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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Samstag, 10. Jul. 2004 15:39 Titel: Laut-Buchstabenzuordnung |
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Tolpatsch oder Tollpatsch?
Zur Laut-Buchstabenzuordnung am Beispiel
der Augstschen (volks)etymologischen Neuschreibung „Tollpatsch“
Laut-Buchstabenzuordnung
Die Regelung verfolgt das Ziel, die gleiche Schreibung eines Wortstammes möglichst in allen Wörtern der Wortfamilie sicherzustellen.
1. Einzelfälle mit Umlautschreibung (Stammprinzip)
Beispiele: behände (zu Hand), belämmert (zu Lamm), Gämse (zu Gams), Quäntchen (zu Quantum), schnäuzen (zu Schnauze), Stängel (zu Stange), überschwänglich (zu Überschwang), verbläuen (zu blau)
aber: aufwendig/(zu aufwenden), Schenke (zu ausschenken), Schneewechte
In Wirklichkeit wird vermehrte Stammschreibung (und Pseudo-Stammschreibung) nur für verschwindend wenige Wörter eingeführt, Hunderte von anderen Kandidaten bleiben unverändert (*Spängler zu Spange, *käntern zu Kante, *schällen zu Schall usw.). Die angeführten Neuschreibungen sind teils falsch, teils lächerlich. schneuzen ist nicht von Schnauze abgeleitet, und wenn sich im Kino ein junges Mädchen neben mir schneuzen muß, denke ich nicht an seine „Schnauze“. Wie verfehlt die meisten Beispiele sind, ist in der Kommentarliteratur nachzulesen.
2. Einzelfälle mit Verdoppelung des Konsonantenbuchstabens nach kurzem Vokal
Beispiele: Karamell (zu Karamelle), nummerieren (zu Nummer), platzieren (zu Platz), Stuckateur (zu Stuck), Tollpatsch (zu toll)
numerieren ist nicht von Nummer abgeleitet, Tolpatsch nicht von toll, plazieren nicht von Platz usw. Wie schreibt man übrigens deplaciert in Zukunft, das vielfach mit s und nicht mit ts ausgesprochen wird? (Die Agenturliste [s. u.] sieht deplatziert vor.)
Vgl. Ickler, Theodor: REGELUNGSGEWALT. Hintergründe der Rechtschreibreform.
St. Goar: Leibniz Verlag, 2001, S. 229
<b>Aus dem Etymologie-DUDEN:
Der Tolpatsch ist ein ungeschickter, tapsiger Mensch; Tölpel.
Das Wort „Tolpatsch“ kommt ursprünglich aus Ungarn: Neckname für den ungarischen Fußsoldaten des 17. Jahrhunderts („talpas“ = breiter Fuß). Diese Infanteristen mußten breite Sohlen (talp = Sohle, Fuß) an den Füßen tragen. Im Deutschen wurde aus „breitfüßig“ erst „schwerfällig“ und dann „ungeschickt“.</b>
Vgl. DUDEN, Band 7: Etymologie - Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache, In Fortführung der „Etymologie der neuhochdeutschen Sprache“ von Konrad Duden. Mannheim: Dudenverlag, Erstauflage, 1963; 2. Auflage, 1989; 3., völlig neu bearb. u. erw. Auflage, 2001
„Auch die Kritik an der laut Neuregelung einzig zulässigen Schreibweise Tollpatsch richtet sich nicht gegen die Kennzeichnung des Kurzvokals, sondern gegen die konzessionslose Verordnung volksetymologischer Schreibungen. Auch im Bericht dekretieren die Reformer schlicht, „der heutige Sprachteilnehmer“ stelle Tollpatsch zu toll. Selbst wenn den meisten Menschen die ins Ungarische weisende korrekte Etymologie nicht bekannt sein dürfte, brauchen sie nicht an toll zu denken; viele dürften sich gar nichts dabei denken, sondern das Wort einfach hinnehmen. Es sei auch noch einmal auf die Randständigkeit dieses und anderer von der Reform erfaßter Wörter hingewiesen; man kann doch die Schreibung von Tolpatsch nicht im Ernst für eine schulrelevante Fehlerquelle halten! [...]
Aus unerfindlichen Gründen geben die Reformer bei Tollpatsch, einbläuen, belämmert und Quäntchen schon jetzt nach, nicht aber bei den historisierenden Schreibungen behände, Stängel, Gämse. Stets behaupten sie ohne jeden Beweis, genau zu wissen, woran die heutigen Sprecher bei den einzelnen Wörtern denken oder nicht denken.“
Ickler, Theodor: REGELUNGSGEWALT. Hintergründe der Rechtschreibreform.
St. Goar: Leibniz Verlag, 2001, S. 142
Anmerkung:
Augstsche Volksetymologien: Es handelt sich um das Steckenpferd des Rechtschreibreformers Gerhard Augst. Siehe: Die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=155
Professor Gerhard Augst, der uns solch einen Unsinn einbrockte, soll Legastheniker sein. Aus dem Strang „Legasthenie und Rechtschreibung“:
* Hat Augst eine Lese-Rechtschreibschwäche? -
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2063#2063
* Der Rechtschreibreformer Gerhard Augst -
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1612#1612
* Die „aufwändige“ Rechtschreibdiktatur -
http://www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=3931#3931
Siehe zu den Augstschen Volksetymologien auch die Aufkleber „NEIN zur Schlechtschreibreform“ und „Keine Rechtschreib-Deform“ mit jeweils einer weinenden „Gämse“ bzw. „Gemse“ - www.vrs-ev.de/vorstand.php#brosinsky -.
Es liegt nahe, derartige merkwürdige Schreibweisen als legastheniebedingt zu betrachten.
Anmerkung II:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.
Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Mittwoch, 24. Aug. 2005 12:02, insgesamt 3mal bearbeitet |
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Manfred Riebe
Registriert seit: 23.10.2002 Beiträge: 2840 Wohnort: 90571 Schwaig bei Nürnberg
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: Freitag, 17. Dez. 2004 10:45 Titel: Umlautschreibung |
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Umlautschreibung
In seinem Aufsatz über die Stammschreibung (Sprachwissenschaft 1998) argumentiert Rolf Bergmann seltsamerweise so: Die Belege für Stängel sind zwar verschwindend selten, rechtfertigen aber die Änderung. Weil schnäuzen bei Wieland und Jean Paul belegt ist, folgert Bergmann: „Die Änderung der Schreibung zu schnäuzen erscheint vor dem Hintergrund der Schreibtradition vertretbar.“ (S. 255). Bergmann erwähnt nicht einmal, daß die neue Schreibweise nicht nur zugelassen, sondern allein gültig werden soll, die vielleicht hunderttausendmal häufigere also ein Fehler werden soll.
Am weitesten war Augst 1985 gegangen, als er folgende Wörter zur Änderung vorsah: ätzen, dämmern, Färse, Geländer, hätscheln, Käfferchen, kätschen, Lärm, päng, plänkeln, plärren, Schächer, schächten, Schärpe, Zärte (Fisch); dräuen, Räude, räuspern, Säule, sträuben, täuschen
aufwendig (Variante), behende, belemmert, Bendel, Gemse, Hetze, hetzen, Kerner, kentern, kleckern, Krempel, Quentchen, Reps (süddt.f. Raps), Spengler, Spergel, Stengel, stremmen (stramm sitzen), überschwenglich; Beuche, bleuen, Greuel, greulich, Keulchen, schneuzen
Davon ist eine Zufallsauswahl durchgesetzt worden, wie Bergmann mit Recht und verdienstvollerweise herausarbeitet. Zu Ständelwurz schreibt Bergmann:
„Die Wiederzulassung der <ä>-Variante erscheint wenig sinnvoll, zumal die der Pflanze zugeschriebne aphrodisiakische Wirkung, durch die die Bezeichnung einmal motiviert war, heute nicht mehr bekannt sein dürfte. Den Reformkritikern ist die Änderung offenbar entgangen; Stellungnahmen sind mir nicht begegnet.“ (255)
In meinem Kritischen Kommentar (1997) ist die Änderung kommentiert.
Kleine Auswahl von Wörtern, die man ebenfalls ändern könnte:
heften (wegen haften), prellen (prallen), schellen (schallen), wecken (wachen) und andere Kausative, dazu fertig (Fahrt), Mensch (Mann), Geschlecht (Schlag), fest (fast), Krempe (Krampe), gerben (gar), Henne (Hahn), kentern (Kante), sperren (Sparren), Wels (Waller), Eltern (alt)
Theodor Ickler
17.12.2004 04:13 Rechtschreibforum > Rechtschreibung – wissenschaftlich gesehen
www.rechtschreibreform.de/php/einzelner_Datensatz.php?BeitragNr=27748 |
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