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Orthographische Gleichschaltung

 
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Manfred Riebe



Registriert seit: 23.10.2002
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Beitrag: Samstag, 27. Dez. 2003 00:09    Titel: Orthographische Gleichschaltung Antworten mit Zitat

Protest gegen Gleichschaltung

Die Präsidenten verschiedener Akademien der Wissenschaften und Künste protestieren gegen den „Gleichschaltungsdruck“ - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=111 -, der mit Hilfe der undemokratisch aufgezwungenen Rechtschreibreform ausgeübt wird:

„Die Tatsache, daß die administrative Vollmacht der mit der Reform verbundenen Verordnungen sich auf Schulen, Behörden und andere Institutionen des staatlichen Lebens beschränkt, ändert nichts daran, daß sie, über Staats- und Ländergrenzen hinweg, die ganze Sprachgemeinschaft betreffen. Obschon es außerhalb von Schulen und Behörden dem einzelnen freisteht, zu schreiben, wie er will, und auch jeder Verlag und jede Redaktion die Freiheit eigener Regelsysteme in Anspruch nehmen kann, erzeugt einerseits die orthographische Normierung des Schreibens und Druckens durch automatische PC-Programme, andererseits die Durchsetzung der neuen Schreibweisen durch die künftigen Schulabgänger einen Gleichschaltungsdruck, der die Verantwortung der staatlichen Entscheidungsträger für die gesamte Schriftsprache - und nicht nur innerhalb des staatlichen Machtbereichs - deutlich macht.“
(Rechtschreibung ohne Kopf - Pressemitteilung der Akademie der Künste, Berlin, 19.11.2003)

Die Formulierung „der mit der Reform verbundenen Verordnungen“ trifft nicht zu und ist womöglich eine Folge der Desinformationskampagnen. Der Begriff „Verordnungen“ erweckt den falschen Eindruck, es lägen Rechtsverordnungen vor. Diese erforderten aber ein Gesetz als Grundlage. Die Rechtschreibreform beruht jedoch nicht auf einem Gesetz; denn sie wurde den Schulen und Behörden an den Parlamenten vorbei mit Hilfe bloßer Erlasse aufgezwungen.

Der VRS hatte schon in seiner Presseserie auf die Gleichschaltung der Schulen und der Presse und deren Gleichschaltungsdruck hingewiesen:

1. Gleichschaltung der Schulen
„Die „Rechtschreibreform“ wurde den Schulen bereits vor sieben Jahren ab Sommer 1996 durch Kultusministererlasse beinahe diktatorisch und ohne vorherigen Praxistest aufgezwungen. Lehrer und Eltern wurden nie gefragt.“
www.vrs-ev.de/pm140803.php

2. Gleichschaltung und Gleichschaltungsdruck der Presse
„Erst mit der Gleichschaltung der Nachrichtenagenturen und Zeitungen am 1. August 1999 begann der öffentliche Test der Reform. Es zeigte sich, daß auch die professionellen Schreiber in den Redaktionen mit den Eigenheiten der „reformierten“ Rechtschreibung überfordert waren. [...] Die Presse verbreitet überwiegend die Darstellung der Reformer und Kultusminister, anstatt eine kritische, unabhängige Haltung einzunehmen.“
www.vrs-ev.de/pm280803.php

Siehe auch: „Protest gegen Gleichschaltungsdruck“: www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?t=146

____________________________________________

Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.


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Manfred Riebe



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Beitrag: Samstag, 27. Dez. 2003 12:04    Titel: Gleichschaltung der deutschen Presse Antworten mit Zitat

Gleichschaltung der deutschen Presse

Eine Gleichschaltung der deutschen Presse nannte [Friedrich] Dieckmann den Beschluß der Kultusministerkonferenz zu den neuen Regeln von Dezember 1995. Der Erlaß habe den „Charakter eines Staatsstreiches“. Die apathische Öffentlichkeit müsse nun aufgerüttelt werden und das deutsche Volk sein obrigkeitsstaatliches Verhalten ablegen. Der „diktatorische Unsinn“ rechtfertige diese gewagte Ausdrucksweise.

Berliner Morgenpost, 02.09.2000

Selbst der bayerische Wissenschaftsminister Hans Zehetmair warnte, die Kultusministerkonferenz dürfe die deutschen Schulen und Hochschulen nicht länger gleichschalten.
(Man spricht deutsch. 1999 - Ein Rundgang durch das vergangene Jahr, Dezember, www.nadir.org/nadir/initiativ/ci/nf/63/19.html)

Mit der Gleichschaltung in der Kultusministerkonferenz fing es an, und dann folgte die Gleichschaltung der Presse ...

__________________________________

Anmerkungen:

Zum Begriff „Gleichschaltung“: http://de.wikipedia.org/wiki/Gleichschaltung -.
Darin ist von der Gleichschaltung auch in der DDR die Rede. Aber es wird versäumt, Beispiele der Gleichschaltung in der BRD durch Parteiendiktatur zu nennen wie z.B. die Kultusministererlasse und die Aufhebung des Volksentscheids in Schleswig-Holstein. Vgl. Volksentscheid in Schleswig-Holstein - Das Volk als Souverän und Untertan: Im Namen des Volkes gegen das Volk! - www.vrs-ev.de/pressemitteilungen.php -. D.h. es fehlt die Zivilcourage, vor der eigenen Tür zu kehren.


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Mittwoch, 02. Feb. 2005 15:47, insgesamt 4mal bearbeitet
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Manfred Riebe



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Beitrag: Samstag, 27. Dez. 2003 13:10    Titel: Gleichschaltung der Rechtschreibung Antworten mit Zitat

Gleichschaltung der Rechtschreibung

Auch die Rechtschreibreform wird jetzt von ihrer NS-Vergangenheit eingeholt. Nahtlos knüpften die orthographischen Reformprojekte der Nachkriegszeit an die Gleichschaltung der Rechtschreibung an, mit der im Dritten Reich die deutsche Weltherrschaft sprachpolitisch abgesichert werden sollte.
(...)
Schon 1933 wurde die Parole von der »Gleichschaltung« der Rechtschreibung ausgegeben ; später gab es sogar Berechnungen darüber, wie die Einsparungen an Unterrichtszeit und Materialkosten für Satz und Druck die Kriegswirtschaft entlasten könnten. Der Sprachbereinigungseifer gipfelte in dem Reformplan des Reichserziehungsministers Bernhard Rust von 1941, der nahezu identisch ist mit den berüchtigten »Stuttgarter Empfehlungen« von 1954. Und noch 1944 wurde eine reduzierte Teilreform ausgearbeitet, die wiederum fatale Ähnlichkeit mit der umstrittenen Reformschreibung von 1996 hat.

Hans Krieger: Klar, schlicht und stark. Sollen wir schreiben wie die Nationalsozialisten ? Das verdrängte Vorbild der Rechtschreibreform. In: Süddeutsche Zeitung, 2. 10. 2000

http://markner.free.fr/rrrez.htm
http://markner.free.fr/rrns.htm


Zuletzt bearbeitet von Manfred Riebe am Montag, 29. Dez. 2003 15:57, insgesamt 1mal bearbeitet
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Beitrag: Samstag, 27. Dez. 2003 13:19    Titel: Orthographische Gleichschaltung Antworten mit Zitat

Orthographische Gleichschaltung
Der Staat als Komplize der Schulbuchverleger und des Bertelsmannkonzerns


Professor Theodor Ickler schrieb in seinem Jubiläumsbeitrag zum Jahrestag der Rückumstellung der FAZ auf die traditionelle Qualitätsorthographie von der „den Redaktionen aufgenötigten Gleichschaltung der Presse“:

Die gegenwärtige Scheinblüte der Reformschreibung hat hauptsächlich drei Ursachen: erstens die staatlich verfügte vorfristige Einführung an den Schulen, zweitens die den Redaktionen aufgenötigte Gleichschaltung der Presse und drittens die Voreinstellung der Rechtschreibprüfung in den bekannten Textverarbeitungen.

(Theodor Ickler: Viel Leid zu tragen. Zwei Jahre nach ihrer Einführung befindet sich die reformierte Presse-Orthographie in fortschreitender Auflösung. In: FAZ vom 1. August 2001, www.sprache.org/bvr/bnzitakt.htm)

„Übrigens hatte sich der Staat in Schleswig-Holstein in übler Weise zum Komplizen der Schulbuchverleger und des Bertelsmannkonzerns gemacht, indem er durch allerlei Tricks den Volksentscheid erst zu verhindern und dann zu verfälschen versuchte. Zwar stürzte die Kultusministerin Böhrk darüber, aber das Ziel, die orthographische Gleichschaltung im Dienste der Verlagsinteressen, wurde dennoch erreicht.“

(Theodor Ickler: Wem gehört die deutsche Sprache? aus: IBW-Journal 4/2002, nach einem Vortrag im Rahmen der „4. Erlanger Kunststofftage“ am 27. Sept. 2001)

Forum > Aufsätze > Wem gehört die deutsche Sprache?
www.rechtschreibreform.de/php/einzelner_Datensatz.php?BeitragNr=13839

Darüber hinaus verwendet Ickler in www.rechtschreibreform.com und anderswo auch den Ausdruck der „Selbstgleichschaltung“. Damit meint er den Gleichschaltungsdruck der Verleger auf die Redakteure:

Es ist bekannt, daß die Redakteure der PRESSE, zum Beispiel Herr Unterberger, entschiedene Gegner der Rechtschreibreform sind. Man muß aber befürchten, daß hier wie überall die Redaktionen gar nichts zu sagen haben.

Die PRESSE wird mit der Umstellung keinen Leser hinzugewinnen, viele Leser verärgern, aber was macht das schon aus? Die Hauptsache ist, daß alle kuschen, vor Bertelsmann und wer weiß wem sonst noch.

Theodor Ickler: Selbstgleichschaltung aus wirtschaftlichen Gründen. Das Elend der Presse vom 2.1.2003
www.rechtschreibreform.com/Perlen/KraftBank/KraftBank.pl?ThuJan208:53:22CET2003

„Ich bin sicher, daß die Einführung der Reformschreibung [in „Die Presse“, Wien, MR] nicht auf Unterberger zurückgeht. Bei keiner mir bekannten Zeitung wurde die Neuschreibung auf Wunsch der Redakteure eingeführt.“

Theodor Ickler: Fortschreitende Gleichschaltung, 1.3.2003
www.rechtschreibreform.com/Perlen/KraftBank/KraftBank.pl?SatMar105:49:27CET2003

Die Redakteure der gleichgeschalteten Presse sind aber vom Tendenzschutz des Verlegers abhängig. In diesem Sinne ist die VRS-Pressemitteilung vom 28. August 2003 zu verstehen: Gleichgeschaltete Presse verharmlost Rechtschreibreform - Totschlagargumente der Reformer und Kultusminister werden verbreitet: www.vrs-ev.de/pm280803.php

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Manfred Riebe



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Beitrag: Montag, 29. Dez. 2003 14:26    Titel: Sprach-Gleichschaltung der vierten Gewalt Antworten mit Zitat

Sprach-Gleichschaltung der vierten Gewalt
Die ‚Sturmgeschütze der Demokratie‘ –
mit von den eigenen Kanonieren vernagelten Rohren!

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Rechtschreibung: Die „Wetten dass?“-Reform
Ein Vandalenakt

Ulrich Schacht

Reformation, Reformismus, Reformhaus – wenn es um Religion, Politik oder Lebensvollzug geht, dann war und ist in Deutschland die Reform seit langem nicht zuletzt das, was in anderen Völkern und Staaten Revolution genannt wird: radikale Veränderung von Glauben, Gesinnung und Alltagsverhalten. So könnte man sagen, mit jenem Fünkchen Ironie und Skepsis, das den blutigen Ernst der beiden ersten Varianten nicht ausschließt, aber von der dritten Variante her den Schritt zur Reform-Groteske aus ideologischer Volltrunkenheit nicht mehr weit sein läßt. Womit wir zugleich in der unmittelbaren Gegenwart zwischen Rhein und Oder angekommen wären.

Die neueste Polit-Groteske, die sich im mittlerweile vollkommen „reformbesoffen“ bundesrepublikanischen Deutschland (so der Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis) Reform nennt, tatsächlich chaotisch ist und nicht zuletzt einen harten politischen Kern gefährlicher Natur in sich birgt, heißt Rechtschreibreform und ist am 1. August dieses Jahres endlich auch ins Stadium ihrer Verbindlichkeit für deutschsprachige Nachrichtenagenturen eingetreten, was vor allem Konsequenzen für die Printmedien hat.

Über die Qualität dieser Reform ist dabei inzwischen alles gesagt: Die Elite der deutschen Schriftsteller von Günter Grass und Siegfried Lenz über Ernst Jünger bis hin zu Martin Walser lehnte sie schlicht ab, die große Mehrheit des Souveräns sowieso. Und in einer Erklärung aus dem Sommer 1997, unterzeichnet von über 600 deutschen Sprach- und Literaturwissenschaftlern, heißt es: „Die sogenannte Rechtschreibreform entspricht nicht dem Stand sprachwissenschaftlicher Forschung. Eine derart fehlerhafte Regelung, die von den bedeutendsten Autoren und der großen Mehrheit der Bevölkerung mit guten Gründen abgelehnt wird und die Einheit der Schriftsprache auf Jahrzehnte zerstören würde, darf keinesfalls für Schulen und Behörden verbindlich gemacht werden.“

Genau das aber wurde sie in den letzten zwei Jahren, und zwar vor allem auf Betreiben der Kulturministerialbürokratie sowie diverser Justizebenen bis hin zum Bundesverfassungsgericht. Die Details dieses rücksichtslosen Durchsetzungsprozesses – gegen die Mehrheit des Souveräns, gegen Teile der Länder- und Bundeslegislative und gegen die sprachkünstlerische wie sprachwissenschaftliche Sachkompetenz der Republik – sind in der Tendenz so demokratiefern, daß man sich gezwungen sieht, von einem tendenziell verfassungsfeindlichen Vandalenakt zu sprechen. Oder wie sonst soll man im Zusammenhang praktizierte Versuche qualifizieren, Volksabstimmungen gegen den „unvergleichbaren Angriff auf das Sprachsystem“ der Deutschen (Ex-Rechtschreibkommissions-Mitglied Peter Eisenberg) mit Hilfe von manipulativ gehandhabten Verfahrensregeln oder demagogisch getexteten Abstimmungszetteln ganz zu verhindern oder in ihren Ergebnissen zu marginalisieren?

Geschichten dieser Art ließ man sich bislang aus Afrika zutragen. Zu schweigen von den nachweislichen ideologischen Wurzeln der ganzen Übung, die nicht nur ein Spätprodukt jener Pädagogen-Generation ist, die 1968 auf der Straße Mao, Lenin und andere Spezialhumanisten hochleben ließ, um anschließend – in Amt und Würden – den von allem Wissen(-Müssen) und Können(-Sollen) befreiten, ideologisch dafür aber um so einfacher zu führenden Einheits-Dümmling in Serie produzieren zu können.

Noch tiefer müssen wir hier das Lot senken – und stoßen, so der Germanist und, neben Friedrich Denk, führende Rechtschreibreform-Gegner Theodor Ickler, erst im Sumpf der NS-Pädagogik auf Grund: Die Reform selbst sei „praktisch identisch mit der des Reichserziehungsministers Rust aus dem Jahre 1944“. (1) Aber das muß uns nicht wundern. Totalitär Gestimmte von links oder rechts unterscheiden sich zwar begründungsideologisch, nicht aber machttechnisch. Schon gar nicht, was das alte Ziel betrifft: der Neue Mensch!

Doch darf man diesen Zusammenhang überhaupt herstellen, wenn es lediglich um eine Rechtschreibreform geht? Man muß es. (2) Keine Diktatur beginnt am Tag der Machtübernahme; alle beginnen mit dem Zerbrechen von Zivilcourage durch staatsgestützte Parteibürokratien lange zuvor. Wie weit wir sind, zeigt dieser 1. August 1999 paradigmatisch: Die legendäre vierte Gewalt der Republik, die Presse – von Bild bis Spiegel – hat ohne Not, aber dafür restlos kapituliert. Begründung: Weil alle, deshalb auch wir. Da stehen sie nun, die großen und kleinen „Sturmgeschütze der Demokratie“ – mit von den eigenen Kanonieren vernagelten Rohren! Das klassische Mitläuferargument als Anleitung zur Unschädlichmachung des Kampfgeräts. Armes Deutschland!

Nur das Fernsehen war live ehrlich wie immer: Es jubelte aus etlichen Moderatorenmündern über die endlich erfolgte Sprach-Gleichschaltung auf das Niveau, das hier besonders tief gepflegt wird. „Wetten dass?“, hieß es bei einem der Sender stolz, habe es ja schon immer so gehalten. Wetten, daß deshalb auch diese deutsche Reform ein totaler Erfolg werden wird?!

Ulrich Schacht war bis 1998 Chefreporter Kultur der „Welt am Sonntag“. Heute lebt er als Schriftsteller in Schweden.

JUNGE FREIHEIT Nr. 33/99 vom 13. August 1999, S. 2
www.jf-archiv.de/archiv99/339yy05.htm
________________________________________________


1) Die NS-Rechtschreibreform lag 1944 gedruckt in 1 Million Exemplaren vor:
Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Hrsg.): Regeln für die deutsche Rechtschreibung und Wörterverzeichnis. Berlin: Deutscher Schulbuchverlag, 1944.
Kopke, Wolfgang: Rechtschreibreform und Verfassungsrecht. Tübingen: Mohr, 1995, zitierte Beispiele aus diesem Regelwerk.

Ickler, Theodor: Die sogenannte Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich. 2. Auflage, St. Goar: Leibniz-Verlag, 1997, S. 195, Fußnote 4:
„Der ebenfalls sehr fortschrittliche Herausgeber der Bertelsmann- Rechtschreibung [Lutz Götze, Professor für das Fach Deutsch als Fremdsprache der Fachrichtung Germanistik an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken, MR] [...] meint, das Kriegsende habe ‚zum Glück’ verhindert, daß die Reformpläne des Nazi-Ministers Rust Wirklichkeit wurden. Er weiß nicht oder verschweigt, wie sehr diese Pläne mit der gegenwärtigen Reform und mit seinen eigenen weitergehenden Vorstellungen übereinstimmten.“

Theodor Ickler: Die einzige wirkliche Rechtschreibreform in Deutschland. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 129 vom 8. Juni 1998, S. 9 - www.vrs-ev.de/forum/themaschau.php?p=2296#2296

Ickler schreibt darin: „Ein kurzer Aufsatz, der Anfang 1944 in vielen Zeitungen erschien, faßt das Wesentliche zusammen und ist auch heute noch lesenswert“, und er zitiert daraus. Gemeint ist ein Aufsatz, der zum Beispiel in der „Dortmunder NS-Zeitung“ vom 28.6.1944 erschien. Ickler dankt H. Bodensieck, Universität Dortmund, für diesen Hinweis. Vgl. Theodor Ickler: Die Rechtschreibreform von 1944 (Anhang 13). In: Die Rechtschreibreform – Propaganda und Wirklichkeit, Fußnote 64. www.rechtschreibreform.com/Seiten2/Wissenschaft/969IcklerPropaganda/29A13.html

Theodor Ickler meint zwar: „Man kann nicht genug betonen, daß die Rustsche Reform keineswegs spezifisch nationalsozialistisch ist.“ Aber Birken-Bertsch / Markner weisen nach, daß dies dennoch so ist und daß obendrein eine sachliche und personelle Kontinuität zwischen der Reform von 1944 und der von 1996 vorhanden ist:

2) Birken-Bertsch, Hanno und Markner, Reinhard: Schrift und Rede, Rechtlautung und Rechtschreibung. Traditionslinien der Rechtschreibreform (1944/1996). In: Neue Rundschau, Berlin: S. Fischer Verlag GmbH, Heft 4, 2000, S. 112-124

Birken-Bertsch, Hanno und Markner, Reinhard: Rechtschreibreform und Nationalsozialismus. Ein Kapitel aus der politischen Geschichte der deutschen Sprache. Göttingen: Wallstein-Verlag, 2000.

Birken-Bertsch/Markner zitieren auf S. 96 ff. als Quelle für ihre Beispiele der NS-Rechtschreibreform:
[Karl Reumuth]: Fosfor, Kautsch, Plato, Ragu, Tese, Träner. Neue Regelung für die Rechtschreibung. In: Hannoverscher Kurier vom 27.6.1944

http://markner.free.fr/rrns.htm
http://markner.free.fr/rrrez.htm
http://forschungsgruppe.free.fr/sprachfuehrer.htm

Beispiele aus der NS-Rechtschreibreform aus einem Artikel in der „Dortmunder NS-Zeitung“ vom 28.06.1944 zitiert auch Harry Zingel: Geht die Schlechtschreibreform auf ein Nazi-Projekt zurück? 2003. In: www.bwl-bote.de/20030509.htm
__________________________________________________

Anmerkung:
In den VRS-Links wurde „viewtopic“ durch „themaschau“ ersetzt, damit sie wieder funktionieren.


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Beitrag: Mittwoch, 02. Jun. 2004 21:48    Titel: Umgestellte Journalisten Antworten mit Zitat

Umgestellte Journalisten

Zum Jubiläum der Rechtschreibreform


von Theodor Ickler

Die Beiträge der Zeitungen zum fünften Jahrestag der Rechtschreibreform veranlaßten einen Beobachter zu der Bemerkung: „Psychologisch interessant ist, daß kaum ein Journalist die Reform gut findet und trotzdem alle so tun, als sei etwas Wünschenswertes und Überfälliges gegen mancherlei Widerstand zum guten Ende gebracht worden.“ Mit wenigen Ausnahmen trifft das zu. Wahrscheinlich ist es kaum erträglich, jahrelang etwas tun zu müssen, was man für falsch hält. Allmählich wird man finden, daß es so schlimm gar nicht ist, zumindest erträglich, vielleicht sogar ganz gut, jedenfalls besser als das Alte. Leider gibt es dann immer noch einige Starrköpfe, die den lieben Frieden stören und einem das eigene Nachgeben gegenüber der Macht unangenehm gegenwärtig halten. Das verlangt Gegenmaßnahmen. Eine Handvoll Argumente wiederholt sich auffallend beständig, nicht erst seit gestern. Hier sind sie:

Die Sache ist gelaufen
Viele Journalisten stellen fest, die Reform habe „sich durchgesetzt“ – was insofern nicht zutrifft, als ihre Einführung, soweit bekannt, von keiner Redaktion aus freien Stücken beschlossen, sondern „von oben“ angeordnet worden ist. Die Nachrichtenagenturen und Zeitungsverleger hatten dafür einen Termin vereinbart, den 1. August 1999, der von den meisten auch eingehalten wurde. Die Rückkehr der FAZ zur bewährten Orthographie gilt als ärgerlich und wird regelmäßig bespöttelt: „Nur die Frankfurter Allgemeine (FAZ) tanzt einsam aus der Reihe.“ Die Journalisten schlagen hier denselben Ton an wie die Rechtschreibkommission, zu deren Sprachrohr sie sich geradezu machen. Kein Journalist allerdings, sondern ein Germanistikprofessor höhnt in der Nordwest-Zeitung: „Ein paar beharrliche Altschreiber wirken bereits exotisch. Das Satiremagazin ‘titanic’ Seit’ an Seit’ mit der ‘FAZ’ und der ‘DBZ’ (Deutsche Briefmarken Zeitung) als Hort der guten alten Rechtschreibzeit, das wirkt erheiternd.“ „Die FAZ an der Spitze einer revolutionären Bewegung! Die Macher gefielen sich in der Rolle, auch wenn es sich um eine Konterrevolution handelte.“ (Berliner Zeitung) Die FAZ war immerhin großzügig genug, in ihren Spalten den bayerischen Kultusminister und Reformdurchsetzer Hans Zehetmair als „fremde Feder“ raunen zu lassen: „Ganz deutlich muß gesagt werden, daß die ‘Verwirrung’ welche die Reformgegner immer wieder bei Alt und Jung ausmachen, unter anderem darauf zurückzuführen ist, daß auch eine renommierte Tageszeitung sich der neuen Rechtschreibung noch nicht angeschlossen hat.“ (Man beachte die kapriziöse Logik: Wenn die Verwirrung nur von den Reformgegnern ausgemacht wird, dann existiert sie vielleicht gar nicht – in welchem Falle auch die Schuld der FAZ sich in Grenzen hielte ...) Eine Horrorvorstellung scheint es für die Journalisten zu sein, daß die Reform zurückgenommen werden könnte: Man fürchtet offenbar, wie der nackte Kaiser dazustehen, nachdem das Kind die simple Wahrheit ausgesprochen hat. Das darf nicht sein, und darum beteuern auch kritische Beobachter wieder und wieder: „Ein Zurück wird es nicht geben.“ (Nürnberger Nachrichten u. a.) Die Einführung ist „endgültig“, „unumkehrbar“ (Hamburger Abendblatt).

„Experten“
„Am fünften Jahrestag der Einführung der Rechtschreibreform haben Experten eine überwiegend positive Bilanz gezogen.“ So die Deutsche Presse-Agentur, die bekanntlich federführend bei der Umstellung der Presse-Orthographie war. Als ersten dieser „Experten“ zitiert sie Klaus Heller, den Geschäftsführer der Rechtschreibkommission und Mitverfasser der Neuregelung. Daß er sein eigenes Werk „überwiegend positiv“ beurteilt, sollte niemanden überraschen. Auch Rudolf Hoberg wird in diesem Sinne zitiert, ein weiteres Mitglied der Kommission. Der österreichische Reformer Franz V. Spechtler ist ebenfalls hoch zufrieden (die Tiroler Tageszeitung gibt ungeprüft seine unwahre Behauptung weiter, aus 52 Kommaregeln seien fünf oder sechs geworden; Spechtler weiß natürlich, daß die Kommaregeln – bei gleichem Umfang – nur anders numeriert wurden). Solche „Experten“ wie die Vertreter des Bundeselternrates und des Deutschen Philologenverbandes, die sich weniger den Verbandsmitgliedern als den Kultusministerien verbunden fühlen, werden auch völlig kritiklos mit der Behauptung zitiert, an den Schulen gebe es mit der Neuregelung keinerlei Probleme. Die Spatzen pfeifen unterdes von den Dächern, daß dem nicht so ist. Man könnte es wissen, will aber nicht.

Schulbücher
Als Beleg für den Erfolg der Reform wird angeführt, daß „Schulbücher zu 100 Prozent in der neuen Rechtschreibung“ erscheinen. Das ist allerdings kein Wunder, denn die Kultusminister haben schon 1996, zwei Jahre vor dem Inkrafttreten der Reform, bekanntgegeben, daß sie ab sofort nur noch Schulbücher in Reformorthographie zulassen würden. Welcher Schulbuchverleger würde unter diesen Umständen nichtumgestellte Bücher herausbringen? Es wäre glatter Selbstmord.

Jogurt, Karamell, Schiffahrt
Wie kann man sich über Vereinfachungen wie das weggefallene h in „Jogurt“ oder das doch recht logische dritte f in „Schifffahrt“ aufregen? In Wirklichkeit regen sich die Kritiker darüber auch gar nicht so sehr auf; die ernsthafte Kritik gilt den willkürlichen, zum Teil grammatisch falschen Getrennt- und Großschreibungen und der rücksichtslosen Einebnung von Bedeutungsunterschieden einerseits (bis hin zur Beseitigung von Wörtern aus den Wörterbüchern), den unnötigen Komplizierungen andererseits. Die sind aber meist zu schwer zu verstehen, als daß Journalisten, die sich ja auch meist um das Studium des amtlichen Regeltextes drücken und lieber im Duden nachschlagen, sie zu durchschauen vermöchten.

Zauberwort „Reform“
Reformen abzulehnen scheint von vornherein eine reaktionäre Haltung zu sein. Reform – oder was sich so nennt – ist an sich gut. Mit diesem naiven Sprachzauber wuchern die Veränderungswilligen; schon in den siebziger Jahren sollte an der Veränderung der Rechtschreibung die Veränderbarkeit der Gesellschaft demonstriert werden. Politiker haben manchmal die Rechtschreibreform als Testfall für die Reformfähigkeit des wiedervereinigten Deutschland bezeichnet (so Kultusminister Hans-Joachim Meyer vor dem Bundestag). „Mit Reformen tun wir uns alleweil schwer hier zu Lande.“ (Nordwest-Zeitung) Nach Peter Schmachthagen (Hamburger Abendblatt) „ist es fast ein Wunder, dass es in unserem reformscheuen Deutschland eine Rechtschreibreform gegeben hat.“ Gern verschweigen die Zeitungen auch, daß die „Verbindlichkeit“ der neuen Schreibweisen nur für die Schule gilt; dadurch scheint die Verantwortung der Presse geringer.

„Glaubenskrieger“ gegen „Reförmchen“
Wer auf etwas so Lächerliches wie die Grammatik Wert legt, muß ein Fanatiker, Fundamentalist, Glaubenskrieger, Eiferer, Korinthenzähler, Streber usw. sein. Dabei ist die Reform doch nur ein Reförmchen. Das von den Kritiker (wann und wo eigentlich?) vorausgesagte „Chaos“, der „Untergang des Abendlandes“, die „Apokalypse“ (Die Welt) sei nicht eingetreten. Dem dpa-Redakteur Karl-Heinz Reith springt etwas so Unwichtiges wie „der Erhalt von Konsonanten bei Wort-Zusammensetzungen wie ‘Pappplakat’ oder ‘Sauerstoffflasche’ in die Augen“ (Heilbronner Stimme), sicher kein Grund zur Aufregung, denn just diese Wörter wurden schon vor der Reform so geschrieben.

Die armen Schüler
Schon die dreiste Annullierung des schleswig-holsteinischen Volksentscheids durch eine Allfraktionen-Koalition des Landtags wurde von einer gefügigen Presse mit dem Argument entschuldigt, damit seien die Schüler dieses Bundeslandes von einer „Rechtschreibinsel“ heruntergeholt worden (während man sie in Wirklichkeit gemeinsam mit allen deutschen Schülern auf eine solche Insel deportierte; denn außerhalb der Schule wird die amtliche Regelung nirgendwo angewendet). Noch immer zieht das Argument, man müsse auf die Schüler Rücksicht nehmen:
„Das Abendblatt hat die Rechtschreibreform nicht mitgemacht, weil es von einem Änderungswahn befallen gewesen wäre, sondern weil es die Schreibweise bieten wollte, wie sie in den Schulen gelehrt wird.“ So verteidigt Peter Schmachthagen sein Hamburger Abendblatt. Dann müßte allerdings in der Zeitung die amtliche Regelung und nicht die in wesentlichen Punkten abweichende, die Schüler daher irreführende Agenturschreibung verwendet werden.

Alte Knacker
Wer noch „Handkuß“ schreibt, pflegt auch den Handkuß noch: „ein paar Konservative“ im Umkreis der FAZ. Das hat Brenda Strohmaier erkannt (Berliner Zeitung). Ihre Ausführungen über die angeblich so reaktionäre Zeitung aus Frankfurt schließt sie mit den selbstentlarvenden Worten: „Heute sehen ‘Fluß’, ‘Prozeß’ und ‘Biß’ nur noch altmodisch aus. Wie ein Handkuß eben.“ Man fragt sich, was die Verfasserin eigentlich liest. Gregor Dotzauer hat im „Tagesspiegel“ herausgefunden: „Reformgegner sind nicht automatisch von gestern. Die Frage der Lernfähigkeit stellt sich für sie aber in besonderem Maß. Dass es zwischen ihnen und dem nichtdigitalisierten Teil der deutschen Bevölkerung frappierende Überschneidungen gibt, ist dafür ein wichtiges Indiz.“ (Kurioserweise stellt dpa-Redakteur Reith gerade umgekehrt fest, daß die Reformgegner ihren Kampf „vorwiegend im Internet“ führen.) Ein Trost: die Unbelehrbaren sterben aus. „Es ist verständlich, dass Leute wie Giordano, Reich-Ranicki, Grass, Kempowski oder Gertrud Höhler nichts Neues mehr lernen wollen, aber die Reform hat sich dennoch weitgehend durchgesetzt – wenn auch nicht in verträumten Dichterstuben, sondern vor allem bei denjenigen, die das Lesen und Schreiben neu lernen. Und davon gibt es immer mehr. Diese Schülerjahrgänge wachsen nach.“ (Peter Schmachthagen im Hamburger Abendblatt) Noch brutaler sagt es Matthias Heine in der „Welt“: „Die Tatsache, dass so viele noch an der alten Rechtschreibung festhalten, beweist nur den menschlichen Unwillen, einmal Gelerntes infrage zu stellen. Dass Marcel Reich-Ranicki und Walter Kempowski mit 80 nichts Neues mehr lernen wollen, ist sehr verständlich. Viele sehr alte Leute schreiben bis heute noch Sütterlinschrift. So wie diese wird vermutlich auch die alte Orthographie verschwinden, spätestens wenn das FAZ-Herausgebergremium nur noch aus Leuten besteht, die in der Schule die neuen Regeln gelernt haben.“ Was dieses „Neue“ taugt, scheint gar keine Rolle mehr zu spielen.

Doofe Schriftsteller
Was von den berühmten deutschen Schriftstellern zu halten ist, hat der damalige Direktor des Instituts für deutsche Sprache, einer selbsternannten Propagandazentrale für die Rechtschreibreform, schon vor sechs Jahren vorgegeben. Im gleichen Ton sagt heute der Geschäftsführer der Rechtschreibkommission, Klaus Heller: „‘Was viel gelesen wird, erscheint in neuer Rechtschreibung’. Anders sei es mit der, nun, ‘Höhenliteratur’. Autoren wie Grass, Lenz, Kunze ‘fühlen sich als Wahrer der deutschen Sprache, verstehen auch die Unterscheidung von Sprache und Schreibung nicht’, sagt er kämpferisch.“ (Berliner Zeitung) Daß Reiner Kunze nicht zwischen Scrift und Sprache zu unterscheiden wüßte, ist eine wahrhaft bodenlose Unterstellung, aber es wird kommentarlos weitergereicht.

Friedhofsruhe
Nicht ohne Zufriedenheit stellen manche Zeitungsschreiber fest, daß es um das Thema Rechtschreibreform still geworden sei. Sie wissen genau, daß die Zeitungen selbst es sind, die darüber bestimmen, was diskutiert wird und was nicht. Das reicht von redaktionellen Beiträgen bis zur Auswahl der Leserbriefe. Anhand von Jahrgangs-CD-ROMs läßt sich nachweisen, daß zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung nach dem 1. August 1999 das Thema Rechtschreibreform regelrecht unterdrückt hat. In manchen Zeitungen werden sogar die Todesanzeigen zwangsweise auf die neue Schreibung umgestellt, damit jede Erinnerung an die „alte“ möglichst rasch verlorengeht (schriftlich bestätigt von der Nordbayerischen Anzeigenverwaltung). Außerdem ist es angenehm, daß man sich mit einem peinlichen Gegenstand, der „kein Thema“ mehr ist, auch nicht länger zu beschäftigen braucht.

„Es gibt Wichtigeres“ oder: Reden wir von was anderem!
Rechtschreibreform? Gibt es nichts Wichtigeres? Zum Beispiel die Fremdwörter („Anglizismen“), das Schwinden des Sprachgefühls... „Können wir jetzt bitte wieder über die Gesundheits- und die Rentenreform reden?“ Auch diese Rhetorik trägt zur Themenvernichtung bei, und wieder übernehmen die Zeitungen wortgetreu die Taktik der Reformer selbst: Jahrzehntelang hatte sie die überragende Wichtigkeit einer Rechtschreibreform behauptet; sobald die Sache unter Dach und Fach war, schnitten sie jede Diskussion mit dem Hinweis ab, es gebe Wichtigeres.

Schlußbetrachung
Der Verleger Walter Lachenmann kommt nach Lektüre zahlreicher „Jubiläums“-Artikel zu folgendem Schluß: „Die Quintessenz der Betrachtungen zum 5. Jahrestag der Reformeinführung scheint zu sein: Die Reform ist zwar ohne jeden Zweifel ziemlich mißraten, hat sich aber dennoch durchgesetzt, was mit einiger Genüßlichkeit festgestellt wird. Weshalb das ganze Experiment veranstaltet wurde und welche Folgen es in den verschiedensten Bereichen hat (die Schule ist davon ja nur ein sehr vordergründiger und eher nebensächlicher), scheint kaum einen dieser Kommentatoren zu interessieren. Dabei hat man den Journalisten ihr ureigenstes Handwerkszeug so verdorben, daß sie tagtäglich Absonderlichkeiten schreiben, für die man sie vor fünf Jahren ausgelacht hätte. Ähnliches gilt für ihren Umgang mit Wahrheit und Vernunft, als deren Wächter sie sich ansonsten gerne betrachten.“

(Alle Zitate stammen aus Zeitungen um den 1. August 2003 herum; einige sind grammatisch an den Kontext angepaßt, im Wortlaut aber unverändert. Es gibt natürlich – das sei ausdrücklich festgehalten – auch weiterhin gute, kenntnisreiche Beiträge, auf die hier nicht eingegangen wurde, zum Beispiel von Dankwart Guratzsch, Heike Schmoll, Burkhard Müller-Ullrich und Michael Wittler.)
– geändert durch Theodor Ickler am 06.08.2003, 19.16 –
__________________

05.08.2003 08.39 Theodor Ickler
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Manfred Riebe



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Beitrag: Dienstag, 22. Jun. 2004 15:54    Titel: Rechtschreibreform im Darmstädter Echo Antworten mit Zitat

Rechtschreibreform im Darmstädter Echo
„Ist das eine freiwillige Gleichschaltung der deutschen Presse“?
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Rechtschreibreform in der Zeitung und bei Echo Online ab 1. August
Jetzt machen die Nachrichtenagenturen und mit ihnen die Tageszeitungen Ernst damit


Nach dem langen Hin und Her um die Rechtschreibreform machen jetzt die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen und mit ihnen die Tageszeitungen Ernst damit. Ab 1. August 1999 stellen, wie angekündigt, die meisten Tageszeitungen zeitgleich mit den Agenturen ihre redaktionellen Texte auf die neue Rechtschreibung um. Auch das Darmstädter Echo und Echo Online.
Ist das eine freiwillige Gleichschaltung der deutschen Presse, wie Gegner der Reform wettern werden? Die Rechtschreibreform ist ja eigentlich nur dort verbindlich, wo der Staat das Sagen hat – in den Schulen und der öffentlichen Verwaltung. In den Schulen, außer in Schleswig-Holstein, wo ein Bürgerentscheid das blockierte, wird die neue Rechtschreibung schon seit einiger Zeit gelehrt. In den Behörden wird sie nach und nach eingeführt. Es kann unter diesen Umständen, so meinen wir, nicht Aufgabe der Nachrichtenagenturen und Zeitungen sein, die Reform zu blockieren oder boykottieren.
[...]

Jürgen Diesner
[stellvertretender Chefredakteur]
24.7.1999

Echo Online GmbH, ein Unternehmen des Medienhauses Südhessen der Darmstädter Echo Verlag und Druckerei GmbH
Darmstädter Echo, Rüsselsheimer Echo, Starkenburger Echo, iOdenwälder Echo, Ried Echo, dem Groß-Gerauer Echo
http://www.echo-online.de/wir_ueber_uns/detail.php3?id=3386
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