische Bedeutung hatte und von Regionalnationalisten (wie den Katalanen) verstärkt betrieben wurde. Wegen des Internets, sagte man, und weil im nicht spanischsprachigen Ausland dieser Buchstabe nicht existiert und Probleme bereitet. Aber: Im Katalanischen gibt es noch mehr, die noch problematischer sind: ï, l·l, ç ... und da hat keiner etwas dran auszustezen! Dagegen hat man es aber erreicht, die spanischen Doppelbuchstaben ch und ll als solche abzuschaffen und in Einzelbuchstaben zu verwandeln. Des Auslands wegen!
Ich würde das politische Subversion nennen. Es lebe las Eszett! |
|
| Nach oben |
|
 |
Klaus Eicheler
Registriert seit: 06.06.2004 Beiträge: 18 Wohnort: München
|
: Sonntag, 15. Aug. 2004 18:28 Titel: Die armen Computer ... |
|
|
Immer wieder taucht das „Computerargument“ auf, wenn es darum geht, die paar Sonderzeichen im Deutschen zu schmähen. Ein für allemal: Seit der Verwendung von Unicode (wen es interessiert: http://www.unicode.org/standard/WhatIsUnicode.html) ist dieses Argument geplatzt. Wer es dennoch benutzt, setzt sich dem Verdacht aus, seine Texte am Fernschreiber zu erstellen.
Um gleich vorzubeugen: Das Argument „Da tun sich aber die Computer so schwer, wenn sie jetzt wieder umlernen müssen“ lasse ich auch nicht gelten. ;-) |
|
| Nach oben |
|
 |
Reinhard Markner
Registriert seit: 14.10.2002 Beiträge: 33 Wohnort: Berlin
|
: Montag, 16. Aug. 2004 11:52 Titel: |
|
|
Herr Schwenzer, von einer Abschaffung der Buchstaben ch und ll würde ich nicht sprechen. Es handelt sich eigentlich nur um die Frage ihrer alphabetischen Einordnung. Würde man im Deutschen die alphabetische Stelle der Umlaute ein für allemal festlegen, wäre damit nicht über ihre Abschaffung entschieden.
Herr Eicheler, zunächst vielen Dank für Ihre häufig sehr witzigen Beiträge. Können Sie mir sagen, wie ich mit Unicode das lange s erzeuge ? |
|
| Nach oben |
|
 |
Peter Schwenzer
Registriert seit: 01.09.2003 Beiträge: 56 Wohnort: Madrid
|
: Montag, 16. Aug. 2004 15:26 Titel: |
|
|
| Reinhard Markner hat folgendes geschrieben: | Herr Schwenzer, von einer Abschaffung der Buchstaben ch und ll würde ich nicht sprechen. Es handelt sich eigentlich nur um die Frage ihrer alphabetischen Einordnung. Würde man im Deutschen die alphabetische Stelle der Umlaute ein für allemal festlegen, wäre damit nicht über ihre Abschaffung entschieden.
|
Das ist in der Praxis richtig, aber im Alphabet gibt es sie nicht mehr, genauso wie es im deutschen Alphabet kein ch oder sch, kein Lang-S usw. mehr gibt. Sicher bestehen die Laute "tche" (ch) und "eije" (ll) auch weiterhin, nicht aber im Alphabet. |
|
| Nach oben |
|
 |
Klaus Eicheler
Registriert seit: 06.06.2004 Beiträge: 18 Wohnort: München
|
: Montag, 16. Aug. 2004 21:23 Titel: |
|
|
| Reinhard Markner hat folgendes geschrieben: | | ... Können Sie mir sagen, wie ich mit Unicode das lange s erzeuge ? |
Ja, gerne. Das lange s ( ſ ) hat die Unicode-Nummer 017F (hexadezimal) oder 383 (dezimal).
Da Sie vielleicht auch die praktische Nutzbarkeit interessiert: ;-)
In Word können Sie auf „Einfügen/Symbol“ gehen, dort das „Subset Erweitertes Lateinisch-A“ auswählen und sich das lange ſ aussuchen (es ist zwischen ž und Ɓ). Dann klicken Sie auf „Einfügen“. In anderen Programmen können Sie das Windows-Zubehörprogramm „Zeichentabelle“ benutzen, sich das lange s herauskopieren und in den Text einfügen. Voraussetzung ist, daß Sie eine der Schriften verwenden, die das lange s auch enthalten. Das ist bei den Windows-Standardschriften (Arial, Times, Courier ...) der Fall.
Hier im Forum schreiben Sie einfach „& # 3 8 3 ;“ (ohne Leerzeichen).
Quod erat demonſtrandum. |
|
| Nach oben |
|
 |
Reinhard Markner
Registriert seit: 14.10.2002 Beiträge: 33 Wohnort: Berlin
|
: Montag, 16. Aug. 2004 23:18 Titel: |
|
|
Danke. Woher haben Sie eigentlich diese Nummer? In der Zeichentabelle heißt es U+017F.
Leider druckt mein Drucker das Zeichen nicht, obwohl ich es in Word auf dem Bildschirm habe.
Normalerweise arbeite ich mit Wordperfect, ein Programm, das immer schon einen großen Zeichenvorrat hatte, aber leider eben kein langes s. Und leider funktioniert da auch der Trick mit der Zeichentabelle nicht. Das lange s verwandelt sich in ein profanes Fragezeichen. |
|
| Nach oben |
|
 |
Peter Schwenzer
Registriert seit: 01.09.2003 Beiträge: 56 Wohnort: Madrid
|
: Montag, 16. Aug. 2004 23:54 Titel: Frakturschriften |
|
|
Am besten kaufen Sie sich ein paar Schriftarten, siehe www.bfds.de
Dann ist das Problem der Verwendung der deutschen Schrift mit Scriptor leicht lösbar.
Zuletzt bearbeitet von Peter Schwenzer am Dienstag, 17. Aug. 2004 13:13, insgesamt 1mal bearbeitet |
|
| Nach oben |
|
 |
Klaus Eicheler
Registriert seit: 06.06.2004 Beiträge: 18 Wohnort: München
|
: Montag, 16. Aug. 2004 23:58 Titel: |
|
|
... das ist das Komische an mir: Nummern kann ich mir merken, aber keine Namen ;-)
Es kommt auf die Schrift an, die man verwendet. Vielleicht kann WordPerfect nur die "normalen", also keine Unicode-Zeichen verwalten. Alles Unbekannte wird dann zum Kästchen oder Fragezeichen. Versuchen Sie es doch probehalber einmal mit dem "Notepad", vielleicht unterstützt Ihre Version bereits Unicode.
Beim Drucker ist es genauso: Wenn dieser die Unicode-Zeichen nicht kann, dann druckt er irgendetwas anderes. Manche Programme lassen zu, "als Grafik" zu drucken oder den Zeichensatz in den Drucker zu laden. Es kann auch helfen, das Dokument in ein PDF-Dokument umzuwandeln und dann zu drucken (im PDF-Dokument werden die Zeichen abgespeichert). |
|
| Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Montag, 23. Aug. 2004 07:04 Titel: Die fünf Vorteile der Eszett-Schreibung |
|
|
Die fünf Vorteile der Eszett-Schreibung
Das „ss“, der Geßlerhut, den man grüßen mußte
_____________________________________________________________
Briefe an die Herausgeber
Das ss-Diktat der Kultusminister
In seinem eindrucksvollen Aufsatz über die Rechtschreibreform „Falsch bleibt falsch“ (F.A.Z.-Feuilleton vom 16. Juli) kommt Professor Horst Haider Munske zu dem Schluß, daß man alles rückgängig machen sollte außer vielleicht der „neuen s-Schreibung“, an der man festhalten könne, da sie in sich schlüssig sei. Bei der ss-Schreibung geht es aber gar nicht um richtig oder falsch, sondern um gut oder schlecht.
Nicht weniger als fünf Argumente sprechen gegen eine Beibehaltung. Zunächst löst die ss-Regel nichts an irgendeinem Rechtschreibproblem, sie berührt vor allem nicht die häufigste Schwierigkeit: die Unterscheidung von „das“ und „daß“. Im Gegenteil ist „daß“ wegen der prägnanten Gestalt des Schlußbuchstabens leichter von „das“ zu unterscheiden als das auch ergonomisch ungünstige „dass“.
Außerdem ist die ss-Schreibung eindeutig fehlerträchtiger als die bisherige Regelung, auch bei Schreibanfängern, wie Professor Harald Marx nachgewiesen hat. Warum ist das so? Vor allem wohl, weil die bisherige Regel („ss am Schluß bringt Verdruß“) sehr viel einfacher ist als die Frage nach der Vokallänge. Aus diesem Grund wäre es für die Schüler auch ganz einfach, in Schulbüchern das Reform-ss in das klassische „ß“ zurückzuverwandeln, während es viel schwieriger ist zu entscheiden, wo laut Rechtschreibreform ein „ß“ in „ss“ verändert werden soll.
Das dritte Argument ist das finanzielle: Bei jeder Änderung der Rechtschreibreform müssen die Wörterbücher sofort und die Schulbücher nach und nach angepaßt werden, ob man nun 10, 20, 90 Prozent oder 100 Prozent der Neuregelung ändert. Was aber ist mit den anderen Büchern? Wenn alles außer der ss-Regel geändert würde, kämen auch die literarischen Verlage ab 2005 unter permanenten Druck, ihre Bücher für viel Geld der ss-Schreibung anzupassen.
Viertens bliebe - und das wäre das Schlimmste - das entscheidende Druckmittel der Rechtschreibreform erhalten. Wie viele Sekretärinnen, wie viele Beamte und wie viele Schülerinnen und Schüler wurden in den letzten Jahren schon wegen dieser Lächerlichkeit von oben gepiesackt! Für viele war und ist dieses „ss“ deshalb das einzige, was sie von der Rechtschreibreform übernommen haben, es ist der Geßlerhut, den man grüßen mußte und muß, um ungeschoren davonzukommen. Soll man ausgerechnet dieses Wahrzeichen einer total mißglückten Reform stehen lassen? Das wäre so, wie wenn ich einem Dieb, der mir meinen Schmuck gestohlen hat und der ausnahmsweise festgenommen wird, einen Teil der Beute ließe. Nur wenn nichts von dieser unseligen „Reform“ bleibt, können wir sie nach jahrelangen Verwirrungen und Streitereien und völlig sinnlosen Unkosten endlich vergessen wie eine überstandene Krankheit.
Und nur dann sind - fünftens - die Millionen von Büchern in unseren Bücherschränken und in den Bibliotheken nicht auf einen Schlag altmodisch, „überholt“ oder gar fehlerhaft.
Friedrich Denk, Weilheim i. OB
Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 166 vom 20. Juli 2004, S. 8 |
|
| Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Mittwoch, 08. Sep. 2004 22:20 Titel: Undurchdachte Regeln von naiven Vereinfachern |
|
|
Undurchdachte Regeln von naiven Vereinfachern
„Etwas zum Silikonbusen der Rechtschreibreform“
Zum starken kulturellen Einfluß der „historischen Schreibung“
______________________________________________________
„ß“, „ss“ und „s“ fürs stimmlose /s/
Liebe Rechtschreiber, liebe Redakteure bei der SZ,
weil ich auch einiges, was ich zur gelöschten Diskussion beigetragen hatte, hier mit anderem Gewichtigen zur Verschriftung des Deutschen zusammengestellt sehen möchte, hier noch einmal meine Gedanken zur Schreibung von „ß“, „ss“ und „s“, wie ich's gerade aus gegebenem Anlaß wiederholt habe. Vorausschicken möchte ich noch, daß in dieser Diskussion einige unbedacht nach „Regeln“ suchen, während es mir jedenfalls um die Erkenntnis von soviel wie möglich „System“ geht. Auch die Verschriftungen von Französisch und Englisch haben System — sonst würden sie nicht funktionieren —, und bei uns ist nicht mal die „s“-Schreibung fürs stimmlose /s/ so ohne System, wie manche es annehmen.
Hier also, leicht herausgegeben, etwas zum Silikonbusen der Rechtschreibreform und der rechten Schreibung „ß“, „ss“ und „s“ fürs stimmlose /s/:
>>
Zu: Rechtschreibung bei der Braunschweiger Stadtverwaltung
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich lese hier, die Braunschweiger Stadtverwaltung hat beschlossen, die weiteren Reformen der Rechtschreibreform nicht weiter mitzumachen, und ich möchte ihr dazu gratulieren. Die von der großen Mehrheit der deutsch lesenden und schreibenden Sprachteilnehmer gewohnte Rechtschreibung hat nämlich weit mehr für sich als alle die ministerlich befohlenen Reformvorschläge, die offenbar von Leuten ausgearbeitet worden sind, die von Verschriftung nicht mal soviel verstanden, daß sie noch auf guten Rat hören konnten. Es ist schade, daß sich die Medien, und da vor allem die Verlage - und besonders die Wörterbuchverlage -, so wenig um den wirklichen Sinn dieser Reform gekümmert haben; — nun ja, die profitieren halt von jedem Buch, das neu gedruckt und gekauft werden muß. Aber daß die ganze Reform unserer Kultur eher schadet als nützt, das hätten diese Kulturmitträger eben auch beachten müssen. Doch jetzt hat das Volk den Schaden nun mal.
Trotzdem - und um noch weitere Verwirrung zu vermeiden - wäre es am besten, jetzt auch schon unsere Kinder nicht mehr zu zwingen, reformiert zu schreiben, und die Lehrer nicht zu zwingen, gegen die sehr vernünftige und natürlich gewachsene Logik der Verschriftung unserer Sprache zu unterrichten. Bei all der Reformkommissionsarbeit (wieviel Geld haben diese Treffen eigentlich gekostet?) hat diese Kommission außer acht gelassen, welchen starken kulturellen Einfluß die „historische Schreibung“ ausübt, eine Schreibung, die z. B. dem englischen Sprachraum trotz all der Schwierigkeiten, die sie Lernern bereitet, in der ganzen Welt eine beachtliche kulturelle Einheit gibt.
An der reformierten Schreibung des Deutschen jetzt ist nämlich nicht einmal „ss“-Schreibung nach allen kurzen Vokalen vernünftig, auch wenn sie einigen als Verbesserung erscheint. Denn nicht in allen Gebieten des deutschen Sprachraums werden die Selbstlaute gleich lang gesprochen; und z. B. im Artikel „das“ haben wir ein stimmloses „s“ nach einem kurzen Selbstlaut. Die Aussprache als Richtschnur zu setzen, das ist nämlich gar nicht so einfach wie es scheint. Ich bin dagegen, wenn von naiven Vereinfachern undurchdachte Regeln aufgestellt werden, die dann gerade die Lernenden, die mitdenken, verwirren. Wer z. B. beim Problem „'ss' oder 'ß'„ die beiden nie richtig auseinanderhalten konnte, der wußte eben dies nicht: da schreibt man nämlich immer „ß“, es sei denn, der stimmlose /s/-Laut (das „scharfe /s/“) steht zwischen zwei Selbstlauten und der Selbstlaut davor ist kurz.
Für die, die bei uns am Silbenanfang vor Selbstlauten statt des stimmhaften „s“ [phonetisch: z] ein stimmloses [s] sprechen — und die haben auch ein Recht auf ihre natürliche Aussprache des Deutschen! —, müßte man dann halt hinzufügen, daß das Problem „'ss' oder 'ß'„ nie am Wortanfang vorkommt. Letzteres sei aber nur denen gesagt, die sich um Unnötiges beim Schreibenlehren Sorgen machen. Dieser „mögliche“ Fehler wird nämlich nirgends gemacht. Überhaupt sind viele Sorgen der reformierten Schreibung aus der Luft gegriffen: Bei falschen und falsch verstandenen Etymologien wird die Schreibung zum Problem! Welcher Biologieschüler denkt bei „Stengel“ an „Stange“? Das Wort ist nämlich keine Verkleinerungsform zu „Stange“; die Verkleinerungsformen sind alle sächlich: „das Häusel“. Und wer denkt bei „behende“ an „Hand“, selbst wenn's damit mal zu tun hatte? Und wer benutzt denn dieses Wort? Hier die Stärke der „historischen Schreibung“ (ein Fachausdruck beim Studium der Sprachgeschichte!) wirken zu lassen statt vorgeschriebener „belämmerter“ Scheinetymologien, ist pädagogisch viel vernünftiger! — Zurück zum „ss“ und „ß“: Die „Regel“ für Schreibanfänger, „Am Silbenende nie 'ss'!“ (sondern nur 'ß' oder 's')“, ist jedenfalls auch leicht lehr- und lernbar.
Und wo man fürs stimmlose /s/ nur ein „s“ schreibt, also nicht „'ß' oder 'ss'„, (eine „Fehlerquelle“, die auch die Reform nicht beseitigt hat!), auch das entspricht einigem System, selbst wenn es nicht so leicht einsichtig ist. Diese weiteren stimmlosen /s/, lassen sich nämlich in drei Gruppen einteilen:
Beispiele für die erste sind „mies“, „Los“, „los“, „Gans“, „las“, „blies“. Die Wortformen hier stehen mit anderen des gleichen Wortes zusammen, bei denen wir ein stimmhaftes /s/ (den Anfangslaut von „sagen“, phonetische Umschrift [z]) haben („mieser“, „Lose“, „lösen“, „Gänse“, „lesen“, „blasen“). Sprachwissenschaftler sprechen hier von „morphophonemischem Wechsel“, und das bezeichnet verschiedene Lautung desselben „gemeinten“ Lautes in wortgeschichtlich zusammengehörenden Wortformen (meist Auslautverhärtung [„weise“, „weis“]) Steht der stimmlose /s/-Laut in morphophonemischem Wechsel mit dem stimmhaften, schreibt man ihn „s“. (Die Reformer wollen aus dem Grunde der „etymologischen Zusammengehörigkeit“ — ein an sich sinnvolles Prinzip — „aufwändig“ statt „aufwendig“ haben. Nur: wir haben eben auch „aufwenden“; und mit „Wand“ hat „aufwendig“ nun wirklich nichts zu tun.)
Beispiele für die zweite Gruppe zu Einfach-“s“ sind „des Kind(e)s“, „Autos“, „Hindernis“, „hast“, „das“, „bis“, „aus“, bei denen der stimmlose /s/-Laut oder die Lautgruppe, zu der er gehört, für rein grammatischen Inhalt steht (gebundenes Morphem: Lautzeichen für Genitiv [des, Manns, Mannes], Plural und Genitiv [Büros], Substantiv [zu „hindern“: Hindernis], „du“-Form [hast, bist], Neutrum und unterordnendes Bindewort [das, auch das Relativpronomen „das“], Verhältniswort und unterordnendes Bindewort [bis], Verhältniswort [aus]).
Englisch „that“ zeigt, daß wir fürs gesprochene /das/ eigentlich keine Unterscheidung zwischen „das“ und „daß“ brauchten. Aber in der Sprachgeschichte sieht man oft, daß sich die Sprache Dubletten zur Unterscheidung nutzbar macht: z. B. engl. „skirt“ und „shirt“. Mich stört die Sonderschreibung der Konjunktion „daß“ nicht, zumal hier eben nicht Neutrum angezeigt wird; Nebensätze haben kein Geschlecht. Bloß deshalb jedoch unterscheiden wir zwischen „daß“ und „das“. Diese Unterscheidung rückgängig zu machen, würde nur die Lesegewohnheiten stören. Zur richtigen Schreibung verlangt sie allerdings die Unterscheidung zwischen Neutrum-Ausrichtung und Satz-Ausrichtung.
In der dritten Gruppe haben wir Wörter wie „Mais“ und „Reis“, wo wir keine weiteren Formen mit stimmhaftem /s/ finden, die aber meinem Gefühl nach in Gruppe 1 gehören (doch das braucht man nicht gesondert zu lehren), und zusammengehörende „st“, wie z. B. in „Fenster“. Und schauen Sie mal: „Trenne nie ein 's' vom 't', denn es tut ihm bitter weh!“ Wie vernünftig — und nicht nur als „Ligatur“ verbunden! Die neue Fehlerquelle (ich hab's gesehen!): „vers-tehen“! (Die Silbierung ist ein weiteres Problem, daß die Beraterkommission nicht vertanden hat. Mein Gott: „vol-lenden“! Als ob's keinen Unterschied zwischen „Nacht-raben“ und „Nach-traben“ gäbe!)
Das einfachste und beste in dieser verfahrenen Situation wäre es, 1. zum Wiedervereinigungs-Duden zurückzukehren und 2. vor weiteren Reformgedanken die zwei Aufsätze zur Schreibung des Deutschen in Theodor Icklers Rechtschreibwörterbuch zu lesen. Dort bekommt man einige Grundlagen für vernünftige Freiheit bei der Rechtschreibung, die viele bei aller „Regelung“ eben auch brauchen. Aber denen, die sich am „Sibirischen Tiger“ und „deutschen Schäferhund“ stören und sich nicht rechte Freiheit für Übergangs- und Sonderfälle nehmen können (Kleinschreibung in besonderen Ausdrücken [„im folgenden“], besonders zur Unterscheidung [„der andere“, „der Andere“]), hilft allerdings wahrscheinlich nur ein Computerprogramm. Doch wie jeder Rechnerfachmann weiß: „Mist rein, Mist raus.“ Oder wie Leute, die die historische Schreibung nicht kennen und daher ihren Einfluß auch nicht anerkennen wollen, schreiben müßten: „Misst rein, Misst raus!“ (Ist doch „scharfes 's'„ nach kurzem Selbstlaut, oder?) Oder müssen wir erst lernen, wie's früher war, damit wir reformiert richtig schreiben können? Man komme mir nicht mit „dass“, wenn man „daß“ nicht verstanden hat! Denn dazu muß man schon verstehen, was ein unterordnendes Bindewort ist; und wenn man dann noch weiß, daß ja das Relativpronomen „das“ ebenfalls ein unterordnendes Bindewort ist, da kann man's jetzt nämlich ohne die gleiche Erklärung der früheren hier ach so „komplizierten“ Schreibung auch nicht.
Von der Aussprachebeeinflussung einiger Reformschreibungen will ich gar nicht reden. Mir reichen „vol-lenden“ und „Wer auf Gott vertraut, hat wohl gebaut“. So geht's ja nicht! Die Sprache ist gesprochene Sprache. Deren Verschriftung ist für viele ein Problem; stimmt. Die offizielle „klassische“ Verschriftung des Deutschen war aber verglichen mit der anderer Weltsprachen bis zur kultusministerlich vorgeschriebenen „Reform“ sehr gut, und sie diente uns ausgezeichnet und war auch leicht lehrbar. Die reformierte Schreibung dagegen verbessert gar nichts. Das ist schade. Das ist Schade!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Horst Ludwig
SZ-Rechtschreib-Forum im Bereich „Kultur“
„Rechtschreibung – die deutscheste aller Dampfschif(f)fahrten“
HorstLudwig: „ß“, „ss“ und „s“ fürs stimmlose /s/ #25559 - 06.09.2004 00:30
www.sueddeutsche.de/app/service/forum/ |
|
| Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Sonntag, 03. Okt. 2004 08:28 Titel: Die s-Schreibung in der Schweiz |
|
|
Die s-Schreibung in der Schweiz
Reformgegner bringen gegen die neue s-Regelung oft das Argument vor: Wörter wie schusssicher, Schlussszene, Messergebnis seien schlecht zu lesen.
Das ist nicht wahr! In der Schweiz wird schon seit Jahrzehnten konsequent das ß durch ss ersetzt. Trotzdem hat kein Schweizer Probleme beim Lesen der oben aufgeführten Wörter. Auch wollen die Schweizer Reformgegner meines Wissens nicht das ß wieder in der Schweiz einführen. Auch sie sehen also in den oben aufgeführten Wörtern kein Lesehindernis.
Mr. Stephen weist sehr richtig darauf hin, dass man nach der Ickler'schen Regel eigentlich Zeugniß, Ergebniß, Hinderniß usw. schreiben müsste, da nach dieser Regel am Ende eines Wortes aus ss ein ß wird. Also: Zeugnisse - Zeugniß. Diese Schreibweise gab es im 19. Jahrhundert und wurde durch die Rechtschreibreformen von 1880 und 1901 abgeschafft.
Man kann daraus sehen, wie ungenau Prof. Ickler seine Regeln formuliert hat.
GrafOrtho: Die s-Schreibung in der Schweiz #26066 - 19.09.2004 19:54
Strang: Der DASD-Kompromiß bedeutet Sprachspaltung
SZ-Forum: Rechtschreibung – die deutscheste aller Dampfschif(f)fahrten
www.sueddeutsche.de/app/service/forum/showflat.php?Cat=&Board=Rechtschreibung&
Number=25666&page=0&view=collapsed&sb=5&o=&fpart=1 |
|
| Nach oben |
|
 |
Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
|
: Sonntag, 03. Okt. 2004 09:20 Titel: Im Dschungel der s-Schreibung |
|
|
Im Dschungel der s-Schreibung
Eine sachverständige KeinGuru-Glosse
__________________________________________________
In Antwort auf:
______________________________________________________________________
Mr. Stephen weist sehr richtig darauf hin, dass man nach der Ickler'schen Regel eigentlich Zeugniß, Ergebniß, Hinderniß usw. schreiben müsste, da nach dieser Regel am Ende eines Wortes aus ss ein ß wird.
______________________________________________________________________
Ah! Sie schreiben Zeugnis mit –ss? Interessant… nach welcher Regel?
In Antwort auf:
______________________________________________________________________
Also: Zeugnisse - Zeugniß. Diese Schreibweise gab es im 19. Jahrhundert und wurde durch die Rechtschreibreformen von 1880 und 1901 abgeschafft.
Man kann daraus sehen, wie ungenau Prof. Ickler seine Regeln formuliert hat.
______________________________________________________________________
Grübel, grübel, grübel…
Ickler: „Das Zeichen ß wird erstens als Einzelbuchstabe zur Wiedergabe des stimmlosen [s] nach langen Vokalen und Diphthongen verwendet, wenn noch ein Vokal folgt…“ z.B. Straße, außen, grüßen ; „infolge der Stammschreibung auch vor dem t eines Suffixes und am Silbenende…“ z.B. grüßen, grüßt, Gruß; heißen, heißt
Zweitens wird ß als typographische Variante von ss verwendet, und zwar am Silbenende und vor konsonantisch anlautenden Suffixen: haßt, gehaßt, häßlich, Haß, haßerfüllt (zu hassen)…“
Also: Zeugnis… Ergebnis… Hindernis… -is -is -is… das spricht sich doch kurz, oder?... verdammt, Herr Ickler, wo mag dieser lange Vokal nur sein, nach welchem ich laut Ihrer Regel stimmloses [s] mit ß schreiben muß?!?
Vielleicht heißt es ja in Wirklichkeit Zeugnihß? Oder Zeugnieß? Oder ist –is ein Diphthong?… Heißt es vielleicht Zeugnüß?… Ich find das lange Vokal-Dingen nicht...
Wie schaff ich 's nur, mit der Ickler-Definition „Zeugnis“ mit ß zu schreiben?
Totaler Mist, diese Regel! Ich krieg 's einfach nicht hin. Das geht doch gar nicht! Also, das soll verstehen wer will.
Da lob ich mir die neue Rechtschreibung. Da schaff ich 's jedenfalls viel einfacher, Zeugnis mit –ss zu schreiben, das geht mit links:
„Nach kurzem Vokal wird -ss- geschrieben ( dass, der Fluss, es passt, wässerig usw.).“
Na Klasse, die Neuschreibung, ist doch alles viel übersichtlicher: „Zeugnis“ – da sprech ich –issss doch kurz, nicht wahr, Herr Ickler, oder? Also, alles klar, da schreib ich zuversichtlich: „Zeugniss“. Da sind Sie baff, was? Was sagen Sie jetzt?
Kann man mal sehen, so einfach kann Rechtschreibung sein.
Einwurf: Halt, halt, halt!
Neue Rechtschreibung: „Zur Schreibung von [s] in Wörtern mit Auslautverhärtung wie Haus, graziös, Maus, Preis siehe § 23.“
§ 23: „Die in großen Teilen des deutschen Sprachgebiets auftretende Verhärtung der Konsonanten [ b ], [p], [g], [v] und [z] am Silbenende sowie vor anderen Konsonanten innerhalb der Silbe wird in der Schreibung nicht berücksichtigt.“
Also, klar jetzt, wie wir „Zeugnis“ schreiben?
Äh…
Gut; dann: „E1: Bei vielen Wörtern kann die Schreibung aus der Aussprache erweiterter Formen oder verwandter Wörter abgeleitet werden, in denen der betreffende Konsonant am Silbenanfang steht, zum Beispiel:
Lob, löblich, du lobst Lobes, belobigen
etc. etc.
Preis, preislich, preiswert Preise (aber Fleiß – fleißig)
Klar jetzt, wie wir Zeugnis schreiben?
Äh… na ja… Preis-Preise… Zeugnis… Zeugnisse… na klar doch, das Zeugniss, sag ich doch die ganze Zeit! So einfach kann 's sein.
Nein?
Ah, ich muß K 159, bzw. §5, 2 berücksichtigen?
„§5 In vier Fallgruppen verdoppelt man den Buchstaben für den einzelnen Konsonanten, obwohl der vorausgehende kurze Vokal nicht betont ist…“
„2) dieSuffixe -in und -nis […], wenn in erweiterten Formen dem Konsonanten ein Vokal folgt, zum Beispiel:
-nis Beschwernis – Beschwernisse, Kenntnis – Kenntnisse
Also: Zeugnies! Ganz klar. Na, war doch total easy, das ganze Dingens…
Und wirklich, diese ungenaue Ickler-Regel, also, der totale Quatsch, nicht wahr...
MfG
KeinGuru
KeinGuru: Re: Die s-Schreibung in der Schweiz #26191 - 21.09.2004 16:11
Strang: Der DASD-Kompromiß bedeutet Sprachspaltung
SZ-Forum: Rechtschreibung – die deutscheste aller Dampfschif(f)fahrten
www.sueddeutsche.de/app/service/forum/showflat.php?Cat=&Board=Rechtschreibung&
Number=25666&page=0&view=collapsed&sb=5&o=&fpart=1 |
|
| Nach oben |
|
 |
Sigmar Salzburg
Registriert seit: 30.06.2004 Beiträge: 42
|
: Freitag, 08. Okt. 2004 11:56 Titel: Das ß ist die Brücke zur großen Schrifttradition |
|
|
Das ß hat in der deutschen Schreibkunst eine kaum veränderte 600jährige Tradition. Anders als im übrigen Europa hat es sich bei uns wegen seiner Nützlichkeit und Ästhetik erhalten und ist zu einer Eigenheit der deutschen Schreibkultur geworden, die auch von Ausländern geschätzt wird. Ob in Fraktur oder Antiqua – es hat immer seine tradierte Funktion gehabt.
Die stark dezimierten „neuen“ ß nach Gymnasiallehrer Heyse aus 18. Jahrhundert muten dagegen an wie verbliebene, vom Absterben bedrohte Baumriesen nach einer Brandrodung im Regenwald:
<B>Das „umfunktionierte“ ß verliert seinen eigentlichen Daseinsgrund als ästhetisches, lesefreundliches Schlußzeichen. Schmuckschriften wie Fraktur sind nicht mehr stilecht darstellbar. Es ist ein Akt des Kulturbanausentums, diese Brücke zur großen künstlerischen Schrifttradition abzubrechen.</B>
Zuletzt bearbeitet von Sigmar Salzburg am Freitag, 08. Okt. 2004 21:18, insgesamt 1mal bearbeitet |
|
| Nach oben |
|
 |
|
Powered by phpBB © 2001, 2002 phpBB Group
|