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Kein Rechtschreibgesetz, sondern Diktatur

 
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
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Beitrag: Montag, 26. Jan. 2004 09:31    Titel: Kein Rechtschreibgesetz, sondern Diktatur Antworten mit Zitat

„Die Sprache gehört dem Volk!“

Es existiert der Irrtum, die Abgeordneten aller Parteien hätten im Bundestag der Rechtschreibrefom zugestimmt. Richtig ist dagegen: Die Rechtschreibreform wurde von der Exekutive (Kultusministerkonferenz und Bundesinnenministerium) an den Parlamenten vorbei beschlossen. Es gibt daher kein Rechtschreibgesetz, über das die Abgeordneten des Bundestages abgestimmt hätten. Der Deutsche Bundestag beschloß lediglich am 26. März 1998 ohne jede gesetzliche Verbindlichkeit: „Die Sprache gehört dem Volk!“

Trotz dieses Rates haben die Kultuminister wie Anarchen ihre Erlasse beihalten. Solche von Fall zu Fall produzierte Regeln sind immer schlechte Regeln, das sieht man an den zahlreichen Nachbesserungen.

Es gibt aber wohlgemerkt keine Rechtschreibgesetze der Länder und daher nicht einmal eine Rechtsverordnung, sondern nur Rechtschreiberlasse.

Die Rechtschreibreform gilt nur für Schulen und Behörden. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtschreibreform vom 14. Juli 1998 heißt es:

„Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben.“ Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 14. Juli 1998, Az.: 1 BvR 1640/97, S. 59. - http://www.bverfg.de/entscheidungen/frames/1998/7/14

Im Urteil des BVerfG vom 14. Juli 1998 steht auch, daß jedermann außerhalb des Schulbereichs auch nach dem 31. 7. 2005 nach den Regeln der traditionellen Orthographie schreiben kann.

Mit großer Wahrscheinlichkeit sind manche Unternehmensleitungen auf Grund der Desinformation durch die Presse der irrtümlichen Ansicht, daß die Rechtschreibreform gesetzlich vorgeschrieben und ab 2005 allgemeinverbindlich sei. Dies könnte einer der Gründe sein, weshalb Unternehmen die Einführung der Rechtschreibreform beschließen und sich nicht einmal mit den Inhalten der Reform befassen. Außerdem können sie ja die Umsetzung ihren Schreibkräften überlassen.

Die Nachrichtenagenturen wiederum könnten unabsichtlich aus Unwissenheit oder absichtlich oder durch Stillschweigen die Presse irregeführt haben, so daß sie zum Teil dieser Desinformation aufgesessen ist.

Vgl. „Keine Allgemeinverbindlichkeit der Rechtschreibreform“
www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=251
Wegen mehrmaliger Hackerangriffe eines Kriminellen Ende März/Anfang April 2005 mit Löschung aller Wikipedia-Stränge nun:
www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=251

Zum Straftatbestand „Rechtschreibreform“
www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1028#1028[/b]
Wegen mehrmaliger Hackerangriffe eines Kriminellen Ende März/Anfang April 2005 mit Löschung aller Wikipedia-Stränge nun:
www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=1028#1028

Anmerkungen:

Vgl. Prof. Dr. Erwin Quambusch: Amtssprache ist nicht das Deutsch der Rechtschreibreform, Bielefeld, 2003, S. 4 - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2187#2187 -.
Wegen mehrmaliger Hackerangriffe eines Kriminellen Ende März/Anfang April 2005 mit Löschung aller Wikipedia-Stränge nun:
www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2187#2187

Wenn es kein Rechtschreibgesetz, sondern nur Erlasse der Exekutive gibt, ist es fraglich, ob die Kultusministerkonferenz überhaupt legitimiert ist, die Rechtschreibreform für einen kleinen Teil der Nation, die Schulen, für verbindlich zu erklären und so eine Sprachspaltung herbeizuführen. Außerdem wurde durch die Änderung die Geschäftsgrundlage zerstört. Siehe:
Wiener Absichtserklärung - Zerstörung der Geschäftsgrundlage - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=374
Wegen mehrmaliger Hackerangriffe eines Kriminellen Ende März/Anfang April 2005 mit Löschung aller Wikipedia-Stränge nun:
www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=374

Selbst wenn der Deutsche Bundestag ein Rechtschreibgesetz verabschiedet hätte, was sehr unwahrscheinlich ist, hätte der Bundespräsident es wegen Verfassungswidrigkeit nicht unterschreiben können.
_________________________________________

Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Donnerstag, 14. Dez. 2006 14:25, insgesamt 11mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 15. Jun. 2004 12:40    Titel: Der Popanz „Rechtssicherheit“ Antworten mit Zitat

Der Popanz „Rechtssicherheit“
_________________________

Lob der Reform


Der VdS Bildungsmedien und der Vorsitzende des Verleger-Ausschusses (VA) des Börsenvereins, Jürgen A. Bach, haben die Entscheidung der Kultusministerkonferenz (KMK) begrüßt, die neue Rechtschreibung endgültig zu verabschieden. VdS-Geschäftsführer Andreas Baer erklärte: <b>„Dies ist ein wichtiger Schritt, der den Schulbuchverlagen die nötige Planungs- und Rechtssicherheit verschafft.“</b> [Hervorhebung nicht im Original] Es sei nun an der Zeit, so Baer, sich auf die sachliche Arbeit beim Fortgang der Reform zu konzentrieren. VA-Vorsteher Bach hob hervor, es liege „eine Konsequenz in der Entscheidung, die zu begrüßen ist.“ Nun sei die nötige <b>Rechtssicherheit</b> [Hervorhebung nicht im Original] gegeben; ein anderer Ausgang würde einen unabsehbaren (auch finanziellen) Aufwand bedeuten.

Die KMK hatte bei ihrer Plenarsitzung am 3. und 4. Juni in Mainz dem Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung un einem ergänzenden Bericht vom 18. Mai zugestimmt (siehe auch Seite 5). Das amtliche Regelwerk für die reformierte Schreibung wird mit den nun beschlossenen Änderungen am 1. August 2005 verbindlich. Von diesem Zeitpunkt an müssen Lehrer in den Schulen überholte Schreibweisen als Fehler werten. Die von den Kultusministern gebilligten Modifikationen gewähren vor allem im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung mehr Wahlfreiheit. Künftig ist etwa neben „Rat suchend“ die gleichberechtigte Schreibvariante „ratsuchend“ gestattet.
Der KMK-Beschluss sieht außerdem vor, die Zwischenstaatliche Kommission und deren Beiräte durch einen „Rat für deutsche Rechtschreibung“ zu ersetzen. Dieses Gremium – über dessen Zusammensetzung noch beraten wird – soll den Kultusministern alle fünf Jahre einen Bericht über den Fortgang der Reform und nötige Anpassungen erstatten.

Dr. Michael Roesler

Börsenblatt vom 9. Juni 2004
Seite 5:
KOPF DER WOCHE
Konsequent

Ein Zurück zur alten Schreibung – das kam für Doris Ahnen nicht in Frage. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und rheinland-pfälzische Kultusministerin wollte nicht an der reformierten Schreibung rütteln lassen, ebenso wenig wie ihre Amtskollegen, die die Reform nun gebilligt haben. (siehe Seite 6). Dass <b>Rechtssicherheit</b> [Hervorhebung nicht im Original] manchmal wichtiger ist als die Beschwörung eines vermeintlichen Rechtschreib-GAUs, hat die Politikerin in den vergangenen Monaten bewiesen. Sie wies den Kritikern nicht die Tür, wich aber in den entscheidenden Punkten nicht von ihrer Position ab.
________________________________________________

Anmerkungen:

Mit dem Schlagwort „Rechtssicherheit“ will der Verband der Schulbuchverlage suggerieren, es gebe eine Rechtsgrundlage.

Es geht den Schulbuchverlagen - wie man sieht - nicht um die Qualität der Rechtschreibreform, sondern lediglich darum, ihre Umsätze zu sichern.
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Ulrich Brosinsky



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Beitrag: Dienstag, 10. Aug. 2004 14:53    Titel: Kein Gesetz zwingt Antworten mit Zitat

Wiesbadener Kurier
Politiknachrichten aus Ihrer Zeitung

Kein Gesetz zwingt zur neuen Rechtschreibung

Formal gilt die Reform nur für Schulen und die Amtsprache / Unklar ist, ob Alleingänge gegen die Regelung möglich sind


Vom 10.08.2004

BERLIN (dpa) Bis vor wenigen Tagen schien die verbindliche Einführung der Rechtschreibreform zum 1. August 2005 perfekt zu sein. Nach der Ankündigung der Axel Springer AG und des Spiegel-Verlags, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, scheint jetzt nur noch das Chaos perfekt.


Wie geht es nun weiter?

Ende August tagt in Wien eine Kommission mit Vertretern aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Liechtenstein. Hier soll die geplante Gründung des "Rats für deutsche Rechtschreibung" vorbereitet werden. Dieser Rat, in dem auch Kritiker des derzeitigen Regelwerks mitarbeiten sollen, hat die Aufgabe, die Entwicklung des Schriftgebrauches über einen längeren Zeitraum zu beobachten und gegebenenfalls das Regelwerk anzupassen. Am 7. und 8. Oktober kommt die Konferenz der Ministerpräsidenten zusammen. Die Kultusministerkonferenz tagt am 14. und 15. Oktober. Die Rechtschreibreform steht auch hier auf der Tagesordnung.


Was ist die Grundlage der Rechtschreibreform?

Sie beruht auf dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 1. Dezember 1995, der Zustimmung der Ministerpräsidenten (1995), der internationalen Wiener Absichtserklärung vom Juli 1996 und der Zustimmung des Bundes (1996). Gültig ist die Reform in Deutschland formal für den Schulbereich und die Amtssprache. Nach der Übergangszeit soll die Reform dort zum 1. August 2005 verbindlich werden. Bisher wurde in den Schulen die alte Rechtschreibung zwar gekennzeichnet, aber nicht als Fehler zur Notengebung herangezogen. Damit soll es in knapp einem Jahr vorbei sein. Außerhalb der Schulen gibt es weiter keine Sanktionsmöglichkeiten - Medien können also nicht zur neuen Rechtschreibung gezwungen werden - sie ist kein Gesetz.


Sind Alleingänge möglich?

Nach der Geschäftsordnung der Kultusministerkonferenz können Beschlüsse nur einstimmig gefasst werden. Unklar ist, ob einzelne Länder Alleingänge starten und die Reform rückgängig machen könnten.

Für den Geltungsbereich der Amtssprache wurde die Wiener Vereinbarung auch vom Bund unterzeichnet. Dieser will sich aber nach Auskunft des Bundesinnenministeriums nicht zu einem möglichen Ausstieg aus der Vereinbarung äußern.


Hat die Rechtschreibung den Rang eines Gesetzes?

Nein. Die Rechtschreibung wird nicht gesetzlich festgelegt. Die Reform beruht auf den Beschlüssen der Länder und des Bundes sowie der Absichtserklärung von Wien und tritt automatisch in Kraft. Strittig ist, wie bindend diese ist. Nach Einschätzung des Bonner Staatsrechtlers Wolfgang Löwer kann ein einzelnes Bundesland nicht ohne weiteres ausscheren. Trotz Landeszuständigkeit könnten die Bundesländer nach dem Grundsatz der Bundestreue gezwungen sein, an der von ihnen selbst mitgetragenen Reform festzuhalten, sofern keine Einigung über deren Rücknahme zu Stande komme. Der Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege in Nürnberg, hält für möglich, dass einzelne Bundesländer eigene Wege gehen.


Wie lange liegt die letzte Reform zurück?

Zuletzt gab es 1902 eine Reform der deutschen Rechtschreibung. Ein Jahr zuvor hatten Bevollmächtigte der deutschen Länder, ein österreichischer Kommissar sowie Vertreter einiger Institutionen und das Buchgewerbe drei Tage über eine einheitliche deutsche Orthografie debattiert. 1902 wurde die Reform von den Ländern sowie den Regierungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz umgesetzt. Ist eine Volksabstimmung zur Rechtschreibreform möglich?

Eine bundesweite Volksabstimmung ist nach der jetzigen Gesetzeslage nicht möglich.
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Ulrich Brosinsky



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Beitrag: Dienstag, 10. Aug. 2004 22:03    Titel: Viele Wege für Rückkehr Antworten mit Zitat

Es gibt viele Wege für eine Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung

von Joachim Peter

Berlin - Am 31. Juli 2005 endet dem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) zufolge die Übergangsfrist für die neue Rechtschreibung. Ab diesem Tag wird die alte Schreibung durch die neue endgültig abgelöst. Es sei denn, man revidierte den Beschluss der KMK. Möglichkeiten dazu gibt es:

- Volksentscheid: In Schleswig-Holstein gab es bereits 1998 einen Volksentscheid über die Rechtschreibung. 56,4 Prozent der Schleswig-Holsteiner stimmten damals gegen die neue Schreibweise. Die Reform konnte dennoch nicht aufgehalten werden, da sich das Landesparlament über dieses Votum hinwegsetzte. Sollten jedoch mehrere Bundesländer - sofern ihnen die Möglichkeit in der Landesverfassung gegeben ist - von Volksentscheiden Gebrauch machen und sich jeweils die Mehrheit der Bürger gegen die Reform aussprechen, würde der Beschluss der KMK wohl hinfällig.

- Die Kultusministerkonferenz: Es wäre wohl die einfachste Möglichkeit, zur alten Schreibweise zurückzukehren, wenn die KMK ihren Beschluss einfach revidierte. Die Beschlüsse dieses Gremiums sind nur Absichtserklärungen, die dann Gesetz werden, wenn sich dazu in den jeweiligen Landesparlamenten Mehrheiten finden. Wahrscheinlich reichte es schon, wenn ein einzelner Kultusminister sein Votum für die Rechtschreibreform in der KMK zurückzöge. Dann wäre jedenfalls die erforderliche Einstimmigkeit der Absichtserklärung nicht mehr gegeben.

- Die Ministerpräsidentenkonferenz: Anfang Oktober werden die Ministerpräsidenten über die Rechtschreibreform beraten. Unter ihnen gibt es einige - wie etwa den Niedersachsen Christian Wulff (CDU) -, die zur alten Rechtschreibung zurückkehren wollen. Zwar ist auch die Ministerpräsidentenkonferenz ein Selbstorganisationsgremium, das keine Gesetze beschließen kann, doch besitzen Landeschefs in der Regel die so genannte Richtlinienkompetenz. Kraft dieser sind sie in der Lage, politische Entscheidungen auch gegen ihre Kultusminister herbeizuführen. Durch die Richtlinienkompetenz könnte also der Beschluss der KMK ausgehebelt werden.

- Der Bundestag: Der Berliner Staatsrechtler Rupert Scholz fordert, dass sich Bundesregierung und Bundestag mit der Rechtschreibung befassen sollen. Beide Verfassungsorgane müssten sich dieser Frage annehmen, "weil sie die Zuständigkeit dafür haben", sagte Scholz unlängst der WELT. Schließlich sei "Rechtschreibung Sprache und damit nationales Kulturgut und eben nicht nur ein Bereich landespolitischer Kulturhoheit oder schulischer Ausbildung". Daraus erwachse für den Bund eine wesentliche Zuständigkeit. Ein Bundesgesetz zugunsten der alten Rechtschreibung wäre demnach ebenso denkbar.


DIE WELT Mittwoch, 11. August 2004
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Manfred Riebe



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Beitrag: Samstag, 16. Okt. 2004 14:38    Titel: Sprache, Teil unserer Identität Antworten mit Zitat

Sprache, Teil unserer Geschichte und Identität
__________________________________________________

Zu „Dem Volk aufs Maul“; WELT vom 9. Juli [1998]

Die Sprache ist ein bedeutender, wenn nicht der entscheidende Teil unserer Geschichte und Identität. Wer sie jetzt nicht vor willkürlicher Bevormundung schützt und sich rechtsstaatlicher Übergriffe auf ein Gebiet nicht erwehrt, auf das der Staat keinen legitimen Anspruch hat, tut den ersten kleinen Schritt zu einer Einschränkung der Rede-, Presse- und Meinungsfreiheit. Die sogenannte Rechtschreibreform erhellt schlagartig, wie wenig sensibel die Mehrheit der Politiktreibenden für ihre natürlichen Grenzen ist. Wer ohne Not und ohne Befugnis reguliert, vorschreibt und einschränkt, braucht sich über Staatsverdrossenheit und mangelndes Vertrauen nicht zu wundern.

Gerhard Winter,
45894 Gelsenkirchen

DIE WELT Nr. 162, Mittwoch, 15. Juli 1998, S. 9 - Leserbrief


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Sonntag, 17. Okt. 2004 15:32, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Samstag, 16. Okt. 2004 14:57    Titel: Re: Stolperstein hessische Verfassung Antworten mit Zitat

Kein Hesse muß so schreiben, wie es die Kultusminister jetzt beschlossen haben.

Stolperstein hessische Verfassung


Artikel 2 der hessischen Verfassung hat folgenden Wortlaut:

(1) Der Mensch ist frei. Er darf tun und lassen, was die Rechte anderer nicht verletzt oder die verfassungsmäßige Ordnung des Gemeinwesens nicht beeinträchtigt.

(2) Niemand kann zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung gezwungen werden, wenn nicht ein Gesetz oder eine auf Gesetz beruhende Bestimmung es verlangt oder zuläßt.

(3) Glaubt jemand, durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt zu sein, so steht ihm der Rechtsweg offen.


Die KMK hat die Rechtschreibreform nicht durch ein Gesetz eingeführt, sondern nur auf dem Verwaltungsweg, per Erlaß. Sie hatte aber gar kein Recht dazu, Regelungen mit gesetzlich bindender Wirkung zu erlassen, weil sie als ein Organ der exekutiven Gewalt keine gesetzgeberische Kompetenz besitzt, sondern nur Rechtsverordnungen erlassen kann, wenn sie vom Gesetzgeber (hier den Länderparlamenten) gemäß Artikel 80 des Grundgesetzes durch ein Gesetz dazu ermächtigt worden ist. Zu beachten sind außerdem noch die in Artikel 80 des Grundgesetzes präzise aufgelisteten weiteren Bestimmungen.

Die KMK hat aber, wie ich gestern schon in meinem Leserbrief (F.A.Z. vom 3.6.2004) anhand der Ausführungen von Christoph Stillemunkes nachgewiesen habe, die Parlamente ganz bewußt übergangen. Daher hat, zumindest in Hessen und wohl auch in Baden-Württemberg gemäß Artikel 58 der Landesverfassung, die Reform keinerlei rechtliche Bedeutung, denn sie besitzt keine gesetzliche Grundlage. Nach Artikel 142 des Grundgesetzes bleiben nämlich Bestimmungen der Landesverfassungen ungeachtet der Vorschriften des Artikels 31 „auch insoweit in Kraft, als sie in Übereinstimmung mit den Artikeln 1 bis 18 dieses Grundgesetzes Grundrechte gewährleisten.“

Die Kultusminister haben sich über das grundlegende demokratische Prinzip der Gewaltenteilung bewußt hinweggesetzt, selbst zum Gesetzgeber über die Sprache ernannt und ihre Macht dazu mißbraucht, nicht nur die Schüler, sondern auch die von ihnen (den Kultusministern) direkt abhängigen Schulbuchverlage zur Übernahme der sog. reformierten Schreibung zu nötigen. Darüber hinaus haben sie in Gemeinschaft mit dem Innenministerium (seinerzeit unter der Leitung von Innenminister Kanther!) auch die öffentlichen Verwaltungen rechtswidrig zur Verwendung der Reformschreibung angehalten. Beide haben damit einen Verfassungsbruch begangen, der vom Bundesverfassungsgericht nur durch eine Uminterpretation ihres Tuns noch nachträglich legitimiert worden ist, indem man den Zwangscharakter der staatlichen Maßnahmen heruntergespielt und den Vorgang als eine durch die generelle Befugnis des Staates zum Handeln im Gemeinwohlinteresse gedeckte Maßnahme bewertet hat. Dies konnte nur dadurch bewerkstelligt werden, daß die Verfassungsrichter in der Durchsetzung einer neuen Orthographie keinen gesetzgeberischen Akt gesehen haben, sondern betonten, daß die Rechtschreibung im deutschen Sprachraum „nicht auf Rechtsnormen, sondern auf sprachlichen und damit außerrechtlichen Regeln, die auf Akzeptanz angewiesen seien“ (Urteil S. 21-22), beruhe. Die den Ministern ungemein wohlwollenden Verfassungsrichter unterstellten dabei ohne nähere Prüfung, daß die Neuregelung für die Schulen (allerdings auch nur für diese!) rechtsverbindlichen Charakter habe. Dabei verzichteten sie weiterhin auch noch auf die Überprüfung der Frage, ob nicht das allgemeine Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. GG oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG dem Einzelnen, also auch einem Schüler, „einen Anspruch darauf gewährt, weiterhin so schreiben zu dürfen, wie dies bisheriger Übung der Schreibgemeinschaft entspricht.“ (S. 59)

Fragwürdig an diesem für die KMK so überaus freundlichen Urteil ist darüber hinaus, daß sich die Richter gar nicht dazu äußerten, wer denn im Sinne einer demokratischen Kontrolle der KMK darüber zu befinden habe, ob der Neuschrieb die nach Meinung des Gerichts unbedingt erforderliche Akzeptanz tatsächlich gefunden habe, nach welchen Kriterien das festgestellt werden könne und bis zu welchem Zeitpunkt. Kurzum: das Urteil des Bundesverfassungsgerichts macht, unter rechtsstaatlichen Kriterien betrachtet, keinen guten Eindruck, weil es die Sprache und die Sprachgemeinschaft in keiner Weise vor staatlichen Übergriffen schützt, sondern den Behörden sogar unbegrenzt Zeit dafür zur Verfügung stellt, all ihre Machtmittel zur Erzwingung der (angesichts der immer zahlreicher und grundsätzlicher werdenden Proteste) immer noch nicht erreichten Akzeptanz einzusetzen. Das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der Politik und die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts ist durch ihren Umgang mit der Rechtschreibreform schwer erschüttert worden.

Vielleicht haben die Kultusminister aber inzwischen begriffen, daß der Versuch, die Rechtschreibung durch Eingriffe von außen erleichtern zu wollen, von Grund auf töricht ist, weil die herkömmliche Orthographie ein Regelsystem darstellt, in das die Intelligenz der gesamten Sprachgemeinschaft jahrhundertelang eingeflossen ist und das gerade dadurch allen Veränderungen und neuen Herausforderungen gewachsen war. Im Sprachgebrauch haben nämlich alle Problemlösungen ihren Niederschlag gefunden, die sich im Laufe der Zeit als zweckmäßig herausgestellt haben. Ein solches Regelsystem kann man sprachwissenschaftlich höchstens richtig beschreiben, aber nur wissenschaftlicher Hochmut oder politischer Größenwahn kann sich einbilden, es nach eigenem Gusto verbessern zu können.

Die Kultusminister haben sich angemaßt, auch noch die Regelungsgewalt über die Sprache an sich zu reißen. Inzwischen sollte ihnen allerdings klargeworden sein, daß sie sich damit in ein Netz wirtschaftlicher Interessen verstrickt haben, das sie von allen Seiten einschnürt und handlungsunfähig macht. Mit einem Produkt, das niemand haben wollte und das sich inzwischen als völlig unbrauchbar erwiesen hat, haben sie für den gesamten Kommunikationssektor wirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen, für die man sie jetzt mit Recht verantwortlich macht, und sie müssen sogar fürchten, daß man sie im Falle des Scheiterns auch noch dafür haftbar und regreßpflichtig machen wird. Wenn sie den angerichteten Schaden bezahlen müßten, wären sie ruiniert. Höchstwahrscheinlich wird es aber wieder nur den Steuerzahler treffen. Immerhin müssen die Minister ernsthaft damit rechnen, daß man sie eines Tages wegen ihrer Starrköpfigkeit mit Schimpf und Schande aus dem Amt jagt. Man sollte dabei aber nicht übersehen, daß sie den Kopf eigentlich nur für ihre Vorgänger hinhalten müssen, die ihnen die Suppe eingebrockt haben.

4.6.2004 Günter Loew
www.rechtschreibreform.com/Perlen/KraftBank/KraftBank.pl?FriJun419:03:32CEST2004


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Samstag, 16. Okt. 2004 18:08, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Samstag, 16. Okt. 2004 15:21    Titel: Die Reform als Diktat Antworten mit Zitat

Die Reform als Diktat

Die FAZ stellte auf der Frankfurter Buchmesse 2000 eine kostenlose Aufklärungsbroschüre vor, die in der Presse leider weitgehend unbeachtet blieb: Frankfurter Allgemeine Zeitung: Die Reform als Diktat. Zur Auseinandersetzung über die deutsche Rechtschreibung. Frankfurt am Main, Oktober 2000, 120 Seiten.

„Die Reform als Diktat“? Professor Christian Meier, seinerzeit Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, erläutert in der Einleitung, es handele sich um einen „Staatsstreich“ gegen die Demokratie. Tatsächlich läßt sich dieser Sachverhalt angesichts des in Schleswig-Holstein gebrochenen Volksentscheids schwer leugnen. Meier weist darauf hin, daß ein gezielter staatlicher Eingriff in die Entwicklung der Schriftsprache vom Ausmaß der heutigen „Reform“ zuletzt während der Nazi-Diktatur versucht worden sei. Siehe dazu:

Rechtschreibreform und Nationalsozialismus - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=296
_____________________________________

Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Mittwoch, 27. Jul. 2005 20:36, insgesamt 1mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Sonntag, 24. Jul. 2005 11:43    Titel: Die Rechtschreibreform ist kein Verwaltungsakt Antworten mit Zitat

Die Rechtschreibreform ist kein Verwaltungsakt

Am 07.10.04 um 22:42 Uhr schrieb
Karlheinz Krack
(khkrack@freenet.de / ohne Homepage)

Eine Schriftsprache muß Vielfalt und Differenzierung ermöglichen. Das tut die sogenannte neue Schreibweise nicht.
Im Übrigen: das, was uns da aufgenötigt wird, ist keine Reform der Schreibweise - es ist ein Verwaltungsakt! Man merkt das Autoritäre auch schon am Vokabular: "Jetzt müssen wir auch durch", und: "die armen Kinder". Oder die Redakteure, die zur alten Rechtschreibung zurückkehren, werden als Verräter gebranntmarkt. Wir hätten jetzt schon neue Regeln, und jetzt sollten wir auch die Kinder unterstützen.
Muß man nicht. Man muß diesen Irrtum nicht unterstützen. Man muß ihn bekämpfen! Überhaupt: diese Argumentation ist seit dem ersten Weltkrieg bekannt. Motto: Jetzt haben wir den Krieg, und jetzt darf keiner das Vaterland verraten!
Merke: diese dümmliche "Rechtschreibreform" verhunzt unsere Sprache, und sie ist zudem antidemokratisch durchgeknüppelt worden. Jeder, der dagegen kämpft, verdient meinen Respekt!

Am 12.10.04 um 23:15 Uhr schrieb
Karlheinz Krack khkrack@freenet.de

Ich wiederhole: Die Rechtschreibreform ist keine Reform (sie ist eher ein Rückschritt!) In der Hauptsache ist sie ein Verwaltungsakt!
Gästebuch http://www.rechtschreibreform-neindanke.de/
_____________________________________________

Anmerkung:

Jeder Verwaltungsakt benötigt als Grundlage ein Gesetz. Da es aber kein Rechtschreibgesetz gibt, sind die Kultusministererlasse zur Rechtschreibreform auch keine Verwaltungsakte.
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